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Ein Zug voller Wahnsinn
ОглавлениеIch danke all den lieben
Fahrgästen
, die so nett und freundlich sind und immer ein Lächeln auf den Lippen haben. Egal ob weiblich oder männlich, ein Lächeln steckt an, bringt gute Laune und
damit macht
einem der Job
noch ein wenig mehr
Spaß!
Hier ist meine Geschichte als Zugbegleiter.
Der ganz normale Wahnsinn begegnet einem Tag für Tag, ob auf der Straße, beim Einkaufen oder im Fernsehen. Viele von uns sind einfach Sensationshaschend, deshalb wird manches so übertrieben. Ich brauche nicht viel zu übertreiben, denn das machen die Akteure von selbst. Denn jeder hat immer eine Ausrede parat, die wenigsten sagen „ja ich zahle die Strafe, es war mein Fehler“. Denn wer sucht schon gern den Fehler bei sich selbst, Schuld sind immer die Anderen. Meist gibt es dann den Klassiker zu hören: „die Bahn hat immer Verspätung“. Leider, aber vielleicht auch gut so, denn sonst gäbe es dieses Kapitel nicht. Keine Sorge ich will dich nun nicht langweilen, mit den ganzen Sprüchen die ich Tag für Tag höre, das wäre zwar auch recht unterhaltsam, aber ich möchte dir einen Einblick geben in eine Zugfahrt und darüber hinaus. Außerdem braucht man bei manchen Sprüchen, nicht nur, ein starkes Fell. Denn ich bin immerhin herzlos zu jedem, der keinen Fahrschein hat, wenn es nach dem geht, der keinen hat. Gut, ist klar, ich gehe ja auch ohne Geld einkaufen. Tag für Tag fahren Frauen, wie Männer, Kinder wie Schüler, Mütter wie Väter und egal welchen Alters oder Benehmens, Geschichten zu diesen gibt es viele und diese stelle ich nun vor.
Kennst du meinen Lieblingsspruch? Es gibt wenig Berufe, die so erlebnisreich sind, wie der des Zugbegleiters. Hier finden sich Tag für Tag, alle Menschengruppen die Sie sonst vielleicht nicht in dieser Konstellation an einem Ort zu finden sind. Ob die Liebe, die Trennung, Diskussionen, Knutschende oder Sex, alles schon da gewesen. Denn Glaube mir, auch ein Zugbegleiter hat es nicht einfach, auch wenn diese oft bei den Fahrgästen die Bösen sind. Dieses Kapitel handelt von so einem „Bösen“, was manche als Gerecht empfinden, finden andere als ungerecht und nicht kulant. Du wirst viel Witz, Charme, Erlebnisse und hoffentlich eine andere Sichtweise kennenlernen. Jeder Tag ist für mich einfach eine Erlebnis, eine Herausforderung, Spaß und knallharter Job.
Mein Tag beginnt meist zwischen 12.00 bis 15.00 Uhr und endet zwischen 21.00 bis 1.30 Uhr, davor mach ich natürlich das was andere Berufstätige auch machen. Ich genieße mein Privatleben, auch hier hab ich so meine eigenen Probleme und Aufgaben zu lösen. Dann kleide ich mich in schicker Uniform und bereite mich auf meinen Dienst vor, ins Auto und ab zum Hauptbahnhof. Da sind wir dann auf unserem tollen Parkplatz, hier kann dann für den nächsten Tag, schon mal einen Werkstatt Termin ausmachen. Denn dies ist ein Schotterplatz vom feinsten, dieser Löcher hat, wofür man einen Geländewagen benötigen würde, aber bevor man diesen teert (Kosten sparen, die Stadt hat kein Geld dafür), dachte man sich, legen wir einfach ein paar schwere Stahlplatten darüber. Die mittlerweile aber so verschoben und fast schon gefährlich sind, das man Angst um sein Auto inklusive Reifen haben sollte. Auch einen freien Parkplatz zu finden, ist eine Meisterleistung, es sind einfach zu wenig da.
Aber jetzt sind wir erst mal da, also am Hauptbahnhof, zum Zug und los geht’s. Bereits am Bahnhof fühlt man sich heimisch und sieht schon seine ersten Fahrgäste oder auch Kunden. Mittlerweile werde ich bereits vor Abfahrt des Zuges immer gefragt (glaube mir diese Personen scherzen damit nicht), ob man kostenlos mitfahren könnte, da er oder sie zum Beispiel kein Geld aus diesem komischen Bankautomaten bekäme. Du merkst schon, jeder hat natürlich immer seine eigene ganz persönliche Geschichte. So startet man gleich in eine schöne Dienstschicht, es gibt nur noch wenige Situationen und Leute die einem eine Schicht noch versüßen können. Aber zu den tollen Erlebnissen im Zug die ich täglich erlebt habe und erlebe, kommen wir auch noch. Stell dir nun einfach den ganz normalen Zugbegleiter vor, der vor dem Zug steht und seinen Fahrgästen beim einsteigen zuschauen darf. Für alle die noch den Begriff Schaffner aus früheren Zeiten kennen, kann ich nun mit diesem Glauben aufräumen, auch wenn diesen, die älteren Kollegen noch vereinzelt gerne hören. Es wird ihn in ein paar Jahren nicht mehr geben, das hat so Dampflokomotiven Stil und die gibt es auch nur noch im Museum. Denn die meisten Züge fahren bereits auch ohne den Zugbegleiter. Nein, auch die Annahme er würde schon alleine fahren. Manche denken doch wirklich, „ähm, wenn sie jetzt kontrollieren, wer fährt dann den Zug“? Aber zumeist nur Kinder, denn einen Lokomotivführer (jetzt: „Triebfahrzeugführer“) braucht man dafür schon noch.
