Читать книгу Friedemann sucht. - Rüdiger Klein - Страница 4
Alle für einen
ОглавлениеHernandez, Olivier, Traugott und ich trafen uns zu einer ersten Lagebesprechung in Porto Cervo.
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Wissen Sie, unsereins ist irgendwie getrieben. Es ist ja nicht so, dass wir jahraus, jahrein auf irgendwelchen Schlössern oder in Megacity-Penthouses hocken und das Leben genießen. So ein Dasein ist unerträglich. Luxusyachten hält man noch weniger aus. Denken Sie zum Beispiel an Herrn Abramowitsch, der von seiner Yacht Eclipse dermaßen gelangweilt ist, dass er sich immer erst kurz bevor er einen Hafen anläuft, per Helikopter auf seine schwimmende Festung bringen lässt.
Wir sind eine Legion superreicher Zugvögel, die auf recht festgelegten Routen im Rhythmus der Jahreszeiten um die Welt ziehen: Cannes, Acapulco, Kitzbühel, Porto Cervo und so weiter – jeweils gefolgt von den neuesten Auslagen von Prada und Bulgari sowie einem Tross von Stylisten, Starköchen und Celebrities.
Da der weltweite sogenannte Wohlstand seit Dekaden beängstigend zunimmt, gibt es natürlich kaum noch Orte, die von, nun ja, Wohlstehenden verschont bleiben. Unsere Biotope schwinden. Ein paar Superschlaue hielten es für eine gute Idee, auf andere Orte auszuweichen: Dubai, Qingdao und so. Traugott hat uns klargemacht, dass solche Refugien zwangsläufig ephemer sind und dass solches Fluchtverhalten letztlich nur dazu führen würde, dass wir irgendwann in Hagen oder Albuquerque enden würden, um unter uns zu bleiben. Dann sei es doch besser, den wirklich schönen Orten treu zu bleiben. Zu denen gehört für uns vier halt Porto Cervo. Hernandez besitzt dort eine hübsche, in die Felsküste gesprengte Unterkunft.
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Wir waren ohnehin auf einer Abramowitsch-Yacht-Party vor Porto Cervo eingeladen und hatten ausgemacht, uns danach bei Hernandez einzuquartieren, um strategisch zu arbeiten.
Ich glaube nicht, dass Sie auch auf der Party waren, – sonst würden wir uns vielleicht kennen, nicht wahr? Also, für alle Fälle: Ich war der Herr im Smoking und der weinroten Fliege auf dem zweiten Achterdeck, der vielleicht ein wenig overdressed wirkte, inmitten all der Damen und Herren die quasi undressed waren. Bei den A-Y-P ist es gemeinhin so, dass natürlich nicht nur Leute eingeladen sind, die Abramowitsch persönlich kennt. Die Eclipse ist so unglaublich groß, dass sich eine Partygesellschaft von wenigen Hundert derart verloren fühlen würde, dass einfach keine Stimmung aufkäme. Mithin sorgt der Eventmanager von Abramowitsch dafür, dass immer etwa eintausend Gäste an Bord sind. Um eine Einladung zu bekommen, muss man entweder halbberühmt sein oder hübsch oder in der A-Y-P-L gewonnen haben. Diese Abramowitsch-Yacht-Party-Lotterie ist ein ebenso großartiger wie ekelerregender Einfall jenes Eventmanagers. Der Mann ging davon aus, dass der typische Neureiche einfach jeden Blödsinn mitmacht, um gesellschaftlich anerkannt zu werden. Er hatte Recht. Die bedauernswerten Deppen zahlen für ein Los schlanke einhunderttausend Dollars. Gewinnchance zehn zu eins. Wer gewinnt, bekommt eine Einladung mit originalem Unterschriftsfaksimile von Abramowitsch. Damit hat er dann ab 16 Uhr Zutritt auf einem der unteren drei Achterdecks. Dort steht er mit den Halbberühmten und Hübschen und ist hoffentlich glücklich. Natürlich ist er nicht glücklich, dort zu sein. Denn die Situation und die Gesellschaft, in die er geraten ist, behagen ihm gar nicht. Aber wahrscheinlich ist er glücklich darüber, dass er dort gewesen sein wird und jedem, der es nicht wissen will, von der sagenhaften A-Y-P vorschwärmen kann. Sinnvoller Weise wird er, da die sardischen Sommernachmittage heiß sind, leicht geschürzt auf einem der drei Achterdecks stehen. Deswegen wird er es auch nicht wirklich bedauern, keinen Zugang zu den klimatisierten Innenräumen zu haben, die dem Inner Circle, also den echten Gästen, vorbehalten sind. Er ahnt, dass er sich dort mindestens eine fiese Erkältung zuziehen würde, im Inner Circle.
