Читать книгу Die Wächter von Magow - Band 4: Die kleine Spreejungfrau - Regina Mars - Страница 5
Ifrit
ОглавлениеJa, kacke, dachte Sofie.
Feuerschlangen schossen auf sie zu. Sie wurde rückwärts geschleudert, roch verbranntes Haar und spürte, wie ihre Augenbrauen angesengt wurden. Schloss die Augen, gerade noch rechtzeitig. Hitze strich über ihre Haut. Sie prallte gegen ein Regal voll riesiger Plastikcontainer. Schmerz schoss in ihre Schulter.
Etwas kippelte über ihr und krachte runter, knapp vor ihre Füße. Eine Kiste. Ihr Deckel wirbelte durch die Luft und prallte auf den Boden, der von Raureif bedeckt war. Etwas fiel aus der Kiste, aber Sofie hatte nur Augen für das Feuer.
Besser gesagt: den Feuerkerl.
Der Feuerkerl, der eben noch ein Nachtwächter gewesen war, hatte einen schlangenartigen, nasenlosen Kopf und sechs Hörner, gezwirbelt wie Korkenzieher. Seine Finger waren flammende Peitschen. Er war plötzlich deutlich größer als Isa. Isa, die sich fiepend auf dem Boden wälzte. Ihr Fell glimmte an mehreren Stellen. Jean und Liliflora lagen auf dem Boden und starrten das Feuermonster an. Nat kauerte hinter einem Regal.
»Scheiß-Wächter!«, röhrte das Monster. »Was wollt ihr hier? Wir sind nicht mal in Magow!« Seine Augenhöhlen glühten weiß. »Ich bring euch um! Alle!«
»Äh.« Nat räusperte sich. Er richtete sich auf und umklammerte sein Schwert. »Wir sind hier, um dich zu verhaften. Echt. Bitte komm friedlich mit in die Zentrale.«
»Was laberst du, Weichei?«, brüllte Jean. Er packte sein Schwert und stürmte auf das Monster zu. »Wir machen das Vieh alle!«
Eine Feuerschlange zischte und wand sich um sein Schwert. Jean brüllte vor Wut, als es ihm entrissen wurde.
»Jean!« Nats Schrei rauschte durch die Luft. So schnell wie die Flammenpeitsche, die auf Jeans Kopf zu raste.
Er wird platzen, dachte Sofie. Wie eine Melone.
Bilder zuckten durch ihr Hirn. Die Honigmelone, die Cassa und sie aus dem zweiten Stock geworfen hatten, damals. Nur, um zu sehen, was passierte. Was passiert war, war eine elende Sauerei.
Die Jean erspart blieb. Ein Schwert zischte hoch und wehrte die Schlange ab. Lilifloras Schwert. Das Lächeln war aus ihrem niedlichen Gesicht verschwunden. Wie ein grüner Panther kauerte sie vor Jean und fauchte. Packte das Schwert fester und stürmte los. Elegant duckte sie sich unter den Feuerpeitschen hinweg, rollte sich nach links ab, kam wieder hoch, hüpfte nach rechts. Auf den Ifrit zu.
»Bitch«, knurrte der und schlug nach ihr. Sie wich aus. Die Peitschen knallten auf den Boden, genau da, wo ihre Füße vor einem Moment noch gewesen waren.
Wow, dachte Sofie. Sie konnte gar nicht so schnell schauen, wie die Dryade sich bewegte. So flink wie ein Vampir. Schon holte Liliflora mit dem Schwert aus und stieß die Spitze gegen die Brust des Ifrits. Leider nicht in die Brust. Die Klinge prallte ab und zerbarst. Liliflora keuchte. Eine Feuerschlange erwischte sie, wickelte sich um ihren Bauch und schleuderte sie davon. Genau auf Sofie zu. Die streckte die Arme aus und gab sich der Illusion hin, dass das hier nicht wehtun würde.
Es tat weh.
Die Dryade donnerte gegen sie und riss sie von den Beinen. Sofie krachte zu Boden. Schmerz raste durch ihr Steißbein.
»Aua!«, brüllten Liliflora und sie gleichzeitig.
Wütend funkelte die Dryade sie an. »Was tust du, du nutzloses Miststück? Greif ihn an! Muss ich denn alles alleine machen?«
»Gern geschehen«, knurrte Sofie und schubste Liliflora von ihrem Schoß.
