Читать книгу Liebe unter griechischem Himmel - Regina Gärtner - Страница 6

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1. KAPITEL

Das war also die Vangelis. Alison stand bewundernd vor dem schönen Segelschiff. Der Rumpf war ganz in Weiß gehalten, die Aufbauten glänzten in dunklem Holz und die polierten Chromteile funkelten in der Sonne. Der edel aussehende Zweimaster schaukelte in der leichten Dünung des türkisblauen Wassers. Sogar hier im Hafen war das Wasser so klar, dass man auf den Grund schauen konnte. Vielleicht würde die kleine Segeltour ja doch nicht so unangenehm werden, wie sie befürchtet hatte.

Der Hafen von Nea Moudania war überschaubar und die Anlegestelle leicht zu finden. Hier im Norden von Griechenland auf der Halbinsel Chalkidiki hielt sich der Tourismus in Grenzen. Viele Menschen lebten noch sehr ursprünglich vom Ertrag der Schaf- und Ziegenzucht. Es wurde Baumwolle und Tabak angebaut, aber vor allem gab es hier große Weinanbauflächen und natürlich die weitläufigen Olivenplantagen. Nach wie vor wurde das meiste Geld mit dem guten griechischen Olivenöl verdient. Zumindest reichte es für einen ziemlich beeindruckenden Lebensstandard, wie Alison ihn in den letzten drei Tagen bei Olympias Familie miterleben durfte. Vier Jahre hatte sie mit Olympia Vangelis eine Studentenwohnung in Cambridge geteilt, aber dass die Eltern so vermögend waren, war für sie doch sehr überraschend gewesen.

Sie hörte Schritte. Ein dunkler Haarschopf erschien, und ein großer Mann in einem weißen Hemd und hellen Leinenhosen kam hoch auf Deck, als habe er sich passend zum Boot angezogen. Alison schmunzelte bei diesem Gedanken. In diesem Moment drehte der große Mann sich um. Samtene dunkle Augen lachten sie aus einem gebräunten Gesicht an. Viele kleine Lachfalten ließen das Gesicht leicht wettergegerbt erscheinen. Der Mann machte einen äußerst sympathischen Eindruck, und einen enorm männlichen dazu.

„Kalimera. Sie sind aber früh dran. Warten Sie, ich schieb die Gangway rüber.“ Er sprach automatisch auf Englisch mit ihr. Alison wurde sich bewusst, dass sie mit ihren kastanienbraunen Haaren und blauen Augen einfach nicht wie eine Griechin wirkte. Jetzt fasste er nach einem kurzen breiten Brett und schob es über den Spalt zwischen Schiff und Kaimauer. Alison musste wohl sehr irritiert geschaut haben, denn sofort fragte er nach. „Sie haben doch den Segeltörn gebucht, oder bewundern Sie nur das Schiff?“

Endlich hatte sie sich wieder gefangen. Der Gefallen, den sie ihrer Freundin erweisen sollte, hatte schließlich etwas damit zu tun, dass sie so redegewandt war. Alison atmete einmal tief durch, um sich für ihre Aufgabe zu wappnen. „Beides selbstverständlich. Sie müssen Alexandros Vangelis sein.“

„So ist es.“ Er reichte Alison seine Hand herüber.

Als sie seine Hand ergriff, breitete sich sofort ein angenehmes Gefühl in ihrem Körper aus. Schnell sprang sie von der Reling an Bord und stellte ihre Reisetasche ab.

„Ich erwarte die anderen Gäste nicht vor einer halben Stunde, und bis auf den Begrüßungscocktail ist alles vorbereitet. Aber ich habe gerade frischen Kaffee aufgebrüht. Möchten Sie einen?“

Er blickte sie aus seinen braunen Augen an, als würden sie sich schon lange kennen. Von Olympia hatte Alison allerhand über ihren Bruder erfahren. Aber er war längst nicht so griesgrämig und stur, wie sie ihn sich nach Olympias Erzählungen vorgestellt hatte. Sie mochte ihn auf Anhieb.

