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Sprechen Sie Deutsch?

- Sprachbeobachtungen lange vor Thierse

Von einem Bekannten erfuhr ich folgende Geschichte: Er war mit seiner Familie aus Württemberg nach München zugezogen. Bei einem ihrer ersten Spaziergänge im Englischen Garten hörten seine Kinder erstmals das Münchner Idiom. Einer von ihnen war darüber in gewissem Sinn beunruhigt und brachte diese Sorge mit der Frage zum Ausdruck: „Papa, sprechet die au doitsch?“

Wie oft lachen Sie über diese Aussage? Wenn Sie einmal gelacht haben, sind Sie mit großer Wahrscheinlichkeit selbst Schwabe. Sie sind der Meinung, dass der Witz an der Sache darin liegt, dass die Bayern kein ordentliches Deutsch können. Es kann aber auch sein, dass Sie zweimal gelacht haben. Dann sind Sie vermutlich kein Schwabe, womöglich sogar ein Bayer. Denn der zweite Lacher bezieht sich ja aus dem Irrtum dessen, der fragt. Sein „Pappa sprechet die au doitsch“ hat ja den Brustton der Überzeugung, dass diese Äußerung Deutsch sei. Es wäre wohl eine herbe Enttäuschung für ihn, zu erleben

„sprechet die au doitsch“ in weiten Teilen Deutschlands nicht als Deutsch sondern als ausgeprägter Dialekt verstanden würde. Seine Frage mit dem Selbstbewusstsein, deutsch zu sprechen erweist sich daher als Bumerang. Nun, wie gehen wir damit um?

Es gibt verschiedenen Lösungen: Ich komme auf insgesamt 4.

Lösung 1: Der Bayer spricht kein Deutsch, aber der Schwabe. (Position des Fragenden)

Lösung 2: Der Schwabe spricht kein Deutsch, aber der Bayer – hosd me.

Lösung 3: Keiner der beiden spricht Deutsch – was dann?

Lösung 4: Beide sprechen Deutsch – wie kann das sein?

Sprachgrenzen gibt es in unterschiedlicher Ausprägung in Deutschland. Wenn es dann noch um bestimmte Bezeichnungen geht, kann die Sache durchaus verwirrend werden.

Witzig ist beispielsweise, dass ein Berliner in Berlin ein Pfannkuchen ist und nur richtige Berliner als Berliner bezeichnet werden. Nun gibt es Regionen in denen sind Berliner Krapfen. Es ist jedoch nicht ratsam, jemanden, der berlinerisch spricht zu fragen: „Sind sie ein Krapfen?“ oder „Sind sie ein Pfannkuchen?“ Dann hätten sie in jedem Fall etwas falsch gemacht. Ich habe mir sagen lassen, dass Sprache in manchen Fällen mehrdeutig ist.

Allerdings könnte man sich solche Verwirrung problemlos sparen, nämlich dann, wenn man im Bäckerladen dieses deutschlandweit beliebte Schmalzgebäck, das es inzwischen ganzjährig und nicht nur an Fasching gibt, als Krapfen verkaufen würde.

Nun soll es nach dem Bericht einer nahezu namhaften deutschen Tageszeitung (BKZ = Backnanger Kreiszeitung) vorgekommen sein, dass ein Schwabe in Berlin (!), also bei den Berlinern, an der Theke ein Eierweckle verlangt und eine Schnitteischribbe ausgehändigt bekam.

Man kann vom Schwäbischen halten, was man will, aber mir schmeckt ein Eierweckle viel besser als eine Schnitteischribbe. Es darf auch ein Brötchen sein – auch belegt. Also ein belegtes Brötchen mit Ei. Auch eine Semmel. Aber Schnitteischribbe! Da liegt ja bei mir der ganze Produktionsprozess mit auf dem Teller und das zum Frühstück oder in der Mittagspause!

Meines Erachtens wird mit den jeweiligen Bezeichnungen immer eine bestimmte Auffassung von den Dingen transportiert.

