Читать книгу Grüner Tee - Renate Amelung - Страница 7
4 Katrin
Оглавление„Mensch, Kay Tillmann, kannst du keine WhatsApp schicken, wenn du vor hast hier reinzuschneien!“, schnauzte Katrin. Freudig lief sie auf ihn zu, umarmte ihn herzlich, strich ihm die Haare aus dem Gesicht. „Na die ersten Grauen, alter Junge, kommt Licht in deine dunklen Haare, aber mit Glatze wie bei Papa wird das hoffentlich nichts bei dir.“
Er stöhnte, sie war ungestüm, traf ihn empfindlich.
Sie liebte ihn sehr, doch machte der Altersunterschied ihn eher zum Onkel, als zum großen Bruder. Zwanzig Jahre sind nicht wenig. Oft wunderte sie sich, dass ein erwachsener Mann von ihrer Mutter Befehle entgegennahm.
Mit festen Griff packte er sie an der Schulter schob sie sanft aber bestimmt weg. „Kann ich nicht nach Hause kommen wann ich will?“ Er war noch immer nicht richtig im Wachzustand. „Du wusstest schon seit einem Monat, dass ich komme!“
„Stimmt, aber.“
„Was aber?“
„Doch so Plötzlich!“
Plötzlich – plötzlich ist, wenn du mich jetzt in Ruhe lässt.“ Er
„Häää?“, machte sie.
Er schloss wieder die Augen und war fest entschlossen den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen. Das würde jetzt nicht funktionieren. „Katrin, dein Bruder könnte jetzt einen guten Kaffeevertragen und ein europäisches Frühstück.“
„Mm, du kannst gerne einen grünen Tee bekommen und ein Joghurt könnte auch noch im Kühlschrank sein.“
„Was, ich glaube ich spinne!“ Verächtlich zog er eine Augenbraue empor. Grünen Tee trank er genug in diesem Leben. Jeden Tag in der kleinen Bambushütte, danach machte sie ihm Komplimente über seine europäische Statur. Danach liebte sie sich und das endete mit dem leidigen Thema, dass er sie mit nach Europa nimmt.
„Na schön, wenn du willst gehe ich einkaufen. Hast du Geld?“
Damit er sie noch ein paar Minuten los wurde zog er einen Schein aus der Hosentasche und gab ihn ihr. Statt Ruhe übermannten Kay die Gedanken, wieder in Deutschland zu sein. Er wusste, dass das Land sich verändert hatte-Zuwanderer, seltsame Parteien wie die AFD, das Zinsniveau, Hass, Angst. Wie würde er sich hier wieder zurechtfinden? Wenn Katrin nicht diesen Brief geschickt hätte, dann hätte er Asien nicht verlassen, sondern nur die Provinz verlassen.
Lieber Kay,
Mutter hat einen neuen Freund, jetzt hat sie öfter ein blaues Auge, weil sie die Treppe runtergefallen ist. Katja will sich scheidenlassen, und kümmert sich nicht um die Kinder. Ralf, Sohn der zweitgeborenen Kay-Luise steht eine Gerichtsverhandlung wegen Ladendiebstahl bevor. Oma müsste ins Pflegeheim, keiner will zuzahlen. Ich habe mein Studium abgebrochen …
Du musst kommen …
Wieso er? Jetzt war er hier und benötigt zuerst einen Arbeitgeber.
Plötzlich durchfuhr ihn ein eiskalter Schmerz. Warum zum Teufel bekommt er nicht seine verdiente Ruhe?
„schon gut, muss sein, ist nur der erste Moment, dann wird es besser.“
Diese weibliche Stimme kannte er nicht, aber, wenn er wieder ganz bei sich ist bringt er sie um! Er macht sich hoch, öffnet dabei vorsichtig die Augen. Kommt auch nur in die Position sich auf die Ellenbogen abzustützen, da er einen kleinen Stups vor die Brust bekommt. Sie lächelt.
„Mirjam“, haucht sie knapp.
