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Al Gore3
1 · DIE DREI DIMENSIONEN DER SDG
Im Jahr 2016 haben die Vereinten Nationen mit der sogenannten Agenda 2030 17 Ziele der Nachhaltigkeit geschaffen: Die Sustainable Development Goals (SDG) mit ihren 169 Unterzielen bzw. Zielvorgaben wollen drei Dimensionen in Balance bringen: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Lassen Sie uns vor einer Vertiefung der einzelnen Ziele einen Blick auf die aktuelle Ausgangsituation in den drei Dimensionen werfen.
ÖKOLOGIE
Klimawandel – Erderwärmung durch Treibhauseffekt
Die Lage ist bedrohlich und wissenschaftlich ziemlich eindeutig: Falls der Ausstoß der klimaschädlichen Treibhausgase weiter so stark zunimmt wie in den letzten Jahrzehnten, droht der Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 um 60 bis 110 Zentimeter zu steigen. Gletscher, Eisschilde, Meereis und Permafrostböden werden weiter auftauen. Kleinere Gletscher, auch in Europa, könnten bis zum Jahr 2100 mehr als 80 Prozent ihrer Eismasse verlieren. Weltweit stieg der Meeresspiegel im 20. Jahrhundert insgesamt um 15 Zentimeter, aktuell erhöht er sich doppelt so schnell wie im Mittelwert des letzten Jahrhunderts: etwa um 3,6 Millimeter pro Jahr.4
Das Klima auf der Erde war zwar noch nie konstant, sondern schwankte auch schon zu Zeiten, als es den Menschen noch nicht gab. Im Unterschied dazu verzeichnen wir jetzt allerdings einen schnellen, exponentiellen Ausschlag in nur noch eine Richtung. Chartanalytiker von Aktien würden vom Ausbruch nach oben sprechen. Zwischen 2010 und 2019 lagen acht der global wärmsten Jahre seit 1880. Die Jahre 2015 bis 2019 waren die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.5 Vom Menschen verursachte Emissionen haben dazu geführt, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre heute um 40 Prozent über dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung (etwa 1750) liegt und so hoch wie noch nie zuvor in den zurückliegenden 800.000 Jahren.
Wie ist es Wissenschaftlern möglich, eine so weit in die Vergangenheit zurückreichende Aussage zu treffen? Sobald Schnee auf den Eisschild fällt und sich zu Eis verdichtet, schließt er Luft ein und bildet mit diesen Luftblasen eine Momentaufnahme der Atmosphäre im Eis ab. Durch Bohrungen in der Antarktis bergen Wissenschaftler teils kilometerhohe Eiszylinder mit den über Jahrhunderte eingeschlossenen Luftblasen. Die Analyse dieser Blasen ergeben die Konzentration von Treibhausgasen in der sehr weit zurückliegenden Vergangenheit.
Der CO2-Gehalt in der Atmosphäre zeigt einen exponentiellen Anstieg
Angaben in zurückliegenden Jahren und parts per million (ppm)
Quelle: 6
Die Graphik zur CO2-Entwicklung verdeutlicht unser Problem: Wir haben es mit einem exponentiellen Anstieg zu tun. Bewegte sich der Anteil von CO2 in der Atmosphäre über „Urzeiten“ zwischen 150 und 300 ppm (parts per million), wurden 2019 erstmals 415 ppm gemessen. Wenn wir so weitermachen wie im Moment, werden 2060 etwa 560 ppm erreicht sein. Dann hätten wir Menschen die CO2-Menge in der Atmosphäre innerhalb von etwa zweieinhalb Jahrhunderten verdoppelt.7 Derzeit ist es auf der Erde 1,2 Grad wärmer als vor der Industrialisierung; auf dem aktuellen Pfad bewegen wir uns – bis zum Ende dieses Jahrhunderts – Richtung 3 Grad Erwärmung! Klimaforscher warnen, dass es ab 450 ppm richtig ungemütlich wird: Dann droht die Zwei-Grad Grenze mit Extremwetter und ökologischen Kettenreaktionen, die niemand mehr kontrollieren kann. Daher kommt im Bereich der Ökologie dem Schutz der Atmosphäre und damit der Regulierung der Erdtemperatur die entscheidende Rolle zu. Die Erdatmosphäre hält bzw. steuert die Temperatur auf der Erdoberfläche. Der physikalische Hintergrund ist leicht verständlich:
• Sonnenstrahlung durchdringt die Atmosphäre.
• Auf der Erdoberfläche wird ein Teil der Energie in Wärme umgesetzt, der übrige Teil als Infrarotstrahlung reflektiert.
• Ein Teil der Infrarotstrahlung wird von der Atmosphäre eingefangen und sorgt so für Temperaturen auf der Erde, die Leben ermöglichen. Bis zu welcher Höhe und mit welcher Geschwindigkeit die Temperatur weiter ansteigt, hängt vom Anteil der Treibhausgase in der Atmosphäre und damit maßgeblich vom Umfang der anthropogen emittierten Treibhausgase ab.
Der beschriebene sogenannte natürliche Treibhauseffekt mit seiner wichtigen Temperatur regulierenden Funktion wird durch die in der Atmosphäre enthaltenen Spurengase gewährleistet, hauptsächlich Wasserdampf und CO2, Methan (CH4) sowie Lachgas (Distickstoffoxid N2O). Die Treibhauswirkung von Methan – vornehmlich durch wasserbedeckte Reisfelder und extensive Viehzucht verursacht – ist zwar wesentlich stärker als die des CO2, wird in der Atmosphäre aber viel schneller wieder abgebaut. Spätestens seit den Kyoto-Abkommen konzentriert sich das Augenmerk beim Umweltschutz daher auf die Reduzierung des rund 80 Prozent der Treibhausgase ausmachenden CO2.8
Corona-bedingt sind im Jahr 2020 die Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zum Vorjahr wegen der weltweiten Lockdowns gesunken, bewirkten aber nur eine winzige Delle in der aufsteigenden Kurve.9 Das Klimasystem ist träge. Heute emittiertes CO2 bleibt etwa 100 Jahre lang in der Atmosphäre und wirkt über diesen Zeitraum wärmend. Bildlich betrachtet füllen wir die Atmosphäre Jahr für Jahr mit CO2 wie einen Eimer mit Wasser. Wenn der Wasserhahn um zehn Prozent zugedreht wird, läuft trotzdem noch sehr viel Wasser ein und der Eimer füllt sich weiter. So stieg auch 2020 die CO2-Menge in unserer Atmosphäre weiter an, Lockdown-bedingt lediglich ein wenig langsamer.10 Deswegen überrascht es auch nicht, dass das Jahr 2020 trotz des Lockdown-bedingten Emissionsrückgangs das in Europa wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war. Es kommt noch ein wichtiger Aspekt hinzu: Heute emittiertes CO2 erhöht die Temperatur – vergleichbar dem Warmwerden einer konventionellen Herdplatte – nur langsam. Den wahren Effekt gegenwärtiger Emissionen erleben wir erst etwa zehn Jahre später. Reduzieren wir heute also Emissionen, wird der Klimaschutz-Effekt auch erst entsprechend zeitversetzt eintreten. Und was bis dahin passiert, haben wir schon gar nicht mehr in der Hand.11
Wir sollten festhalten: Trotz manch verbliebener Unklarheiten im Detail sind sich alle international anerkannten Organisationen wie Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC), NASA, oder auch die staatlichen Wissenschaftsakademien aus 80 Ländern einig: Der Klimawandel der letzten 200 Jahre ist ein Fakt, für den mit hoher Wahrscheinlichkeit der Mensch verantwortlich ist.12
Die deutschen Klimaziele
Im Pariser Klimaschutzabkommen hatte Deutschland für den Zeitraum bis 2020 auf Basis des Jahres 1990 eine CO2-Reduktion um 40 Prozent zugesagt. Nachdem wir Ende 2019 eine Reduktion um nur 35,7 Prozent ausweisen konnten, hätte unser Land nach einer Analyse der Denkfabrik Agora Energiewende den Zielwert mit einem Ergebnis von 37,8 Prozent verfehlt.13 Die „Bremsspuren“ der Covid-19-Pandemie in Produktion und Verkehr verhinderten dies und führten für das Jahr 2020 zu einer Übererfüllung (40,8 Prozent). Im Sport sind es oft glückliche oder unerwartete Ergebnisse, die bei Gewinnern viel Freude auslösen. Wenngleich das deutsche Klimaziel von vornherein hätte ambitionierter sein sollen, das Ergebnis war ein Erfolg, über den wir uns freuen dürfen. Denn immerhin sind in den zurückliegenden 30 Jahren in drei Bereichen deutliche CO2-Reduktionen gelungen: Im Energiesektor um fast 39 Prozent, im Sektor Industrie um rund 40 Prozent und bei den privaten Haushalten vor allem dank besserer Heizungen um etwa 42 Prozent. Nur der Verkehrssektor stagnierte auf hohem Niveau.
Entwicklung der CO2-Emittenten in Deutschland nach Sektoren
Angaben in Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (ohne Schwefeldioxid)
Quelle: 14
Obgleich der Sektor Energie mit einem Anteil von 40 Prozent der Hauptemittent geblieben ist, haben sich die erneuerbaren Energien in unserer CO2-Bilanz sehr ausgezahlt: Ihr Anteil am Bruttostromverbrauch stieg von 3,4 Prozent im Jahr 1990 auf 49 Prozent im Jahr 2020. Die weiteren Meilensteine bei den deutschen Klimaschutzzielen wurden von der Bundesregierung im Klimaschutzgesetz (KSG) Ende 2019 wie folgt definiert:
• Bis 2030 sollten die CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent sinken und
• bis 2040 um mindestens 70 Prozent reduziert werden.
• 2050 sollte Klimaneutralität erreicht werden.
Entwicklung und Ziele der CO2-Emissionen in Deutschland
Angaben in Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (ohne Schwefeldioxid)/Prozentangabe auf Basis 1990
Anpassung der Ziele
Beschluss der Bundesregierung vom 12.05.2021
Quelle: 15
Um die Ziele im Jahr 2030 sicherzustellen und Transparenz über Emittenten und Handlungsfelder zu schaffen, schlüsselte die Bundesregierung im KSG die Wirkungsbereiche erneut auf Sektoren auf:16 Der Energiesektor sollte bis 2030 eine Emissionsreduktion auf der Basis von 1990 um 61 bis 62 Prozent erreichen, die Industrie 49 bis 51 Prozent, der Gebäudebereich 66 bis 67 Prozent, der Sektor Verkehr 40 bis 42 Prozent und die Landwirtschaft 31 bis 34 Prozent. Die Transformationsziele wurden in Anlage 2 des KSG ausgewiesen, allerdings in Jahresschritten nur bis einschließlich 2030, nicht für die Jahre 2031 bis 2050.
Quelle: 17
Flankierend wurden von der Bundesregierung bereits eine Reihe Maßnahmen beschlossen, um die Sektorenziele zu unterstützen, beispielsweise
• das Paket für den Kohleausstieg,
• die nationale CO2-Bepreisung von fossilen Brennstoffen ab 2021,
• Prämien für Elektrofahrzeuge und
• verbesserte Förderkonditionen für die energetische Gebäudesanierung.
Das Bundesverfassungsgericht legt die Generationenschraube an
Mehrere junge Beschwerdeführer legten Verfassungsbeschwerde gegen das oben in Text, Balkendiagramm und Tabelle wiedergegebene KSG ein und bekamen Recht: Am 24.03.2021 verkündete das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein wegweisendes Urteil18, das in ersten Reaktionen als „spektakulär“ und „epochal“ bezeichnet wurde. Tatsächlich liest sich die Entscheidung auf 70 engst beschriebenen Seiten wie ein Paradigmenwechsel, verpflichtet sie die Politik doch zu einer generationenübergreifenden Betrachtung und Rechtssetzung. Der Entscheidung des BVerfG lagen zwei wesentliche Ausgangsüberlegungen zu Grunde:
• Bei unserer heutigen Lebensweise sei nahezu jegliches Verhalten unmittelbar oder mittelbar mit dem Ausstoß von CO2 verbunden. Deswegen stehe nur noch ein taxierbares Restbudget an CO2-Emissionen zur Verfügung, um die Erderwärmung innerhalb des Zielpfades des Pariser Klimaabkommens zu begrenzen. So habe der Sachverständigenrat des IPCC für Deutschland ein ab 2020 verbleibendes nationales Restbudget von 6,7 Gigatonnen ermittelt, bei dessen Einhaltung es gelingen müßte, den Anstieg der mittleren Erdtemperatur mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 Prozent auf 1,75 °C zu begrenzen. Da das KSG mit seiner Anlage 2 jedoch bereits gut sechs Gigatonnen CO2-Emissionen bis 2030 zulässt, verbliebe für die Zeit ab 2030 bis 2050 vom nationalen Restbudget weniger als eine Gigatonne.
• Zwar ließe sich das CO2-Restbudget nicht so exakt ermitteln, dass es für die verfassungsgerichtliche Kontrolle ein zahlengenaues Maß bieten könne. Jedoch dürfe der Gesetzgeber seine Wertungsspielräume nicht nach politischem Belieben ausfüllen: Das Restbudget würde aber nach 2030 kaum für ein Jahr ausreichen.
Aus diesen Grundüberlegungen leiteten die Richter folgendes ab: Wird das nationale CO2-Restbudget in den kommenden nahen Jahren unter Verzicht notwendiger Einschränkungen der Freiheitsrechte von Bürgern und der Industrie im vom KSG eingeräumten Rahmen verbraucht, würde in den Jahren danach auf dem Pfad zur CO2-Neutralität eine radikale Reduktionslast verbleiben. Bei einem Verzicht auf einen schnellen Klimaschutz würden die Folgen für die Menschen in einigen Jahren derart dramatisch und existenziell, dass kaum mehr Handlungsspielräume blieben. Vielmehr wären dann für die Transformation in eine klimaneutrale Wirtschaft und Gesellschaft sehr tiefe Einschnitte in die Lebensführung notwendig, um die allerschlimmsten Folgen der Klimaveränderung abzuwenden: Ähnlich wie in Corona-Zeiten könnte die Klimakrise dann einen permanenten Ausnahmezustand erfordern, der von Zwang statt von Freiheit gekennzeichnet wäre. Somit umfasse die aus Art. 2 Abs. 2 GG bestehende Schutzpflicht des Staates auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit der Menschen künftiger Generationen vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Die Schonung künftiger Freiheitsrechte verlange, den Übergang zur Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten. Das sei im KSG nicht erfolgt und verletze daher Grundrechte der Kläger.
Im Ergebnis forderte das BVerfG den Gesetzgeber auf, bis Ende 2022 im KSG eine Konkretisierung der Maßnahmen für die Zeit nach 2030 vorzunehmen. Die Überarbeitung des KSG müsse mit transparenten Maßgaben für die weitere Ausgestaltung verbleibender Emissionsmöglichkeiten und Reduktionserfordernisse nach 2030 versehen werden, differenziert nach Jahresemissionsmengen und Reduktionsmaßgaben.
Das BVerfG monierte weiterhin Fehler im Gesetzgebungsverfahren: Anders als bislang im Klimaschutzgesetz vorgesehen, muss der Gesetzgeber die erforderlichen Regelungen zur Größe der für bestimmte Zeiträume zugelassenen Emissionsmengen selbst treffen. Verordnungen der Bundesregierung mit einer schlichten Parlamentsbeteiligung durch Zustimmung des Bundestags seien nicht ausreichend.
Was kann schon jetzt aus dieser Entscheidung des BVerfG abgeleitet werden?
Die Maßnahmen zur CO2-Reduktion für die Zeit bis 2030 müssen ergänzt werden. Ohne diesen Schritt bleibt eine Erhöhung des verbleibenden Restbudgets in den Jahren 2030 bis 2050 unmöglich. Die Politik wird dadurch kurzfristig viel stärker als bislang in Zielkonflikte zwischen der Wahrung von Freiheitsrechten der Bürger, dem Schutz der Ökologie und den Interessen der Wirtschaft geraten. Die Herausforderung besteht darin, den Transferweg zusammen mit der Wirtschaft zu vereinbaren und zu gestalten.
Auf Seiten der Bundesregierung, die im Verfahren bekundete, bislang nicht mit nationalen CO2-Budgets gerechnet zu haben, ist nun Rechendisziplin gefordert: Die CO2-Budgets der kommenden knapp drei Jahrzehnte müssen realitätsgerecht kalkuliert werden; es gilt auch für die ferneren Jahre sektorenbezogen plausible Verbrauchsentwicklungen zu projizieren. Vorsorglich haben die Richter die Generationenschraube schon mal recht fest angezogen: Bei wissenschaftlicher Ungewissheit über umweltrelevante Ursachenzusammenhänge lege Art. 20a GG dem Gesetzgeber eine besondere Sorgfaltspflicht auf! – Immerhin kann nichts dagegensprechen, technische Fortschritte und Maßnahmen zu berücksichtigen, die die aktuelle Generation der kommenden Generation zur Nutzung überlässt und ihr zu einem CO2-reduzierten Lebensstil verhilft: errichtete Windräder und Solaranlagen, eine Digitalisierung der (Land-)Wirtschaft, der Umstieg auf Elektrofahrzeuge, der Ausbau von Fernwärme oder der Bau von energieeffizienten Häusern.
Man darf erwarten, dass die Kläger das modifizierte Gesetz mit seiner neuen Budgetkalkulation sehr genau auf Plausibilität überprüfen werden. Bei fehlender Ausgewogenheit über die Generationen hinweg werden sie wohl nicht scheuen, erneut den Rechtsweg zu beschreiten. Dann wird es nicht mehr um das Ob des Ausgleichs zwischen Freiheits- und Umweltschutzrechten gehen, sondern um das ganz konkrete Wie – die Ausgewogenheit in den verbleibenden knapp drei Jahrzehnten.
Was bedeutet die Entscheidung für den Bürger und unsere Unternehmen?
