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Die Textur
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„Wir können starten, Jael.“
Ein Zischen. Dann die Kollision. Wir sehen auf dem Sensorschirm das charakteristische Kollisionsmuster mit dem ‚Ruach‘, wie Jael es nennt. Das Bild steht beinahe still und zeigt kaum Bewegung. Wieder deute ich auf den Wind. „Schaut. Er hat eine Textur. Es ist fast wie bei einem Fingerabdruck. Es ist ein ganz periodisches Muster.“
Sie schaut mir in die Augen. „Denkst du, das Signal ist komprimiert oder gar verschlüsselt?“
„Nein, Jael. Für eine Verschlüsselung ist die Textur zu geordnet. Und eine Kompression schließe ich anhand der weiten Bandbreite des Signals aus. Es scheint mir gerade so, als sollten wir es lesen können.“
Jael blickt erstaunt auf den Sensorschirm. „Das Muster erinnert mich irgendwie an eine Schallwelle. Es sind immer drei Maxima, die sich wiederholen.“
Auch Noah schaltet sich ins Gespräch ein. „Wenn es Sprache wäre, dann würde ich sagen, es ist ein dreisilbiges Wort, das immer und immer wiederholt wird.“
Ich kratze mich am rechten Ohr. „Schaut nur, die Frequenz wird nach jeder dritten Welle moduliert. Also, es könnte auch mit einer Melodie verglichen werden.“
„Oder mit einem Gesang, wenn es eine Stimme ist“, wirft Noah ein.
„Oder ein Gesang“, wiederholt Jael. Ein Schaudern geht über ihr Gesicht.
„Du fürchtest dich, Jael? Ich sehe es deinen Augen an, dass du dich unwohl fühlst.“ Noah schaut sie mitfühlend an.
„Ich würde das an dieser Stelle gern abbrechen. Wenn es das ist, wofür ich es halte, dann müssten wir sterben, wenn wir die Schallwelle hören würden.“ Jaels Hände zittern.
So erregt kenne ich sie bislang nicht. „Deine Hände zittern, Jael.“
Noah legt seine Hand auf Jaels Schulter. „Was macht dir solch große Angst? Was denkst du, was wir da sehen?“
„Ich möchte es nicht aussprechen, Noah. Respektiere das bitte.“
„Ich ahne, was du denkst, Jael. Du brauchst dich nicht zu fürchten. Was wir hier sehen, geht wie ein Singen durch die ganze Schöpfung.“
„Ich habe einen anderen Glauben als du, Noah. Ich bin kein messianischer Jude, so wie du. Und ich bin kein Christ, wie Lars.“
„Ich denke jetzt nur an ein Wort aus dem Alten Testament. Aus Zefanja 3,17. Der Herr, dein Gott ist mir dir, er ist ein wunderbarer Kämpfer, der dich errettet. Er wird sich über dich freuen, er wird dir vergeben und über dich jubeln mit Singen.“
Ich melde mich wieder zu Wort „So etwas hätte ich hier in diesem Experimentalaufbau nicht erwartet.“
Noah lässt nicht locker. „Gibt es eine Möglichkeit, das, was wir da sehen, über einen Lautsprecher abzuspielen?“
„Nein, Noah. Der Ruach erscheint nicht im Datenspeicher, der an den Sensor angeschlossen ist. Wir müssten das Signal in einen Tongenerator einspeisen, um es hörbar abspielen zu können. Ich verstehe ohnehin nicht, warum unsere Augen auf dem Sensor etwas erkennen können, das kein Signal im Datenspeicher hinterlässt.“
„Ja, das ist seltsam“, gibt Noah zu, „vielleicht spielen uns jetzt auch nur unsere Nerven einen Streich.“
Ich nicke. „Es ist schon ein extrem seltsames Experiment das wir hier machen. Wir können ja nicht einmal Messwerte protokollieren. Es gibt ausschließlich unsere persönlichen, subjektiven Eindrücke.“
Jael schüttelt den Kopf. „Das ist kein reguläres naturwissenschaftliches Experiment mehr, was wir hier treiben. Ich würde gern zum Ende kommen, wir kommen so nicht weiter.“
Wieder flasht mein Holokrypt-Tattoo. Und wieder ist es Lisa. Sie müsste doch meine letzte Nachricht empfangen haben.