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Guten Abend Santorin

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Sie saß am Esstisch in ihrem großen Haus. Platz hatte sie genug. Das Haus war bequem eingerichtet - nicht zu altmodisch, nicht zu modern, nicht zu abgeräumt, nicht zu steril. Dennoch wirkte es trübsinnig, fast gespenstisch. In Santorin war es schön gewesen. Sie hatte das weiße Haus mit direktem Blick aufs Meer geliebt. Sie dachte an die Terrasse, die Sonne, das Grün, das Meer und all die schönen Tage.


Nur noch zwei Stunden, dann würde er nach Hause kommen. Er war bestimmt fröhlich - er war es immer. Hatte er es denn wirklich vergessen? Sie beneidete ihn. Er konnte arbeiten, Sport machen, Spaß haben - alles war wie immer. Für sie war hier alles anders. Sie sehnte sich nach Santorin, auch wenn sie wusste, dass dort nichts mehr wie vorher war. Was wenn sie ihm einen Zettel hinterlassen würde auf dem stand: BIN WEG. SANTORIN! Wahrscheinlich wäre er kurz irritiert und würde sich dann überlegen was die sinnvollste Lösung wäre. Er würde schlafen gehen, versuchen sich abzulenken und sie bald auch vergessen haben.


Sie wurde vom Geräusch des Schlüssels im Schloss aus ihren Gedanken gerissen. Da war er schon. Er trat zu ihr, umarmte sie, küsste sie auf die Stirn. Welch nette Gesten, aber sie fühlten sich kalt an. Er fragte wie ihr Tag gewesen war. Sie war sich nicht sicher, ob er bemerkte, dass sie sich sehr bemüht hatte zu antworten, es aber wieder nicht geschafft hatte. Er erzählte von seinem Arbeitstag. Heute hatte ein Schüler in seiner Klasse wegen einer Note geweint. Sie spürte einen Stich. Er musste es wirklich vergessen haben, anders war das doch nicht möglich - oder? Ob ihn eine Reise nach Santorin erinnern würde? Sollte sie ihn fragen?


Da klingelte es an der Haustür. Das mussten die Gäste sein. Sie stand auf, strich ihr Gewand glatt und setzte sich wieder hin. Holger hatte in der Zwischenzeit die Tür geöffnet und sie konnte die lustigen Gespräche im Vorzimmer hören. Ihr Mann war ein freundlicher Gastgeber. Er sprach laut und unaufhörlich. Als die Gäste das Wohnzimmer betraten sagte sie: „Guten Abend“.


Das Essen vom Catering schmeckte allen wunderbar und sie lobten es immer wieder. Sie konnte es ihnen nicht verübeln. Die fünf Bissen, die sie gegessen hatte, hatten herrlich geschmeckt. Dass sie sie fast nicht schlucken konnte, weil ihr Hals so trocken war, dafür konnte die Cateringfirma nichts. die Gäste unterhielten sich großartig. Sie sprachen laut und lachten viel. Sie selbst schwieg und träumte von Santorin. Heute Nacht würde sie gehen. Wie er wohl reagieren würde? - gleichgültig.


Sie vermisste Chaja so sehr, dass sie es nicht mehr aushielt. Sie konnte dieses Leben nicht mehr führen. Sie wollte nicht so tun als wäre alles in Ordnung, als wäre sie stark während sie innerlich zerbrach. Sie wusste, dass Auswandern nach Santorin ihre kleine Tochter auch nicht wieder lebendig machen würde, aber sie würde sich ihr dort näher fühlen. Sie würde ein Zeichen setzen. Dort hatten sie viele schöne Momente verbracht. Es wird schön.


Als sie es nicht mehr unter den Gästen aushielt, stand sie auf, sagte „Gute Nacht“, und ging die Stiegen hinauf ins Schlafzimmer. Sie holte die kleine Reisetasche aus dem Kasten und sah noch einmal nach, ob sie alles wichtige eingepackt hatte. Zufrieden und erleichtert stellte sie die Tasche wieder zurück, legte sich mit einem Lächeln am Gesicht ins Bett und schlief mit freudiger Erwartung ein. SANTORIN war das letzte, was sie an diesem Abend dachte.


Kurz nachdem sie das Geräusch des Schlüssels im Schloss gehört hatte kam Holger am nächsten Abend ins Wohnzimmer. Er erzählte schon beim Hereinkommen von seinem Tag und fragte dann nach ihrem. „Guten Abend“, sagte sie.

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