Ob uns das gefällt oder nicht: Die Freiheit eines kohlenstoffintensiven Lebensstils – Mobilität, Reisen, Heizen, Essen oder viele Hobbys – driftet künftig wohl aus einer bislang fast ausschließlichen Selbstverantwortung des einzelnen Bürgers stärker in einen staatlich regulierten Raum. Die individuelle Lebensgestaltung ist nicht mehr allein eine Frage der Ausübung individueller Freiheit; sie unterliegt plötzlich dem Druck einer CO2-neutraleren Lebensführung: Der persönliche CO2-Fußabdruck bleibt gefühlt nicht mehr nur ein eigenes Datum, sondern wird Ausdruck gelebter Solidarität. Aus „Flugscham“ könnte „CO2-Scham“ erwachsen. Auch auf diesem Wege werden Auswirkungen des Urteils schnell die Unternehmen erreichen: Denn der höchstrichterlich eingeforderte Transformationsweg in ein klimaneutrales Leben wird den Blick der Verbraucher auf die Produktwelten schärfen. Die Zahl der Konsumenten, die nach nachhaltigen Angeboten suchen und diese in Produktwelten einfordern werden, wird sehr spürbar zunehmen! Fehlende Nachhaltigkeit im Sortiment wird zum Wettbewerbsnachteil, Beiträge und Erfindungsreichtum bei der CO2-Reduktion zum Wettbewerbsvorteil. Für die Freiheit des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes nach Art. 14 GG gilt daher das Gleiche wie für das Freiheitsrecht des einzelnen Bürgers: Die Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Umwelt und eine Minderung der CO2-Last der eigenen Geschäftstätigkeit wird die Prozesse in den Unternehmen noch viel intensiver erfassen; sie müssen nicht nur digital, sondern auch CO2-neutral werden.
Wesentlicher Erfolgsfaktor wird die Kommunikation im Transformationsprozess und ein positives Mindset für Klimaschutzmaßnahmen sein. Wirtschaft und Bürger müssen für die Dekarbonisierung gewonnen werden – keine einfache Aufgabe, denn die Menschen werden Veränderungen erfahren, die mit dem Gefühl des Verlusts individueller Freiheiten und sinkendender Lebensqualität einhergehen: Viele Lebensgewohnheiten bedingen aktuell noch den Verbrauch fossiler Ressourcen. Der Lösungsweg wird deswegen auch eine Antwort darauf geben müssen, wie die Lasten innerhalb der jetzt konsumierenden Generation fair verteilt werden können.
In unmittelbarer Reaktion auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beschloss die Bundesregierung bereits am 12.05.2021 eine Anpassung der Ziele im KSG: Deutschland soll schon bis zum Jahr 2045 Klimaneutralität erreichen. Gleichzeitig wurde die Erarbeitung eines Sofortprogramms von Maßnahmen mit einem zusätzlichen Fördervolumen von acht Milliarden Euro angekündigt. Die Verschärfung der Ziele erhöht den Druck auf der Maßnahmenebene; man darf auf den Lösungsweg gespannt sein!
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfte die Republik verändern! Wir werden auch in diesem Buch deswegen noch mehrfach auf sie zurückkommen.
Die unterschätzte Gefährdung von Ökosystemleistungen
In unserer Region wird die Erderwärmung mit einer steigenden Zahl an Sonnentagen nicht als besonders beeinträchtigend empfunden. Entwickelt sich der Rhein zum Rinnsal, so dass sich der Treibstofftransport über den Wasserweg erschwert und dessen Preise an den Tankstellen steigen, kommt schon mal Unbehagen auf. Viele Menschen vermissen an Weihnachten auch Schnee und beobachten auf längeren Autofahrten verdurstende Nadelwälder. Erst Bilder von Naturkatastrophen nehmen der Klimaerwärmung ihre Unsichtbarkeit und werden zur hässlichen „Fratze des Klimawandels“,19 mit Verwüstungen nach Überschwemmungen, Wirbelstürmen und Waldbränden. Rund 90 Prozent aller Naturkatastrophen sind wasserbedingt:20
• Im Zeitraum zwischen 1995 und 2015 waren 2,3 Milliarden Menschen von Überschwemmungen betroffen, 157.000 Menschen starben. Der Sachschaden belief sich auf 662 Milliarden US-Dollar.
• 1,1 Milliarden Menschen litten unter Dürren, 22.000 verloren ihr Leben. Der Sachschaden betrug 100 Milliarden US-Dollar.
Viele Leser werden noch die vergleichenden Bilder im Buch von Al Gore mit dem Titel „Eine unbequeme Wahrheit“ aus dem Jahr 2006 vor Augen haben: Gletscher- und Polkappenentwicklungen, Tropenstürme und Wüstenneubildungen mit bedrohlich wirkenden Graphiken. Die Wahrheit ist heute noch unbequemer als damals! Nach vielen weiteren erklärenden und warnenden Publikationen soll hier nur eine Facette der Klimaveränderung nochmal aufgegriffen werden: Der Verlust an Biodiversität. Denn wir Menschen sind auf eine Vielzahl sogenannter Ökosystemdienstleistungen angewiesen, definiert als „Nutzenstiftungen“ oder „Vorteile“, also etwa21
• das Bestäuben von Obstblüten durch Insekten,
• die Bereitstellung von nutzbarem Bewässerungs- und Trinkwasser durch natürliche Filtration von Niederschlag,
• die Reproduktion von Fischpopulationen als Nahrungsmittel oder
• eine gute Luftqualität bzw. ansprechende Umwelt für Freizeit und Erholung.
Die Bedeutung der Biodiversität wird erst durch Auswirkungen ihres Verlusts richtig deutlich: Zoonosen sind von Tieren auf Menschen überspringende Krankheitserreger. Sie sind Folge der Zerstörung von Lebensräumen für Wildtiere. Das Covid-19-Virus und die gerade durchlebte Pandemie zählen dazu! Denn tatsächlich ruft die Natur viele positive Effekte hervor, sie bildet aber auch den Ursprung der meisten Infektionskrankheiten.22 Anders als bei CO2-Emissionen lassen sich Defizite bei der Biodiversität auch nicht an anderen Orten kompensieren. Es handelt sich um ein regionales Problem, wenngleich vielfach überregional verursacht. Mit der Beeinträchtigung der Biodiversität ziehen wir Menschen uns also bildlich betrachtet mit einiger Wucht selbst den Teppich unter den Füßen weg. So hat der Verlust der Biodiversität sowohl an Land als auch in den Meeren bereits ein bedrohliches Maß erreicht:
• Israelische Forscher haben im Jahr 2020 den Eingriff der Menschen in die Biodiversität seit der ersten landwirtschaftlichen Revolution errechnet: Danach haben wir die pflanzliche Biomasse von rund zwei Teratonnen (2.000.000.000.000 Tonnen) auf gegenwärtig rund eine Teratonne halbiert. Im Gegenzug seien etwa die gleiche Menge nichtbiologischer Dinge wie Gebäude, Straßen, Maschinen und Produkte entstanden.23 Ein Prozess, der keinesfalls abgeschlossen ist: Bis 2060 wird sich der weltweite Gebäudebestand verdoppeln, die Umwandlung von Flächen für neue Infrastruktur und verschiedenste wirtschaftliche Nutzungen nimmt immer noch in großem Ausmaß zu. Auch zur Versorgung der wachsenden Weltbevölkerung und für zunehmenden Konsum wurden natürliche Lebensräume verändert. Die Landwirtschaft expandierte in den Jahren 1980 bis 2000 um 100 Millionen Hektar und nutzt heute mehr als ein Drittel der weltweiten Landfläche zur Erzeugung pflanzlicher oder tierischer Produkte. Die globale Waldfläche beträgt nur noch 68 Prozent des geschätzten vorindustriellen Niveaus.
• Das Wasser in den Meeren spielt für das Klima eine entscheidende Rolle, umgekehrt wirkt sich das Klima auf die Meere und die darin lebende Tier- und Pflanzenwelt aus: Die Erwärmung führt zur Ausdehnung des Wassers, bedingt durch Meeresströmungen in ungleicher Verteilung. Doch fast durchweg geht der Sauerstoffgehalt im Wasser zurück. In den letzten 150 Jahren haben sich dadurch die von Korallen besiedelten Flächen nahezu halbiert.24 Die Ozeanversauerung macht es den Korallen zunehmend schwer, ihre Kalkskelette auszubilden; sie verhungern schlichtweg.25 So wurden zwei Drittel des seit 200 Millionen Jahren existierenden Great Barrier Reef vor der Ostküste Australiens in den Jahren 2015 bis 2017 – den drei global bislang wärmsten Jahren seit Beginn der Aufzeichnungen – schwer geschädigt.26 Im östlichen Mittelmeer vor der Küste Israels erwärmte sich das Wasser zwischen 1980 und 2013 um etwa drei Grad, im Sommer bis auf 32 Grad Celsius. Forscher stellten einen kausalen Rückgang der Artenzahl von Weichtieren bis zu 95 Prozent fest27 und sehen den Beginn eines Kontrollverlustes, einen sogenannten Klima-Kipppunkt des Erdsystems, dessen Überschreiten zu unumkehrbaren, verhängnisvollen Veränderungen führt. Insoweit muss uns ein Satz des Schriftstellers Martin Kessel warnen: „Man glaubt für gewöhnlich, es gäbe keine Steigerungsform von tot. Diese gibt es aber doch: ausgestorben.“28 – Auch unsere jahrzehntelange Überfischung hat die Fischbestände teils bedrohlich reduziert. Den verbliebenen Tieren erschweren wir ein Überleben, in dem wir über 80 Prozent des globalen Abwassers unbehandelt in die Umwelt geben, ergänzt um Unmengen von Plastikmüll. Düngemittel haben in Küstenökosystemen zu über 400 Sauerstoffmangel-Zonen mit einer Gesamtfläche von mehr als 245.000 km2 geführt.
Im Jahr 2010 beschlossen die Vertragsstaaten der UN auf ihrer 10. Vertragsstaatenkonferenz einen umfangreichen „strategischen Plan“ zum Erhalt der biologischen Vielfalt mit einer Laufzeit von 2011 bis 2020. Dieser Plan bestand im Wesentlichen aus 20 konkreten Kernzielen – den „Aichi-Targets“. Bereits auf der 13. Vertragsstaatenkonferenz 2016 in Cancún wurde klar, dass alle Länder auf dem Weg der Zielerreichung große Rückstände aufwiesen. Auf der 14. Vertragsstaatenkonferenz 2018 in Scharm El-Scheich wurde deswegen bereits über ein mögliches Nachfolgeabkommen mit stärkerer Verbindlichkeit in der Zielerreichung diskutiert. Corona-bedingt musste die entscheidende 15. Vertragsstaatenkonferenz auf 2021 verschoben werden.29 Insoweit bleibt allen Teilnehmern ausreichend Gelegenheit, den 2019 nach dreijähriger Zusammenarbeit von 145 Wissenschaftlern aus 50 Ländern entstandenen Bericht des Weltbiodiversitätsrats zu verinnerlichen. Er soll auch dazu beitragen, die Umsetzung der SDG zu bewerten, und gelangt mit Blick auf die Biodiversität zu dem Ergebnis, dass rund eine Million Arten vom Aussterben bedroht sind; viele bereits in den kommenden Jahren.30
Der „Living Planet Report“ der Umweltstiftung WWF und der Zoologischen Gesellschaft London bestätigt die Gefahr der weltweit schwindenden Biodiversität: Alle zwei Jahre erstellt, analysiert der Bericht die Entwicklung der Tierwelt, jeweils rund 21.000 Bestände von etwa 4.400 Wirbeltierarten – nur ein kleiner Ausschnitt der von Biologen weltweit geschätzten 10 bis 20 Millionen Tier- und Pflanzenarten. Allen bisherigen Bemühungen der Staaten beim Klimaschutz zum Trotz brachte der Bericht 2020 keine Entwarnung:31
• Mehr als zwei Drittel der untersuchten Tierwelt sind in den vergangenen 50 Jahren vom Menschen vernichtet worden. Die Populationen von Tieren, Vögeln und Fischen sind seit 1970 um fast 70 Prozent geschrumpft.
• Lateinamerika steht insgesamt „herausragend schlecht“ da.
• In Europa liegt das Minus der untersuchten Tierarten bei 25 Prozent. Die stärksten Eingriffe in die Landschaft seien bei uns allerdings vor 1970 und damit vor Beginn des Untersuchungszeitraums geschehen, was den vergleichsweise guten Wert erklärt.
Eine Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting und des Bundes Naturschutz aus dem Jahr 2020 kommt zu dem Schluss, dass vor allem fünf große Wirtschaftssektoren für den globalen Artenverlust verantwortlich sind: Land- und Forstwirtschaft, Rohstoffabbau, industrielle Produktion sowie die Ausweitung von Infrastruktur.32 – Bleibt die Frage, ob der Verlust an Biodiversität umkehrbar ist. Die ermutigende Antwort lautet: Ja, der Verlust terrestrischer Biodiversität lässt sich stoppen, vorausgesetzt, wir weisen mehr Schutzgebiete aus und verändern unsere Landnutzung und das damit verbundene Ernährungssystem.33 Dazu später mehr.
Der CO2-Fußabdruck schafft Transparenz und Ansporn
Da CO2-Emissionen den Klimawandel am stärksten antreiben, ist die Berechnung der Emissionsentwicklung für gezielte Interventionen mit dem Ziel einer Reduktion besonders wichtig. So wissen wir heute, dass seit 1970 unser ökologischer Fußabdruck die Regenerationsfähigkeit der Erde übersteigt und wir Menschen innerhalb der vergangenen 70 Jahre mehr Energie verbraucht haben, als in den 12.000 Jahren zuvor.34 Wie aber werden die Emissionen für Personen, Unternehmen und ganze Staaten ermittelt?
Der ökologische Fußabdruck berechnet die biologisch produktive Fläche auf der Erde, die notwendig ist, um den Lebensstil und -standard eines Menschen dauerhaft zu ermöglichen. Dabei zeigt sich, wer wieviel globale Biokapazität in Anspruch nimmt. Der ökologische Fußabdruck steht also für den menschlichen Druck auf die Erde. Ausgangserkenntnis bei CO2-Berechnungen ist, dass alle menschlichen Aktivitäten, die Emissionen verursachen, Bestandteil unseres Inventars sind – vom Kraftwerksbetrieb über Transport und Verkehr bis zur Landwirtschaft sowie letztlich bis zu jedem produzierten Konsumprodukt und zur Abfallwirtschaft. Grundlage für die Berechnung jeglicher Aktivität sind statistisch erfasste Größen, etwa über die eingesetzten Brenn- und Kraftstoffe oder die Tierbestände. Aus der Multiplikation mit Emissionsfaktoren errechnet sich der CO2-Ausstoß.35 So wissen wir beispielsweise sehr genau, wieviel Kraftstoff pro Jahr in Deutschland verkauft wird. Auf dieser Grundlage lassen sich mit Zulassungszahlen, Motorgrößen, Treibstoffarten und vielen anderen Parametern die Emissionen des Straßenverkehrs nach Verkehrsträgern (LKW, PKW) ermitteln. 39 Prozent des weltweiten CO2-Fußabdrucks gehen auf Bau und Unterhalt von Gebäuden zurück; die zum Heizen, Kühlen und Beleuchten von Gebäuden genutzte Energie ist für 28 Prozent dieser Emissionen verantwortlich.36
In der Summe von Aktivitäten lassen sich so CO2-Fußabdrücke (englisch Carbon Footprint) für jeden Menschen, jede Organisation und jeden Staat errechnen. Die CO2-Bilanz – auch als Treibhausgasbilanz bezeichnet – gibt also an, welche Menge an CO2-Emissionen in einem abgegrenzten Zeitraum direkt und indirekt durch Aktivitäten verursacht wird. Bereits seit Jahrzehnten werden so Emissionsstatistiken erstellt. Über Länder und Kontinente ist die Verteilung und die Entwicklung daher sehr transparent.
Im Ländervergleich fällt im Verlauf der letzten 30 Jahre der enorme Anstieg der CO2-Emissionen in China und Indien ins Auge – zwei Nationen, deren Wirtschaftskraft sich in den letzten Jahrzehnten sehr stark erhöht hat. Aus großer Armut kommend, wurde in diesen Ländern bei der wirtschaftlichen Entwicklung lange wenig auf die Umweltauswirkungen geachtet.
Ausgewählte Länder – CO2-Emittenten (Angaben in Millionen Tonnen CO2)
Quelle: 37
In Diskussionen über den CO2-Ausstoß werde ich immer wieder mit dem Argument konfrontiert, Anstrengungen unsererseits in Deutschland seien vergebene Liebesmühe angesichts der weit überwiegenden Emissionen in China. Diese Argumentation wird gerne noch mit der Anzahl der in China gerade in Bau befindlichen Kohlekraftwerke untermauert. Zweifellos ist die Expansion Chinas bei fossilen Brennstoffen besorgniserregend. So hat sich seit der Jahrtausendwende die Raffineriekapazität dort annähernd verdreifacht. Großprojekte im Nordosten Chinas bauen die Rohölkapazitäten auch bis 2025 weiter aus. Eine Pro-Kopf-Betrachtung der Emissionen zeigt aber, dass es keine Rechtfertigung gibt, die eigenen Anstrengungen für CO2-Reduktionen in Deutschland zurückzufahren: Denn der Pro-Kopf-Ausstoß lag bei uns im Jahr 2017 immer noch 25 Prozent höher als der Pro-Kopf-Ausstoß in China. Aktuell sind wir bei einem Anteil an der Weltbevölkerung von etwa 1,1 Prozent für jährlich knapp 2 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich!
Pro-Kopf-Ausstoß – CO2-Emissionen im Ländervergleich (Angaben in Tonnen/Stand 2017)
Quelle: 38
Leider nehmen die CO2-Emissionen trotz Vereinbarungen zur Eindämmung weltweit weiter zu; innerhalb der EU28 sind sie in den letzten zwei Jahrzehnten immerhin zurückgegangen. Detaillierte länderbezogene Daten bietet das Joint Research Centre, der wissenschaftliche Dienst der Europäischen Kommission.39
Der CO2-Fußabdruck eines Unternehmens
Einen großen Anteil an der Entstehung von CO2-Emissionen haben wirtschaftliche Aktivitäten:
• Ausgangsgüter- und Produkttransporte mit LKW, Bahn, Schiff und Flugzeug,
• arbeitstäglicher Pendelverkehr von Mitarbeitern zwischen Wohnort und Arbeitsstätte,
• Geschäftsreisen von Mitarbeitern mit Auto, Zug oder Flugzeug.