Kurz vor der Abfahrt des Zuges kommt ein Mann auf mich zu, ob ich ihm seine Fahrkarte (manche Fahrkarten müssen mit einem Entwerter entwertet werden, diese hängen meist vor dem Treppenaufgang zum Gleis) noch entwerten könne, er hätte dies vergessen. Man muss wissen, im Zug gibt es keine Fahrscheine und keinen Entwerter (es ist aber wohl eine Änderung wieder im Gange und kann je nach Bundesland, unterschiedlich sein). Ich sagte ihm dass dies leider nicht möglich ist, er aber gern noch aussteigen kann, da der Zug noch nicht abgefahren ist. Er fragte mich wie viel Zeit er noch habe, darauf erwiderte ich dass es nur noch eine halbe Minute sei. Er meinte: „Naja, das werd ich dann ja auch nicht mehr schaffen und auf den nächsten Zug will ich nun auch nicht warten, dann bezahle ich“. „Gut, das wird dann wohl so sein“ erwiderte ich und er bezahlte die 40,- € gleich bar (mittlerweile wurde es auf 60,- € erhöht, auch hier, je nach Bundesland kann es unter Umständen unterschiedlich ausfallen).
Es gibt ja auch die Dauer Wiedersprecher. Stelle dir vor, du hast jemanden der im Zug Musik macht, eigentlich doch toll, Unterhaltung in der Stille. Problem, er konnte das Ganze nicht „so gut“, so dass sich andere leider gestört fühlten. Meine Aufgabe, einzuschreiten. Der „nette“ Musiker, dem das gewisse Talent fehlte, musste von mir also gebeten werden es zu lassen. Aber er wollte nicht hören, denn dort wo er spielte (in einem 4er Sitzplatz), waren wohl alles seine treuen Fans. Wahrscheinlich hatten sie einfach keine Wahl. Ich habe dann nach dem dritten Mal, ihm mitgeteilt, das der nächste Bahnhof ganz ihm allein gehöre. Er also aussteigen darf. Das verstehe er nun nicht ganz, ich sagte es nochmal und sagte: „Dass er nun bitte aussteige, die Fahrt ist hier an dieser Station für ihn beendet“. Ja, aber, er habe sich doch entschuldigt. Okay, er steige aus, wenn er noch kurz telefonieren könne, denn ein Handy habe er nicht dabei. „Nein, sie steigen jetzt hier aus“, sagte ich, daraufhin er: „ja, aber vielleicht können ihm die anderen Fahrgäste kurz ein Handy leihen, er müsse noch schnell telefonieren“. Nein, ich sage es nochmal, sie steigen jetzt aus, für sie ist die Fahrt hier beendet. Das Spielchen, glaub mir, ging noch einige Minuten so weiter, der Zug stand und sollte eigentlich schon weiter fahren, ihn einfach raus schieben darf ich natürlich nicht, sonst würde er mich vielleicht noch wegen Körperverletzung verklagen. Klar, hätte ich die Polizei holen können, das Problem sind die kleinen Bahnhöfe, an denen die Anfahrt leider lange dauern, also selbst ist der Zugbegleiter. Also wiederholte ich einfach dass er nun aussteigen möge, mal lauter, mal bestimmender, aber er wolle noch etwas Musik machen. Meine Antwort war: „Nein, sie sollen nun aussteigen“. Seine Antwort war dann zwischenzeitlich „Warum ich ihn denn jetzt rausschmeiße und welchen Grund das habe“, meine Antworten kennst du nun hoffentlich alle schon. Dann kam eine alte Dame, ich schätze Sie so im Alter von 70 Jahren, die das ganze mitbekommen hatte und sagte das er nun aussteigen solle, sonst passiert etwas. „Okay das ist ein Argument“, sagte er und stieg aus. Da muss erst eine Power-Frau kommen, die ihm Schläge androht...
Was würdest du tun, wenn du eine Fahrkarte kaufst auf der „Eine Fahrt“ steht, würdest du denken du könntest hier zweimal damit fahren? Wahrscheinlich nicht… Bei einem jungen Mädel, war es so. Wir haben es 15.40 Uhr eines normalen sonnigen Tages, wenig Wolken am Himmel, auch so etwas kann ja wichtig sein, denn viele Menschen sind Wetterfühlig. Anders bei diesem 17 jährigen Mädchen. Sie zeigte mir einen Fahrschein vom heutigen Tag, jedoch mit der Uhrzeit 7.08 Uhr, egal wie man diese Uhrzeit nun interpretiert ob man meint gültig bis oder gültig ab, es ist das Kaufdatum. Ich sagte zu ihr, das dieses Ticket von heute Morgen sei, jede andere käme dann mit „oh, falsch, warten sie, ich hab noch eine andere“. Aber ganz anders in diesem Fall. Sie schrie mich an, mit den Worten: „DAS IST EIN TAGESTICKET, ICH SOLLTE MICH MAL INFORMIEREN!“.
Ich liebe solche Menschen, die denken ich hätte einfach keine Ahnung und bin nur eine Aushilfe. Mache den Job ja auch erst seit einem Tag, da kann man das schon mal verwechseln, wenn auf der Fahrkarte steht „Eine Fahrt“. Ich sagte dann zu diesem Mädel, das man dies in der Schule lernt, dass „Eins = 1 ist, 2 = zwei und Tag = ein ganzer Tag“ und „eine Fahrt, eben für die 1“ steht. Aber ich solle mich mal informieren, sie fährt jeden Tag so, hat nun schon 5 „Tages Tickets“ (aus ihrer Sicht) und diese jedes Mal beim Busfahrer gekauft. Glaub mir ich arbeite nicht erst seit gestern und weiß dass es hier keine Unterschiede gibt. Ob man diese am Automaten, Reisezentrum oder Busfahrer kauft, die Fahrkarten sind überall gleich, was man eben kaufen oder nutzen möchte. Sie Riss mir dann „ihren“ 40,- € Beleg aus der Hand (denn sie war Fahrgast ohne gültigen Fahrschein und musste deshalb; die erhöhte Beförderungsgebühr bezahlen) und schenkte mir keinen einzigen Blick mehr, ertappt würde ich sagen… Hätte ja auch klappen können, mit den „Tages Tickets“ oder bei einem schreckhaften Zugbegleiter…
Kennst du dass, wenn das Leben wie im Zeitraffer vorüberzieht? Man sagt ja, dass dies kurz vor dem Tod eintritt und man alles nochmal wie eine Art Dia vor Augen geführt bekommt. Ich war nun nicht Tod, aber, es war beängstigend. Ein erstes Mal, das es auch härtere Fahrgäste geben kann, jedoch fangen wir ganz von vorne an.