Womit wir wieder bei mir wären. Der Umstand, dass Sie mich, wenn Sie mich gesehen haben, im Smoking antrafen, beruht auf einem meiner üblichen Missgeschicke. Ich hatte mich auf dem Weg zur Toilette verlaufen. Der Zutritt von außen war für die Dauer der Party versiegelt. Eine hübsche elektronische Spielerei, für die ich mich von innen sehr viel mehr hatte begeistern können.
Nachdem ich festgestellt hatte, dass draußen der Gin Tonic auch nicht schlechter war als drinnen, beschloss ich, mich in Konversation zu üben.
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Er hieß Gunnar Hempktem und sagte, bevor ich es verhindern konnte: „Ich bin der größte Güllespritzendüsenproduzent der Welt. Mehr als jede zweite Güllespritzendüse dieser Welt kommt aus meinem Werk in Beelen.“ Er trug zu seinem Badehöschen einen von zahlreichen Diäten gezeichneten Sackbauch und eine metallen glitzernde Seidenweste. „Wissen Sie, ich bin sehr bekannt bei uns. Ich mache auch Charity, wissen Sie. Wir haben für diese armen Kinder in Afrika eine ganze Schule auf die Beine gestellt. Sie sollten mal meine Pressemappe sehen.“ So ging das eine ganze Weile. Dass ich nichts sagte, schien Herrn Hempktem nicht weiter zu stören. Aber ich muss ziemlich bald ziemlich blöd geglotzt haben. Also entschuldigte sich Herr Hempktem irgendwann mit den Worten: „Nun ja, nichts für ungut. Ich muss mal wieder rein, zu Roman. Also. Man sieht sich.“ Mit diesen Worten prostete er mir zu und bewegte sich Richtung Glastür. Ich tat ihm den Gefallen, weg zu schauen, bevor es für ihn noch peinlicher würde.
Noch mehr Party konnte ich beim besten Willen nicht ertragen. Ich telefonierte nach drinnen und ließ Traugott wissen, ich würde mich schon mal zu Hernandez‘ Grotte bringen lassen. Mich beim Gastgeber zu verabschieden, war nicht nötig. Er war, wie oft, gar nicht da.
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Am nächsten Nachmittag, Stanley hatte die Frühstückstafel abgeräumt und das von Traugott besorgte Smart-Board installiert, wurde es ernst.
Zwar war ich es, der um das Treffen gebeten hatte, aber Traugott eröffnete die Runde: „Liebe Freunde. Friedemann hat beschlossen, zu heiraten."
„Oh, Peaceman!", stöhnte Olivier, „soll das jetzt so eine Art Junggesellenabschied werden?"
„Ich wusste gar nicht, dass Peaceman was mit Frauen macht", meinte Hernandez, „kennen wir die Glückliche?“
„Wahrscheinlich nicht“, erklärte Traugott und erläuterte die Problemstellung, während ich mich unter den bedauernden Blicken von Hernandez und Olivier hinweg duckte.
Nach einer würdevollen Pause fragte Olivier: „Und was soll das Smart-Board?“
Ich schämte mich nicht, die Sache komplett Traugott zu überlassen, hatte aber das Gefühl, es wäre vielleicht hilfreich, den Eindruck zu erwecken, auch ich sei an der Lösung meines Problems interessiert: „Brainstorming, meine Freunde. Ich hoffe, auf Euch zählen zu können. Strategien, Taktiken, Lösungsansätze. Ich bitte Euch um Hilfe.“
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Es stimmt, auf den ersten Blick wirken Hernandez und Olivier wie erbärmliche Nichtsnutze. Auf den zweiten auch.
Aber mich in dieser Lage zu wissen, entfachte das verschämte Glimmen ihres Lebens zu einem lodernden Feuer. Mamans letzter Wille war nicht nur meine persönliche Berufung. Wir alle hatten nun eine Mission.
Das Smart-Board explodierte unter dem Beschuss unserer Gedankenblitze. Natürlich war es Traugott, der dann Ordnung in das Chaos brachte, während wir uns bei Austern und Champagner von der ungewohnten Anstrengung erholten.