• Im Zeitalter der Digitalisierung spielen aber auch Internetanwendungen eine immer stärkere Rolle für CO2-Emissionen. So produziert eine Google-Anfrage etwa 0,2 Gramm CO2. In Deutschland erfolgt dies täglich fast 3,5 Milliarden Mal. Pro Tag werden bei uns rund eine Milliarde E-Mails versendet, was rund 1.000 Tonnen CO2 verursacht. Das zunehmende Speichervolumen von Mails, Fotos und Videos in einer Cloud verbraucht immer mehr Energie. Weltweit produzieren IT-Geräte und IT-Anwendungen 800 Millionen Tonnen CO2 im Jahr, etwa ebenso viel wie die Gesamt-Treibhausgas-Emissionen Deutschlands im Jahr.40
Mit der Berechnung des CO2-Fußabdrucks eines Unternehmens (englisch: Corporate Carbon Footprint, CCF) wird Klarheit darüber geschaffen, durch welche Aktivitäten im Unternehmen wie viel CO2 erzeugt wird. So können emissionsreiche Geschäftsbereiche und Einsparpotenziale identifiziert werden. Die Erfassungsbreite ist natürlich groß, denn annähernd jedes menschliche Verhalten ist unmittelbar oder mittelbar mit dem Ausstoß von CO2 verbunden. Die Berechnungen für den CCF sind deswegen digital unterstützt: CO2-Rechner für Unternehmen erfassen, bilanzieren und dokumentieren alle von Unternehmen verursachten Emissionen entsprechend dem Greenhouse-Gas-Protocol (Scope 1 bis 3):
CO2-Fußabdruck von Unternehmen
• Im Scope 1 werden alle „direkten Emissionen“ erfasst, die aus Emissionsquellen innerhalb der unternehmenseigenen Systemgrenzen entstehen. Dazu zählen der Betrieb von Produktionsanlagen, Gebäuden und Flottenfahrzeugen, aber auch Dienstreisen und Übernachtungen, Papierverbrauch oder ein Kantinenbetrieb.
• Im Scope 2 finden sich CO2-Emissionen, die bei der Erzeugung von Energie entstehen, die das Unternehmen nicht selbst erzeugt. Dies sind vornehmlich Strom und (Fern-)Wärme, die von Enegieversorgern bezogen werden.
• Im Scope 3 werden CO2-Emissionen erfasst, die sich in dem Kerngeschäft vor- oder nachgelagerten Aktivitäten ergeben. In vorgelagerten Prozessen (3.1) fallen bspw. die Förderung von Rohstoffen für die Produktion an, der Transport von Zulieferteilen zur eigenen Produktionsstätte sowie der Pendelverkehr der Beschäftigten. In nachgelagerten Prozessen (3.2) gilt es, den Transportweg der Produkte zum Handel bzw. Kunden, die Nutzungsphase im Produktzyklus und auch die Entsorgung bzw. ein Recycling zu berücksichtigen.
Der größte Anteil der Emissionen findet sich bei den Unternehmen zumeist im Scope 3 und nicht bei den Emissionen aus den unternehmensinternen Aktivitäten. Das Arbeiten mit den Zahlen der CO2-Bilanz bedeutet zwar Mehrarbeit, muss aber nicht nur Last sein. Denn letztlich geht es ja darum, mit einer Minderung der CO2-Belastung möglichst Jahr für Jahr eine Erfolgsgeschichte zu schreiben.
Eine Selbsteinschätzung des eigenen CO2-Fußabdrucks kann im Übrigen auch jeder Bürger online, beispielsweise mit einem CO2-Schnellcheck des Bundesumweltamtes, vornehmen (https://uba. CO2-rechner.de/de_DE/).
Mehr Reduktionsdynamik durch CO2-Emissionshandel
2005 wurde in der Europäischen Union der sogenannte CO2-Emissionshandel eingeführt, der Kraftwerke, Fabriken sowie andere ortsfeste Anlagen umfasst. Er schafft für Unternehmen Anreize, weniger fossile Brennstoffe zu verbrennen, um dadurch Klimagas-Emissionen zu verringern. Das Instrument arbeitet auf zwei Ebenen nach dem Prinzip: „Cap and Trade“ (begrenzen und handeln). Über das Cap wird definiert, wie viele Emissionen alle einbezogenen Kraftwerke und Industrieanlagen in der EU zusammen emittieren dürfen. Das Cap wird am Gesamtabbauziel der Emissionen innerhalb der EU jährlich neu festgelegt; zuletzt betrug die Minderung der Zertifikate jeweils 2,2 Prozent.41 Die Zielgrößenordnung wird auch für jedes Unternehmen jedes Jahr neu festgelegt. Ein Unternehmen muss daher jährlich entsprechende Emissionsberechtigungen erwerben und zur Vermeidung von Strafzahlungen bei der zuständigen Stelle abgeben; dann werden sie gelöscht. Kann nun ein Unternehmen etwa wegen neuer technischer Anlagen seinen Emissionsausstoß verringern, so darf es im Trade nicht verbrauchte Emissionsberechtigungen an einer Emissionsbörse verkaufen (in Deutschland zum Beispiel an der Leipziger Börse eex). Ein Unternehmen, das wegen erhöhter Produktion mehr Emissionen ausstößt als es an Berechtigungen zugeteilt bekommen hatte, muss entsprechende Berechtigungen an der Börse ersteigern. So entwickelt sich auf Grund des Handels zwischen den Unternehmen ein Marktpreis sowie ein Anreiz, in umweltfreundliche Technik zu investieren. Da die Höchstgrenze, also das Cap, jedes Jahr weiter sinkt, steigt der Marktpreis. Das macht es für Unternehmen attraktiv, in CO2-mindernde Maßnahmen zu investieren.42
Nachdem die EU-Kommission im Green Deal (2020) für 2030 ein höheres CO2-Reduktionsziel von mindestens 55 Prozent (auf Grundlage von 1990) vereinbarte, deckten sich Anleger in Erwartung einer steigenden Nachfrage mit Emissionszertifikaten ein. Ende 2020 erreichten die von der EU ausgegebenen Papiere erstmals über 30 Euro je Tonne ausgestoßenes CO2; im Mai 2021 stieg der Preis sogar über 50 Euro!
Europäische Emissionsberechtigung (EUA) pro Tonne
Angabe CO2-Preis pro Tonne in EUR
Quelle: 43
Das EU-Emissionshandelssystem ist der weltweit größte CO2-Markt und umfasst 40 Prozent der Treibhausgase in der EU. Im US-Bundesstaat Kalifornien umfasst ein Emissionshandel die Sektoren Energie, Verkehr, Haushalte und Industrie und deckt damit sogar 80 Prozent aller CO2-Emissionen ab.44 Eine weltweit ähnliche Bepreisung von CO2-Zertifikaten – gleicher Preis für gleichartige Verschmutzung – wäre wichtig, um eine Verzerrung des Wettbewerbs von Volkswirtschaften zu vermeiden.
Carbon, Capture and Storage – Irrweg oder Ausweg?
Bislang konzentrieren sich die Bemühungen darauf, den CO2-Ausstoß durch die Reduzierung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe, Änderung von Produktionsprozessen oder Vermeidung von Transportwegen zu vermindern. Neben der Reduzierung von Emissionen gibt es verschiedene Ansätze, Treibhausgase aus der Luft zu filtern, um ihr Entweichen in die Atmosphäre zu verhindern. „Carbon removal“ nennt sich die Branche, die daran arbeitet.
CO2-Abscheidung und -Speicherung (CO2-Sequestrierung) oder carbon dioxide capture and storage (CCS) wird das Verfahren zur Reduzierung von CO2-Emissionen genannt. Experten streiten darüber, ob die erforderliche dauerhafte Einlagerung von CO2 in unterirdische Lagerstätten angesichts der Gefahr unkontrollierter Ausgasung sinnvoll und förderungswürdig ist. Der UN-Klimarat IPCC sieht im Entzug von CO2 aus der Luft einen möglichen Lösungsweg. Auch die EU-Kommission bezieht diesen Weg in ihrer Studie zur „Klimaneutralität“ mit ein.45
Technisch scheint der Durchbruch für CCS gelungen. Das kanadische Unternehmen Carbon Engineering optimiert mit Forschern der Universität Harvard einen Prozess zur Kohlendioxid-Rückgewinnung: Direct Air Capture (DAC) ist eine Technologie, mit der CO2 aus der Luft abgetrennt und in gereinigter Form zur Verwendung oder Speicherung bereitgestellt wird. Die DAC-Technologie von Carbon Engineering erledigt diese Aufgabe in einem geschlossenen Kreislauf, für den Wasser und Energie gebraucht wird. Der Output ist ein Strom von reinem, komprimiertem CO2, aus dem beispielsweise Kraftstoffe erzeugt werden. Die Technik wurde in einer Pilotanlage im kanadischen Squamish erfolgreich getestet. Die ursprünglich veranschlagten Kosten von 600 Euro pro Tonne CO2 sollen sich in einer industriellen Anwendung auf etwa 94 Euro reduzieren lassen. Carbon Engineering konnte Mitte 2020 in einer neuen Finanzierungsrunde 68 Millionen US-Dollar für den Bau einer industriellen Anlage gewinnen.46 B. Gates fördert die Negativemissionen-Technologie. Um eine weltweite CO2-Neutralität zu erzielen, ermittelte Gates 5,1 Billionen US-Dollar an Kosten pro Jahr – gleichbedeutend mit sechs Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Beruhigend ist, dass wir eine technische Lösung realisieren könnten, um die Erderwärmung aufzuhalten. Man möchte sich die Lösung allerdings nicht wünschen, denn Gates räumt ein, dass dafür weltweit 50.000 solcher Anlagen errichtet werden müssten.47 Bei CCS handelt es sich um eine Symptombehandlung, die ihrerseits eines dauernden Energieeinsatzes bedürfte.
Kurzfristig praktikabler und für die Reduktion von Industrie-Emisssionen sehr geeignet erscheinen Punktabscheidungen: An Produktionsanlagen mit besonders hohen CO2-Emissionen wird CO2 gefiltert und das Entweichen in die Atmosphäre verhindert. 26 solcher Anlagen gibt es weltweit bereits. Im norwegischen Brevik wird von HeidelbergCement ein solches CCS-Projekt erstmals in einem Zementwerk im industriellen Maßstab umgesetzt. 50 Prozent der CO2-Emissionen des Werkes sollen so ab 2024 gefiltert werden. Die Finanzierung des Projekts wird im Rahmen des norwegischen Klima-Investitionsprojekts „Longship“ stark von der norwegischen Regierung unterstützt.48 – Siemens Energy und der norwegische Spezialist Aker Carbon Capture wollen die CCS-Technik für die Anwendung in Gaskraftwerken entwickeln. Doch es sei nochmals daran erinnert: Das abgeschiedene CO2 muss dauerhaft und sicher gelagert werden.
Neben CCS gibt es ökosystembasierte Lösungen zum Absorbieren von CO2:
• Das Wachstum von Bäumen durch Aufforstung von Wäldern bindet CO2.49 Bereits heute speichern Europas Wälder rund 100 Millionen Tonnen CO2 jährlich, was etwa zehn Prozent der europäischen Emissionen aus fossilen Energieträgern entspricht. Wird die Aufforstung mit geschützten Landschaften verbunden, unterstützt dieser Weg zugleich die Biodiversität. Problem ist aber die sogenannte „Vulnerabilität“: Kommt es etwa zu großflächigen Waldbränden, wird das CO2 schlagartig wieder freigesetzt. Auch starke Stürme und Schädlingsbefall können den Erfolg mindern.
• Ein Anbau von schnell wachsenden Pflanzen zur Gewinnung von Bio-Energie. Während ihres Wachstums ziehen die Pflanzen CO2 aus der Luft und wandeln es in Fett und Stärke um. Werden die Pflanzen zu Kraftstoffen wie Ethanol oder Biodiesel verarbeitet, kann das CO2 aufgefangen werden, muss dann aber auch in unterirdische Lagerstätten gepresst werden. BECCS heißt dieses Verfahren und steht für „Bioenergy with Carbon Capture and Sequestration“.50
• Erhalt oder Renaturierung von Sumpfbereichen.
Vielleicht ist die beste Idee zur Sequestrierung von CO2 noch nicht geboren. E. Musk, CEO von Tesla, will genau das wissen und kündigte einen Wettbewerb mit einem Preisgeld von 100 Millionen Dollar an. Teilnehmer sollen einen Plan entwickeln, wie jährlich 1.000 Tonnen CO2 unter Berücksichtigung von Kosten und Skalierbarkeit mindestens 100 Jahre gebunden werden können.51 So packt ein herausragender Unternehmer unserer Zeit Probleme an; in diesem Fall aber nicht ganz ohne Beispiel: Beim Erfinderpreis 2021 des Europäischen Patentamts sind C. Gürtler und W. Leitner, zwei deutsche Forscher, mit ihrer Entwicklung einer Technologie nominiert, die CO2 als Baustein für hochwertige Kunststoffe nutzt.52
Öko-Ratings – Carbon Disclosure Project
Die drei ältesten und größten Rating-Agenturen Fitch, Moody´s und Standard & Poors wurden Anfang des 19. Jahrhunderts in den USA als Familienbetriebe gegründet und sind privatwirtschaftliche Unternehmen, heute zu großen Teilen im Besitz von Vermögensverwaltern: Blackrock hält hohe Anteile an S&P, Fitch gehört zu 100 Prozent der US-Mediengruppe Hearst Communications. – Rating-Agenturen werden bspw. von Banken, Versicherungen und Unternehmen damit beauftragt, für sich und ihre Wertpapiere Ratings zu erstellen. Selbst Länder, Städte und öffentliche Unternehmen sind heute auf Bewertungen ihrer finanziellen Solidität angewiesen. Für die bewerteten Institutionen und für Investoren haben Ratings hohe Relevanz: Schwache Einstufungen führen bei Kapitalanleihen am Markt zu höheren Zinsen. In Deutschland finden sich zwar auch Rating-Agenturen (bspw. Creditreform), weltweit dominieren die drei großen amerikanischen Agenturen allerdings mit zusammen 93 Prozent den Weltmarkt. Sie bezeichnen ihre Bonitäts-Einschätzungen als „Meinungen“, um – vor amerikanischen Gerichten erfolgreich – jegliche Schadenersatzprozesse bei Fehleinschätzungen zu umgehen.
Ohne Einfluss auf die Ratings der Agenturen blieben lange ökologische Parameter. Noch relativ jung sind Öko-Ratings, die diese Lücke besetzen und Organisationen allein mit ökologischen Kriterien bewerten.53 Dabei geht es um Informationen über die nachhaltige Gesamtverantwortung von Unternehmen, wie zum Beispiel die ökologische Belastung von Produkten oder Dienstleistungen über den gesamten Lebenszyklus. Dabei werden alle Bereiche der betrieblichen Wertschöpfungskette, wie Beschaffung, Produktion, Absatz, Logistik, Controlling, Personal, Organisation und Finanzierung einbezogen. Ziel des Öko-Ratings ist es, die ökologische Performance von Unternehmen durch eine hochaggregierte Bewertung auszudrücken. Im Bereich der Öko-Rating-Agenturen konnten sich in Deutschland einige größere Agenturen etablieren: oekom research AG, Sustainalytics GmbH oder imug Beratungsgesellschaft für sozial-ökologische Innovation mbH. In der Schweiz sind es Inrate AG oder SAM Group Holding AG. Auftraggeber sind Asset-Manager und institutionelle Investoren, also etwa Fondsgesellschaften, die einen Nachhaltigkeitsfonds aufgelegt haben und verwalten. – Auch die großen amerikanischen Agenturen drängen inzwischen auf den Markt für Öko-Ratings und werben mit nachhaltigen Unternehmensbewertungen. Sie setzen auch auf Übernahmen, um spezialisierten Agenturen Marktanteile abzuringen.54
Weltweit stark engagiert ist im Bereich Öko-Rating die internationale Rating-Agentur CDP (Carbon Disclosure Project). Das CDP ist eine im Jahr 2000 in London gegründete Non-Profit-Organisation mit der weltweit größten Sammlung von unternehmensbezogenen Informationen zum Klimawandel. Die Daten werden CDP von den Unternehmen selbst zur Verfügung gestellt. CDP verfolgt zwei Ziele:
1. Die größten börsennotierten Unternehmen der Welt und auch Kommunen sollen ihre Umweltdaten offenlegen und veröffentlichen, insbesondere die klimaschädlichen Treibhausgas-Emissionen und den Wasserverbrauch.
2. Organisationen sollen dazu gebracht werden, ihre Emissionen zu reduzieren.
Die Grundidee umschreibt CDP mit dem Satz: „You can´t manage what you don´t measure.“ In diesem Sinne wirbt CDP: „Wenn Sie dem CDP Bericht erstatten, können Sie sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, indem Sie regulatorische und politische Veränderungen vorwegnehmen, wachsende Risiken identifizieren und angehen und neue Handlungsmöglichkeiten finden, die von ihren Investoren und Kunden auf der ganzen Welt gefordert werden.“55 CDP erstellt auf Grundlage der von Unternehmen aus der ganzen Welt zur Verfügung gestellten unternehmenseigenen Daten ein Scoring von A bis F. Bewertet werden von CDP Risiken und Chancen in Bezug auf Klimawandel, Wassersicherheit und Entwaldung. Stand 01. April 2020 wies CDP mehr als 8.400 Unternehmen, mehr als 800 Städte sowie mehr als 120 Staaten und Regionen in seinem Ranking auf. Weltweit haben 2020 etwa zwei Prozent der Unternehmen ein A-Rating.56 Interessant ist ein Blick auf die Ratings deutscher Unternehmen. Je acht Unternehmen erreichten 2020 ein A oder A-Rating, darunter die Deutsche Bahn, HeidelbergCement und die großen deutschen Automobilhersteller BMW, Daimler und Volkswagen.