Es ist ein neuer Tag, mit einer normalen Zugfahrt, bis auf diese eine Station. An dieser ein (alter) Mann einstieg, er wird wohl Mitte 50 gewesen sein, seine Klamotten sahen etwas mitgenommen aus, als hätte er diese schon etwas länger an. Er war bepackt mit einem Rucksack, aber in diesem war nicht viel drin, so sah es zumindest aus. Als es zur Fahrkarten Kontrolle kam, hatte er leider keinen. Dann noch recht locker, wie es den Anschein machte, ging es etwas lautstark weiter. Denn nun war ja ich der Böse, denn wenn es darum geht, dass es sich nun um 40,- € dreht, sehen es natürlich die meisten Leute nicht ein. So auch dieser ältere Mann, er sieht gar nicht ein, das zu bezahlen. Es gestaltete sich alles recht schwierig mit einem Ausweis, ob er überhaupt einen festen Wohnsitz habe und so weiter. Da er sehr lautstark und aggressiv geworden ist, musste ich ihn, vor die Tür setzen (also rausschmeißen). Das ging dann noch recht gut aus. Raus sind manche ganz schnell. Aber, manchmal sieht man sich eben zweimal im Leben und dass schneller als mir lieb war.
Es war 23.30 Uhr, der Zug fuhr los, der letzte in diese Richtung. Da sah ich wieder diesen Mann, den von heute Nachmittag und er war sehr betrunken. Ich wusste dass er auch dieses Mal, keinen Fahrschein haben wird, da war einfach dieses Gefühl. So wie du wahrscheinlich - ab und an - einige Dinge einfach im Gefühl hast. So habe ich dies bei dem einen oder anderen Fahrgast auch. Also fragte ich ihn, ob er einen Fahrschein diesmal habe, seine Antwort war: „Was willst du von mir?“ (er drückte sich in etwa so aus: „ey wasch wilsch duuu denn jescht). Ich erwiderte ob er nun einen Fahrschein habe. Dann sind es wieder vierzig Euro, für sie, war meine Antwort. Das war sein Auslöser, in dem er mir ins Gesicht sprang und nicht nur wörtlich oder verbal, sondern wirklich. Ja, er sprang mich an, hat mich in eine Sitzgruppe gedrückt und wolle mir mit seinen Händen irgendwas antun, ich weiß aber leider bis heute nicht, was er damit erreichen wollte. Vielleicht seine Aggressionen von diesem Moment, loswerden. Auch er merkte dass dies nun nicht viel brachte, ich wurde mit meiner Stimme extrem laut und drückte ihn zurück und somit auf seine Seite der Sitzseite. (Stell dir einen Vierer Sitz vor, mit dem man sich bei jeder Position anschauen kann.) Dann dachte ich, dass dieses Spielchen des gegenseitigen Kräftemessen nun beendet war und ich sagte ihm das ich nun loslasse und alles wieder gut ist. Jeder hätte hier natürlich (oder wahrscheinlich) schon abgebrochen, als Zugbegleiter, ich hatte es geplant. Es gab in dieser Situation nichts Provozierendes von mir oder dass ich dies ausgestrahlt hätte. Was ich manchmal durchaus tue! Aber das Motto ist stetig „Deeskalation“, manchmal gar nicht so einfach, kann ich dir sagen. Aber es hilft ungemein, denkt man, zumindest wenn ich an meinen Deeskalationsunterricht denke. THEORIE!
Ich stand wieder etwas entfernt von der Sitzgruppe und er hatte sich wieder hingesetzt. So schnell konnte ich gar nicht schauen, urplötzlich ist er wieder aufgesprungen und auf einmal kam ein Messer hervor. Er sagte: „Ob ich ein Problem hätte“ und hielt es mir gut einem Meter entfernt Richtung Halsbereich. Ich kann dir sagen, das man in so einem Moment nicht mehr viel nachdenkt, sondern einfach versucht diesen „Irren“ zu beruhigen. Er war zu allem bereit, er war alkoholisiert und auch sein „ob isch eiiiiiiiin Problem hätteeeee“ kam ihm sehr lallend über die Lippen. Ich sagte ihm: „dass dies nichts bringe und er solle sich wieder beruhigen“. Ein betrunkener Mann steht mit einem Messer vor dir, du gehst einen Sicherheitsschritt zurück und weißt nicht wie das endet. Du zückst dein Handy, heutzutage würde man nur noch Knochen dazu sagen und siehst „Akku leer, bitte aufladen“. Wartest und versucht es wieder, die gleiche Meldung erscheint im Display.
Das ist ja Filmreif, du kannst mir doch nicht erzählen, dass der Akku deines Nokia Kommunikator genau in diesem Moment leer war. Doch! Ich übertreibe nicht oder pusche diese Geschichte hoch. Es ist wirklich so passiert, ich habe mehrmals versucht dieses verdammte Handy wieder einzuschalten und den Notruf abzusetzen. In so einem Moment denkst du nicht viel, ob du die Notbremse ziehst (der Zug bleibt deshalb auch nicht stehen) oder in Sicherheit flüchten sollst. Jeder reagiert hier anders, außerdem waren ja noch andere Fahrgäste da. Gut, es waren 4, um genau zu sein, die es auch mitbekommen haben. Keiner hat etwas getan. Vielleicht waren sie alle so gelähmt, erstaunt oder hatten Angst, selbst dann zum Opfer zu werden. Ein Fahrgast saß sogar in unmittelbarer Nähe, nein, er hat mir nicht geholfen. Also was tun? Ich habe mich für den Notruf entschieden, den ich dann absetzen konnte, denn mir kam noch mein Privathandy, in den Kopf. Wieder ein kleiner Bahnhof, ich hatte Angst, das die Polizei dann noch nicht da ist, wenn wir ankommen. Immerhin hatte ich ihn nach gut 3 Minuten (es waren gefühlte Stunden) soweit gebracht, dass er das Messer wieder zusammengeklappt hatte und einsteckte. Die Polizei war aber zum Glück schon am Bahnhof, als der Zug einfuhr, nahm ihn mit Handschuhen und festgemachten Handschellen in „Empfang“. Seine Aussage bei der Polizei war, dass er mit seinem Messer, nur sein Obst schälen wollte und er hatte dies in seinem Rucksack, teilte mir die Polizei mit. Erst so viel Adrenalin, Angst, Stress und dann fühlst du dich wie in einem falschen Film. Obst? Schälen? Geht‘s noch?