„Gerne.“ Sie setzte sich auf eins der weißen Polster, die am vorderen Rand der Reling verteilt lagen. „Das ist wirklich ein schönes Schiff. Leben Sie hier immer, auch wenn Sie keine Touristentouren machen?“

Seine Stimme klang laut aus dem Inneren des Bootes. „Ja, das ganze Jahr über. Im Winter wird es manchmal etwas zugig, aber dafür kommt der Frühling ja früh bei uns. Und der Herbst kann zwar manchmal stürmisch werden, aber die Sonne scheint fast das ganze Jahr über.“ Er erschien mit einem kleinen Tablett und stellte es neben ihr ab. „Der Zucker ist schon mit aufgekocht. Sie kennen doch griechischen Kaffee?“

„Efcharisto poli.“ Alison griff nach der kleinen Tasse. „Ich liebe diesen süßen schwarzen Kaffee.“ Ihr entging nicht der amüsierte Blick, den er ihr zuwarf, als sie an der zierlichen Tasse nippte.

„Das ist was anderes als englischer Kaffee, was?“ Er sah ihren überraschten Blick und zuckte belustigt mit den Schultern. „Ihr englischer Akzent ist unüberhörbar.“ Er zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Ich habe lange in Amerika gelebt. Da erkennt man die Briten sofort.“

„Sie haben recht. Ich komme aus London.“ Sie trank noch einen Schluck. „Wie viele Gäste erwarten Sie noch?“

Er griff in seine Hosentasche und holte einen Zettel hervor. Nachdem er ihn auseinandergefaltet hatte, schaute er einen Moment darauf. „Sie müssen Alison Conrad sein. Alison ist ein schöner Name.“

Alison starrte ihn verwundert an. Flirtete er etwa mit ihr, nach nur zwei Minuten? Sie sagte nichts. Ihr Schweigen sollte Antwort genug sein.

„Es kommen noch sieben weitere Passagiere.“

Verblüfft stieß sie den Atem aus. „So viele passen hier drauf?“

„Oh ja. Solche Schiffe sind echte Raumwunder. Von außen denkt man immer, es würde schon zu zweit eng werden, aber die Kajüten sind großzügig geschnitten. Sie werden schon sehen.“ Er blickte sie merkwürdig eindringlich an, doch plötzlich stand er mit einem Ruck auf. „Kommen Sie. Ich zeige sie Ihnen.“ Er nahm ihre Tasche und ging damit zu dem hölzernen Aufbau, wo eine kurze Treppe unter Deck führte.

Alison stellte ihre kleine Tasse beiseite und folgte ihm ins Innere des Bootes. Aus dem hellen Sonnenlicht kommend, konnte sie kaum etwas erkennen. Dann endlich sah sie, wie er an einer Schiebetür auf sie wartete. Sein Blick ruhte auf ihr, und ein leichtes Kribbeln fuhr ihr unter die Haut. Für eine Sekunde bewegte sie sich nicht, und mit einem Mal wurde Alison sich der Situation bewusst. Sie war mit einem äußerst attraktiven Mann alleine an Bord eines romantischen Segelschiffes. Nur wenige Meter entfernt war ihre Kajüte, und sein Blick sagte ihr, dass ihm gerade etwas Ähnliches durch den Kopf ging.

Leichter Ärger stieg in ihr auf. Obwohl er Olympias Bruder war, war sie gewarnt. So gut aussehende Männer wie er konnten sich die Frauen aussuchen. Von solchen Typen hatte sie die Nase voll. Sie gab sich einen Ruck. „Es ist so dunkel hier. Ich muss mich erst einmal daran gewöhnen.“ Sie tastete sich an den Holzwänden entlang.