CDP – Ranking deutscher Unternehmen
Angabe der Unternehmen mit Rating A, A- sowie Anzahl pro Rating B bis F, Stand April 2020
Quelle: 57
Aus den CDP-Daten 2019 wurde ermittelt, dass im Berichtszeitraum 882 europäische börsennotierte Unternehmen neu 124 Milliarden Euro in die Verringerung ihrer CO2-Emissionen investiert oder entsprechende Investitionen angekündigt haben. 59 Milliarden Euro davon flossen in CO2-arme Technologien, 65 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. 69 deutsche Unternehmen meldeten CDP mit 44,4 Milliarden Euro europaweit den höchsten Anteil (36 Prozent) am Investitionsvolumen. Platz zwei und drei innerhalb der EU-Staaten nahmen die Unternehmen aus Spanien (37,9 Milliarden Euro) und Italien (24,3 Milliarden Euro) ein. Konzerne aus Großbritannien kamen 2019 hinter Frankreich (6,0 Milliarden Euro) und Dänemark (4,5 Milliarden Euro) mit Investitionen von 4,0 Milliarden Euro auf Rang sechs. Das ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass in einigen Ländern mehr Firmen aus dem Dienstleistungssektor mit geringeren Emissionen ansässig sind. – Das Ausgabenniveau insgesamt beeindruckt, liegt aber zu niedrig, um das EU-Klimaziel zur Emissionsfreiheit bis 2050 zu erreichen. Die Investitionsausgaben für kohlenstoffarme Technologien müssten dafür mehr als verdoppelt werden – von 59 auf 122 Milliarden Euro pro Jahr.58
>> So wie es nach dem zweiten Weltkrieg gelungen ist, in Deutschland mit Erfolg das klassische Wirtschaftswunder zu organisieren, haben wir heute die Chance, jetzt ein ökologisches Wirtschaftswunder zu schaffen. <<
Franz Alt59
ÖKONOMIE
Ökologische Brücke in ein zweites Wirtschaftswunder?
Für die deutsche Wirtschaft entwickelte sich der Umweltschutz in den letzten Jahrzehnten zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor. Allein das produzierende Gewerbe und nachgelagerte Dienstleister setzten 2017 mit Technologien zum Umweltschutz knapp 74 Milliarden Euro um.60 Im Jahr 2020 wurden in Deutschland in der gesamten grünen Technologiebranche 392 Milliarden Euro erwirtschaftet, 15 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes61 und 14 Prozent des weltweiten Greentech-Markts – ein viel höherer Anteil als die drei Prozent unseres Landes an der globalen Wirtschaft. Die Ausgangssituation unserer Wirtschaft ist also hervorragend, womit auch die Vorstellung von F. Alt im Eingangszitat von einem ökologischen Wirtschaftswunder gar nicht so fern liegt. Zumal auch die Aussichten hervorragend sind: Wurden 2020 weltweit 4,6 Billionen Euro mit Umwelttechnologie umgesetzt, soll sich der Markt in den kommenden zehn Jahren voraussichtlich verdoppeln. Die Ausführungen zu den SDG werden nachher zeigen: Die deutsche Wirtschaft birgt hohe Potenziale; insbesondere im Mittelstand wird sehr an neuen Geschäftsmodellen gearbeitet. Vor Eintritt des Wunders gilt es allerdings einige irdische Zielkonflikte zu lösen!
Wachstumsdilemma – Wegschauen hilft nicht
Die zurückliegenden Seiten sollten uns dafür sensibilisieren, dass der Klimawandel zwar ein ökologisches Phänomen ist, die Ursachen aber bei uns Menschen liegen. In unserer Wirtschaft und in unserer Gesellschaft haben sich viele nicht-nachhaltige Strukturen und nicht-nachhaltige Lebensstile verfestigt. Der Change, die Transformation unseres „running systems“ in ein nachhaltiges Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, bleibt deshalb alternativlos: Wenn das Klima sich entsprechend des Pariser Klimaschutzabkommens um nicht mehr als 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erwärmen soll, müssen wir die globalen Treibhausgas-Emissionen senken. Mit einer Reduktion von sieben Prozent im Jahr würden wir 2050 CO2-Neutralität erreichen. Während der Wochen des Corona-Lockdowns sind die CO2-Emissionen in etwa um diesen Wert gesunken. Das verschafft uns ein Gefühl, vor welchen Herausforderungen wir stehen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie mit den hohen finanziellen Folgelasten der Staatshaushalte haben Grenzen aufgezeigt: In gleicher Form ist weder der Staat noch unsere Wirtschaft mittel- und langfristig belastbar. Während der Pandemie geschah mit deutlichen Umsatzeinbußen in vielen Branchen das Gegenteil von dem, was oberste Zielsetzung unserer Unternehmen ist. In unserer Marktwirtschaft sind Umsatz und Ertrag Gradmesser für die Bewertung von Unternehmen. Sie genießen in allen Quartalsberichten und Jahreszahlen von Unternehmen das Hauptaugenmerk. Eine Organisation, die ihren Umsatz kontinuierlich steigert, ist gemeinhin gesund – und umgekehrt.
Ökologisch gesehen hat Umsatzwachstum allerdings nicht selten eine unerwünschte Kehrseite, wie das folgende Fallbeispiel der deutschen TUI Group verdeutlicht. Die TUI Group ist einer der führenden Tourismus-Konzerne in Europa.62 Ein Blick in den TUI-Nachhaltigkeitsbericht für das Jahr 2018 eröffnet dem Leser einen verständlichen Aufbau in sehr ansprechender Gestaltung. Selbstkritisch werden dort auch Vorbehalte gegen die eigene Branche (Overtourism) thematisiert. Nachhaltigkeit wird im Unternehmen strategisch angepackt, in einer Wirksamkeitsanalyse drei für die TUI besonders relevante SDG-Ziele hergeleitet.63 TUI agiert für seine Kunden mit 350 Hotels, rund 150 Flugzeugen und 16 Kreuzfahrtschiffen in einem energieintensiven Geschäftsfeld mit hohen CO2-Emissionen. Im Bericht beschriebene Maßnahmen zur CO2-Reduktion brachten in 2018 zwar messbare Erfolge: So verbrauchten zwei Schiffsneubauten 40 Prozent weniger Kraftstoff als Schiffe vergleichbarer Größe. Auch im Bereich Verwaltungsgebäude und Reisebüros konnte eine beachtliche CO2-Minderung um 11,2 Prozent ausgewiesen werden. In der Gesamtrechnung des Jahres 2018 erhöhten sich die CO2-Emissionenm allerdings trotz aller engagierten Aktivitäten und Maßnahmen gegenüber dem Vorjahr um 4,8 Prozent.64 Was war der Grund für die unerwünschte Erhöhung des Gesamt-CO2-Ausstoßes? Der Umsatz der TUI konnte 2018 im Vergleich zu 2017 um fast 7 Prozent von 16,14 auf 17,27 Millionen GBP gesteigert werden. Die umwelttechnischen Verbesserungen wurden also durch das Wachstum der Geschäftsaktivitäten „überkompensiert“. Mehr Menschen hatten Urlaubsreisen bei der TUI gebucht, der Konzern war wirtschaftlich also noch erfolgreicher. Neben zufriedenen Kunden und einem gewachsenen Unternehmen verblieb nur ein Dilemma: Der ökologische Fußabdruck hatte sich vertieft.
Das Wachstumsdilemma, ein Zielkonflikt zwischen Ökonomie und Ökologie, findet sich in anderen Branchen in ähnlicher Form wieder: In der Automobilindustrie wird seit Jahrzehnten an der Motoreneffizienz gearbeitet. Maßgebliche Fortschritte steuern auch Automatikgetriebe bei, die mit ihren heute bis zu neun Gängen Motoren im jeweils verbrauchsgünstigsten Drehzahlbereich bewegen. Hingegen machen die Kaufentscheidungen der Verbraucher zu größeren und leistungsstärkeren Fahrzeugen mit immer mehr Ausstattung die technischen Fortschritte zur Verringerung des CO2-Ausstoßes zunichte. Die Formulierungen in den Nachhaltigkeitsberichten der Automobilhersteller des Jahres 2018 lesen sich fast alle gleich: „Im Berichtsjahr sind die durchschnittlichen CO2-Emissionen der Gesamtflotte … in Europa gestiegen. … Gleichzeitig haben die Verschiebung des Absatzes weg vom Diesel hin zum Benziner sowie der weiter steigende Absatz von größeren SUV und Allradfahrzeugen den CO2-Flottenwert erhöht.“65 – Wie stark sich die Konstruktion beziehungsweise Antriebsform von Fahrzeugen auf den CO2-Ausstoß auswirkt, zeigt eine Gegenüberstellung von BMW-Fahrzeugen mit identischem Motor: Während sich ein Vierradantrieb bei einer Limousine noch relativ moderat auswirkt, fordert die SUV-Karosserieform (X3) weitere zwölf Prozent Mehrverbrauch.
Es lassen sich an dieser Stelle zwei Erkenntnisse ableiten:
• Es gibt einen Zielkonflikt zwischen ökonomischem Wachstum auf der einen Seite und Ökologie bzw. CO2-Reduktion auf der anderen Seite.
• Technischer Fortschritt und Effizienzsteigerung sind keine Garanten, ökologisch Fortschritte zu machen oder gar CO2-Neutralität zu erreichen! Grund ist der sogenannte Rebound-Effekt: Der Rebound ist ein Anstieg des Energieverbrauchs aufgrund einer Effizienzsteigerung. Angegeben wird er meist als prozentualer Anteil des theoretischen Einsparpotenzials von Effizienzsteigerungen, der aufgrund des Verhaltens der Verbraucher nicht eingespart wird.66
Spielverderber Rebound-Effekt
Der Rebound-Effekt ist ein Phänomen, das schon lange beobachtet wird. Anfang des 20. Jahrhunderts ersetzten Glühbirnen mit Wolframfaden solche mit Kohlefaden. Die Befürchtungen der Stromversorger, dass ihr Umsatz infolge geringeren Verbrauchs sinken würde, stellten sich als unbegründet heraus: Tatsächlich war plötzlich mehr Strom am Markt, was den Strompreis fallen ließ. Elektrisches Licht wurde aber für mehr Menschen erschwinglich; mehr Menschen erwarben Lampen und der Stromverbrauch stieg sogar über das vorherige Volumen an. Eine Effizienzsteigerung führte letztlich zu Mehrverbrauch.66a
120 Jahre später könnte sich das Spiel wiederholen: LED-Lampen verdrängen aktuell wesentlich verbrauchsintensivere Halogenleuchtkörper. Erneut erzielt eine energieeffizientere Beleuchtung gleiche Helligkeit bei deutlich niedrigerem Energieverbrauch. Vielleicht bleibt der Rebound-Effekt wegen eines bereits erreichten Sättigungsgrades von Beleuchtungseinrichtungen geringer als bei der Glühlampenumstellung. Der Flughafen München beispielsweise hat Landebahnbeleuchtungen auf LED umgestellt. Solange das Wachstum des Flughafens keine neue Landebahn erfordert, sollte hier tatsächlich ein dauerhafter Effizienzgewinn für das Unternehmen verbleiben. Sollte sich der Flugverkehr nach der Pandemie erholt haben und seine Wachstumsgeschichte fortschreiben, würde eine weitere Landebahn am Flughafen mit neuen zusätzlichen Beleuchtungen den Einspareffekt (teil-)kompensieren.
Eine Studie im Auftrag der Europäischen Kommission kam zu dem Ergebnis, dass der Rebound-Effekt je nach Zeit, Ort und Technologie zwischen 10 und 80 Prozent der erhofften Energie-Einsparung zunichtemachen könne. Der Rebound-Effekt lässt sich auch auf der Ebene der Privathaushalte erkennen. Die Entwicklung des Smartphones etwa war eine nachhaltige Neuerung: Das kleine Gerät war Kamera, Taschenrechner, Uhr, Radio, Fernseher, Walkman und Computer mit Tastatur in einem! Auch insgesamt betrachtet sind seit Mitte der achtziger Jahre in Privat-Haushalten elektrische Geräte um rund 37 Prozent energieeffizienter geworden. Weil die Menschen sich aber mehr Geräte anschafften und diese intensiver nutzen, stieg der Stromverbrauch im gleichen Zeitraum um 22 Prozent. Gerade digitale Anwendungen erweisen sich als fast schon tückisch, da der Anwender keine Emissionen wahrnimmt. So ist auch in der Digitalisierung der Rebound-Effekt eingetreten: 50.000 Rechenzentren (mit mindestens drei Servern) gibt es in Deutschland nach einer 2020 durchgeführten Studie.67 Der Energiebedarf pro Gigabit konnte in diesen Zentren durch Effizienzsteigerungen der Rechner zwar deutlich gesenkt werden, die hohe Nachfrage nach Rechenleistung fraß den Effizienzfortschritt aber auf. Die Kühlung der Rechner verbraucht fast so viel Strom wie die Datenverarbeitung selbst. Neue Software erhöht fast immer die Anforderungen an die Hardware. Die Studie ergab, dass der Energiebedarf der Rechenzentren in Europa zwischen 2010 und 2020 von 56 TWh/a (Terawattstunden pro Jahr) auf 87 TWh/a angestiegen ist (+ 55 Prozent), das entspricht etwa 2,7 Prozent des elektrischen Stroms in Europa.
Die Dynamik der Entwicklung flacht nicht ab: Im Jahr 2023 wird die Zahl der Internetnutzer weltweit voraussichtlich erstmals die Marke von fünf Milliarden übersteigen. Zwei Drittel aller Menschen können dann ihre Fotos im Netz speichern. – Einen sprunghaften Anstieg des Stromverbrauchs brachte zuletzt die Kryptowährung Bitcoin mit sich: Auf geschätzte 93 Terawatt Stromverbrauch schoss der Verbrauch im Jahr 2020 durch das Auffinden der neuen digitalen Münzen in die Höhe, fast so viel, wie der Stromverbrauch der gesamten Niederlande!68 Es überrascht deswegen nicht, dass das weltweite Streben nach mehr Wohlstand den weltweiten Energiebedarf bis 2050 um 50 Prozent erhöhen wird.
Der Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien hilft in diesem Zusammenhang zwar. Entsprechend des wachsenden Strombedarfs müssen aber immer mehr Windräder und Solaranlagen errichtet, gewartet und später recycelt werden. Die CO2-Emissionen resultieren dann nicht mehr aus verstromter Kohle oder Öl, sondern aus anderen Quellen – in einer Gesamtrechnung aber nicht unbedingt in geringerem Umfang.
Unterscheiden lassen sich drei Formen des Rebounds:
• Wird ein neuer Pkw mit besserer Effizienz von seinem Nutzer mehr gefahren als ein zuvor genutztes älteres Fahrzeug, handelt es sich um einen direkten Rebound-Effekt: Der Effizienzgewinn wird direkt in einen Mehrverbrauch zurückinvestiert. Eine Verhaltensänderung des Konsumenten führt also dazu, dass der technische Effizienzgewinn der Umwelt nicht zugutekommt.
• Ein indirekter Rebound tritt zum Beispiel ein, wenn der Nutzer nach einem Fahrzeugwechsel die Intensität der Nutzung nicht verändert und Treibstoffkosten einspart, diese Einsparung aber für andere Investitionen nutzt: Er leistet sich mit dem Mehr an zur Verfügung stehenden freiem Budget beispielsweise einen Kurzurlaub mit dem Flugzeug.
• In Einzelfällen können Einspareffekte sogar überkompensiert werden: Nach dem Neukauf eines Fahrzeugs liegen die Aufwendungen für eine höhere Jahreskilometerleistung über den Effizienzeinsparungen. Dieser Rebound-Effekt wird als Backfire bezeichnet.
Wer den Rebound-Effekt bislang nicht kannte und die dargestellten Beispiele in Ruhe durchdenkt und auf andere Konsumbereiche überträgt, wird vermutlich nachdenklich. Das Ziel einer nachhaltigen Wirtschaft wird durch den Rebound bedroht. Denn unsere bisherige Konsumwelt lebt von immer neuen Anreizen. Die Wirtschaft will Umsatz und Wachstum erzeugen. Der ganz überwiegende Teil der Verbraucher konsumiert auch gerne und freut sich über schöne neue Anschaffungen. Führen Effizienzgewinne ohne Spaßeinbuße beim Konsumenten zu Ersparnissen, so werden die gewonnenen Mittel gerne für neue Produkte, Mehrverbrauch und häufig auch Urlaubsreisen investiert. Daran schien bislang nichts verkehrt!
So gibt es einen Grundsatzstreit zwischen Ökonomen:
• Die einen glauben, technischer Fortschritt und Effizienzsteigerungen werde nachhaltiges, umweltschonendes Wirtschaftswachstum ermöglichen. Eine Kernthese von McAfee, Hochschullehrer am MIT (Massachusetts Institute of Technology), ist beispielsweise, dass die Marktkräfte in Kombination mit dem technischen Fortschritt mehr Wohlstand bei weniger Ressourceneinsatz ermöglichen. Er belegt dies mit verschiedenen Daten: So lag zum Beispiel der Energieverbrauch in den USA im Jahr 2017 fast zwei Prozent niedriger als 2008, während das Bruttoinlandsprodukt in den Staaten in diesem Zeitraum um mehr als 15 Prozent gewachsen ist.69 Der Kapitalismus sei fortschrittsfreudiger und effizienter als alle anderen Wirtschaftsformen, brauche aber Einhegung: nicht im Sinne von Selbstbescheidung, sondern durch bürgerschaftliches Engagement. McAfee nennt die Faktoren die „vier Reiter des Optimisten“: technologischer Fortschritt, Kapitalismus, öffentliches Bewusstsein und bürgernahes Regieren.70
• Die anderen fordern die Abkehr vom Wachstumsparadigma. Ein konstantes prozentuales Wachstum führe zu einem exponentiellen Wachstum. Ein konstantes Wirtschaftswachstum von zwei Prozent pro Jahr sorge beispielsweise dafür, dass sich die Größe einer Volkswirtschaft in etwa 35 Jahren verdoppele. Eine Lösung wird von diesen Vertretern nur in mehr Selbstgenügsamkeit gesehen. Klimaziele mit hoher Reduktion von Treibhausgasen halten sie ohne eine solche Genügsamkeit für praktisch unerreichbar. Oder anders ausgedrückt: Solange die Wirtschaft wächst, wachsen auch die Emissionen, mit erneuerbaren Energieträgern lediglich langsamer als mit fossilen.
Eines steht fest: Die Abkehr vom Wachstumsparadigma würde ein Umsteuern mit Maßnahmen erfordern, deren Ergebnisse und Auswirkungen auf ganze Volkwirtschaften sehr schwer kalkulierbar sind: Verteuerung von Produkten und Dienstleistungen über Besteuerung (beispielsweise von Fernflügen und Kerosin) oder absolute Grenzsetzungen. Das beschriebene Wachstumsdilemma, die Zweischneidigkeit von ökonomischem Wachstum und ökologischer Belastung, verliert aber auch in einem solchen kehrseitigen Ansatz nicht seinen Zielkonflikt: Jede Energieeinsparung und jeder Konsumverzicht führen bei irgendeinem Leistungserbringer auf der ökonomischen Seite zu Umsatzrückgang und Einbußen. Gleichgültig, ob geringere Nutzung von Elektrogeräten oder Fahrzeugen, das Ausschalten des Stand-by-Modus, der Verzicht auf Außenbeleuchtung oder die längst überfällige Verlängerung der Austauschzeiten von Wasserzählern in Wohnhäusern – immer gibt es einen Energieerzeuger oder Produzenten, dessen Auslastung und Umsatz sinken. Gesetzgebende Staaten stehen mitten in diesem Dilemma, denn sie sind selbst auf Wachstum angewiesen, um staatliche und wachsende soziale Leistungen wie Pensions- und Rentensysteme aufrechterhalten zu können.
