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Einführung

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Manche Menschen bezeichnen wir als psychisch, andere als körperlich und wiederum andere als psychosomatisch krank. Doch kann man eine solche Einteilung überhaupt eindeutig vornehmen, und was bedeutet sie für das alltägliche Leben sowie für die medizinische oder psychotherapeutische Behandlung? Diesen Fragen will dieses Buch auf der Grundlage der Analytischen Psychologie von C.G. Jung nachgehen. Jungs empirische Forschungsergebnisse und gesammelten Erfahrungen aus dem letzten Jahrhundert sind meines Erachtens nicht veraltet, sondern geben bis heute wichtige Anregungen bei psychosomatischen Fragestellungen. Darüber hinaus konnten einige seiner Ideen dank neuerer Forschungsmethoden erst heute wissenschaftlich untersucht und belegt werden. Jung formulierte seine Haltung zu Körper und Seele einmal folgendermaßen:

»Die Menschenseele steht keineswegs außerhalb der Natur. Sie gehört zu den Naturerscheinungen, und ihre Probleme sind so wichtig wie die Fragen und Rätsel, welche die körperliche Krankheit aufgibt. Zudem existiert wohl kaum eine Krankheit des Körpers, bei der nicht psychische Faktoren mit hereinspielen, wie bei so vielen psychogenen Störungen auch körperliche Momente in Frage kommen.« (Jung, GW Bd. 13, § 195)

Auf der Basis dieser Einschätzung erforschte Jung verschiedene Aspekte der möglichen Wechselwirkung von Körper und Psyche, jedoch ohne eine systematische Psychosomatik vorzulegen. Ausgehend von Don Kalscheds Hinweis auf die flüchtig-schillernden, närrischen sowie sprachlich nicht fassbaren Aspekte der Seele (Kalsched, 2013, S. 22), kann man bezweifeln, ob es eine abschließende Systematik überhaupt geben kann. Es scheint, dass wir uns bei allen, durchaus bewährten psychosomatischen Konzepten mit gewissen Unschärfen, Unsicherheiten oder Ungenauigkeiten abfinden müssen. Die Seele ist wie die Psychosomatik kein Rätsel, das man lösen kann, sondern ein Geheimnis, das nur annäherungsweise, aber nie vollständig begreifbar ist. Man kann Psyche und Soma nur umkreisen, aber wohl nicht ganz zu ihren Wesenskernen vordringen.

Auch deshalb hat Jung hinsichtlich der Leib-Seele-Frage betont, dass Worte, Begriffe oder Konzepte nicht mit der Wirklichkeit, also dem ganzen Menschen aus Psyche und Körper, verwechselt werden dürfen. Grundsätzlich war er davon überzeugt, dass man in der Psychologie erst dann etwas verstehen könne, wenn man bis in die Region des Tuns und Erlebens und somit auch zur Physis vordringt. Deshalb gehört zur Wirklichkeit auch immer der Körper. Jung hält den Körper zudem für unerlässlich, um das Ich-Bewusstsein vor destruktiven Wirkungen des Unbewussten zu schützen, weil der Körper die Persönlichkeit beschränkt (Jung, GW Bd. 8, § 503) und die Seele ohne Körper unwirklich ist (Jung, GW Bd. 13, § 316).

Interessanterweise hat Jung 1958, drei Jahre vor seinem Tod, aufgefordert, sich folgende Haltung des niederländischen Dichters mit dem Pseudonym Multatuli (Eduard Douwes Dekker) hinter die Ohren zu schreiben: »Nichts ist ganz wahr und auch das ist nicht ganz wahr«. Und er ergänzte: »Jeder Satz in der Psychologie kann umgedreht werden und ist immer noch richtig« (you tube; C.G. Jung beantwortet Fragen 4/6, 1958). Wer mit einer solchen Einstellung dieses Buch liest, wird angesichts der vielen offenen Fragen, der vorgestellten Thesen oder Beispiele, die dabei aufscheinenden Widersprüche als praktisch unausweichlich einordnen können.

Erwähnen möchte ich an dieser Stelle, dass der besseren Lesbarkeit wegen in allgemeinen Textpassagen die männliche Form verwendet wird. Diese gilt für alle Geschlechtsformen (weiblich, männlich, divers).

Psyche und Soma

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