Читать книгу Münzstraße 20 - Rengha Rodewill - Страница 5

Prolog

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Ende des 17. Jahrhunderts entstanden auf den unbebauten Flächen vor der Stadtmauer Berlins, die Scheunen Berliner Bürger mit Ackerbesitz. Dieses Gebiet wurde »Scheunenviertel« genannt, ein Name, der in der weiteren Geschichte der Stadt eine bewegte Rolle spielen sollte. Zu Beginn erwachsen große Palais und die Bewohner waren wichtige Persönlichkeiten der Zeit, wie z.B. der preußische Minister Karl Abraham von Zedlitz, sein Anwesen befand sich in der Münzstraße 20, dessen namhaftester Besucher 1778, der Dichter Johann Wolfgang Goethe war. Nach v. Zedlitz’ Ausscheiden aus dem Staatsdienst und Rückkehr nach Schlesien (1789) setzt ein merklicher sozialer Abstieg des Ansitzes Münzstraße 20 ein. Das rapide Wachstum der Berliner Bevölkerung in der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, bei gleichzeitiger Entvölkerung der Innenstadt, die zur City wurde, drängte die Bewohner in den Randbezirken zusammen und die Grundstückspreise im Zentrum gingen in die Höhe. Zentral gelegene Wohnquartiere wie das Scheunenviertel verfielen deshalb immer mehr, nirgendwo ist die Wohndichte so hoch wie hier.

In nennenswertem Umfang stieg die Zahl der ostjüdischen Einwanderer nach der ersten Russischen Revolution (1905) an und wurde verstärkt durch den Zuzug galizischer Juden. Vor dem Ersten Weltkrieg, als zweieinhalb Millionen Juden (Ost) in Richtung Westeuropa verließen, hatte Berlin nur eine marginale Rolle gespielt. Nach 1918 änderte sich die Situation grundlegend. Die Stadt war nicht mehr nur Transitstation für Emigranten auf dem Weg nach Hamburg und Bremen, um von dort per Schiff in die Vereinigten Staaten zu gelangen. Jetzt war die Hauptstadt der Weimarer Republik vor allem in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre von einem Ort der gestoppten Durchwanderung zu einer temporären Heimat geworden. Die Gegend hinter dem Alexanderplatz wurde zu einem Lebenszentrum der so genannten Ostjuden – mit Privatsynagogen, kleinen Gasthäusern und Kramläden mit koscheren Lebensmitteln und Weinen, mit Buchhändlern, die Gebetbücher und andere Utensilien feilboten, die man für die Einhaltung der religiösen Vorschriften brauchte.

Aber es änderte sich, immer neue Beschränkungen wurden den Juden in Deutschland auferlegt. Familien wurden auseinandergerissen, Abschied wurde genommen – sehr oft für immer. Beim Novemberpogrom 1938, als die Synagogen brannten, war es der vorläufige Tiefpunkt und der letzte Moment das Land zu verlassen. Wahllos wurden die Menschen verhaftet und in die Konzentrationslager gebracht. Noch ahnten nur Wenige, wie das Ende sein würde.

Es waren die Bomben des Zweiten Weltkriegs, die »Schlacht um Berlin«, die letzte große Schlacht in Europa. Sie hatte die Besetzung Berlins, der Hauptstadt des Deutschen Reiches, durch die Rote Armee der Sowjetunion zur Folge und eine weitgehende Zerstörung der Stadt. Die nördliche Spandauer Vorstadt überlebte all diese Stürme der Vernichtung weitgehend unversehrt, teils weil es dort im Zweiten Weltkrieg vergleichsweise wenige Bombentreffer gab, teils weil es danach abseits jener Entwicklungsgebiete von »Berlin – Hauptstadt der DDR« lag, die grundlegend umgestaltet werden sollten. Erst in den 1980er-Jahren drohte der Spandauer Vorstadt der Untergang aufgrund von Vernachlässigung und Verfall. »Gerettet«wurde sie durch die Friedliche Revolution in Ostdeutschland und den Fall des »Antifaschistischen Schutzwalls«.

Zur Zeit der Wiedervereinigung stellte man den historischen Stadtteil als größtes Flächendenkmal Berlins unter Schutz. Heute bildet er die letzte erhaltene Altstadt der Metropole. Es lässt sich einiges über die Baugeschichte Berlins noch erkunden, wie die frühesten Bauten des 18. Jahrhunderts und der Alte Garnisonfriedhof, ein denkmalgeschützter ehemaliger Friedhof an der Kleinen Rosenthaler Straße, die Bürgerhäuser des Klassizismus und die Pracht der Gründerzeit. Die einzige erhaltene Kaufhausfassade Wertheim des Berliner Architekten Alfred Messel und das 1920er-Jahre-Ensemble Hans Poelzigs an der Volksbühne – die Zeugnisse des Stalinismus und die Plattenbauten der DDR, sowie die aufwendigen Restaurierungen und vielfältigen Neubauten nach dem Fall der Berliner Mauer.


Münzstraße 20

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