Diese ersten Überlegungen zeigen: Die Transformation in eine nachhaltige Wirtschaft ist ein kniffliges Unterfangen. Unser „running system“ muss – ökologisch bedingt – verändert werden. Dabei darf aber seine Leistungskraft nicht gefährdet werden. Wer die ökologische Veränderung fordert, muss ein Bewusstsein für die Schwierigkeiten und Wechselwirkungen bei der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen haben. Dazu gehört auch das Wissen um den Rebound nachhaltiger Maßnahmen. So lassen sich an dieser Stelle zwei Zwischenergebnisse herausheben:
• Der Verzicht auf fossile Brennstoffe und die Eindämmung von CO2-Emissionen sind unabdingbar.
• Effizienzsteigerung sowie Genügsamkeit und Verzicht sind zielführend, aber nicht ohne Nebenwirkung.
>> Ein Feigling ist ein Mensch, bei dem der Selbsterhaltungstrieb normal funktioniert. <<
Ambrose Bierce71
Homo oeconomicus – der Mensch steht im Mittelpunkt
2006 erschien das Buch „Eine unbequeme Wahrheit“ von Al Gore. Es wurde verfilmt und Al Gore erhielt für sein Engagement den Friedensnobelpreis. Zu Recht, wie ich meine! In sehr bildreicher und einfach verständlicher Form rüttelte Al Gore die Welt auf; vielleicht hätte er als Präsident den ökologischen Kurs Amerikas tatsächlich entscheidend verändert und damit einen „positiven Sogeffekt zur Nachhaltigkeit“ für die Welt auslösen können. Es bleibt eine Hypothese. Denn ein denkbar knappes Wahlergebnis bei der Präsidentenwahl im November 2000 stellte die Weichen anders: 537 Stimmen fehlten Al Gore im Swing Staat Florida. Er unterlag Georg W. Busch.
Bleibt die Frage: Gab es seither entscheidende Fortschritte, die „drohende Klimakatastrophe“ (Untertitel des Buches von Al Gore) abzuwenden? Haben alle Leser und Kinobesucher in ihrem jeweiligen Wirkungskreis – ob Politiker, Vorstände in Unternehmen oder wir alle als Bürger und Verbraucher – getan, „was wir dagegen tun können“, wie es Al Gore im Untertitel seines Buches formuliert? Haben sich Flugreisen, Individualverkehr, Kunststoffeinsatz oder Fleischverzehr infolge von Einsicht und entsprechendem Verhalten entscheidend reduziert?
Schon 2008 ergab eine repräsentative Bevölkerungsumfrage des Bundesministeriums für Umwelt, dass rund 84 Prozent der Bevölkerung davon überzeugt gewesen sind, durch das eigene Konsumverhalten wesentlich zum Umweltschutz beitragen zu können. Die Studie ergab weiter, dass die Bereitschaft zu umweltbewusstem Verhalten vor allem dann steigt, wenn vorausgesetzt werden könnte, dass „alle so handeln“. Die Änderung des eigenen Verhaltens durfte aus Sicht der Bevölkerung allerdings nicht mit einer Verschlechterung der eigenen Lebensqualität einhergehen. 61 Prozent der Bevölkerung gaben an, dass sie nur dann mehr für den Umweltschutz tun würden, wenn dadurch ihr Lebensstandard nicht beeinträchtigt wird. – Als zusätzliche Problematik wies die Studie darauf hin, dass ein geäußertes, ökologisch bewusstes Kaufverhalten nicht mit tatsächlichen Kaufhandlungen gleichgesetzt werden könne. Vielmehr würden Absatzzahlen verschiedener Produkte belegen, dass es eine erhebliche Diskrepanz zwischen angegebenem und tatsächlichem Kaufverhalten gebe.72
Die beschriebene Haltung spiegelt sich auch bei CO2-Kompensationen im Rahmen von Flugbuchungen wider: Die Organisation atmosfair sammelt Spenden, um damit Klimaschutzprojekte in ärmeren Ländern zu unterstützen. Bei einer Flugbuchung errechnet eine Software aus den Flugkilometern die persönlichen CO2-Emissionen und bietet im Buchungsprozess eine entsprechende freiwillige Kompensation an. Im Jahr 2019 hat atmosfair rund 460.000 Flüge kompensiert. Das ist weniger als ein Prozent aller Flüge ab Deutschland. Die Zahlen korrelieren mit den Ergebnissen bei der Lufthansa. Die Airline kooperiert bei der freiwilligen Kompensation mit MyClimate. Die schweizerische Organisation sammelte im Jahr 2017 Ausgleichszahlungen für knapp 16.900 Tonnen CO2 ein. Das waren bei etwas mehr als 30 Millionen Flügen der Lufthansa im selben Jahr nur 0,06 Prozent der Gesamtemissionen.73
Aber auch für Unternehmen haben Einladungen und Appelle ganz offensichtlich zu wenig Anziehungskraft: Kaum ein Produkt, das nicht durch aufwändige Verpackung „aufgehübscht“ wird, mit der Folge gewaltiger Mengen an Plastikabfall.
Wie entscheiden wir Menschen also im wirtschaftlichen Umfeld?
In der Wirtschafts- bzw. Erkenntnis- und Spieltheorie gibt es das Modell des Homo oeconomicus. Es handelt sich um das theoretische Modell eines sogenannten Nutzenmaximierers. Das Modell wird bei der Erklärung elementarer wirtschaftlicher Zusammenhänge genutzt und ist Grundlage vieler wirtschaftswissenschaftlicher Modelle. Wie jedes Modell basiert es auf einfachen Annahmen, um komplexe Sachverhalte in guter Näherung erklären zu können. Es ist also ein reines Gedankenmodell: Der Homo oeconomicus wird als rationell denkender, rational vernünftig handelnder und Nutzen maximierender Mensch definiert.
Mit diesem Modell kann man den Konsumenten, einen Kunden oder auch einen Unternehmer als einen fiktiven Akteur sehen, der – vor eine Handlungsentscheidung gestellt – über alle möglichen Alternativen eine klare Präferenzordnung bildet und sich für diejenige entscheidet, die die von ihm am meisten präferierten Folgen erwarten lässt. Wir Menschen sind danach in erster Linie selbstzentrierte Wesen mit der zentralen Antriebskraft des Eigennutzes. Jeder muss sich gegen andere als Konkurrenten knapper Ressourcen durchsetzen. Adam Smith, schottischer Moralphilosoph, Aufklärer und Begründer der klassischen Nationalökonomie, übertrug diese Annahme auf Wirtschaft und Gesellschaft: Eine Ökonomie, die auf Wettbewerb und Vorteilserlangung bedacht sei, bringe die besten Voraussetzungen zur Erlangung gesellschaftlicher Wohlfahrt mit sich.
Der Homo oeconomicus wird sehr häufig als egoistisches Menschenbild kritisiert. Jedoch postuliert das Modell des Homo oeconomicus nicht unbedingt Egoismus. Denn welche intrinsische Motivation der gewählten Präferenz zugrunde liegt, ist in diesem Modell irrelevant. Es handelt sich um ein rein beschreibendes Akteursmodell und ist nicht als normatives Menschenbild konzipiert. Das heißt, menschliches Verhalten wird auf einfachste rationale Verhaltensregeln zurückgeführt.
Deswegen kann und will das Modell des Homo oeconomicus auch keine Aussage oder gar ethische Bewertung darüber treffen, warum jemand die Präferenzen und Überzeugungen hat, die er hat. Der Umstand, dass ein Mensch einen Zustand gegenüber einem anderen vorzieht, sagt tatsächlich noch nichts über seine Beweggründe aus. – Als Menschen neigen wir jedoch dazu, eine Präferenzentscheidung sofort mit Werten und Motivation zu hinterlegen, weil wir eben nicht das Modell, sondern ein anthropologisches Menschenbild vor Augen haben bzw. haben wollen. Mit einer Beobachtung aus der „Elternwelt“ beschreibe ich sicher vielen Lesern kein unbekanntes Beispiel. Kinder entwickeln gerade in der Pubertät eine gewisse Vorliebe für das Minimalprinzip: Schon interessiert an guten schulischen Ergebnissen, sollen diese aber mit geringst möglichem Aufwand erzielt werden. Häufig geht es erstaunlich gut aus, manchmal „suboptimal“. Was sich hier bei Jugendlichen abspielt, ist eine klare Präferenzentscheidung: Möglichst wenig Zeitaufwand für die Erfüllung (bestimmter) schulischer Anforderungen. Über diese nüchterne Definition ist aber noch keine Aussage über die Motive getroffen: Lag die Motivation darin, die gewonnene Zeit für Hobbys oder Freund/in einzusetzen oder war die Entscheidung einfach nur durch „Chillen“ motiviert?
Auf Grund neurowissenschaftlicher Erkenntnisse und Beobachtungen von Hirnströmen mit Hilfe von MRT wissen wir spätestens seit der Jahrtausendwende, wie das menschliche Gehirn Informationen verarbeitet: Wir Menschen handeln nicht so rational, wie wir selbst glauben. Sicher ist auch, dass unsere eigene Wahrnehmung an Verzerrungen und Befangenheiten leidet, ausgelöst etwa durch visuelle Anreize oder angenehme Gerüche, die wir selbst kaum überbrücken können. Oft sind es nur kleine unbedeutende kontextuelle Details, die Einfluss auf unser Verhalten haben und die auf einen Mangel an Selbstbeherrschung treffen. Verstand und Emotion sind gewissermaßen gleichermaßen anfällig. So fallen im Ergebnis immer wieder schlechte Entscheidungen: beim Einkauf, der Ernährung, der Verschuldung bis hin zu weitreichenden Weichenstellungen in Unternehmen. Verhaltensökonomische Laborexperimente haben weiterhin gezeigt, dass der Mensch weder zur perfekten Rationalität und Informationsverarbeitung fähig noch durchgängig eigennützig ist.
In der Rolle des Konsumenten tritt der Homo oeconomicus zunehmend facettenreich auf. Als hybrider Kunde bezeichnet, legt er ein wechselhaftes, den Einzelfall optimierendes Nachfrageverhalten an den Tag, ist also nicht einseitig leistungs-, preis- oder serviceorientiert. Das gern gewählte Beispiel des „Porschefahrers, der im Aldi einkauft“ veranschaulicht das Verhalten: Im Nahrungsmittelbereich bevorzugt dieser Konsument „gut und günstig“, bei der Fahrzeugwahl „sportlich und Premiumsegment“. In der digitalen Verbraucherwelt setzt sich dieses Hybridverhalten in praktisch allen Konsumbereichen fort, von der Auswahl des Versicherungsproduktes bis hin zum genutzten Einkaufskanal: Verbraucher schätzen es, sowohl online als auch offline einzukaufen. Die Kunden agieren und wählen in beiden Welten – und das nahtlos. Sie möchten online schauen können, ob beispielsweise ein Möbelstück in einem Möbelcenter vorrätig ist. Im Textilhandel schätzen sie innovative Services dank digitaler Technologien, beispielsweise ein Tablet, mit dem sie in der Umkleidekabine andere Größen anfordern können.74 Während beim Kleiderkauf Haptik bevorzugt wird, erfolgt der Bücherkauf oder der Abschluss der Haftpflichtversicherung online.
Dieses hybride Verhalten findet sich auch bei Nachhaltigkeitsentscheidungen wieder: Der Kunde steht regelmäßig Schlange für das neueste iPhone, äußert aber Unverständnis für Mitmenschen, die Joghurts in Kunststoffbechern kaufen. Andere verzichten auf ein eigenes Fahrzeug, fliegen in Jahresurlauben aber wechselweise auf alle Kontinente. Kunden entscheiden sich für vegane oder rein biologische Ernährung, pendeln aber täglich über 70 Kilometer zum Arbeitsort. Die Kalibrierung des ökologischen Gewissens erfolgt individuell. Auch der ökologisch handelnde Verbraucher ist also häufig ein Hybrid und bestimmt selbst, was für ihn im Sinne eines nachhaltigen Lebens gut, akzeptabel oder unverzichtbar ist. Als Zwischenergebnis können wir festhalten: Stets steht der Mensch als Akteur im Mittelpunkt! Wenn es um die Suche nach einer Synthese zwischen Ökonomie und Ökologie geht, bildet der Mensch das entscheidende Scharnier.
Der agile Konsument – Change in der Denke
Für die Rolle des Konsumenten findet sich im WHI-Bericht 2019 (Welthungerhilfe) ein sehr interessanter Perspektivwechsel: Eines der gravierendsten Versäumnisse der Klimapolitik sei die Fokussierung auf den Klimawandel als biophysikalische Herausforderung gewesen, bei der es um CO2-Emissionsrechte, CO2-Speicherung und CO2-Emissionsminderung gegangen wäre. Stattdessen hätten die eigentlichen zugrunde liegenden Faktoren fokussiert werden müssen, die auf gesellschaftliche Werte und Verhaltensweisen zurückgehen. Erst in den vergangenen Jahren habe sich die Klimawandeldebatte zunehmend auf den menschlichen Lebensstil, Produktions- und Konsummuster, Verteilungs- und Klimagerechtigkeit konzentriert. Diese Diskursverschiebung sei ein notwendiger Schritt zur Schaffung eines gesellschaftlichen Konsenses für die tiefgreifenden Veränderungen, die – insbesondere in den einkommensstarken Ländern – erforderlich sind, um die aus einem demnächst deutlich wärmeren Weltklima resultierenden gravierenden Folgen zu vermeiden.75
Wie also sieht es in Deutschland um das Bewusstsein der Menschen für Veränderung und der Bereitschaft dazu aus? Marktforschungsergebnisse der letzten Jahre lassen tatsächlich einen Sinneswandel und Verhaltensänderungen bei den Verbrauchern erkennen, hin zu nachhaltigerem Konsum.
Im Jahr 2017 wurden gut 18.000 Menschen in Deutschland befragt, welche Rolle Nachhaltigkeit bei ihren Kaufentscheidungen spielt. Das Ergebnis ergab eine Dreiteilung: 76
• Die mit 59 Prozent größte Gruppe wurden in der Auswertung als „Unentschlossene“ bezeichnet. Es sind Konsumenten, die sich noch weniger intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen; ihr Interesse für einen Produktkauf mit Nachhaltigkeitsaspekt muss groß genug sein oder einen Mehrwert bringen.
• Die mit 31 Prozent zweitgrößte Gruppe wurde als „Gleichgültige“ eingeordnet. Bei ihnen spielt die Nachhaltigkeit kaum eine Rolle bei der Kaufentscheidung, es sei denn, es wird ein klarer persönlicher Mehrwert ersichtlich.
• Lediglich von 10 Prozent der Befragten – als „Überzeugungstäter“ bezeichnet – wurden nachhaltige Produkte klar bevorzugt.
Eine positive Prognose für eine gedeihliche Entwicklung der ökologischen Nachhaltigkeit hätte erfordert, dass sich die Gewichtung in den Antworten genau umgekehrt dargestellt hätte. Dem war 2017 noch nicht so. Bei 90 Prozent der Menschen in Deutschland flossen ökologische Aspekte nicht bzw. nicht geplant und gesteuert in die Kaufentscheidungen ein. Das Ergebnis bestätigte sich in einer weiteren Befragung unter 1.000 jungen deutschen Frauen und Männern bis 35 Jahre, in der der Frage nachgegangen wurde, wie wichtig dieser Gruppe Nachhaltigkeit beim Kauf von Kleidung ist: Von den Frauen gaben acht Prozent an, dass ihnen Nachhaltigkeit beim Kauf von Kleidung wichtig ist; elf Prozent achteten auf faire Herstellung. Bei den Männern waren es sechs beziehungsweise neun Prozent. Jede zweite Frau (51 Prozent) plagte beim Kauf von Textilien Gewissensbisse, wenn die Kleidungsstücke unter schlechten Arbeits- und Umweltbedingungen produziert wurden. Bei den Männern waren es mit 40 Prozent nochmal elf Prozent weniger.77 Bei der Frage, worauf beim Kauf der Kleidung besonders geachtet wird, landete die Nachhaltigkeit gar auf dem letzten Platz, weit abgeschlagen hinter Aussehen, Preis und Qualität. – Jedoch gaben 23 Prozent an, sich vorstellen zu können, künftig nachhaltig produzierte Kleidung zu kaufen; weitere 38 Prozent votierten zudem mit „eher ja“.
Worauf achtest du beim Kauf von Kleidung besonders?