»Du verkackt hässliche Hackfresse!«, brüllte Jean. Eine Feuerpeitsche sauste auf ihn zu. Doch er wehrte sie mit dem Schwert ab, das er wohl wiedergefunden hatte. Eine weitere schoss auf seine Beine zu. Aber er war schneller. Nicht so schnell wie Liliflora, aber es reichte, um am Leben zu bleiben.
»Guck dich doch mal an, du Missgeburt!«, brüllte der Ifrit.
»Selber Missgeburt, du Streichholzschwanz!« Jean wäre beinahe von einer Peitsche geköpft worden und machte einen Schritt zurück. »Fick dich!«
»Fick dich!«
Liliflora schnaubte. »Was macht der Idiot da?«
»Er lenkt ihn ab«, murmelte Sofie.
Unbemerkt von dem Ifrit zerrte Nat etwas aus dem Regal. Einen gefrorenen Dönerspieß in Frischhaltefolie. Während Jean und das Monster sich anbrüllten, packte er ihn wie eine Keule und schoss von hinten auf den Ifrit zu.
»Verreck, du Kack-Wächter!«, röhrte der Ifrit und holte Jean von den Beinen. Der knallte zu Boden und verlor sein Schwert.
Ein Krachen dröhnte durch die Regalreihen. Der gefrorene Dönerspieß krachte auf den Schädel des Ifrits. Er taumelte. Nat ließ seine Waffe los und sprang vom Rücken des Monsters.
»Du Trottel!«, rief Jean. »Wieso hast du nicht dein Schwert genommen?«
»Ich wollte ihn nicht gleich umbringen«, sagte Nat. »Ich … Scheiße.«
Der Ifrit richtete sich auf und wandte sich zu Nat um. Er fletschte die Zähne und grollte.
»Stirb.« Mit allen Fingern gleichzeitig griff er nach Nat. Die Peitschen rasten auf ihn zu. Nat machte einen Salto rückwärts, entkam knapp, schaffte es hinter die nächste Regalreihe. Der Ifrit setzte nach.
»Tut die supermächtige Hexe auch was oder stehst du hier nur rum?«, zischte Liliflora und Sofie zuckte zusammen.
»Ja, klar«, sagte sie und griff in ihre Westentasche. Sie holte eine Packung Blumensamen hervor und rannte los.
Wachse, dachte sie hastig, zerknüllte das Tütchen »Rankende Gärten« und warf es auf den Rücken des Ifrits, der Nat zwischen zwei Regalen in die Enge getrieben hatte.
Schon im Flug sprossen die Samen. Trichterwinden, Sternwinden und Kapuzinerkresse, die besonders schön rankten und zauberhaft bunt blühten. Sie explodierten förmlich. Blitzschnell umschlangen sie den Körper des Ifrits, pressten seine Arme gegen den Körper und fesselten seine Beine.
Dann verbrannten sie.
Ranken schnappten auf, es stank nach versengten Blättern und der Ifrit wandte sich zu ihr um.
»Hallo«, sagte Sofie und machte einen Schritt zurück.
Das Monster hob die Hände. Verschmorte Ranken fielen zu Boden. Weiße Augen glühten.
Zwei haarige Körper schossen durch die Luft, über Sofies Schultern hinweg. Zwei Werwölfe. Die Zwillinge. Sie rannten auf den Ifrit zu, dessen Augen sich panisch weiteten. Er schlug mit den Peitschen nach ihnen. Die beiden Wölfe wichen jedoch nicht aus. Stattdessen verbissen sie sich darin. Der Ifrit schrie. Die Zwillinge teilten sich auf, einer lief nach links, einer nach rechts und die Arme des Ifrits wurden auseinandergerissen. Wie ein Gekreuzigter starrte er nach vorn. Sofie roch verbranntes Fleisch. Hörte schmerzerfülltes Knurren.
Ihre Münder schmoren an, dachte sie. Und sie lassen trotzdem nicht los.
Noch jemand rauschte an Sofie vorbei. Nikolas. Seine Haare flatterten hinter ihm her, das Schwert blitzte. Er sprang. Direkt auf den zappelnden Ifrit zu.