Ich war Jahre später vor Gericht, um eine (weitere) Aussage zu machen und habe dann nur beiläufig ein paar Sätze auf geschnappt. Wir warteten auf den Richter und Staatsanwalt; vor dem Gerichtszimmer. Sein Anwalt, sagte ihm, er solle sagen dass er sich geändert habe, keinen Alkohol mehr trinke, ein geordnetes Leben lebe und eine Frau habe… Ich weiß nicht zu was er verurteilt wurde, da ich keine Zivilklage erhoben hatte und diese Klage nur von Staatswegen ausging. Eine Entschuldigung von ihm, gab es leider nie (außer im Gerichtssaal selbst, aber das ist wohl eher Verteidigung Strategie gewesen)! Er konnte sich vor dem Gerichtssaal, nach kurzer Rückfrage bei mir, ob ich der Geschädigte sei, gar nicht mehr daran erinnern. Aber Schuld war ja eh nur der Alkohol...
Kennst du meine Lieblingskunden? Das sind die, die denken ich hätte die Krätze, Pilze und massive Bakterien an der Hand. Bei denen sich die Fahrkarte in einer Plastik Hülle befindet und diese nachdem ich sie angefasst habe, sorgfältig desinfiziert werden muss. Was fällt mir überhaupt ein, diese Fahrkarte anzufassen. Das erinnert mich an den einen Fahrgast, der immer mit einem Taschentuch sich im Zug fortbewegt und alles was er anfassen oder drücken muss, nur mit diesem Sicherheits-Taschentuch-Puffer tut. Vieles klingt skurril, aber glaube mir, es gibt wirklich solchen Wahnsinn. Ja, ich hatte es auch schon, dass Fahrgäste ihr Taschentuch auspackten und dann die Fahrkarte erst mal sauber machen mussten. Ist wohl verständlich, dass ich bei meiner Arbeit, durchaus extrem dreckige Hände bekomme, schließlich arbeite ich jeden Tag zusätzlich im Gleisbereich, in der Reinigung der Toiletten und unter den Zügen. Natürlich nicht!
Selbst wenn ich bei jedem Toilettengang meine Hände nicht gewaschen hätte, wären immer noch nicht so viele Bakterien auf meiner Hand. Wobei ich nicht mal die Fahrkarte mit meiner ganzen Hand anfasse, was logisch sein dürfte. Ich falte, biege, wische, halte sie gegen das Licht und mache nur ein Schiffchen daraus. Natürlich nicht! Aber, es gibt eben Menschen die gar nicht Vorsichtig genug sein können, wegen Vogelgrippe und so.
Die Uniform stellt nun nichts Besonderes dar oder das hier Menschen einen gewissen zusätzlichen Respekt darin sehen würden. Ich hatte früher schon einen etwas anderen Respekt vor Zugbegleitern und meinem Verhalten gegenüber dessen. Aber andere Zeit und nicht mehr vergleichbar, heutzutage haben die wenigsten noch Respekt vor dem Alter, es ist eher so dass „alt irgendwie eklig und hässlich“ ist. Zumindest wenn man den meisten weiblichen jugendlichen Schulkindern zuhört. Trotzdem mag ich Schulkinder, meine Kollegen können die Lautstärke und das benehmen nicht leiden. Ich liebe es, Schuhe auf den Sitzen, alle mit Smartphones beschäftigt, danach alles verschmutzt. Schöne neue Welt oder Zukunft ;-)
Einen Junggesellenabschied werde ich nie vergessen. Hier meinte die eine Freundin zu ihrer Freundin, „du stehst doch auf Uniform, Julia, der Zugbegleiter ist doch was für Dich“. Eine andere Frau, aus dem Junggesellenabschied daraufhin: „Kann ich ihnen dass Sakko abkaufen? Für 10,... 20,- €? Bitte! Sind Sie Single?“. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt meine „wahre Liebe“ und einen Ring am Finger, den ich daraufhin stolz präsentierte. Auch wenn ein „Mann“ in so einem Moment gerne mal seinen Ring verdeckt oder schnell verschwinden lässt, kurz überlegt hatte ich, aber ich war sehr glücklich mit meiner Freundin.
Manchmal hatten wir in der Vergangenheit auch noch zivil kontrolliert, wie man es vielleicht aus Straßen-, U-Bahn oder Bus kennt. Das bedeutet man weiß nicht ob jemand dabei ist, der die Fahrscheine sehen möchte, denn man erkennt diese „fiesen“ Kontrolleure nicht. Keine Uniform, kein Indiz auf Kontrolleur, kein offener Ausweis. Diese sehen aus wie ein normaler Fahrgast, ganz normal gekleidet. Vielleicht hat er einen Rucksack, eine Tasche oder einen Aktenkoffer dabei, aber nicht erkennbar als Kontrolleur, eben ganz normal. Auch hier ist man natürlich der Böse, denn was fällt mir ein, jetzt gerade diesen Zug mit meinen Kollegen kontrollieren zu müssen. Wenn man zivil kontrolliert, war man immer zu zweit, aus Sicherheitsgründen. Für mich ist es entspannter und sicherer zugleich, wenn ich zivil kontrolliere. Denn ich, sowie meine Kollegen wissen genau, wenn sich eine Lage hoch schaukelt, kann ich Rückendeckung erwarten. Denn klar, zu Zweit lässt sich vieles besser regeln, getreu dem Motto: „Good Cop – Bad Cop“ (guter oder böser „Polizist“) und das funktioniert immer. Wir waren fast fertig mit dieser Zivil-Schicht und so wollte ich noch gemütlich am Treppenaufgang des Bahnhofs eine Zigarette rauchen, meine Kollegin half einer jungen Mutter den Kinderwagen hoch zutragen. Ja, jetzt werden alle Frauen sagen, man was ist das für ein Flegel. Da muss die Kollegin den schweren Kinderwagen der Mutter hoch tragen und der Herr raucht gemütlich eine. Moment, auf dem Bahnsteig ist das rauchen strikt verboten! Ich halte mich an Regeln und außerdem wurde ich nicht gefragt und meine Kollegin ist eine starke Frau.