Angaben in Prozent
Quelle: 78
Im Jahr 2019 verschafften die Fridays-for-Future-Aktionen Klimaschutzthemen viel Aufmerksamkeit. Weltweit beteiligten sich junge Menschen. In Deutschland wurden bis September 2019 rund 1,4 Millionen Teilnehmer ermittelt, viele in großen Städten: in Berlin 270.000, Hamburg und Köln je 70.000, München 40.000, Bremen und Stuttgart gut 30.000.79 Ob die Fridays-for-Future-Demonstrationen kausal für eine Sensibilisierung der Menschen waren oder stärkere Auswirkungen auf das Konsumverhalten der Verbraucher hatten, wird sich schwer feststellen lassen. Tatsächlich zeigen aber jüngere Befragungen, dass sich bei den Verbrauchern neben dem Bewusstsein auch in der Einstellung etwas zu bewegen scheint: Dieses Ergebnis zeigte eine Untersuchung der Mode-Plattform Lyst, die 2010 mit dem Ziel gegründet wurde, Konsumenten einen Überblick über das breite Online-Angebot von Modemarken und Modehändlern zu bieten. In den Jahren 2018 und 2019 untersuchte Lyst jeweils vom 1. Januar bis 20. Mai die Online-Nachfrage von fünf Millionen Käufern für Modeartikel von über 12.000 Designern. Die Analyse ergab, dass in Deutschland modebewusste Kunden im Zeitraum 2019 über 80 Prozent häufiger nach nachhaltiger Mode suchten als im gleichen Zeitraum des Vorjahrs. Die Mehrheit der Personen, die faire Denim-Marken suchen, ist zwischen 18 und 34 Jahre alt.80 – Im Ländervergleich der Kunden, die am meisten nach fair produzierter Kleidung suchten, bewegten sich deutsche Kunden in einer Spitzengruppe mit den nordischen Ländern Finnland, Dänemark und Schweden. Erst mit weitem Abstand folgten Kaufinteressenten aus den USA, China oder Italien. Ein Umdenken der Menschen zeigte auch eine internationale Umfrage des Chemiekonzerns Kemira aus Helsinki. Gegenstand der Studie waren die Ansichten der Verbraucher zu Verpackungsmaterialien aus Kunststoff für Lebensmittel. Etwas mehr als 4.000 Staatsbürger im Erwachsenenalter aus Deutschland, den USA, China und Finnland wurden befragt. Daraus ergaben sich insbesondere folgende Ergebnisse:81 Die meisten Studienteilnehmer versuchen, im Alltag die Menge an Kunststoffen zu reduzieren. Von den Befragten aus China sind dies 93 Prozent, in Deutschland 83 Prozent, in Finnland 67 Prozent und in den USA 58 Prozent. Ein Mehr an Kunststoffverpackungen in Zukunft wird kritisch gesehen und Lebensmittelhersteller stehen nach Meinung der Befragten in der Verantwortung, weniger Kunststoff für das Verpacken von Lebensmitteln zu verwenden. Im Durchschnitt 57 Prozent der Befragten erklärten sich dazu bereit, in Bezug auf nachhaltige Verpackungsmaterialien für Lebensmittel einen Preisaufschlag in Kauf zu nehmen.
Aufschlussreich erscheint weiterhin ein Blick in die alle vier Jahre erscheinende Sinus Jugendstudie. Von der Bundeszentrale für politische Bildung und anderen in Auftrag gegeben, untersucht die Sinus-Studie „Wie ticken Jugendliche“ die Lebenswelten 14- bis 17-jähriger Teenager. Die Jugendlichen sind aus Sicht von Sinus eine Art Frühindikator für den Wertewandel in der gesamten Gesellschaft. Der Blick auf die Jugend sei immer auch ein Blick auf die Zukunft des Landes. Für die Wirtschaft sind die Jugendlichen zahlungskräftige Kunden von Morgen und schon bald Bewerber und Beschäftigte. Die wesentlichen Ergebnisse der Sinus Jugendstudie 2020 ergaben:82
• Die Jugend wünscht sich, in der Mitte der Gesellschaft zu stehen und bürgerlicher Durchschnitt zu sein. Ein guter Job, eine Familie mit Kindern, Gesundheit, Wohlbefinden und ein Freundeskreis sind dieser Generation wichtiger als ihr eigenes Ding zu machen oder erfolgreich zu sein.
• Klimawandel und Umweltschutz beschäftigen die Befragten sehr. Die Jugendlichen haben allerdings nicht das Gefühl, dass diese Probleme von der älteren Generation ernst genug genommen werden. Dem stehen die Jugendlichen der Studie zufolge weitgehend ohnmächtig und zunehmend verdrossen gegenüber. Viele hätten das Gefühl, nichts ausrichten zu können. Sie beklagen die fehlende Teilhabe der jungen Generation an politischen Entscheidungsprozessen und die mangelnde Repräsentation im politischen Raum.
• Der jugendliche Zeitgeist ist grün und bewahrend (das heißt konservativ im ursprünglichen Sinne). Die Klimakrise wird aus jugendlicher Perspektive von den Verantwortlichen (Politik, Wirtschaft, ältere Generation) nicht ernst genommen; mögliche Problemlösungen werden verschleppt oder sogar hintertrieben.
• Die Werte Leistung und Selbstverantwortung stehen bei den Jugendlichen hoch im Kurs, auch wenn gleichzeitig die Skepsis gegenüber dem neoliberalen Wettbewerbsparadigma zugenommen hat.
Sehr deutlich wird eine Veränderung in der Haltung der deutschen Konsumenten letztlich bei der Trendstudie „Bewusster Leben“ der Otto Group. 70 Prozent von 1.149 befragten Bundesbürgern im Alter von 14 bis 70 Jahren bezeichnen 2020 ethische Kriterien als festen Bestandteil ihrer Kaufentscheidungen. Mit Zustimmungswerten von jeweils über 80 Prozent verbinden die Befragten ethischen Konsum mit umweltfreundlicher Herstellung bei menschenwürdigen Arbeitsbedingungen, fairem Handel, Recycelbarkeit und wenig Verpackung. Eine deutlich zunehmende Zahl (41 Prozent) sieht die Politik als Impulsgeber in der Verantwortung, wenn es darum geht, wer ethischen Konsum attraktiver machen soll. Ihre eigene Verantwortung sehen die befragten Konsumenten nur halb so hoch (22 Prozent). Wird hier Verantwortung abgeschoben? Wünscht sich der Bürger auf Grund der Erfahrungen mit der Politik im Umgang mit der Corona-Pandemie ein ähnlich stringentes Vorgehen des Staates auch bei der Bekämpfung des Klimawandels?
Die Frage nach dem Impulsgeber
Wer sollte Ihrer Meinung nach die zentralen Impulse setzen, um das Thema ethischer Konsum für die Menschen attraktiver zu machen? (Angaben in Prozent)
Quelle: 83
Nach einer internationalen Umfrage der Europäischen Investitionsbank (EIB) unter 30.000 Menschen halten es 65 Prozent der Deutschen – und sogar 70 Prozent der EU-Bürger – für richtig, wenn ihre Regierung die Bürger mit schärferen Regeln zu einem klimafreundlicheren Verhalten zwingen würde.84 So sehen rund Dreiviertel der Menschen inzwischen den generellen Veränderungsbedarf, aber ganz offensichtlich auch den Bedarf nach einer Instanz, die dafür sorgt, dass es bei dieser Veränderung gerecht zugeht: Lasten sollen entsprechend der individuellen Tragfähigkeit auf alle Schultern verteilt werden. Veränderung und Verzicht ja – aber unter Teilhabe aller. Sollte in der Politik an diesem Auftrag noch ein Zweifel bestanden haben, dürfte dieser in der oben dargelegten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom April 2021 endgültig beseitigt worden sein.
Eines darf man als Quintessenz der Überlegungen zum Homo oeconomicus, dem hybriden Kunden und aus den dargestellten Befragungsergebnissen ableiten: Die Haltung der Menschen hat sich über ein deutlich sensibilisiertes Bewusstsein dahingehend verändert, eine höhere Bereitschaft zu entwickeln, klimagerecht zu handeln. Ein sich sichtbar wandelndes Produktangebot bei Diskountern scheint dafür ein Spiegel zu sein. Im stärkeren Ruf nach der Politik mag der Wunsch erkennbar sein, dass anstelle von Ansammlungen junger Demonstranten auf den Straßen nun tatsächlich diejenigen handeln müssen, die das demokratische Mandat zum Handeln haben. Es dürfte aber auch ein gutes Maß an Selbsterkenntnis mitschwingen, dass jeder Einzelne nicht so handelt, dass die Welt den Weg in die Nachhaltigkeit finden wird. Die Erkenntnis in Notwendigkeiten ist also das eine, die tatsächliche Bereitschaft oder sogar „Lust auf Veränderung“ bei Urlaubsflügen, Fleischkonsum oder gefahrenen Autokilometern das andere. Der Homo oeconomicus scheint damit ein recht realistisches Bild zur Selbstregulierungsstärke seiner Art zu haben.
Dass auch „Einzelkämpfer“ nicht nur beim BVerfG erfolgreich sein können, sondern – insbesondere in Verbindung mit sozialen Medien – für das Thema Nachhaltigkeit hohe Aufmerksamkeit erzielen können, zeigten drei jüngere Beispiele:
Überraschend kritisierte der Youtuber Rezo (26) 2019 die CDU im Europawahlkampf in einem Video. Es war insgesamt ordentlich recherchiert und griff die Partei in zentralen politischen und auch Nachhaltigkeitsthemen vehement an. Die Reaktion der CDU-Zentrale wirkte ratlos und überfordert. „Die Zeit“ resümierte: Das Rezo-Video zeige „ein grundsätzliches Problem der parlamentarischen Demokratie im digitalen Zeitalter. Es offenbart die Unmöglichkeit, dem millionenfach vergrößerten Charisma des Einzelnen aus einer Partei heraus etwas entgegenzusetzen, das zugleich als repräsentativ für diese Partei wahrgenommen wird und Augenhöhe mit dem Individuum herstellt.“85
Als die Fridays-for-Future-Aktivistin L. Neubauer Siemens aufforderte, von einer Lieferung einer Signalanlage für eine Mine des Adani-Konzerns in Australien Abstand zu nehmen, reagierte der Vorstandsvorsitzende J. Kaeser mit einem Drahtseilakt. Das Bauprojekt stand seit Jahren in der Kritik: Zerstörung des Lebensraums vor Ort, zu erwartende CO2-Emissionen, benötigter Wasserverbrauch sowie der Transport der Kohle über das Great Barrier Reef. Kaesers Angebot eines Aufsichtsratspostens oder Kontrollgremiums lehnte die junge Frau ab. Kaeser hatte alle Mühe, sein Angebot aus der Ecke des „PR-Gags“ heraus zu argumentieren.
Ende 2019 initiierten die Geschäftsführer der deutschen Tochtergesellschaft des schwedischen Hafer-Drink-Herstellers Oatly, Tobias Goj und Helge Weitz, eine Petition im deutschen Bundestag.86 Das Unternehmen, das veganen Milchersatz aus Hafer produziert, warb für eine CO2-Kennzeichnung auf Lebensmitteln. Erst wenige Stunden vor Ablauf der Frist wurden die für die Petition notwendigen 50.000 Unterschriften erreicht. Nicht zuletzt durch die Verbreitung der Petition über die sozialen Netzwerke stieg die Anzahl der Mitzeichner kurzfristig um mehr als 10.000 Unterschriften. Prominente Unterstützer waren erneut: L. Neubauer von Fridays-For-Future und Youtuber Rezo.87
Zusammenfassend lässt sich sagen:
• Es steigt die Zahl derer, die nicht nur über Nachhaltigkeit und nachhaltigen Konsum reden, sondern auch danach handeln. Gleichzeitig wünscht man sich die Politik in einer stärker steuernden Rolle.
• Es ist Fakt: Die digitale Welt verändert die Rahmenbedingungen. Sie ordnet Machtverhältnisse auch zwischen Wirtschaft und Konsumenten neu. Die Wirtschaft nutzt Influencer-Marketing für Vertriebszwecke. Verbraucher haben starke Auswahl- und Vergleichsmöglichkeiten gewonnen. Selbst Individuen üben vereinzelt erheblichen Einfluss aus. Soziale Medien bergen die jederzeitige Gefahr eines überraschenden und schwer zu handhabenden Shitstorms. Die Tastatur hat weiße und schwarze Tasten!
>> Wir sind nun mal zur Gemeinschaft geboren. Unsere gesellschaftliche Verbindung ist einem Steingebäude ähnlich, das einstürzen würde, wenn die Steine einander nicht wechselseitig stützten. <<
Seneca88
SOZIALES
Die Agenda 2030 der UN mit ihren drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales wird in der öffentlichen Wahrnehmung am stärksten vom Kampf gegen den Klimawandel dominiert und damit der Säule Ökologie. In einer Zuordnung der 17 SDG finden sich hingegen bis zu acht der Ziele im Bereich Soziales. Dabei handelt es sich nicht nur um die Themen Armut, Hunger, Gesundheit, Bildung und Geschlechtergleichheit, sondern auch um Städteentwicklung oder friedliche und inklusive Gesellschaften. Auf all diese Themenfelder werden wir in der Einzelbetrachtung der SDG zurückkommen.
Durchaus gute Fortschritte konnte die Weltgemeinschaft in den letzten Jahrzehnten bei einigen sozialen Themen verzeichnen. Hingegen ging die Schere zwischen armen und reichen Menschen praktisch immer weiter auseinander. Diese Entwicklung war auf Ebene von Soziologen, Ökonomen und Philosophen Anlass, die bestehende Wirtschaftsordnung und die Entwicklung bzw. die Rolle des Menschen zu diskutieren. So wurden in den letzten Jahren auch verschiedene Ansätze und Visionen entworfen, wie alternative Wirtschaftsmodelle in der Zukunft aussehen könnten. Der Ökonom Niko Paech etwa entwickelte die „Post-Wachstumsökonomie“, die den Rückbau globaler Lieferketten und die Schrumpfung der Industrie im Auge hat – und stattdessen regionale Wertschöpfung, Sharing-Modelle und mehr Selbstversorgung umsetzen will.89
Gemeinwohl-Ökonomie
Stellvertretend für alternative Ansätze sei hier ein Blick auf das Modell einer Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) geworfen, die eine Orientierung der Wirtschaft am Gemeinwohl präferiert sowie Kooperation und Gemeinwesen in den Vordergrund stellt. Die Vision des GWÖ-Modells von Christian Felber wird aus einer kritischen Beurteilung des gegenwärtigen Wirtschaftssystems hergeleitet. „Der Kapitalismus zerstört, da er blind die Vermehrung des Finanzkapitals und nicht das Wohl aller anstrebt, die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen und der Wirtschaft“.90 So schreibt es Felber in seinem Buch „Gemeinwohl-Ökonomie“. Die Systemkritik lässt sich etwa wie folgt zusammenfassen:
• Unternehmen sind heute primär darauf ausgelegt, zu wachsen und (mehr) Geld zu verdienen. Organisationen stehen im Wettbewerb und damit im dauernden Bestreben um Erhöhung der Effektivität und Effizienz von Abläufen und Prozessen. Von Aktiengesellschaften erwirtschaftete Gewinne werden an eine – gemessen an der Gesamtpopulation des Erdballs – sehr kleine Zahl von Menschen (Aktionäre) ausgeschüttet. Die meisten Aktionäre betreiben keinen eigenen Wertschöpfungsbeitrag für die Unternehmung. In der Folge steigt die Konzentration des Geldes in wenigen Händen. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander.
• Wo es Gewinner gibt, gibt es auch Verlierer. Zu letzteren gehört in den letzten Jahrzehnten der Erdball und sein Ökosystem. Übermäßiger Ressourcenverbrauch und zu hohe CO2-Emissionen erzeugen Folgekosten, die in aller Regel nicht von den Verursachern getragen werden, weil sie nicht in den Preisen für Produkte und Dienstleistungen einberechnet und bezahlt werden. Irgendwo auf diesem Erdball – teils nah, teils fern – arbeiten Menschen mit Wertschöpfungsbeiträgen, die nicht entsprechend ihrem tatsächlichen Wert vergütet werden. Eine weitere Verlustkomponente entsteht, wenn Verbraucher einen Produktpreis zahlen, der übermäßig über den Gestehungskosten liegt.
Der GWÖ-Ansatz setzt dem die Vision eines Wirtschaftsmodells entgegen, in dem anstelle von Gewinnmaximierung die Maximierung des Gemeinwohls tritt. Private Unternehmen streben nicht in Konkurrenz zueinander nach Finanzgewinn und Finanzrendite, sondern kooperieren mit dem Ziel des größtmöglichen Gemeinwohls. In der Bilanzsprache sind also nicht das operative Ergebnis, die Dividendenrendite oder das Kurs-Gewinn-Verhältnis im Fokus. Vielmehr wird der Ziele- und Anreizrahmen verändert: Der Erfolg des Unternehmens in einer GWÖ wird in einer „Gemeinwohl-Bilanz“ gemessen. Idee des GWÖ-Ansatzes ist es, die derzeitige Wirtschaftsordnung Stück für Stück in einen neuen Rahmen zu transformieren, in dem Menschenwürde und Nachhaltigkeit dominierende Elemente werden. Der Erfolg eines Unternehmens wird also in einer GWÖ nicht mehr am monetären Ertrag, sondern an Komponenten und definierten Zielen des Gemeinwohls gemessen. Indikatoren dafür können Gesundheit, Bildung, Teilhabe, sozialer Zusammenhalt, ökologische Stabilität, Sicherheit oder subjektives Wohlbefinden sein.
Wie soll die bestehende Wirtschaftsordnung in eine GWÖ umgesteuert werden? Wie soll es gelingen, große Aktiengesellschaften in ihren Zielen völlig neu auszurichten?
Die Operationalisierung der GWÖ baut auf einem an Gemeinwohlkriterien ausgerichteten Zielesystem auf. So werden beispielsweise drei übergeordnete Ziele gesetzt:
• Qualität der Kooperation mit Firmen und Zulieferern
• Mitarbeiter-Belange
• Kunden-Belange
Gemessen werden diese drei Ziele an Hand von GWÖ-Erfolgsindikatoren:
• Menschenwürde – Wie human sind die Arbeitsbedingungen?
• Solidarität
• Ökologische Nachhaltigkeit – Wie ökologisch wird produziert, vertrieben und entsorgt?
• Soziale Gerechtigkeit – Wie werden Erträge verteilt?
• Demokratische Mitbestimmung – Wer trifft Entscheidungen?
Wie aber soll die neue Erfolgsbilanz für den Konsumenten transparent werden? Produkte, Dienstleistungen und Aktivitäten jedes Unternehmens werden nach dem Modell der GWÖ an Hand der Erfolgskriterien in einem Punktesystem bewertet. Jedes Unternehmen kann also in jedem Indikator eine Maximalpunktzahl erreichen. Aus der Summe der Indikatoren-Punkte ergibt sich ein Gesamtwert. Dieser Gesamtwert kann in eine farbliche Gesamtwohlampel „übersetzt“ werden, mit dem das Unternehmen jedes seiner Produkte kennzeichnet. Ein grüner Wert signalisiert dem Kunden dann beim Kauf einen hohen und guten GWÖ-Wert. Ein roter Wert kennzeichnet das produzierende Unternehmen als ein Unternehmen mit niedrigem GWÖ-Wert.