„Passen Sie auf, dass Sie sich nicht stoßen.“ Er trat beiseite und gab ihr den Weg frei. „Sie werden in Ihrer Kajüte sicher himmlisch schlafen.“

Alison trat durch die Tür. Ihre Tasche stand schon vor dem Einbauschrank. Das Pritschenbett sah sehr bequem aus, und auch, wenn der Raum klein und schlicht eingerichtet war, wirkte er sehr gemütlich.

„Sind Sie schon mal gesegelt?“ Sein Atem streifte ihr Haar. Er stand direkt hinter ihr. Alison wagte es nicht, sich umzudrehen.

„Nein, ich kenne bisher nur die großen Fähren von England zum Festland.“ Sie spürte die Wärme seines Körpers. Und trotz ihrer Abneigung gegen belanglose Flirterei fand sie es irgendwie aufregend.

„So? Und wie kamen Sie zu dem Entschluss, ausgerechnet diesen Segeltörn zu buchen?“

Das war eine kniffelige Frage. Sie konnte schlecht schon jetzt mit der Wahrheit herausrücken. „Ich hatte noch etwas Urlaub übrig und Sehnsucht nach Sonne und Meer.“

„Aber wie sind Sie ausgerechnet auf mein Angebot gekommen? Ich arbeite mit keiner der großen Reiseagenturen zusammen. Nur Spezialreisebüros für Segelreisen kennen mein Angebot.“

Alison sog die Luft ein. Lass dir schnell was einfallen. Und nicht lügen. Wenn du jetzt lügst, wird er hinterher sauer sein. Du brauchst ja nur nicht gleich mit der Wahrheit rauszurücken. „Ich hab …“

„Huhuuuh!“ Eine grelle Stimme tönte von oben herab. Sie hörten harte Tritte auf dem Holz. „Ist da jemand?“

„Na bitte, da kommen schon die Nächsten. Wenn Sie sich frisch machen wollen: Dort ist das Bad für diese Seite der Kajüten.“ Er ging zum Aufgang und blickte sich noch mal um. „Und in fünf Minuten gibt es die Begrüßungscocktails.“ Mit einem auffordernden Lächeln verschwand er nach oben.

Alison setzte sich auf ihr Bett. Meine Güte, das versprach abwechslungsreich zu werden. Olympia hätte ihr ruhig sagen können, dass ihr Bruder so unverschämt gut aussah. Sie rief sich zur Ordnung. Schließlich musste sie ihrer Freundin diesen Gefallen tun. Und es würde ihr sicherlich leichter fallen, wenn sie sich ganz auf ihre Aufgabe konzentrierte. Aber das war genau der Punkt. Alexandros sah gut aus, war charmant und äußerst sympathisch. Genau das, was sie gerade überhaupt nicht brauchen konnte.

Schließlich hatte sie einen Auftrag zu erledigen.

Alex blinzelte, als er in den hellen Sonnenschein heraustrat. Sofort erkannte er, dass die Frau, die in hochhackigen Schuhen über das Deck stöckelte, nur die allein reisende Amerikanerin sein konnte – zu grelles Outfit, viel Make-up und eine große Sonnenbrille in das platinblonde Haar geschoben. Manchmal fragte er sich wirklich, wie zum Teufel solche Menschen von seinem Boot erfuhren. „Sie müssen Mrs Macintosh sein. Freut mich, dass Sie hierher gefunden haben.“

„Ach, Sie kennen sogar schon meinen Namen“, entgegnete die Blondine geschmeichelt. „Aber nennen Sie mich einfach Kelly. So wie Grace Kelly.“ Sie lachte laut über ihren Witz und ließ sich auf die Polster fallen. „Wunderbar, diese griechische Sonne. Wissen Sie, bei uns in Chicago ist es schon richtig kalt.“ Sie strich über das weiße Kunstleder, während sie ihn betrachtete. „Mein Vater hatte auch eine eigene Jacht. Als Kinder sind wir immer mit ihm rausgefahren. Und jetzt, nach meiner Scheidung, hab ich mir ein kleines Bonbon verdient.“

„Das haben Sie sicherlich. Ich mach schnell die Cocktails fertig. Oder möchten Sie etwas anderes? Wasser vielleicht?“ Alex war schon fast die kurze Treppe runter, aber das Aufblitzen in ihren Augen, als sie von der Scheidung gesprochen hatte, war ihm nicht entgangen.