Wie lange war es her, dass er in so blaue Augen sah? Blau wie das Meer vor Madeira, strahlend und voll Leben. Kay hatte vergessen, wie sehr er blaue Augen mochte. Sommersprossen, mittelblonde Haare, kleine gedrehte Zöpfe spielten um ihr Gesicht. Er hatte tatsächlich alles vergessen was keine braunen Mandelaugen besaß. Es war besser die Augen wieder zu schließen und sich zurückfallen zu lassen. Nicht mehr sehen ist eins öhren das Andere.
„Katrin hat gesagt ich soll mich um Sie kümmern. Sieht nicht gut aus, wie lange laufen Sie damit schon rum? Egal, ich massier das mal etwas, damit sich das Blut nicht staut.“
Wo sein Blut sich staut, das wusste nur er allein, wenigstens glaubte er das. Doch musste er zugeben es war ein angenehmes Gefühl. Lies der Schmerz wirklich nach oder überfiel ihn ein Chaos.
Mirjam musterte ihn genau, so hatte sie sich den großen Bruder von Katrin nicht vorgestellt. Bis vor wenigen Minuten meinte sie ihn zu kennen, denn jeden Brief den er seiner Schwester schrieb hatte sie gelesen. Und schreiben konnte er! Seitenlange faszinierende Beschreibungen von fernen Ländern und Kulturen, Bräuche auch das Kochen vergaß er nicht. Dann tippten sie abwechselnd seine Berichte in den Computer – falls e mal ein Buch schreiben möchte. In ihren Augen war er eher so ein Meister Proper mit riesigen Pranken, schütterem ausgebleichtem Haar und breitem Lachen.
Irgendwann versuchte sie seinen Rechner zu knacken. Warum? Schlichte Neugier, so ein Phantom im fernen Ausland das hatte was. Sie kam nicht an seine Dateien obwohl der Rechner ein altes Jahrhundert Modell war.
Mit den Firmenrechnern kannte sie sich aus. Regemäßig schlich sie mit ihrer Oma in die Bürogebäude und knackte den Rechner ihres Vaters auf Geheiß der Großmutter, die ihrem Schwiegersohn nicht traute. Die Sorgen waren unbegründet, aber sie liebet Großmutters Courage, die nicht das letzte Heft aus der Hand geben wollte.
Jedenfalls war sie nie auf die Idee gekommen ihn einmal leibhaftig zu erleben. Katrin hatte sein Erscheinen nie erwähnt.
Und da war das Problem wieder, Mirjam wollte nie wieder intensiv über Männer nachdenken. Bernt pumpte sie dauern an, Niclas verstand das Wort treue nicht, Lars wurde nicht erwachsen, Jens war nicht beziehungsfähig, Karsten hasste Kinder, Lasse liebte seine Musik mehr als sie. Aber ein Kind wollte sie bis zum Dreißigsten. Klar da war noch genug Spielraum, aber ein geeigneter Genträger musste noch gefunden werden. Was sie sah gefiel ihr – rein optisch, mehr nicht! Das absurdeste was ihr gerade in den Kopf schoss, war, dass sie hier immer in seinem Bett geschlafen hatte, während er in der Kulisse der Kirschblüte und sattgrüner Reisfelder wandelte und Asiatinnen vernaschte.
Verfluchter Kerl! Was treib er wirklich? Die schöne Natur zerstört, Dörfer versunken, Menschen vertrieben, weil er Talsperren baute die Täler überfluten. Und jetzt kommt er hier her, verlangt nach Kaffee, gepflückt von den Armen dieser Welt, ausgebeutet auf ihren Plantagen.
Es roch nach Kaffee und Apotheke. Irgendein kühles Gel auf seinem Knöchel. Was für ein Aufwand man in Deutschland um so einen kleinen Knöchel treibt. Hätte man in Asien doch auch nur etwas von dieser Führsorge wäre Heinz nicht in seinen Armen gestorben. Tassen klappern.
„Nein Mirjam, nicht Kay! Der ist auch viiiel zu alt.“
Klar, noch ist er ein U-Fünfzig, bald Grufti. Kay macht sich hoch, schnappt den Kaffeebecher und verschwindet im Bad.
„Männer sind wie Autos, ein schönes Heck trägt erheblich zum guten Aussehen des Modells bei“, flötet Mirjam.