Unberührt von dieser Bewertungsmechanik – so der GWÖ-Modellansatz – erstellen Unternehmen weiterhin ihre (Handels-)Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung. Der Staat könnte zur Stärkung der GWÖ-Grundidee GWÖ-starke Unternehmen steuerlich begünstigen. Öffentliche Aufträge und der Einkauf staatlicher Unternehmen könnten vorrangig an Unternehmen mit hohen GWÖ-Werten erteilt bzw. getätigt werden. Auch der Einkauf von Unternehmen untereinander könnte sich an der GWÖ-Klassifizierung ausrichten. Wirtschaftsförderung und Forschungsprojekte könnten in der GWÖ engagierte Unternehmen bevorzugen.
Ist die GWÖ ein bloßes Modell oder hat sie eine Chance auf Realisierung?
Die GWÖ-Bewegung begann 2010 in Österreich, Bayern und Südtirol mit einem Dutzend kleiner und mittelständischer Unternehmen. 2019 unterstützten etwa 2.300 Unternehmen aus 50 Staaten die Bewegung, 500 haben eine Gemeinwohl-Bilanz erstellt. Aktuell entstehen immer mehr Gemeinwohl-Gemeinden in Italien, Spanien, Österreich und Deutschland. Stuttgart und Mannheim haben bereits Kommunalbetriebe bilanziert. Es gibt auch erste politische Verankerungen: Salzburg und Baden-Württemberg haben die GWÖ im Regierungsprogramm. Der europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss nahm eine Initiativstellungnahme an und empfiehlt ihren Einbau in den Rechtsrahmen der EU.91
Das GWÖ-Modell hat Diskussionen und Kontroversen ausgelöst. Kritiker bezeichnen ihren Urheber C. Felber in Anlehnung an seinen Nebenberuf als zeitgenössischen Tänzer nicht nur als „Traumtänzer“, sondern auch als „Anarchomarxisten“, „neokommunistischen Pseudoökonomen“ oder ganz einfach als „weltfremd“. Sie warnen vor den tiefgreifenden Veränderungen, die mit einer Etablierung der GWÖ einhergingen. Sie befürchten enorme Kosten durch bürokratischen Aufwand, die Abwanderung von Unternehmen, den Verlust von Wohlstand, erhebliche Einschränkungen der wirtschaftlichen Freiheiten bis hin zu Enteignungen.92 Weiterhin ignoriere das GWÖ-Modell gesellschaftliche Interessengegensätze und Widersprüche, bilde eine alles übergreifende große Gemeinschaft und habe eine offene Flanke zur „Volksgemeinschaft“.93
Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid im Auftrag der deutschen Bertelsmann-Stiftung ergab bereits 2010, dass fast drei Viertel der Befragten in Deutschland den Selbstheilungskräften der Märkte misstrauen. Fast 90 Prozent fordern eine neue Wirtschaftsordnung, in der Umweltschutz sowie sozialer Ausgleich in der Gesellschaft einen höheren Stellenwert hat als bisher.94 2020 wurde diese Sicht in einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach für den Versicherungsverband GDV bei 30- bis 59-Jährigen („Generation Mitte“) bestätigt: Drei Viertel der Befragten machen sich Sorgen um den Zustand der Wirtschaft. Nur noch 48 Prozent sind der Meinung, dass Deutschland von der Globalisierung profitiert. Eine Mehrheit konstatiert eine starke (49 Prozent) oder sogar sehr starke (11 Prozent) Veränderung unserer Gesellschaft – und zwar nicht zum Besseren: Rund 70 Prozent klagen über zunehmende Aggressivität und Ungeduld, gut die Hälfte spürt wachsenden Egoismus. Eine zunehmende Hilfsbereitschaft erkennen demgegenüber nur 13 Prozent der Befragten.95 Im November 2020 wurde vom Trendbarometer des Meinungsinstituts Forsa die Frage gestellt, welche Partei am besten mit den Problemen in Deutschland fertig werde: 41 Prozent votierten, dass sie dahingehend gar keine Partei für kompetent halten.96 Auch die als Garant für Geldwertstabilität etablierte Europäische Zentralbank genoss in den letzten zehn Jahren nur bei 30 bis 40 Prozent unserer Bürger Vertrauen.97 – Es macht keinen Sinn, diese Stimmungslage zu ignorieren. Denn es ist ein deutliches „Grundrauschen an Unbehagen“ bei den Menschen spürbar: Die Finanzkrise, der Dieselskandal, das Wirecard-Desaster, Artensterben und Klimawandel, die Schere Arm-Reich, Probleme vieler Menschen bei der Alterssicherung – es gibt Gründe dafür, dass Bürgern ein Grundvertrauen in unser „running system“ abgeht.
So erscheinen heutige volkswirtschaftliche Kenngrößen wie Pro-Kopf-Einkommen, Bruttoinlandsprodukt und die Darstellung des Handelsbilanzüberschusses tatsächlich nicht mehr ausreichend. Übernutzung natürlicher und Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen müssten ebenso Berücksichtigung finden wie die Folgen des Klimawandels, Naturzerstörung sowie gesundheitliche Belastungen und Kenngrößen mit Aussagekraft zum gesellschaftlichen Konsens. Gleiches sollte für die Messung des Erfolgs von Unternehmen gelten; externalisierte Kosten dürften dort nicht mehr ausgeklammert bleiben. Auch hier wären zusätzliche Kriterien zur Nachhaltigkeit des Wirtschaftens wichtig. Berechtigte Kritik und Lösungsansätze der GWÖ-Initiatoren dürfen aber die Errungenschaften und Leistungen der sozialen Marktwirtschaft nicht aus dem Auge verlieren. Die Freiheit des Unternehmertums im bestehenden Wirtschaftssystem hat immer neue Ideen, Fortschritt und auch Wohlstand hervorgebracht. Wir benötigen diese Erträge einer gut laufenden Wirtschaft für den Erhalt des sozialen Friedens. Eine Bestandsaufnahme in Deutschland dahingehend ist immerhin positiv, unser „running system“ leistungsfähig:
• Im Jahr 2019 betrugen alle Ausgaben für die deutschen Sozialsysteme erstmals knapp über 1 Billion Euro. Gut 30 Prozent davon flossen aus der staatlichen Rentenversicherung, gut 25 Prozent aus der Krankenversicherung. Alle Sozialleistungen erreichten einen Anteil von 30,3 Prozent an der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung.98
• Staat und Wirtschaft haben den ostdeutschen Teil unseres Landes in den vergangenen drei Jahrzehnten aus einem maroden Zustand herausgeführt: Der Lebensstandard in den neuen Bundesländern hat sich dem der alten Bundesländer angenähert.
• Im Jahr 2015 wurden über 1 Million Flüchtlinge aufgenommen.
• Als größter Nettozahler der Europäischen Nation stabilisiert Deutschland wirtschaftlich schwächere Länder.
• Die Corona-Pandemie mag als Indiz für ein gutes bis sehr gutes Krankenversorgungssystem gewertet werden.
• Unser Bildungssystem zeigt in den Schulen deutliche Schwächen, die Universitäten und auch die duale Ausbildung erzielen aber starke Resultate.
• Unsere staatlichen Verwaltungen werden zwar nicht als so leistungsfähig empfunden wie gewünscht, dennoch wären viele Staaten für ein Funktionieren ihrer Einrichtungen mit entsprechender Leistungskraft sehr dankbar.
Finanziert wird in Deutschland all das durch eine Wirtschaft, die mit dem Rückgrat eines hoch leistungsfähigen Mittelstands eine sehr gute Wettbewerbsposition wahren konnte. Gerade die Pandemie-Krise hat gezeigt, dass Deutschland eine staatliche Leistungskraft besitzt, die ein verändertes System erst einmal erfolgreich „verteidigen“ müsste. Zumindest hierzulande zahlen Unternehmen auskömmliche Löhne und bieten vielfach hervorragende Arbeitsbedingungen. Es ist auch eine gewisse Aufbruchstimmung in der Wirtschaft spürbar, die Herausforderungen eines CO2-neutralen Wirtschaftens mit den eigenen Unternehmen zu erreichen. Weltweit ist innerhalb des bestehenden Systems trotz steigender Bevölkerungszahlen immerhin eine Linderung von Armut und Hunger in Schwellenländern gelungen.
Mit Blick auf die SDG-Agenda, die bis 2030 dringende Umsetzungserfolge benötigt, sei eine abschließende Bewertung des GWÖ-Modells hier dahingestellt. So interessant die Vision eines GWÖ-Ansatzes ist und so berechtigt Kritik am bestehenden Wirtschaftssystem geübt wird: Die Machtverhältnisse in der Wirtschaftswelt des Jahres 2021 sind so, dass ein süddeutsch-österreichischer Ansatz weltweit keine Chance auf kurzfristige Breitenwirkung hat. Es ist unrealistisch, die Wirtschaft der USA in den nächsten Jahren mit einem solchen völlig neuartigen Systemansatz zu „erobern“. In den Vereinigten Staaten dominieren andere Player wie J. Bezos, E. Musk, M. E. Zuckerberg oder W. Buffet das Geschehen. Auch die „First Amerika“-Doktrin gab es in angepasstem Gewand schon vor dem 45. Präsidenten und sie findet auch unter dem neuen Präsidenten in netterem Gewand seine Fortsetzung. Im Ergebnis Gleiches gilt für die aufstrebende Weltmacht China; dort werden nochmals ganz andere Systemziele verfolgt!
Immerhin werden sich mittel- und langfristig einzelne Grundideen des GWÖ-Modells im weltweiten Wirtschaftssystem wiederfinden. Bei genauer Betrachtung greifen das oben beschriebene CDP, Fairtrail-Labels oder das vom deutschen Gesetzgeber Anfang 2021 verabschiedete Lieferkettengesetz Grundgedanken und Teilelemente des GWÖ-Ansatzes bereits auf. Die Herausforderungen aus geopolitischen Veränderungen, Klimawandel, Digitalisierung und Demographie lassen Raum für weitere Ansätze. Der Gründer des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, umschreibt dies im Sinne der Agenda 2030: „Ich bin davon überzeugt, dass wir den Kapitalismus neu definieren müssen. Wir dürfen nicht nur das Finanzkapital berücksichtigen, sondern auch das Sozialkapital, das Naturkapital und das menschliche Kapital. Unternehmen, die heute erfolgreich sein wollen, müssen alle diese Komponenten in ihre Strategie einbeziehen.“99 Die Weltgemeinschaft hat sich mit den SDG auf 17 Lösungspfade geeinigt, die bei ernsthafter Umsetzung eine Ausgewogenheit zwischen sozialen Belangen, der Ökonomie und Ökologie ermöglichen!
Libertärer Paternalismus – Verlockungen für nachhaltige Entscheidungen?
In Verkaufsmärkten wird das Wissen um menschliche Entscheidungsabläufe und deren Beeinflussbarkeit in verhaltenssteuernder Lenkung eingesetzt: Vorgegebene Laufwege, leicht abgewinkelte Anordnung von Regalen, effektvoll beleuchtete Ware bis hin zu Süßigkeiten und Zigaretten neben der Ladenkasse. Stets geht es darum, dass sich der Einkaufswagen des Konsumenten mit zusätzlichen, auf dem Einkaufszettel nicht vermerkten Produkten füllen soll. Die Frage ist, ob der Staat in gleicher Weise Mechanismen einsetzen sollte, um den Bürger durch „versteckte“ Anreize zu erwünschten, für ihn selbst und die gesamte Gesellschaft guten Entscheidungen zu bewegen. Der Bürger würde quasi zu nachhaltigem Handeln verführt. So hat ein von C. Sunstein und R. Thaler konzipiertes und anwendungsorientiert ausgearbeitetes Programm eines „Libertären Paternalismus“ seit einigen Jahren in Wissenschaft und Politik Einfluss gewonnen.100 Es geht um eine Technik, die im Geschäftsleben, der Politik und Gesetzgebung anwendbar ist. Danach könnte auch „Vater Staat“ Anreize und Rahmenbedingungen schaffen, über die das Individuum lernen kann, gute Entscheidungen für sich selbst und für die Allgemeinheit zu treffen, die es von sich aus ohne diesen Einfluss nicht tätigen würde. Der Bürger entscheidet also anders und besser, ohne dass ihm etwas aufgezwungen wird. Der Charme dieses Ansatzes liegt auf der Hand: die Vermeidung gesetzlicher Vorgaben und staatlicher Verbote.
Gegner und Verfechter eines schlanken Staats lehnen diesen Ansatz ab, da der libertäre Paternalismus im direkten Gegensatz zur Autonomie und Freiheit des Individuums stünde. Es wird mit dem Einwand der Manipulation argumentiert und der Dammbruchproblematik, wonach Bürger zunehmend nicht mehr offen informiert, sondern von staatlicher Seite subtil beeinflusst und gesteuert werden könnten.101
Solange der Staat bei der Implementierung von Anreizen zum richtigen Verhalten Transparenz über Gesetzgebungsverfahren wahrt, spricht aus eigener Sicht nichts gegen einen solchen Mechanismus. Da die Menschen in unserem Land beispielsweise zunehmend übergewichtig werden, erscheint die Sensibilisierung der Verbraucher beim Kauf von Lebensmitteln über ein Label wie Nutri Score, auf das wir nachher noch eingehen werden, hilfreich. Anstelle einer bisher „offenen Versuchung“ etwa im Bereich von Süßigkeiten wird mit einer Ampel ein Signal gesetzt, das an eine bei vielen Betroffenen selbstverordnete Zurückhaltung erinnert. Ein Kaufverzicht hilft diesem Konsumenten bei der Erhaltung der eigenen Gesundheit und hilft gleichzeitig in der Breitenwirkung, das Gesundheitssystem zu entlasten. Seine Entscheidungsfreiheit bleibt gewahrt.
Doch seien wir realistisch: Ein libertärer Paternalismus mag einen Beitrag zur Förderung nachhaltigen Konsums leisten – einen entscheidenden Beitrag zur Einhaltung des CO2-Restbudgets unseres Landes wird er nicht schaffen.
>> Es ist zwar eine beschissene Maßnahme, aber sie ist unumgänglich. <<
Mark Rutte102
Zielkonflikt Ökonomie – Ökologie – Freiheitlicher Lebensstil
Einige Aspekte und Rahmenbedingungen für einen Change in eine nachhaltige Wirtschaft haben wir bereits kennengelernt: Das Bundesverfassungsgericht verlangt vom Gesetzgeber eine generationenübergreifende, faire Verteilung des CO2-Restbudgets bei der Transformation in ein CO2-neutrales Land. Unternehmen sind auf Wachstum, Effizienz und Ertrag ausgerichtet und repriorisieren Nachhaltigkeitsaspekte gegebenenfalls. Bei Verbrauchern kann eine Bewusstseinsbildung und ein Umdenken in Richtung nachhaltigen Handelns beobachtet werden: Entscheidende Impulse erwartet der Bürger von der Politik. Der Rebound-Effekt verstärkt das Gefühl, dass bloße Einladungen an Unternehmen und Bürger, Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu ergreifen, allein nicht genügen werden, um die Nachhaltigkeitsziele der Weltgemeinschaft in ausreichender Geschwindigkeit zu erreichen. Greifen wir hier deswegen den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts aus der eingangs dargelegten Entscheidung vom 24.05.2021 erneut auf:
Wie und mit welchen Maßgaben könnte der Gesetzgeber in den Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft den Weg in die CO2-Neutralität des Landes ebnen?
Grundsätzlich gleicht die Konstellation einer Ausgangslage, wie sie sich in Organisationen zur Senkung von Kosten immer wieder stellt: Unternehmen berechnen in diesen Fällen die angestrebte Reduktion von Kosten, identifizieren und berechnen Bereiche und Maßnahmen und legen letztlich gegebenenfalls Verteilungsschlüssel für die zu erzielenden Einsparpotenziale fest. So hat jede Einheit ihr Einsparziel, alles ist messbar und wird erfolgreich operationalisiert. Schwerer wird es für Organisationen häufig, wenn Festlegungen mit widerstreitenden Zielen verbunden sind: Umsatz – Ertrag, Qualität – Quantität, Design – Technik, Service – Kosten etc. Entsprechende Zielkonflikte erschweren auch die Aufgabe des Gesetzgebers bei der Sektorenverteilung im Rahmen des Klimaschutzgesetzes. Denn praktisch jede Maßnahme in jedem Sektor erzeugt Wechselwirkungen in drei Richtungen: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Ein Beispiel aus dem Sektor Verkehr mag das verdeutlichen: Starke Subventionen des öffentlichen Nahverkehrs könnten Pendler zum Umstieg auf Bahn und Busse bewegen und Fahrten mit dem Auto zur Arbeit einsparen. Die Maßnahme würde im Sektor Verkehr CO2-Emissionen reduzieren (Ökologie), allerdings begleitet von Einbußen im produzierenden und serviceleistenden Kraftfahrzeugsektor sowie bei der Mineralölindustrie oder den Tankstellen (Ökonomie) – bis hin zu Arbeitsplatzverlusten in diesen Bereichen (Soziales).
Nun ist dem deutschen Gesetzgeber der Umgang mit Zielkonflikten nicht neu. Schon dem Stabilitätsgesetz (StabG) von 1967 lag das sogenannte Magische Viereck zugrunde. Die vier Ziele sind in § 1 StabG aufgeführt und bilden noch heute zusammen das Staatsziel des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts aus Art. 109 Abs. 2 GG. „Magisch“ bedeutet nichts anderes, als dass alle Ziele gleichzeitig kaum erreicht werden können, da untereinander Inkongruenz herrscht.
Stabilitätsgesetz 1967 – Magisches Viereck
Quelle: 103
Entsprechend entwickelte sich in den zurückliegenden Jahrzehnten das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht unseres Landes: Vergleichsweise hohe Erfolge verzeichnete Deutschland bei einer guten Verstetigung des Wirtschaftswachstums, verbunden mit hohen Beschäftigungszahlen. Das außenwirtschaftliche Gleichgewicht war hingegen keine Erfolgsgeschichte, sondern zunehmend Stein des Anstoßes bei Handelspartnern – nicht nur in den USA, sondern auch innerhalb der EU. Die Verfolgung des Ziels der Preisstabilität wurde Deutschland durch die Einbettung in die Europäische Union zunehmend entzogen: Die Geldpolitik wanderte in die Hand der EZB. Im Jahr 2013 machte das Denkwerk Demokratie, ein von SPD, Grünen und Gewerkschaften getragener Think Tank, den Vorschlag, die vier bisherigen Ziele im magischen Viereck durch die vier folgenden Ziele zu ersetzen:104
• materieller Wohlstand und ökonomische Nachhaltigkeit,
• Nachhaltigkeit der Staatstätigkeit und der Staatsfinanzen,
• soziale Nachhaltigkeit und
• ökologische Nachhaltigkeit.
