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Einleitung
ОглавлениеDie uns bekannte Menschheitsgeschichte ist nicht nur eine vorwiegend männergemachte, sondern auch eine von Männern geschriebene. Das gilt für eigentlich alle Gebiete von der Politik bis zur Kunst, von der Kirche bis zur Wissenschaft, von der Literatur bis zur Wirtschaft, von der Musik bis vor allem natürlich zum Militär. Dadurch ist es zu einer Verengung der Sicht gekommen, die weder dem Gegenstand angemessen ist noch dem weiblichen Anteil am Fortgang der Geschichte gerecht wird. Blendet man die Hälfte der Menschen einfach aus als Beteiligte an der Entwicklung, kann man auch nur Halbwahrheiten entdecken und verfehlt das Vollbild. Nun ist das im Nachhinein nur in Grenzen zu reparieren, da schon die Quellen selektiv zustande gekommen sind und die Überlieferung obendrein aussortiert hat, was nicht ins patriarchalische Bild passte. Am ehesten fündig wird man in der politischen Geschichte, die besondere Aufmerksamkeit genießt.
Auf diesem Sektor aber haben Frauen auch besonders selten herausragende Rollen spielen können, doch wenn, dann zeigt sich der unterschiedliche politische Ansatz, die speziell weibliche Handschrift, eben auch besonders klar. In diesem Buch werden daher in 25 Porträts 26 Frauen vorgestellt, die auf die Politikgestaltung entweder in vorderster Reihe oder doch anderweitig maßgeblich Einfluss genommen haben. Das kann auch indirekt geschehen sein wie etwa bei Lola Montez. Wie bei allem exemplarischen Vorgehen ist die Auswahl in diesem Buch natürlich subjektiv und geprägt von unserem zugegeben abendländischen Blickwinkel. Es kommen nur Personen aus dem mediterraneuropäischen Raum vor, denn selbst eine Indira Gandhi gehört eher zum britischen als zum indischen Kulturkreis, was ihren Bildungshintergrund und ihr Politikverständnis angeht.
Wie an den genannten Namen zu sehen, wird der Begriff »politisch« mal enger, mal weiter gefasst. Wichtig für die Berücksichtigung einer Person war mir ihre Strahlkraft oder aber die Ausnahmesituation, durch die sie zur Wirkung gekommen ist. So erlangte Kaiserin Theophanu in einer Zeit (10. Jahrhundert) Bedeutung, in der weibliche Herrschaft noch ungewöhnlicher war als ohnedies – und die Herrschaft einer Frau aus einem fremden Land schon zumal. An ihrem Exempel wird auch deutlich, dass die Frage des Geschlechts oft von dynastischen Erwägungen verdrängt wurde: Es gab keinen mündigen männlichen Erben, sodass die Nächste am Thron als Regentin einsprang.
Solchen Umständen verdanken wir so manche bedeutende Frau in führender Rolle wie Elisabeth I. von England, die einzige schließlich verbliebene Erbin der Tudors im 16. Jahrhundert. Sie legte das Fundament für die britische Weltgeltung. Dabei nutzte sie das Heiratsinstrument, das regierende Männer gern zur Machterweiterung einsetzten, sozusagen negativ: Sie hielt Bewerber um ihre Hand, also um England, taktisch so geschickt hin, dass sie ihre Position nach außen wie innen unterdessen festigen konnte und nicht als Ehefrau wieder in die zweite Reihe zurücktreten musste. Da sie als Frau dynastisch nichts zu gewinnen hatte, zog sie Kinderlosigkeit und damit den Übergang der Krone an eine andere Dynastie dem eigenen Machtverlust vor.