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Als kluger Leser werden Sie sich spätestens jetzt gefragt haben, in welcher Sprache wir vier miteinander verkehren. Das will ich Ihnen gerne verraten:
Traugott spricht mit sich selbst und mit den anderen englisch, mit mir jedoch deutsch, es sei denn, wir sind nicht allein.
Olivier spricht ausschließlich amerikanisch und ein wenig englisch.
Hernandez spricht mit Frauen – wenn überhaupt – spanisch, sonst englisch.
Ich selbst, na, das können Sie sich ja denken.
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Nachdem Traugott die Brainstorming-Ergebnisse ausgewertet und uns schonend die Gehaltlosigkeit derselben vermittelt hatte, versuchte er es mit einem kompetenzbasierten Ansatz:
Hernandez weiß eine Menge über Sex: Wie man ihn macht, was er kostet und dergleichen. Eine klar zu verortende Kernkompetenz.
Olivier hatte seine Wohnung in London vier Jahre mit einer schwedischen Studentin geteilt. Das Teilen inbegriff neben Logis und Kost auch die häuslichen Pflichten. Bedienstete lehnte die junge Dame als ausbeuterisch ab, so dass Olivier für Spülen, Wäsche und Putzen zuständig war. Olivier hat sehr intensive Erfahrungen mit seiner Mitbewohnerin gemacht, die ihn auch davon überzeugt hatte, dass geschlechtliche Liebe ein überholtes Konzept sei. Nachdem sie ihr Studium beendet hatte und ausgezogen war, fand Olivier in der Post noch wochenlang an sie gerichtete Einladungen zu widerlichen Sexpartys.
Jedenfalls war Olivier damit unser Experte für die häusliche Zweisamkeit.
„Ich versichere Euch, das ist ein nicht zu unterschätzender Aspekt. Sehr viele Ehen scheitern an diesem Punkt. Die Flitterwochen meistern die frischen Gatten in der Regel anstandslos - aber dann…“ Traugott blickte uns vielsagend an: „Ja, es ist, damit Friedemanns Ehe nicht scheitert, unabdingbar, dass wir ihn auf diesen Punkt angemessen vorbereiten. Ich schlage vor, dass Du, Olivier, zunächst eine Powerpoint-Präsentation zu dem Thema erstellst.“
Olivier nickte zunächst eifrig, sagte dann aber: „Powerpoint, ja? Ich weiß wasses is, aber nicht, wie es geht.“
„Hey“, half ihm Hernandez, „für diese Computersachen sind die von Apple am besten. Ich schätze, für Peaceman wollen wir nur das Beste, oder?“
„Powerpoint“, wandte Traugott ein, „ist eine Windows-Software der Microsoft Corporation.“
Doch sein Einwand verklang ohne Echo.
Olivier hatte bereits seinen Privatsekretär über Handy angewiesen, einen Top-Entwickler von Apple anzuheuern, um die Sache in Gang zu setzen. Hernandez war begeistert und bat Stanley, den Art Director der Marketingzentrale von Apple zu engagieren.
Olivier reagierte gereizt: „Was soll das Hernandez? Das ist meine Präsentation.“
„Entspann Dich, Du Frettchen! Das ist für meine eigene Präsentation.“
Wir glotzten mit offenem Mund.
„Na ja, das mit dem Sex“, versuchte Hernandez, uns aufzuhelfen.
Traugott gewann als erster die Fassung zurück: „Mit Verlaub, Hernandez, zu Deinem Thema gibt es audiovisuelle Lehrmittel im Übermaß. Vielleicht hilfst Du uns stattdessen bei der Sichtung des Materials.“
Hernandez willigte ein, und ich war erleichtert.
„Traugott, mein Guter“, hob ich an, „was sind denn Deine Erfahrungen mit dem schönen Geschlecht?“
„Friedemann, ich dachte, Dir sei bekannt, dass ich nicht homosexuell veranlagt bin.“
„Komm schon“, assistierte Hernandez, „Du und die Frauen.“
„Ich habe bisher nur mit Damen von Stand verkehrt und das auch eher sporadisch. Das sind Erfahrungen, die im Hinblick auf unser Projekt nicht zielführend sind.“
„Immerhinque, mein Guter, Du bist ein erfahrener Mann.“
„Gewiss, Friedemann. Nun lass uns sehen, auf welchem Fundament wir bei Dir bauen können.“
Hernandez und Olivier pflichteten bei: „Genau! Was weißt Du von Frauen?“
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Nun war es also an der Zeit, meinen Freunden und mir Rechenschaft über dieses Thema abzulegen, das mir so fern war, wie die Strömungsverhältnisse im östlichen Südpazifik.