Nehmen wir also gedanklich unsere „Schnitteischribbe“ zur Hand. Was beobachten oder assoziieren wir? In mächtigen Bottichen hart gekochte Eier, werden maschinell geschält, durch eine Drahtharfe gedrückt, fallen in Scheiben gleichmäßiger Stärke sanft auf ein gefedertes Förderband, werden von flinken behandschuhten Händen auf eine von anderen flinken behandschuhten Händen mit einem Salatblatt belegten Brötchenhälfte gelegt, Majonäse dazu, zweite Brötchenhälfte oben drauf, klappe zu, Affe tot. Könnte ohne weiteres auch gescheibtes-Ei-Weißmehlgebäck heißen. - politisch korrekt und fast schon EU-tauglich. Aber das schmeckt sicher nicht mehr!

Darf ich mal ganz ehrlich sein, so unter uns. Also ich hab da ja nichts dagegen, dass die Dinge da und dort unterschiedlich genannt werden. Ist doch auch nett in einer so einheitlichen Welt, wenn es noch regionale Unterschiede gibt auch in der Sprache. Aber - das sage ich jetzt nur zu Ihnen – wenn ich da und dort den Eindruck habe, dass da die eigene Auffassung als die einzig gültige gesehen wird und es sonst nichts gibt auf der Welt oder in den deutschen Landen, das kann ich einfach nicht ausstehen!

Hier ein selbst erlebtes Beispiel: Es betrifft die in schwimmendem Fett gebackenen in Streifen geschnittenen in der Erde wachsenden nach Kolumbus in Europa eingeführten Knollen eines amerikanischen Nachtschattengewächses, das in Deutschland mit einer Vielzahl von Namen betitelt wird. Die heißen mit vollem Namen „pommes frittes“. Das kommt, glaube ich aus dem Französischen. Klingt gut und lässt sich auch gut essen. Und jetzt kommst! Ist Ihnen das auch schon aufgefallen, dass die einen die Dinger mit dem Vornamen ansprechen, also „Pommes“. Da wird das französische Wort ganz Deutsch ausgesprochen. Nett – oder? Die anderen nehmen den Nachnamen und sagen: „Fritten“. Da wird aus dem Partizip Perfekt Passiv eines Verbs im Französischen ein Nomen. Genau – und nach meinem Gefühl gibt es da eine Nord-Süd-Verteilung. Und jetzt kommst!

Bei einer bundesweiten Großveranstaltung in Süddeutschland, son junger Typ ganz cool, steht an der Theke an für die besagten pommes frites. Der vor ihm nimmt auch eine Portion und bekommt sie anstandslos und einwandfrei. Er dann ganz cool, ganz locker, Arme schlenkernd, Blick – was weiß ich wo – zu der Bedienung hinter der Theke: „Osonefritten“.

Der war völlig verdattert, als er mitgekriegt hat, dass die Bedienung hinter der Theke nur große Augen gemacht hat, weil sie keine Ahnung hatte, was er wollte. Der arme Kerl war ernsthaft der Meinung „Osonefritten“ sei, gestatten Sie mir dieses schöne Formulierung, deutschlandweit gebräuchlich. Deshalb hat er auch nicht zugehört, was sein Vorgänger verlangt hat. Er hätte wohl im Duden unter „O“ nachgeschaut, wie man das schreibt. Zum Glück war er nicht ganz vernagelt und weltfremd, deshalb fiel ihm dann wenigstens das andere „O“-Wort ein und er sagte rasch: „Osonepommes“. Was hätte er sonst gemacht? Gehungert? Aber so ist das nun mal mit den regionale Sprachunterschieden: Fritten holt man sich an der Bude – anä bude – und Pommes am Stand. Vielleicht besser sogar am „Imbissstand“. Obwohl das eines von den wunderschönen, aber leider vom Aussterben bedrohten Worte ist: Imbiss. Da hört man doch noch das Wienerle krachen, in das man hineinbeißt. Richtig appetitlich!

In Wien heißen übrigens die Wiener Frankfurter und nur die Wiener heißen Wiener. Damit wären wir wieder am Anfang.

Es sei noch bemerkt, dass manche sagen, dass Frankfurter gar keine Wiener sind und man serviert sie wahlweise mit Kren oder Saft.

Der Löwe im Kuhstall

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