Anders Maria Theresia anderthalb Jahrhunderte später, die sich allerdings auf die Vorsorge des Vaters stützen konnte. Karl VI. hatte durch die so genannte Pragmatische Sanktion von 1713 den Weg für die weibliche Thronfolge in seinem habsburgischen Herrschaftsbereich freigemacht; was die Kaiserkrone anging, glückte das hingegen nicht. Und so kam es zu der Situation, dass die Tochter als Königin die eigentliche Hausmacht führte, ihr Mann Franz I. aber Deutscher Kaiser wurde, ohne sie und ihr Potenzial aber im Grunde nichts war. Nur den angeheirateten Titel »Kaiserin« verschaffte er ihr. Hier spielten dynastische Erwägungen eine Nebenrolle, auch wenn durch die Ehe genealogisch eine neue Linie des Hauses Habsburg entstand, das sich fortan Habsburg-Lothringen nannte. Aufgrund der 16 Kinder der Königin und ihres kaiserlichen Gemahls ist das Fürstenhaus heute ungeheuer weit verzweigt. Sogar den Untergang der Monarchie in Österreich-Ungarn 1918 hat es mittels ehelicher Querverbindungen zu noch immer existierenden europäischen Herrscherhäusern überlebt.
Nicht dem Vater, sondern dem Parlament verdankte die britische Königin Viktoria den Thron, noch ehe sie geboren war. Genau genommen verdankte sie den Parlamentariern sogar das Leben. Sie wollten nicht wie in Frankreich Unruhen riskieren, wenn das Herrscherhaus ausstürbe, und forderten von den noch lebenden Mitgliedern ehelichen Nachwuchs. Viktoria kam 1819 und damit noch früh genug auf die Welt, um als Achtzehnjährige die Nachfolge anzutreten, als der Thron dann tatsächlich verwaiste. Sie konnte die väterliche welfische Linie des Hauses Hannover aber nicht fortsetzen. Ihre Ehe mit Albert von Sachsen-Coburg-Gotha brachte dessen Dynastie nach England. Viktorias Beispiel zeigt bereits einen Machtverlust der Potentaten, der wenig später anderen Frauen zu Bedeutung verhelfen sollte. Abgeordnete und damit das Volk oder doch dessen mächtigste Repräsentanten hatten ihr die Krone beschert. Bald sollten Frauen qua eigener Leistung aufsteigen können und mussten nicht mehr Ehemann oder Vater beerben.
Eine, der das noch zu Viktorias Zeiten gelang, war Bertha von Suttner. Sie nutzte die modernen publizistisch-politischen Möglichkeiten, noch ehe Frauen den direkten politischen Weg einschlagen konnten. Mit ihren pazifistischen Schriften erreichte sie ein so breites Publikum, dass sie politisches Gewicht und Einfluss auf Einflussreiche gewann. Auch wenn sie letztlich scheiterte, so entwickelten ihre Gedanken doch eine Depotwirkung, die bis heute anhält und die Baronin zu einer der großen Ideengeberinnen der neuesten Zeit gemacht hat. Sie steht da in einer Reihe mit einer Frau, deren Lebenszeit sich mit ihrer teilweise überschnitt, die aber drei Jahrzehnte jünger war und deswegen schon ganz andere, nämlich parteipolitische Möglichkeiten hatte: Rosa Luxemburg stieg in der jungen sozialistischen Bewegung auf und zeigte, dass Frauen auch aus eigener Kraft erhebliche politische Wirkung entfalten können und zu Recht wie ihre Zeitgenossin Emmeline Pankhurst das Wahlrecht forderten und schließlich durchsetzten. Allerdings mussten und müssen sie, und auch dafür stehen die Revolutionärin Rosa Luxemburg und die Suffragette Pankhurst, für gleichen Erfolg weit mehr Kraft investieren und mehr Opfer bringen als ihre männlichen Kollegen. Daran hat sich bis in die Gegenwart wenig geändert.
Unsere beiden jüngsten Beispiele aus dem 20. Jahrhundert, die schon erwähnte Indira Gandhi und die Israelin Golda Meir, sprechen nicht gegen den Befund. Frau Gandhi kam sozusagen aus einer demokratischen Dynastie und konnte qua Beziehungen und Förderung durch ihren Vater Nehru das weibliche »Handikap« wettmachen. Natürlich beruhte ihr Aufstieg auch auf eigenen Leistungen und auf einem außergewöhnlichen politischen Gespür, doch eben nicht nur. Im Fall der israelischen Premierministerin Meir förderte die Ausnahmesituation ihres jungen Landes die Karriere. Der enorme arabische Druck auf das jüdische Gemeinwesen ließ Fragen nach dem Geschlecht von Politikern als nebensächlich zurücktreten. In den Aufbaujahren wurde jeder gebraucht. Und wie Frauen in Israel ganz selbstverständlich Wehrdienst zu leisten haben, so wurde jedes politische Talent begrüßt und konnte aufsteigen ohne Ansehen des Geschlechts. Und Frau Meir bewies, dass auch eine Frau notfalls Krieg führen und die dafür erforderliche Härte aufbringen kann.