Er stieß das Schwert in das Auge des Ifrits.
Der schrie. Nikolas ebenfalls. Er wurde zurückgeworfen und ein metallisches Brechen erklang. Beide Hälften seines Schwerts fielen zu Boden, dann er selbst. Das Auge des Ifrits schien unversehrt.
Der Ifrit brüllte und riss sich los. Die Zwillinge rollten über den Boden.
»Diese verkackt eklige Hackfresse«, sagte Jean neben Sofie. Er hielt sein Schwert und zögerte sichtlich, auf den Dämon loszugehen.
Wenn sogar Jean zögert, ist die Kacke am Dampfen, dachte Sofie.
»Vivi«, flüsterte sie in das Mikro an ihrem Kragen. »Vivi, was ist das? Können wir was machen? Hat er eine Schwachstelle?«
Nichts. Sie betete. Der Ifrit kam auf sie und Jean zu. Sie hörte die Zwillinge jaulen und sah, wie Nikolas ihm aus dem Weg eilte.
»So, jetzt verreckt ihr«, knurrte der Dämon. »Scheiß-Wächter.«
»Vivi?«, murmelte Sofie. »Hilfe?«
Nichts, nicht mal ein Rauschen. Sie atmete tief ein.
»Hauen wir ab«, sagte Isa hinter ihr. Sie roch nach verbranntem Fell und verschmorter Haut. »Auf meinen Rücken, aber flott.«
Sofie machte einen Schritt zurück, rannte los, wurde auf halbem Weg von Isa gepackt und auf ihren Rücken geschleudert. Jean klammerte sich bereits in ihr Nackenfell. Aber Isa hinkte. Sie waren kaum schneller als zu Fuß. Und dann stolperte sie und sie rollten über den Boden.
»Bring euch um«, keuchte der Dämon und Sofie roch seinen schwefligen Atem, so nah war er.
Hektisch suchte sie nach ihrem Schwert. Aber sie hatte es fallen gelassen, als sie Liliflora gefangen hatte.
Blöde Liliflora, dachte sie.
Ein Zischen erklang und dann war alles weiß. Ein Strahl traf den Ifrit im Gesicht, erstickte sein Brüllen. Wieder zischte es, ohrenbetäubend. Er hustete, spuckte, würgte.
Liliflora trat aus einer der Regalreihen, mit baumelndem Pferdeschwanz und einem gigantischen Feuerlöscher in der Hand. Unablässig beschoss sie den Dämon mit Löschschaum, bis er unter einer Wolke davon begraben war und sie ihn nur noch gurgeln hörten.
Erst, als der Feuerlöscher leer war, schmiss die Dryade ihn zu Boden und stemmte die Hände in die Hüften.
»Mistkerl«, sagte sie. »Du hast mein Schwert zerbrochen.«
»Ist er tot?«, fragte Sofie.
Eine Hand schnellte aus dem Schaumberg. Flocken sprühten. Sie alle zuckten zurück. Dann sahen sie, dass es keine flammende Hand mehr war, sondern eine menschliche.
»Ist gut, ihr Arschkrampen«, knurrte es aus den Tiefen des Schaums. »Ich geb auf.«
»Besser so.« Liliflora schnaubte und legte ihren Pferdeschwanz über die Schulter. Sie wandte sich zu Sofie um und hob eine perfekt gezupfte Augenbraue. »So macht man das, kleine Hexe.«
Sofie wollte etwas Intelligentes erwidern, aber ihr fiel nichts ein. »Äh. Gute Arbeit.«
»Einer muss sie ja machen.« Liliflora seufzte. Dann weiteten sich ihre Augen. Sie starrte auf etwas hinter Sofie. »Was ist das?«
Sofie wandte sich um, halb erwartend, dass ein weiterer Ifrit auftauchen würde. Aber da war nur das Regal, in das sie vorhin gekracht war, als der Nachtwächter sich verwandelt hatte. Aus dem eine Kiste gefallen war, eine riesige. Sie war offen, der Deckel lag weit entfernt. Und der Inhalt der Kiste war herausgerollt.
Ein nackter Elf lag dort, weißhaarig, faltig, blau gefroren, die Augen geschlossen und die Züge so entspannt, dass es nur eins bedeuten konnte.
»Ist der tot?«, fragte Jean.