„Nein, danke, ein Cocktail ist jetzt genau das Richtige.“

Erst unter Deck runzelte er die Stirn. Das konnte ja heiter werden. Mrs Macintosh, Kelly, war die Sorte Frau, die er am wenigsten an Bord leiden mochte. Aber meistens wussten sich diese Damen, die auf Männerfang waren, zu benehmen, sobald die anderen Gäste eintrafen. Und wenn nicht, dann bekam er sie meistens mit ein paar Geschichten über eine erfundene liebende Ehefrau in den Griff.

In den nächsten zwanzig Minuten traf noch ein frisch verheiratetes Paar aus Athen ein, ein älteres englisches Ehepaar sowie zwei Herren aus Liverpool, die alte Segelkumpane waren. Die letzten beiden Gäste versprachen eine große Hilfe zu werden, denn es konnte manchmal anstrengend sein, ein solches Schiff alleine zu manövrieren. Kostas, Alex’ jüngerer Gehilfe, der neben Koch, Reiseführer und Steuermann gelegentlich auch als Ersatzkapitän fungierte, würde gleich mit den letzten Einkäufen hier auftauchen. Zu zweit und mit ein paar helfenden Händen konnten sie das Segelboot gut auftakeln, wenn nicht gerade stürmisches Wetter war. Aber das kam nur selten während der Saison vor, und für diesen Fall hatten sie ja dann den Dieselmotor.

Alex begrüßte die Gäste wie gewohnt und verteilte die Kajüten. Er hatte schon viele Dutzend dieser Touren hinter sich gebracht. Alles war wie immer, nur eines nicht: Noch nie hatte ihn eine Frau vom ersten Augenblick an so gefangen genommen wie diese Alison Conrad. Dabei war sie in keiner Weise aufdringlich. Ihm imponierte, wie sie auf seinen Flirtversuch reagiert hatte. Sie hatte ihn einfach diplomatisch übersehen. Alison Conrad wusste, was sie wollte. Starke Frauen, die sich nicht so leicht beeinflussen ließen, hatten schon immer Eindruck auf ihn gemacht. Und diese Frau war dazu auch noch ausnehmend hübsch. Ach was, sie war sogar wirklich schön. Ihr kastanienbraunes Haar trug sie hochgesteckt, und Jeans und T-Shirt wirkten eher praktisch als elegant. Aber selbst in dieser legeren Kleidung sah sie bezaubernd aus. Sie hatte viel mehr den Vergleich mit einer Leinwandgöttin wie Grace Kelly verdient als die Amerikanerin. Eine natürliche Eleganz umgab sie, und ihre blauen Augen funkelten wie das Wasser der Ägäis.

Aber Alex war auch gewarnt. Bei der vorletzten Fahrt hatte sich dieser freundliche junge Kerl an Bord befunden. Ein Geologe, wie sich hinterher herausstellte. Zunächst war ihm gar nicht aufgefallen, wie geschickt der Mann ihn ausgefragt hatte. Erst als er zufällig spätabends ein heimliches Handytelefonat mit angehört hatte, war ihm plötzlich klar geworden, dass der Kerl keineswegs Urlaub auf seiner Segeljacht machte. Er wollte Alex ausspionieren, wahrscheinlich sogar zugunsten Dritter manipulieren. Alex war gewarnt. Würden die Investoren, die nur auf billigen Erwerb seines Landes aus waren, es dieses Mal vielleicht mit einer Frau als Lockvogel versuchen? Einer patriotischen Amerikanerin wie Kelly Macintosh? Oder würden sie eine attraktive junge Frau einsetzen, deren Schönheit jeder Mann erliegen würde, wie Alison Conrad?