Bemerkenswert an den letzten beiden Persönlichkeiten ist, dass sie zwar wie alle ausgewählten europäisch oder doch westlich orientiert waren, aber in Regionen zur Macht kamen, in denen die männliche Dominanz traditionell noch stärker ist als in Europa selbst. Hier aber dauerte es ein paar Jahre länger, nämlich bis zu Margaret Thatcher im Jahr 1979, ehe eine Frau in eine derart entscheidende Position aufrückte. Die »Eiserne Lady« fehlt in unserer Sammlung, weil lebende Personen nicht berücksichtigt sind. Sie bietet aber gerade wegen ihres »metallischen« Spitznamens Gelegenheit, darüber nachzudenken, ob politisch erfolgreiche Frauen den Aufstieg eher »männlichen« Charakterzügen verdanken. Das ist natürlich ein weites definitorisches Feld, auf dem Einigkeit über wesensmäßig Männliches oder Weibliches kaum zu erzielen ist. Allenfalls diffuse, von Vorurteilen gefärbte Merkmale ließen sich ausmachen, weswegen nur kurz die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede männlicher und weiblicher politischer Laufbahnen skizziert werden sollen, wie sie sich anhand unserer Porträts herausschälen.
Politische Menschen wollen Macht, und die Gier danach ist bei Männern und Frauen gleichermaßen angelegt. Hingegen können wir bei den Akzenten, die sie setzen, nicht nur individuelle, sondern offenbar auch geschlechtsspezifische Präferenzen entdecken. So wird man unter den mächtigen Frauen der Geschichte Monstrositäten wie Hitler oder Pol Pot, Nero oder Dschingis Khan vergeblich suchen. Das heißt nicht, dass Frauen Bluttaten scheuen; die Beispiele Messalina oder Katharina de’ Medici belegen das Gegenteil. Es ist bei diesen aber so, dass die Brutalität eher familiärer Natur ist und begrenzteren Interessen entspringt. Eine generelle, bedenkenlose Menschenverachtung lässt sich in keinem Fall finden. Das steckt vielleicht auch hinter dem Phänomen, dass unsere Protagonistinnen nur ausnahmsweise bedeutende Kriegsherrinnen waren. Selbst die erwähnte Golda Meir entschied sich 1973 erst zu einem Waffengang, als es fast zu spät war. Und das wurde ihr von den rivalisierenden Männern an der Staats- und Armeespitze sehr verübelt, ja es führte letztlich zu ihrem Sturz.
Und Maria Theresia, Jeanne d’Arc, Eleonore von Aquitanien, die Marquise de Pompadour? Waren sie nicht alle in kriegerische Auseinandersetzungen zutiefst verwickelt? Gewiss, doch auch hier entdecken wir in allen Fällen eher sozusagen private Motive. Bei der Jungfrau von Orleans war es ganz ausdrücklich eine innere Stimme, die wohl auch die Menschen ihrer Zeit vernommen haben oder der sie doch nur zu gern glaubten. Die schweren Kriegszeiten, in denen die Lichtgestalt Johanna Zeichen setzte, hatten eine Wundergläubigkeit geweckt, die sich an jede Hoffnung klammerte. Dass ein schwaches Hirtenmädchen Rettung versprach, kam diesem Hoffen gerade entgegen; wenn alle vernünftigen Mittel versagen, schlägt die Stunde der vermeintlich unvernünftigen.