Auf jeden Fall, kamen zwei Typen auf mich zu und der eine mit der Begrüßung „ye ht duuuu en mi“. Gut ich kann nun nicht sagen, ob es an seinem Alkohol Pegel lag, er einfach undeutlich sprach oder es einfach kein Deutsch war. Der Typ kam mir relativ nahe, so dass ich ihn ermahnte, er solle doch bitte einen gewissen Abstand halten. Auf einmal griff er mir ans Handgelenk, was für mich dann ein „Geht gar nicht“ ist. Ich sagte also nochmals „lass es…“, leider kam ich nicht mehr dazu, den Satz zu beenden, denn da hatte der Typ - der hin und her schaukelte - schon ausgeholt und mich mit seiner Faust am Jochbein getroffen (am seitlichen Rand der Augenhöhle). Dann schrie meine Kollegin, hysterisch von oben (wir erinnern uns, Kinderwagen und so), das ich ihm aus dem Weg gehen sollte, sie schrie die ganze Zeit, in so einem Moment kannst du dich gar nicht mehr verteidigen. Weil du mit dem Typen beschäftigt bist und mit der kreischenden Kollegin (die dir zwar eigentlich irgendwie nur helfen möchte, also mit der Kreisch-Schrei-Taktik, es aber extrem unangebracht war). Dann ging ich also ganz relaxt, cool und entspannt die Treppe zum Bahnsteig hinauf. Der so eine „kleine“ Faust mit links weg steckt (hallo, ein wenig Mann darf ich dann doch sein, auch wenn dies meine Kollegin bereits untergraben hat), der Typ folgte mir, holte nochmals aus und zum Glück traf er mich diesmal nur in einer abgeschwächten Weise am Ohr. Dafür dass er ganz schön torkelt und schon einiges Intus haben musste, waren die Schläge doch noch in einer guten Wucht. Es war übrigens dunkel, recht spät und ich sicherte mich also selbst, denn Eigenschutz steht natürlich an erster Stelle. In der Zwischenzeit hat der Lokführer, des am Gleis stehenden Zuges, die Polizei angerufen. Meine Kollegin war vor lauter panischen Schreien etwas abgelenkt, sie war besorgt, verständlich. Eigentlich hätte ich diesem Typ mal den Boden von unten gezeigt, nein, ich hätte ihm keine verpasst, nur so zum Selbstschutz (bis zum eintreffen der Polizei), hätte ich ihn am Boden stabilisiert. Aber da meine Kollegin die ganze Zeit rief: „Achtung, halt doch jetzt mal Abstand von ihm“. Ja, es war lieb gemeint und sie wollte mir dadurch helfen. Viel „Mann“ war da von mir aber nicht mehr übrig. Wenn dann noch Luft für meine Kollegin übrig war, unterhielt sie sich mit dem Lokführer. Nur irgendwie war er geschützter als wir beide, denn er war ja in seinem Zug (vorne). Der Betrunkene torkelte also am Bahnsteig noch seine Runde, immer mit der Absicht mich schlagen zu wollen und lustige Sätze von sich zu geben. Denn er holte weiterhin immer wieder aus, nur die Treffsicherheit - war bei zwei Metern Abstand - nicht mehr so gegeben. Der Lokführer ist dann von seinem Führerraum doch mal nach draußen gegangen. Denn eigentlich war ja Abfahrtszeit, aber was bringt uns diese, wenn der Typ dann auf einmal zwischen Zug und Gleis lag. Auf einmal haute er mit voller Wucht von außen gegen die Zugscheibe. Ein kurzes Geschrei von jungen Mädels kam aus dem Zug, eine entschied sich dann auch fürs aussteigen und wollte nicht mehr mitfahren. Ihr wurde das doch irgendwie zu heikel, wobei gar keine Gefahr für die Fahrgäste bestand, denn der Typ war am Bahnsteig, draußen. Aber rein wollte er jetzt irgendwie trotzdem, doch da hat er die Rechnung ohne einen Fahrgast gemacht, der das Spektakel ja auch mitbekommen hatte. Die Zugtür ging auf, er kam gar nicht richtig zum einsteigen, da wurde er dann von einem recht gut gebauten Fahrgast gleich wieder sanft raus katapultiert. Das war dann irgendwie zu viel für ihn, so dass er auf einmal zwischen Zug und Gleis lag. Gut, das man einen so netten Lokführer und Fahrgast hatte, diese ihm dann noch geholfen haben, von dort wieder hoch zu kommen. Mich hat ja in dieser Situation keiner mehr als richtigen Mann wahrgenommen. Nachdem der Typ wieder sicher am Bahnsteig hinauf gehoben wurde, fuhr der Zug mit 10 Minuten Verspätung endlich ab. Ich und meine Kollegin standen noch mit dem herum baumelnden Tannenbaum, am Bahnsteig. Immer mit ausreichendem Sicherheitsabstand, man konnte fast sagen, das Spiel hieß „Fang mich“. So sah es an diesem Bahnsteig zumindest aus, meine Kollegin immer mit den Worten „pass auf…, Achtung…, halte Abstand…“. Also tanzte ich meinen Abstand, von diesem Typ, ein bisschen Spaß muss in jeder Situation sein.