Sie hatte ihn von der ersten Sekunde an verzaubert. Aber jetzt musste er sich erst einmal sicher sein, dass sie wirklich nur aus privaten Gründen hier war.

Alison stand vorne am Bug und genoss den leichten Fahrtwind. Gerade verließen sie den geschützten Hafen, und noch tuckerte der Dieselmotor. Aber Alexandros Vangelis hatte verkündet, dass sie die Segel aufziehen würden, sobald sie weit genug vom Land entfernt waren, um Wind zu haben.

Bisher hatte sie solche herrschaftlichen Schiffe immer nur aus der Ferne bewundert. Von alleine wäre sie wohl niemals auf die Idee gekommen, für ein paar Tage auf einem Schiff zu leben, und dafür musste sie Olympia dankbar sein. Aber trotzdem war ihr nicht wohl bei dem Gedanken, welchen Auftrag sie hier erledigen oder, besser gesagt, welchen Freundschaftsdienst sie hier erbringen sollte. Doch sie konnte ihrer Freundin die Bitte nicht abschlagen.

Alison und Olympia Vangelis hatten sich seit zwei Jahren nicht mehr gesehen, und obwohl sie sich regelmäßig schrieben und gelegentlich telefonierten, war die Einladung sehr überraschend gekommen. Sie erinnerte sich noch sehr genau an ihr Telefonat mit Olympia vor knapp zwei Wochen:

„Du willst mir die Reise schenken? Ja, aber warum denn?“

„Alison, so kugelrund, wie ich schon bin, darf ich nicht mehr fliegen. Keine Fluggesellschaft nimmt eine Schwangere ab dem siebten Monat mit. Es wäre wirklich schade, wenn die Tickets einfach so verfallen würden.“

„Aber ich bin gerade dabei, mich zu bewerben.“ Olympia wusste schon, dass Alisons Zeitvertrag nach zwei hektischen und arbeitsreichen Jahren in einer PR-Agentur ausgelaufen war.

„Du sagst doch selbst, dass du noch fast sechs Wochen Resturlaub hast.“

„Das stimmt allerdings.“ Alison hatte viel gearbeitet, aber da die Agentur sich gerade in einem finanziellen Engpass befand, konnte sie es sich nicht erlauben, ihr den Urlaub auszuzahlen.

„Na also. Der Flug ist geschenkt, und hier wirst du einfach bei mir wohnen. Wir haben ja nun wirklich genug Platz in der Villa. Und meinen Eltern ist es nur recht. Sie sind ja ohnehin selten zu Hause, da sie so viel arbeiten. Also, was sagst du? Zwei Wochen Sonne würden dir doch sicher gut tun.“

„Du hast recht. Eine kleine Auszeit wäre jetzt genau richtig. Denn wenn ich erst eine neue Stelle antrete, dann wird es wieder Monate dauern, bis ich den ersten Urlaub nehmen kann.“ Sie hatte es sich wirklich verdient. Und ein paar Bewerbungen hatte sie auch schon verschickt. „Okay, ich komme.“ Und eigentlich kam Alison eine kleine Pause gerade recht. Nach zwei hektischen und arbeitsreichen Jahren in einer PR-Agentur war ihr Zeitvertrag ausgelaufen. Mehr als ein ganzer Monat Resturlaub stand ihr noch zu.

Warum sollte sie nicht für zwei Wochen die warme Sonne des Mittelmeeres genießen, wenn sie die Reise quasi geschenkt bekam? Dass die Ferien, die sie eigentlich mit Olympia verbringen wollte, ganz anders als geplant verlaufen würden, hatte sie nicht ahnen können. Denn kaum, dass sie in Griechenland angekommen war, hatte Olympia sie mit ihrem eigentlichen Anliegen überrascht. Und jetzt war sie hier auf dem Boot. Eine Bewegung hinter ihr riss sie zurück in die Gegenwart.