Auch bei Maria Theresia lagen die Kriegsgründe in ihrer Person: Eine Frau auf dem Thron, noch dazu eine so junge, lockte Machtmänner wie Friedrich den Großen zu militärischen Abenteuern. Dass er sich um ein Haar verrechnet hätte, lag wiederum daran, dass er ihre im Grunde mütterliche, also dynastische Entschlossenheit nicht hinreichend ins Kalkül gezogen hatte. Auch die anderen beiden genannten Frauen förderten den Krieg eher um ihrer selbst willen als aus Staatsräson. Zudem lenkten sie die Heere nicht persönlich, sondern durch ihren Einfluss auf die Männer, die sie sich erobert hatten und in denen sie den in jedem Mann schlummernden Eroberer weckten. Sie verstanden es genial, ihnen zu suggerieren, die Ideen zum Los- oder Dreinschlagen mit Waffengewalt seien die eigenen.
List gehört neben den handfesteren erotischen und sexuellen Möglichkeiten ebenfalls zum typischen Arsenal weiblicher Waffen. Nicht wenige bedeutende Frauen verdanken diesem Mix ihre Karriere: Lola Montez, die Geliebte des bayerischen Königs Ludwig I., ist ein Paradebeispiel, die Pompadour natürlich auch, die König Ludwig noch nach Ende ihrer erotischen Beziehung fast nach Belieben lenkte. Auch Elisabeth Stuart verfügte aufgrund ihrer Reize und ihrer Klugheit über großen Einfluss, nur hatte sie aufs falsche männliche Pferd gesetzt. Ihr Heros Friedrich von der Pfalz herrschte nur einen Winter, und wenn er nicht völlig verzweifelte und für die Familie trotz seines Scheiterns nicht alles verloren war, dann dank der Diplomatie und der betörenden Liebenswürdigkeit seiner englischen Frau.
Dass die Waffen junger und selbst reifer Frauen zu allen Zeiten scharf waren, dafür steht die ägyptische Königin Kleopatra, die gleich zwei der genialsten römischen Feldherren an sich zu fesseln und für ihre Zwecke einzuspannen verstand. Sie hat das weibliche Waffenhandwerk in einer Weise virtuos gehandhabt, dass noch bis heute Poeten und Filmemacher, Künstler und Komponisten aus ihrem tatsächlichen wie legendären Lebensstoff Honig saugen. Sie belegt zudem, dass die Antike bei weitem nicht so frauenfeindlich war, wie es beim Blick durch den umgedrehten modernen Feldstecher erscheinen mag. Zwar sprachen etwa die Römer der Frau die Seele ab, doch war gerade diese weiblich: anima. Auch in der Religion spielten weibliche Gottheiten Schlüsselrollen, und eine Kleopatra durfte sogar ihr Königreich regieren, wenn auch unter römischer Aufsicht. Da aber die Aufsichtführenden ihr so gut wie hörig waren, schränkte das ihre Macht nur marginal ein oder steigerte sie gar.
Ebenfalls in Ägypten, aber fast anderthalb Jahrtausende früher als Kleopatra, stieg die erste in der Reihe unserer bedeutenden Frauen zur Herrscherin auf: Hatschepsut verkörpert allerdings einen ganz anderen Typus, nämlich den der taktisch und damit politisch überlegenen Königin (Pharaonin), die männliche Rivalen oder potenzielle Konkurrenten und sogar den eigenen Sohn ausmanövriert und sich in einer ansonsten rein männlich geprägten Kultur an der Spitze zu halten versteht.
Sie hat in unserer Sammlung einige Kolleginnen: Auch die spätrömische Kaisertochter Galla Placidia fand trotz der für weibliche Herrschaft widrigen Zeiten im 5. Jahrhundert Mittel und Wege, Politik maßgeblich mitzugestalten. Natürlich ließ sich das nur durch Ehe und Mutterschaft sowie List und Finten bewerkstelligen, doch ihr rascher Geist und ihr Geschick bei Aufbau und Pflege der richtigen Beziehungen sicherten ihre ungewöhnliche Machtstellung. Nur ein Jahrhundert jünger war Chrodechilde, Frau des machtbewussten Frankenkönigs Chlodwig I. Ihr Einfluss auf ihn mag ein durchaus weiblicher gewesen sein, jedenfalls führen manche auf diesen die weltgeschichtlich entscheidende Konversion des Königs zum römisch-katholischen Glauben zurück. Die eigentliche Macht wuchs ihr aber erst mit dem Tod Chlodwigs zu, als sie sozusagen Chefin des Hauses war und hohe Achtung genoss.