Als die Polizei dann eintraf wurde das Spielchen noch interessanter. Diese haben ihn dann am Boden endlich stabilisiert und mussten noch klären ob er Ausweisdokumente dabei habe. Aber außer einer EC-Karte war da nichts weiter. Des weiteren mussten sie nun eigentlich die Zuständigkeit klären, welche Streife ihn doch nun mitnehmen sollte. Die Bundespolizei oder doch die Landespolizei, also dauerte die Angelegenheit noch und der Typ war immer noch am etwas kühlen Boden. Er beschwerte sich zwar, dass es relativ kalt am Boden sei, aber das beeindruckte die Polizisten (einen Mann und eine Frau) nicht weiter. Sein T-Shirt hatte er sich vorher zerrissen, um seine Männlichkeit, wie bei einem Affen zu beweisen und nun lag er am Boden mit freiem Oberkörper und teils nasser Jeans. Es war kein Sommer und wir hatten auch keine milde Nacht, immerhin war es 22.15 Uhr und es waren rund fünfzehn Grad. Also wurde es ihm zu langweilig und er dachte sich „nun beleidigen wir mal die Polizistin und den Polizisten“. Los geht es: „Ob Sie ihm mal einen lutschen könne“. Ja, auch in solchen Situationen hatte der Typ noch richtig Humor, auch seine Ausführungen: Ob der Polizisten Kollege schwul sei, das Sie eine Fotze ist und ob sie gut blasen könne. Ich machte während seinen Ausführungen meine Aussage und er sorgte für die passende Untermalung oder Unterhaltung. Dass ich ein Arschloch sei und „mich ficken solle“ oder ich ein Hurensohn bin. Das fiel dann aber kaum mehr ins Gewicht. Die Polizistin erwiderte immer nur: „ja, ist schon gut“, das war ihm irgendwie zu langweilig, wo er noch einen drauf legte. Das sie wohl schon lange keiner mehr flach gelegt hatte, wieder war der Alkohol Schuld oder wohl eher der Auslöser für besonders viel Mut und seine Schuld war somit (mal wieder) eine Minimale. Er wurde dann schließlich von der Polizei abgeführt und in die Ausnüchterungszelle gesteckt.
Dies war übrigens auch das erste Mal (und hoffentlich auch letzte), das ich selbst in eine Klinik musste, zur Notaufnahme. Die Zustände dort sind irgendwie, wie an einer Schlange in einem Supermarkt, bei 10 Kunden vor einem, bei nur einer Kasse. In der Notaufnahme diagnostizierte dann die zuständige Ärztin nach dem Röntgenbefund, Jochbein Schwellung mit Prellmarke. Da habe ich ja nochmal Glück gehabt.
Am Morgen danach, bei der Polizei, konnte er sich bei seiner Aussage dann an nichts mehr erinnern. (Wurde mir bei meiner Aussage mitgeteilt). Das Resultat des ganzen, mit Anzeige und hin und her, war eine „Ermahnung der Staatsanwaltschaft“. Denn der Typ, hatte schon so einiges auf dem Kerbholz und deshalb wird nicht noch ein weiteres Verfahren eröffnet. Sondern dieser Vorfall wird da mit einfließen, ohne Ladung meinerseits, das hatte sich dann erledigt. Klar, ich hätte noch auf Schadensersatz, Beleidigung, Nötigung, […] klagen können, aber fasse mal einem Mann in die Tasche der nichts hat…
Es war ein normaler Tag und eine normale Kontrolle. Dachte ich, denn wie immer gibt es wenig ‚normale‘ Tage. Man hat immer etwas Besonderes. Als ich mit meiner Fahrkartenkontrolle bei diesem jungen Mädel ankam, war diese schon etwas aufgelöst. Denn sie hatte ihr Länderticket zu Hause auf dem Küchentisch vergessen. Aber die Jugend von heute ist erfinderisch, so machte die Mutter ein Foto der Fahrkarte mit dem eingetragenen Namen (das ist bei Ländertickets erforderlich) und schickte es der Tochter. Es dürfte klar sein, das so eine Fahrkarte kein Handyticket darstellt und damit eigentlich natürlich nicht gültig ist, aber ich habe ein Auge zugedrückt und sagte ihr „Dein Engagement muss belohnt werden, das habe ich auch noch nie erlebt und gesehen“. So durfte die junge Dame die mir sonst noch in Tränen ausgebrochen wäre, mit ihrem Foto fahren. Normalerweise ist dies natürlich nicht möglich, wo kämen wir da hin, am besten löst man die Fahrkarte für die Zukunft gleich auf dem Handy.
Natürlich gibt es auch positive, schöne und erfreuliche Situationen. Ich hatte bei der Endstation des Zuges, meiner Endkontrolle dessen, auf einem Sitz einen einhundert Euro Schein gefunden. Die Bahn hat sich gefreut, denn dies ist Eigentum der Bahn und somit eine Fundsache. Es wurde (denke ich) gespendet und einen Finderlohn für mich gab es leider nicht. Der Besitzer hat sich auch nicht gemeldet, wer so viel Geld hat, dass dieser lose auf einem Sitz lag, vermisst diesen glaube ich, nicht wirklich. Andererseits wie will man einen einhundert Schein beschreiben? Er ist grün, haben sie einen grünen Schein zufällig gefunden? Da könnte ja jeder kommen ;-) Vielleicht war es auch mein Trinkgeld, das er oder sie mir anonym „zustecken“ wollte, aber das nächste Mal dann bitte in einem Umschlag und einem entsprechenden Hinweis darauf. Dieser so lauten könnte „Für Sie, behalten sie es, es ist keine Fundsache“. Danke!
Man sollte ja meinen dass es immer die jungen Leute sind, die so schlimm sind. Nein, ich kann dir eine Geschichte erzählen, wo auch ältere Leute ganz schön übertreiben. Aber in meinem Job ist mir trotzdem noch nie eine Träne von den ganzen Beleidigungen oder Nötigungen entronnen. Andere mussten sich schon Psychologen suchen, da es auch belastend sein kann. Wieder andere Kollegen(innen) geben jede Beleidigung zur Anzeige und da sind so einige zusammengekommen. Jeder macht es eben anders.