In der Tat hatte ich mich mit dem Geschlechtsverkehr bis dato noch nicht eingehend befasst. Es gibt keine Frau, mit der ich eine engere, liebevollere Beziehung hatte als mit Maman. Nichts hätte mir ferner gelegen, jemanden wie sie ehelichen zu wollen.
Ich rasiere mich etwa einmal alle zwei Wochen. Das dürfte meinen Testosteronspiegel ganz gut charakterisieren. Als ich in dem Alter war, in dem andere Jungen die Pubertät durchlitten, war Maman zunächst ganz froh, dass ich jedes geschlechtliche Interesse vermissen ließ. Später dann machte sie sich Sorgen. In der Hoffnung, ich sei wenigstens schwul, schickte sie mich in die Latein-Nachhilfe zu einem zuverlässigen Päderasten unseres Waldklosters – ohne Erfolg. Als ich dann auch noch das Onanieren vernachlässigte, schleppte Maman mich zu allen möglichen Ärzten, die jedoch dem casus ratlos gegenüber standen. Immerhin bestätigte Mamans letzte medizinische Hoffnung, Frau Dr. Olga Schnurskovajala – eine Koryphäe – dass meine Körperfunktionen einwandfrei seien: allein es fehle mir offenbar an hinreichendem Interesse für die Sache.
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„Nun, ja“, gab ich zu, „habe mich noch nicht so recht mit Frauen befasst. Also nicht so in dem Sinne, nicht wahr. Ich meine, das ist für mich nicht so von – Belang.“
Hernandez war sprachlos.
Olivier soufflierte: „Mangelndes Interesse?"
„Nun, Mädels, ich interessiere mich bekanntlich auch nicht für Fußball. Bin ich etwa deswegen kein richtiger Mann?“
Drei Köpfe schüttelten ein beschwörendes „Nein!“
Schweigen.
Traugott, hilfsbereit wie immer, entkorkte zu unserer Entlastung eine weitere Bouteille. Irgendwann konstatierte Olivier: „Peaceman ist Jungfrau.“
Olivier schien besorgt: „Wie willst Du denn dann Deinen ehelichen Pflichten nachkommen?“
Traugott sprang mir bei: „Friedemanns Pflichtbewusstsein ist über jeden Zweifel erhaben.“
„Hört, hört!“
„Seine ehelichen Pflichten wird er erfüllen; dass es Außereheliche gäbe, ist mir nicht bekannt.“
„Versteht mich nicht falsch Freunde, ich bin nicht sexophop. Es war halt für mich bislang kein vordringliches Thema. Bis heute.“
Hernandez legte mir seine Hand ermutigend auf die Schulter: „Das wird schon, Peaceman.“
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Sie werden verstehen, dass wir für den Tag erledigt waren. Unsere letzten Kräfte widmeten wir der Vorbereitung auf das Abendprogramm: Partyhopping. Seltsam, wie oberflächlich uns das plötzlich erschien.
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Als wir uns tags darauf erneut vor dem Smart-Board versammelten, waren wir ergriffen, zu lesen, was Traugott vorbereitet hatte:
1. MAMANS LETZTER WILLE:
„Pflanz Dich fort… Friedemann, mein Junge, Du musst nur die richtige Frau finden. Den Rest überlass ihr. Dann wird alles gut.“
2. AUFGABE:
Mamans letzter Wille im Lichte der hermeneutischen Auslegung.
Weil uns Traugott erwartungsvoll ansah, meinte Hernandez endlich: „Emmh.“
Olivier äußerte ein entschiedenes: „Ööeeh.“
Da ich weniger getrunken hatte als sonst, gelang mir ein: „Warum – hermeneutisch?“
„Ich bitte Dich, Friedemann, die historische Auslegung wäre hier offenbar nicht angebracht und schon gar niemand wird erwarten, dass gerade ich der marxistischen Textinterpretation das Wort rede.“
Dann traf es uns wie Donnerschlag. Als hätte sich ein Blutgerinnsel gelöst, das die Sauerstoffzufuhr seines Großhirns über Jahrzehnte auf ein lebensnotwendiges Minimum gedrosselt hatte, warf Hernandez ein: „Was spricht eigentlich dagegen, mit der wörtlichen Auslegung zu beginnen, die daraus abgeleitete Hypothese in den systematischen Kontext zu stellen und das Ergebnis anhand teleologischer Überlegungen zu verifizieren?“
„In Ordnung“, replizierte Traugott, und während Olivier und ich noch staunten, nahm das Blutgerinnsel wieder seinen alten Platz ein.