Doch beide Ansätze haben eines gemein: die Inkongruenz der Ziele. Was auf den ersten Blick eher wie eine theoretische Überlegung wirkt, bringt in der Praxis gravierende Hürden mit sich. Insbesondere müssen Maßnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit nun auch noch tiefgreifender sein als in der Vergangenheit, um in der Kürze der verbleibenden Umsetzungszeit die für die Erreichung der Pariser Klimagrenzwerte notwendigen CO2-Reduktionen zu erzielen. Was auch immer auf dem Weg der Transformation in die Nachhaltigkeit angedacht werden wird: Fast alle diese Maßnahmen betreffen die unternehmerische Freiheit sowie die Freiheitsrechte der Bürger und erfordern zumeist Einschränkungen in mindestens einem Bereich.
Nicht ganz grundlos wird Politikern vorgeworfen, mit Blick auf die eigene Wiederwahl immer wieder von unpopulären Entscheidungen abgesehen und Probleme ausgesessen zu haben. Heute sind wir an einem Punkt angelangt, der kein Aussitzen mehr zulässt: Die Bewahrung des Klimas und die Vermeidung wirtschaftlicher und sozialer Betroffenheiten sind ohne „Opfer“ nicht zu erreichen. Welche Entscheidungen Verantwortliche auch immer treffen werden: Es wird Widerstände erzeugen, Profit, Besitzstände oder Rechte einschränken, Arbeitsplätze kosten oder einfach nur Annehmlichkeiten und Spaß verringern. Unser „running system“ muss Veränderungen erfahren. Wir bewegen uns auf einen unvermeidlichen Change zu. Die Frage ist allein, wie dieser so gestaltet werden kann, dass die durch ihn verursachten Einschnitte von Unternehmen und den Menschen mitgetragen werden.
Die Quick-Win-Mechanik in der Anwendung
In Wirtschaftsunternehmen wird in Change-Prozessen immer wieder gerne mit sogenannten Quick Wins gearbeitet. So sollen in einem frühen Stadium erste Erfolge erzielt werden, um daraus Dynamik und Mut für die weiteren Schritte eines Veränderungsprojektes zu generieren. Auch im Beispiel notwendiger Kostenreduktion geht es um schnell realisierbare Maßnahmen, um die Kosten mit möglichst geringem Aufwand kurzfristig und deutlich zu reduzieren. Mittel der Quick-Win-Mechanik ist es, Maßnahmen nach Aufwand und Effekt zu clustern. Entwickelt wurde diese Systematik in der Change-Lehre.
Deutlich wird das Vorgehen in der untenstehenden Matrix: Die x-Achse steht für Wirkung, die y-Achse für den Aufwand. Quick Win sind solche Maßnahmen, die mit geringem Aufwand erreicht werden und gleichzeitig hohe Wirkung erzielen. Zu meiden gilt es das andere Extrem: hoher Aufwand mit nur geringer Wirkung. Feigenblätter (Nice to have) sind leicht umsetzbare Maßnahmen mit eher bescheidener Wirkung. Die schwierigste Herausforderung ist es, Maßnahmen mit großer Wirkung zu erzielen, die aber viel Aufwand erfordern (Heavy Task).
Quick-Win-Matrix
Kann diese Quick-Win-Mechanik jetzt für politische Entscheidungen im Bereich der Nachhaltigkeit helfen? Fakt ist: Der Weg in die Nachhaltigkeit bedeutet einen Change. Denn es geht nicht um eine irgendwie geartete Veränderung in wirtschaftlichen, ökologischen oder sozialen Rahmenbedingungen. Erforderlich sind vielmehr tiefgreifende Veränderungen, die einen „kulturellen Wandel“, einen Wandel im Bewusstsein und Verhalten der Menschen bedingen. Es gilt, in sehr vielen Lebensbereichen alte Denk- und Verhaltensmuster über Bord zu werfen sowie neue Überzeugungen zu gewinnen und nach ihnen zu handeln. Die meisten Menschen reagieren auf Veränderungen mit Ablehnung oder doch jedenfalls Distanz. Und zwar umso mehr, je tiefer die Einschränkungen gehen, liebgewonnene Gewohnheiten aufgegeben oder diese beispielsweise plötzlich viel teurer bezahlt werden müssen. Entsprechende Wechselwirkungen sind aber Folge von Maßnahmen auf dem weiten Feld der Nachhaltigkeit. Denn ein Fortschritt in den Nachhaltigkeitszielen erfordert Veränderungen in sensiblen Bereichen wie der Mobilität, dem Konsum oder auch der Verteilung von Ressourcen. Das geht gefühlt schnell in „Eingemachtes“, der dabei empfundene „Spaßfaktor“ ist bei den Menschen häufig gering. Übertragen wir die Quick-Win-Mechanik auf eine Matrix der Nachhaltigkeit, könnte diese wie folgt aussehen:
• Den erzielbaren Grad der Nachhaltigkeitswirkung von Maßnahmen – das Ausmaß der Einsparung von CO2 – tragen wir auf der x-Achse auf: Je weiter rechts die Einordnung, desto höher oder besser ist der Effekt der jeweiligen Maßnahme für die Umwelt.
• Auf der y-Achse bewerten wir die Höhe der Betroffenheit, die Maßnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit bei Bürgern oder Unternehmen hervorrufen. Hier geht es also um die Frage, wie sehr Menschen eine Maßnahme als Einschnitt in ihre Freiheitsrechte oder als „Spaßbremse“ empfinden. Oder es geht um die Frage, inwieweit die Maßnahmen in die unternehmerische Freiheit von Unternehmen eingreifen. Auch diese Freiheit ist durch Artikel 14 unseres Grundgesetzes garantiert, steht aber – wie das persönliche Eigentumsrecht – unter dem Vorbehalt der Gemeinverträglichkeit (Art. 14 Abs. 2 GG).
Wenden wir die Systematik auf ein Beispiel der jüngeren deutschen Gesetzgebung an: Im „Kampf gegen Plastiktüten“ schloss die Bundesregierung 2015 zunächst eine freiwillige Vereinbarung mit dem Handel, Plastiktüten nur noch kostenpflichtig an die Verbraucher abzugeben. Tatsächlich sank der Pro-Kopf-Verbrauch auf Grund dieser Maßnahme von 68 Tüten im Jahr 2015 auf etwa 24 Tüten im Jahr 2018. Ende 2020 beschloss die Bundesregierung das Verbot von Plastiktüten ab 2022. Diese Tüten seien der „Inbegriff von Ressourcenverschwendung“, begründete dies Umweltministerin Svenja Schulze: Aus Rohöl hergestellt, würden sie oft nur wenige Minuten genutzt.105 Ordnen wir diese Maßnahme in der Quick-Win-Matrix ein, so finden wir sie im unteren linken Viertel wieder. Ökologisch war die Maßnahme zwar ein Schritt in die richtige Richtung – aber auch nur ein kleiner Schritt, solange weiterhin sechs Scheiben Wurst oder sieben Scheiben Käse in Plastikverpackungen aus den Supermärkten getragen werden. Mehr als 30 Prozent der in Deutschland verarbeiteten Kunststoffe werden als Verpackung eingesetzt.106 Das Fehlen der „bequemen Helferlein“ mag nach dem Verbot der Tüten von dem ein oder anderen Wähler als ärgerlich empfunden werden. Als gravierenden Einschnitt in die Freiheitsrechte werden es wohl die wenigsten empfinden. Auch wenn der ökologische Effekt des Tütenverbots bescheiden ist, so zeigt das Beispiel immerhin, dass die Politik im linken unteren Viertel mit einer Vielzahl der kleinen Schritte in der Summe doch einiges erreichen könnte, ohne dabei einen heftigen Widerstand der Bevölkerung oder Wirtschaft fürchten zu müssen.
Ein weiteres Beispiel soll uns in das rechte obere Viertel der Quick-Win-Matrix führen: Die französische Regierung plante zum 01. Januar 2019 eine Erhöhung der Benzin- und Dieselpreise um drei beziehungsweise sieben Prozent. Die Bekanntgabe dieser Maßnahme löste in Frankreich eine Protestbewegung aus. Fast 300.000 Franzosen organisierten am ersten Protesttag im November 2019 rund 2.000 Straßensperren. Die Bewegung erhielt die Bezeichnung der Gelbwesten, weil die Demonstranten mit gelben Warnwesten gekleidet waren. Die geplanten Maßnahmen des französischen Präsidenten waren ambitioniert. Mit einer deutlich höheren Besteuerung fossiler Brennstoffe wollte E. Macron die Energiewende in Frankreich anpacken. Mit der monetären „Manövriermasse“ wäre ökologisch wahrscheinlich eine stärkere Wirkung verbunden gewesen. Die höheren Einnahmen sollten in erneuerbare Energien investiert werden, was ökologisch auch einen Fortschritt bedeutet hätte. Parallel hätten die höheren Treibstoffpreise viele Franzosen vermutlich zur Reduzierung von Autofahrten und damit zur CO2-Reduktion bewegt. Es sollte anders kommen. E. Macron nahm die angedachten Steuererhöhungen auf Kraftstoffe zurück und musste stattdessen Steuererleichterungen für Rentner, die Nicht-Besteuerung von Überstunden und eine Erhöhung des Mindestlohnes um 100 Euro pro Monat gewähren. Dieses Beispiel zeigt den Zielkonflikt zwischen Ökologie und sozialer Betroffenheit. Für viele Menschen ist das Auto für die Fahrten zur Arbeit unverzichtbar. Hohe Mieten in den Metropolen drängen Menschen mit niedrigem Einkommen zunehmend in die Peripherie der Städte, wo die Mieten vielfach erschwinglicher sind. Hohe Kraftstoffpreise werden dann im Niedriglohnsektor zum Problem. In Frankreich kam sicherlich erschwerend hinzu, dass die Benzinpreise im Verlauf des Jahres 2018 bereits kräftig gestiegen waren. Zudem wurde das Gerechtigkeitsgefühl wach, weil zuvor die Vermögenssteuer gesenkt worden war.
Quick-Win-Matrix
Gewisse Auswirkungen mag die beschriebene Entwicklung in Frankreich auch auf Deutschland gehabt haben. Im eingangs bereits beschriebenen Klimaschutzschutzgesetz wurden auf Treibstoffe, Heizöl und Gas CO2-Preise eingeführt. So wurde ein Festpreis für den CO2-Ausstoß pro Tonne festgelegt, der 2021 mit 25 Euro pro Tonne CO2 startete und bis 2025 auf 55 Euro steigen soll. So verteuerte sich der Liter Treibstoff mit dem Jahreswechsel 2021 um sechs Cent, im Jahr 2025 sollen es etwa zwölf Cent sein. Ab 2026 sollen Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, aber zunächst mit einer Obergrenze von 60 Euro pro Tonne CO2. Zusätzliche Einnahmen aus der Kfz-Steuer für Autos mit höherem CO2-Ausstoß finanzieren die Ausweitung von Kaufprämien für E-Autos unter 40.000 Euro. Gleichzeitig wird die Dienstwagensteuer bei E-Fahrzeugen bis 60.000 EUR auf 0,25 Prozent festgelegt.107 Für E-Fahrzeuge oberhalb dieses Brutto-Listenpreises liegt der Satz bei 0,5 Prozent. Um auszugleichen, dass Diesel und Benzin über den CO2-Preis teurer werden, steigt die Pendlerpauschale. Die Lkw-Maut wird ab 2023 stärker am CO2-Ausstoß ausgerichtet und bezogen auf aktuelle Diesel-Schwerlaster bis zu 50 Prozent steigen.108 Zweifel bleiben, ob die festgelegten Werte substantiell ausreichend sein werden. Das Berliner Forschungsinstitut MCC geht in Berechnungen davon aus, dass pro Tonne ausgestoßenem CO2 ein Schaden von etwa 62 bis 120 Euro hervorgerufen wird; das international anerkannte DICE-Modell (Dynamic Integrated Climate-Economy Model) weist 2018 einen Wert von 37 US-Dollar (31 Euro) aus.109 Das mehrfach zitierte Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem April 2021 erzwingt vermutlich, auch die CO2-Bepreisung noch einmal nachzurechnen.
Bezogen auf unsere Nachhaltigkeitsmatrix hatte sich die Bundesregierung im KSG nicht ganz hoch in die oberen Viertel unserer Matrix getraut. Anders als in Frankreich angedacht, wurde in Deutschland eine „softe Variante“ des Einstiegs gewählt: Die Maßnahmen greifen erst nach Übergangszeiten und steigen eher moderat an. Die Auswirkungen im Geldbeutel der Bürger treten also erst zeitversetzt und nicht sprunghaft ein. Gerade den Einsatz des Faktors Zeit, die stufenweise Umsetzung von Maßnahmen, darf man als Mittel der Zielkonfliktbewältigung sehen, der sich auch in Unternehmen bewährt hat. Kräftig auf die Spaßbremse traten unsere niederländischen Nachbarn Ende 2019 und bewegten sich damit auf der y-Achse unserer Quick-Win-Matrix sehr weit nach oben: Zur Verringerung der Luftverschmutzung führten die Niederlande Tempolimit 100 auf der Autobahn ein – tagsüber. Das sei zwar eine „beschissene Maßnahme“, konstatierte Ministerpräsident Mark Rutte; jedoch sei das Tempolimit angesichts der notwendigen Senkung des Ausstoßes von Stickoxiden unumgänglich. Niemand fände das schön, aber es gehe dabei „echt um höhere Interessen“.110 Drei Monate später stimmte der deutsche Bundesrat gegen ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Ein entsprechender Vorschlag des Umweltausschusses fand keine Mehrheit in der Länderkammer.
Bei schönem Wetter suche ich sehr gerne etwas Bewegung auf dem Fahrrad und radle ein paar Kilometer aus unserem Ort heraus. Da wir bei München an einer S-Bahn-Endstation wohnen, gelangt man nach einem kurzen Waldstück zu kleinen Ortschaften aus häufig nur wenigen typisch bayrischen Höfen. An einer kleinen Kapelle und Wiesen mit grasenden Pferden mache ich gerne einen kurzen Halt. Gut 100 Meter entfernt steht ein erst in den letzten Jahren gebauter großer Reiterhof mit mehreren Gebäuden. Blickt man in die Geschichte zurück, war das Pferd um 1900 weit verbreitet. Es konnte unscheinbare potenzielle Energie aus harten Gräsern in die „spektakuläre Energie eines schnellen, ausdauernden Läufers“111 umwandeln. Noch bis ins 20. Jahrhundert hinein war das Pferd der wichtigste Faktor beim Transport von Menschen und Waren als Zugtier, auch im Militär: Mit seiner Geschwindigkeit ermöglichte es territoriale Eroberungen und die Aufrechterhaltung ausgedehnter Herrschaftsräume. Noch im ersten Weltkrieg waren über 1,2 Millionen Pferde im Einsatz.112 Mit dem Aufkommen von Zügen, Autos und Lastkraftwagen – aber auch von „motorisiertem Militärgerät“ – verlor das Pferd seine Einsatzbereiche. Heute haben Pferde für ihre Besitzer einen teils emotionalen, teils sportlichen Stellenwert.
Im Jahr 2016 wurden in Deutschland rund 900.000 Pferdebesitzer und 1,3 Millionen Pferde gezählt; weiter wurde ermittelt, dass die Haltung eines Pferdes pro Jahr 3.100 kg CO2 verursacht. Ausgegangen wurde von einem 550 kg schweren Pferd mit einem entsprechenden Futterbedarf, Unterbringung, regelmäßige Anfahrt zur Pflege sowie Autofahrten durch den Tierarzt oder Hufschmied und zu Turnieren sowie letztlich direkten Emissionen des Pferdes.
Der letzte Absatz führt an einer Erkenntnis nicht umhin: Mit vielen der uns liebgewonnenen Aktivitäten vertiefen wir unseren CO2-Fußabdruck; viele Aktivitäten füllen das im Urteil des Bundesverfassungsgerichts angenommene nationale CO2-Restbudget. Die jährliche CO2-Bilanz eines Pferdes mit 3.100 kg CO2 beispielsweise ist vergleichbar mit 20.000 gefahrenen Autokilometern, sofern sich das Auto mit 6,6 Litern Benzin auf 100 Kilometer begnügt. Natürlich gibt es entsprechende Berechnungen auch für die 10,7 Millionen Hunde und 17,5 Millionen Katzen, die Ende 2020 in deutschen Haushalten lebten, mit entsprechender Wechselwirkung in der Ökonomie: 5,5 Milliarden Euro setzte die Heimtierbranche im Jahr 2020 um, 5,5 Prozent mehr als im Vorjahr.113 Die Schlussfolgerung an dieser Stelle soll nicht sein, dass 20.000 gefahrene Kilometer besser sind als ein Jahr Pferdehaltung. In unserer Quick-Win-Matrix sind wir vielmehr in dem Bereich angelangt (to avoid), in dem Eingriffe des Staates vermutlich mehr Schaden als Nutzen stiften würden. Klar ist aber auch: Der CO2-Ausstoß folgt uns auf Schritt und Tritt. Der Change unseres „running systems“ hat somit enorm viele Facetten mit manchmal ziemlich ernüchternden Erkenntnissen.
Zur Erreichung unserer Klimaziele ist es wichtig, dass Unternehmen, Verwaltungen und Politik Maßnahmen priorisieren, mit denen hohe CO2-Reduktionen erzielt werden können – bei gleichzeitig möglichst geringen Handlungseinschränkungen für Kunden und Bürger. Dagegen bewegte sich die Debatte um Kurzstreckenflüge im Wahlkampf des Jahres 2021 im zu vermeidenden Viertel der Quick-Win-Matrix: Zweifelsfrei sind Inlands- und Billigflüge CO2-relevant und sollten reduziert werden. Inlandsflüge erzeugen aber nur 1,36 Prozent der Treibhausgasemissionen unseres Verkehrssektors. Hingegen löst der Angriff auf Billigflüge Angst, Frust und Widerstände bei solchen Menschen aus, deren Einkommensverhältnisse Reisen an ausländische Strände nur über Low-Carrier-Angebote ermöglichen. Dass wir dem Klima in einer sinnvollen Anwendung der Quick-Matrix ohne viel Spaßverlust deutlich wirksamere Dienste erweisen können, wird nachher beim Einstieg in die SDG-Ziele deutlich!