Zwei Kaiserinnen aus sehr unterschiedlichen Epochen gehören ebenfalls hierher: Theodora, eine Zeitgenossin der fränkischen Königin, wuchs im Schaustellermilieu des oströmischen Byzanz (heute Istanbul) auf, lernte nach abenteuerlichem Lebensweg als Mittzwanzigerin den künftigen Kaiser Justinian kennen und vorsichtig zu lenken, heiratete ihn, rettete ihm bei einem Aufstand den Thron und wurde aus Dank zur Mitregentin erhoben, die allerdings aufgrund ihrer Lebensklugheit oft die wahre Regentin und im Falle einer Krankheit des Kaisers auch die alleinige Herrscherin war. Sie trieb als erste so etwas wie Frauenpolitik, indem sie ihren Geschlechtsgenossinnen mehr Rechte und mehr Freiheit bescherte.
Ihre gut 1200 Jahre jüngere Kollegin Katharina die Große herrschte ebenfalls im Osten, nämlich in Russland. Auch sie konnte männliche Konkurrenz abdrängen, nachdem sie erst einmal ihren Mann Zar Peter III. beseitigt und beerbt hatte. Machtpolitisch war sie ähnlich energisch wie Theodora, doch auf dem sozialen Gebiet ganz Kind ihrer Zeit, die strikt zwischen Oben und Unten trennte. Das gilt auch für die Dritte im Bund der Klugen: Margarete von Österreich. Sie verfügte nur über abgeleitete Macht durch den Neffen Kaiser Karl V., aber sie nutzte sie besonnen, friedfertig und zur Mehrung des Wohls der Oberschicht in den von ihr verwalteten Niederlanden: eine Frau mit Augenmaß.
Bleibt als letztes Beispiel eines für negative Größe zu erwähnen: Marie Antoinette, Tochter der Königin und Kaiserin Maria Theresia, passt in keine Kategorie, war weder Hure noch Heilige, weder Verführerin noch Strippenzieherin, hat nichts Eigenes geleistet, sondern ist allein wegen ihrer Zeit- und Standesgenossenschaft eher zufällig in die Geschichte geraten. Dass wir die französische Königin dennoch zu den Großen zählen, liegt an den großen Gefühlen, die ihr trauriges Schicksal aufrühren kann. Sie war blind für die Zeichen der Zeit und wurde zum Katalysator des großen Aufruhrs, indem sie durch Affären und adlige Borniertheit idealtypisch das verkommene Ancien Régime verkörperte. Ihr Tod auf der Guillotine schockte die Menschen mehr als der ihres Mannes, da sie persönlich nur lässliche Schuld auf sich geladen hatte und für die seit Jahrhunderten angehäuften Sünden ihres Standes mitbüßte.
Gemeinsamer Nenner? Mehr als die Tatsache, dass sich unter den großen Frauen der Geschichte weniger Ausreißer zum unermesslich Guten wie zum höllisch Bösen finden als beim freilich erheblich umfangreicheren männlichen Angebot, fällt nicht auf. Trotz der quantitativen Schieflage aber lässt sich mit einigem Recht vermuten: Wäre das Geschlecht der Mächtigen ausgewogener gewesen, als es die männliche Verfasstheit der Geschichte zugelassen hat, es wäre wohl insgesamt moderater und menschlicher zugegangen. Schon hier verliert man sich indes in bloßer Spekulation; auf Was-wäre-gewesen-wenn-Fragen hat die Historiographie keine Antwort. Wenn daher als Gemeinsames die fesselnden Lebenswege bleiben, so hat diese kleine Porträtgalerie ihren Zweck erfüllt.
Hamburg, im Winter 2003/2004
Reinhard Barth