Alexandros hielt ein Tau, das oben an einem Mast befestigt war. „Sind Sie schon mal gesegelt?“

Sofort verdoppelte sich Alisons Herzschlag. Schon wieder lächelte er sie mit diesem unbestimmbaren Ausdruck an. „Nein, noch nie.“

„Könnten Sie dieses Tau trotzdem mal kurz halten? Einfach schön festhalten, bis ich sage, dass Sie Leine geben sollen.“

„Ähm, ja gut.“ Alison griff nach dem Tau und hielt es stramm. Sie hatte überhaupt keine Ahnung von Schiffen und schon gar nicht von Segelschiffen. Olympia hatte ihr gesagt, dass man mithelfen durfte, wenn man wollte, aber nicht musste. Doch jetzt stand sie hier mit dem Tau in der Hand und stemmte sich gegen den Zug. Der Wind griff in die Segel und zerrte an dem Seil, aber es machte Spaß, diese Naturkraft hautnah zu erleben. Sie beobachtete, wie Alexandros und sein Gehilfe Kostas geschickt die Segel aufzogen.

Kostas war jung und schlank. Er hatte die gleichen dunklen Haare wie Alexandros, nur kurz geschnitten. Aber er entwickelte sich gerade erst zum Mann. Es würde noch Jahre dauern, bis er die männliche Statur von seinem Boss haben würde, und so groß wie der würde er niemals werden. Im Gegensatz zu ihm fiel auf, wie athletisch Alexandros gebaut war. Alison bemerkte, wie sehr es ihr gefiel, dem Spiel seiner Muskeln zuzusehen, als er mit Leichtigkeit das schwere Segel hochzog.

Versonnen starrte sie auf seinen Körper, der sich so geschmeidig und gleichzeitig doch so kraftvoll bewegte. In all den Jahren, die sie zusammen mit Olympia in der kleinen Studentenwohnung in Cambridge gewohnt hatte, hatte die Griechin ständig von ihrem großen Bruder erzählt. Aber die einzigen Fotos, die sie zu Gesicht bekommen hatte, waren Kinderfotos gewesen. Damals studierte er noch in Amerika, und die Geschwister sahen sich nur selten, wenn an Feiertagen die Familie zu Hause zusammenkam.

Aber durfte Alison ihn mit solchen Augen ansehen? Sie konnte ihre Blicke kaum von ihm abwenden. Sein ganzer Körper strahlte eine herbe Männlichkeit aus. Er schien ganz anders als die Männer, mit denen Alison bisher ausgegangen war. Das waren ja alles noch große Jungs gewesen. Sie hatte sich schnell von ihrer letzten Enttäuschung erholt. Ein halbes Jahr war es nun her, dass Keith, ein Kollege aus der Agentur, ihr nach einer zweiwöchigen Affäre verkündete: „Du hast einen tollen Körper, Baby, aber du bist einfach nicht der Typ Frau für eine feste Beziehung!“

Noch jetzt spürte sie die Wut im Bauch, wenn sie daran dachte. Dieser verlogene Mistkerl. Alison war schnell klar, dass er weder erwachsen noch nett genug war, um ihm lange nachzutrauern. Trotzdem hatte diese Begebenheit mit Keith sie etwas gelehrt: So schnell würde ihr das nicht passieren, dass sie einem Mann die Chance gab, sie nach einer erotischen Eskapade abzuschieben.

Mussten jetzt ausgerechnet bei Olympias Bruder die Gefühle mit ihr durchgehen? Es würde ohnehin schon schwierig genug werden, ihren Auftrag auszuführen. Olympia hatte sie bereits darauf vorbereitet, dass Alexandros nicht gut auf seine Familie zu sprechen sei. Seine erste Reaktion würde wahrscheinlich vollkommene Ablehnung sein. Sie musste also sehr überlegt und behutsam vorgehen, wenn sie ihr Anliegen vorbrachte. Aber wie sollte sie das hinkriegen, wenn ihr allein bei seinem Anblick schon der Puls flatterte und sie in seiner Nähe kaum die richtigen Worte fand?

Liebe unter griechischem Himmel

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