Es war der letzte Zug und es stiegen im hinteren Zugteil 3 Paare, also 6 Personen ein, im Alter von rund 65 – 75 Jahren. Schon lief ein älterer Mann auf mich zu, das er es zeitlich nicht mehr geschafft hatte, für alle einen Fahrschein zu lösen. Meine Antwort war, dass er im Zug leider einen gültigen Fahrschein besitzen muss und ich folgte ihm zum Rest der Gruppe um erst mal eine Art Bestandsaufnahme machen zu können. 2 Personen hatten es geschafft und besaßen einen Fahrschein 4 leider nicht, ich erklärte ihnen dass eben ein Fahrschein auch Zeit braucht und man diese vor Abfahrt des Zuges mit einkalkulieren muss. Und man weiß ja in den meisten Fällen auch, wann der Zug abfährt. Nicht kulant, könnte man nun meinen, aber wo fängt man an und wo hört man auf. Und glaubt mir, Ausreden gibt es, wie Sand am Meer und ich erinnere, nicht jeder Zug ist immer mit einem Zugbegleiter besetzt. Viele legen es eben auch drauf an, getreu: „schauen wir mal ob heute einer kommt, dann lass ich mir was cooles einfallen“. Die Antwort des „Gruppenleiters“ war, dass der Automat viel zu langsam sei, ich habe den 4 Personen nun die „vierzig Euro“ versucht zu erläutern. Drohend wurde mir dann als Antwort mitgeteilt, dass dies ein Nachspiel für mich haben werde und er notierte sich meinen Namen. Seine Aussage war wertschätzend, nett und vollkommener Einsicht. Ich will sie dir nicht vorenthalten: „Sie sind nur ein kleines Licht und wenn Sie aussteigen, vielleicht leuchten Sie dann“, hübsch oder? Ja, ich bin für viele nur ein kleines Licht. Vielleicht will ich aber auch gar kein großes Licht sein? Natürlich wollte sich der Gruppenführer der das alles managte und auch die größte Klappe hatte, noch beschweren, was aber ganz seltsam ist, dass hier nie eine Beschwerde kam. Es ist somit immer wieder interessant, mit welchen Mitteln es einige Fahrgäste versuchen, dein Gehirn oder deine Psyche zu ficken. Alles Schlussendlich zu einem Ziel, selbst keine Schuld einzugestehen, die Macht zu signalisieren oder ein Ventil gefunden zu haben für seine schlechte Laune. Im Laufe der Jahre, musste ich etwas verstehen, denn ich bin für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung. Aber die Welt kann ich nicht verändern oder verbessern, nur versuchen, meinen positiven Beitrag bei zusteuern. Und wenn dass bedeutet, das mal „ein“ Fahrgast im Jahr umsonst mit fährt, nur weil er sich überlegen oder stark fühlt, dann ist es so. Ich muss nicht als Held sterben, ich muss nur gesund nach Hause kommen.
Aufgefallen sind dir somit bestimmt, Beleidigungen, Beschimpfungen und „es sind immer die anderen Schuld“. Ich kann davon nicht nur ein Lied singen, sondern bin natürlich auch Prellbock. Ich könnte im Jahr, allein nur von Beleidigungen (wohlgemerkt, gegen meine Person), einige Anzeigen aufgeben. Was mir aber nicht nur meine Zeit kosten würde. Es bringt nicht viel finde ich...
Mir fällt hier immer der Drogen-Kurier ein, dieser steigt bei einer Station ein, deponiert unter einem Sitz im Zug ein großes Päckchen und steigt die nächste Station wieder aus. Es ist gut mit Klebeband befestigt und für andere Fahrgäste auch nicht ersichtlich. Auch die Aktion selbst, geht sehr schnell bis professionell und wie es der Zufall wollte, habe ich dies auch nur nebenbei bemerkt. Am Endbahnhof hat der Zug einige Minuten Aufenthalt und dann wird dieses „weiße“ Päckchen von einer anderen Person abgeholt. Wir erinnern uns noch an den Typ mit dem Messer, der nur sein Obst schälen wollte. Bei dem großen weißen Päckchen handelt es sich auch nur um Mehl, denn die abholende Person möchte einen Kuchen backen. Ist doch wohl klar oder was habt ihr denn jetzt gedacht.
Schön ist es immer wenn die vierbeinigen Begleiter ihre Besitzer begleiten, hierfür wird ein Fahrschein benötigt, bei manchen Fahrkarten ist dieser auch mit inbegriffen. Stell dir nachfolgenden Fahrgast vor: „Mit Tattoos, Piercing in der Nasenscheidewand, so dass er auch als Ochse durchgehen hätte können“, aber hey, keine Vorurteile. Er war schwarz gekleidet, mit einer Basecap und einer Stahlkette an seiner Hose bis zu seinem Geldbeutel. Er besaß einen Fahrschein wo er auch noch Personen, Fahrräder oder eben seinen Hund mitnehmen konnte. Es war also alles in Ordnung. Der Unterschied nur, ist die Benimm Formel, dass was eigentlich selbstverständlich und normal ist (oder sollte) für viele. Dass der Hund entweder vor dem Herrchen oder Frauchen Platz nimmt oder sich hinlegt. Immerhin wälzt sich so ein Hund auch gern mal auf dem Boden, naja und so weiter. Ich finde auch die Hundehalter toll, die das gemachte Geschäft ihres Vierbeiners in einer Tüte entsorgen. Wollte ich unbedingt mal loswerden. Zurück zu diesem Fahrgast, der meinte wenn der Hund schon dafür zahlt, darf dieser auch auf den Sitz - neben ihm - Platz nehmen. Klar, demnächst finden Sie im Zug, noch einen Fress-, einen Wassernapf, ein Hundeklo, sowie einen Sitzplatz extra für Hunde. Also mal ehrlich, es ist ja schön wie manche ihre Haustiere lieben, aber irgendwo sollte ein dann doch ein Punkt sein? Wir sprechen hier von keinem kleinen Hund, also kein Schoßhündchen, sondern schon die ‚richtige‘ Hunde Größe. Wenn der Sitz nun aus Leder wäre, hätte man es vielleicht belächeln können. Aber wir haben in diesen Zügen, Sitze mit Stoff überzogen, wir Menschen tragen Kleidung und Hunde irgendwie nicht. Also bat ich ihn, dass er doch bitte den Hund vom Sitz nehmen solle, aber, er verstand den Grund nicht. Denn wahrscheinlich ist er zu Hause auch am richtigen Essenstisch mit dabei oder sitzt gleich darauf. Aber wir sind hier nun mal in einem Zug, wo sich auch andere Fahrgäste danach, noch auf diesen Sitz setzen möchten. Die Antwort von ihm war dann „Spasti“ und dass ich vorsichtig sein solle, „denn der Hund könne auch beißen“. Solche Hunde Liebhaber die ihr Haustier auch mal als Waffe einsetzen würden, sind doch irgendwie, ich würde sagen, beruhigend.