Olivier bemerkte zu Recht: „Wenn man den ganzen Schnickschnack mal weglässt, scheint mir folgendes klar: Da Peaceman nur die Richtige finden und der dann das Weitere überlassen soll, damit ‚alles gut‘ wird, muss die Frau dominant sein.“
„Und klug.“
„Und gebärfähig.“
„Und gebärwillig.“
„Alles andere ist eigentlich egal.“
„Ladies“, wandte Hernandez ein, „das Huhn muss wenigstens so attraktiv sein, dass Peaceman, seinen Mann stehen kann.“
„Hört, hört!“
„Eins noch“, gab ich zu bedenken, „sie muss m i c h wenigstens so attraktiv finden, dass sie sich von mir begatten lässt.“
Meine Freunde blickten betroffen.
Hernandez sah Licht: „Hey, kommt schon! It's money that matters, comme le Francais dit.”
Dem trat ich entschieden entgegen: „Ich erlaube mir, zu bezweifeln, dass eine Dame mit Herzensbildung sich quasi kaufen lässt. Das widerspricht meinem romantischen Anspruch an die Ehe. Ich denke, da pflichtest Du mir bei, Traugott, nicht wahr?“
„Nun, Friedemann, es gibt in der Tat ernstzunehmende Untersuchungen, wonach zum Beispiel ein Mann, der einen Meter und fünfundsechzig Zentimeter groß ist, bei Frauen dieselben Chancen hat, wie ein Mann der fünf Zentimeter größer ist, vorausgesetzt, der Kleinere verdient im Jahr einhundertfünfundsiebzigtausend Dollars mehr. Insoweit ist das Argument von Hernandez nicht ganz abwegig.“
„Dann ist das Ding für Peaceman doch gelaufen: Er könnte sogar bei Miss World landen, selbst wenn er wie Gollum aussähe.“
„Nein, nein, nein, meine Freunde“, Traugott blickte ernst, „Wir reden nicht von einer Dame, wie sie Hernandez vorschwebt. Die wäre gewiss nicht die Richtige. Unser Zielobjekt darf Friedemann nicht wegen seines Geldes begehren, muss aber andererseits selbiges zu goutieren wissen. Das ist nicht trivial.“
Olivier pflichtete bei „Ja Mann, keine Kinderkacke.“
„Hoppeldipopp.“
Mehr war von uns bis auf weiteres nicht zu erwarten.
Abends gab uns Traugott noch eine Shortlist der wichtigsten Eigenschaften meiner Zukünftigen und erklärte, er selbst werde sich zwecks weiterer Recherchen und Planungen nach Paris zurückziehen.
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Hatte ich erwähnt, dass Traugott – ich hatte ihm der Einfachheit halber Kontenvollmacht eingeräumt – praktischerweise davon ausging, dass ich, als derjenige, dem er – „bis auf weiteres“ – sein Leben geweiht hatte, quasi im Gegenzug dafür sorgen werde, dieses Leben im Übrigen von allen, vor allem finanziellen, Hindernissen freizuhalten, die dem Vollzug des Weihens entgegenstehen würden?
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Olivier wurde von Traugott gebeten, mich für die nächsten Monate in seine Londoner Wohnung mitzunehmen. Dort solle Olivier die Rolle meiner künftigen Gattin übernehmen, damit ich das eheliche Zusammenleben unter der häuslichen Perspektive einüben könne. England sei dafür unter anderem deswegen geeignet, weil das dortige Sozialamt batteriebetriebene Babypuppen mit simulierten Körperfunktionen an weibliche Teenager der Unterschicht verleihe, um diesen den Horror leichtsinninduzierten Kindersegens nahezubringen. Ich stimmte zu – unter der Bedingung, dass Olivier beim Sozialamt als weiblicher Teenager der Unterschicht vorspreche. Traugott fand das rollengerecht.
Hernandez versprach ungebeten, besagtes „Material“ zu sichten.
So trennten wir uns, ein jeder beseelt von seiner Aufgabe:
„Haut rein, Leute!“
„Cheers.“
„Hoppeldipopp.“
„Gehabt Euch wohl.“