Manche beachten den Zugbegleiter auch gar nicht. Musik, Film oder Smartphone sei dank. Ich stand auch schon winkend, tanzend oder zappelnd vor Fahrgästen, manche kennen dann noch das Wörtchen „Entschuldigung“. Die meisten aber leider nicht mehr, denn schon wieder steht ein nervender Zugbegleiter vor einem und möchte die Fahrkarte kontrollieren. Wie oft am Tag muss ich eigentlich meine Fahrkarte zeigen, auch solche Sätze habe ich schon gehört.
Mein Beruf könnte etwas von einem Zöllner haben, wegen Schmuggel und Echtheit. Außerdem fahren jeden Tag so viele Menschen mit einem Zug, das ist vergleichbar mit der Kassiererin an der Kasse. Die für die Geldscheine zum prüfen jedoch ein Gerät hat, schwerer wird dies im Zug, - denn manche Fahrscheine - ich habe dir dieses Phänomen ja bereits erzählt - darf man nicht mal in die Hand nehmen. Lustig stelle ich mir da dann aber vor, wenn der Bezahlende an der Kasse, die Geldscheine die er zurückbekommt, nicht annehmen möchte, aufgrund von der Vielzahl an Bakterien, die so ein Geldschein aufweisen könnte. Nun gibt es aber die ganz cleveren und ausgefuchsten Fahrgäste. Die eine Fahrkarte (eine Mehrfachfahrkarte, die man entwerten muss) einfach missbrauchen, mit cleveren Mitteln. Was einem da so einfällt oder wie Kreativ man hier sein kann, da kommen wir nun zu einer Frau die hier meinte die Cleverness in Person zu sein. Sie schmierte durchsichtigen Lippenstift, der eigentlich für die Lippen ist – wie es der Name schon sagt - auf die Fahrkarte und entwertete diese dann im Entwerter. Dieser druckt dann das Datum und die Zeit, sowie die Einstiegsstelle darauf. Bei der Kontrolle im Zug, entgehen mir solche kleinen Tricks leider nicht. Die junge Frau war 16, ich fragte sie, was denn mit ihrer Fahrkarte passiert sei. Sie schaute mich verwundert an, nach dem Motto „was ich denn nun wolle“. Ich sagte, dass sie das wohl am besten wisse, was sie da gemacht habe. Nein, das wisse sie nicht. Ich sagte, ob sie mich denn verarschen wolle, da sei ein Fettfilm darüber (das ist Betrug). Die Antwort, wirklich kreativ. „Huch, ja, jetzt merke ich es auch, da muss sich wohl die Kappe des Lippenstifts gelöst haben und der Fahrkarte diesen Fettfilm verpasst haben.“ Klar, voll verständlich, da löst sich doch glatt, die Kappe des Lippenstifts, der dreht sich dann wie von geister Hand und trifft dann ganz unerwartet die Fahrkarte. Und dass der Aufdruck des Entwerters, dann komischerweise auf dem Fettfilm ist und nicht darüber; dass war dann doch mentale Magie. Solche Menschen würde ich sofort für das Fernsehen vorschlagen, aber ich habe den einzigartigen Trick nur mit vierzig Euro prämiert. Die Strafe für diese einzigartige mentale Magie und eine Anzeige gab es oben drauf.
Ja, in der Spätschicht ist doch recht viel los, eben das pure Leben. Da fahren dann der genervte Mann, die genervte Frau, nach der ätzenden Arbeit mit dem Zug nach Hause. Dort hat man wirklich alle, von super gut gelaunt - bis Pessimist und nie gut gelaunt. Auch Beziehungen sind schon entstanden und haben sich im Zug getrennt. Es ist wirklich fast jeden Tag immer richtig viel los. Die, die gute Laune haben und mir ein Lächeln schenken, die mag ich aber am liebsten. Denn genau so bin ich bei meinem Job, lächelnd, auch wenn es einem an manchen Tagen schwer fällt.
Wenn jetzt der Eindruck entsteht, die schlimmen und harten Sachen entstehen nur zu später Stunde, kann ich damit nun aufräumen. Auch Frauen können ganz gut austeilen, wenn man meint das nur Männer Potenzial zum schlagen haben, so ist es doch diese Frau, die diese Statistik etwas ins wanken bringt.
Ich erzählte ja bereits dass viele meiner Kollegen die Schülerzeit hassen, wo der Zug fast ausschließlich von Schülern voll ist. Denn man merkt nicht nur die Smartphone Generation, es machen auch einige Hausaufgaben. Völlig out, die zu Hause zu machen, die sollte man umbenennen, „Zugaufgaben“. Auch die Schuhe wandern bei den meisten ganz automatisch auf den Sitz gegenüber, immerhin sitzt es sich so, viel bequemer. Übrigens ist das kein „typisches“ Schulkind Phänomen, das schaffen auch Erwachsene ganz gut. Während viele meiner Kollegen die Schüler bestimmend darauf ansprechen oder Hinweisen, habe ich hier schon resigniert, warum soll ich hier die Erziehung übernehmen. Denn ganz ehrlich es bringt nichts, wenn ich weiter gehe, ist es das gleiche Bild wie vorher. Außerdem sind viele mittlerweile schon so abgebrüht, das man neben ihnen steht, aber die Schuhe nicht den Boden sehen. Wer jetzt denkt das Schüler ganz schlimm sind, man kann es nicht pauschalisieren. Es gibt auch richtig putzige Schüler, wo ich mich gerne an meine Zeit zurück erinnere. Ich bin früher nämlich auch mit dem Zug zur Schule gefahren. Aber mittlerweile haben viele Fahrgäste und vor allem Erwachsene, den freien Sitzplatz neben sich entdeckt. Ideal für Rucksack, Gepäck, Koffer und Jacke. Wer sagt das sich hier jemand hinsetzen möchte und außerdem wo soll ich sonst meine ganzen Utensilien verstauen. Deshalb kann man es wunderschön beobachten, wie sich erst alle Zweier- und Vierer-Sitze einzeln füllen. Erst wenn es wirklich keine Alternative gibt, dann füllen sich die Vierer-Sitze mit 2 Personen. Sollte es mal vorkommen das der Zug wirklich recht voll ist, dann, aber erst dann, nehmen viele auch den Zweier Sitz, zu zweit. Wir mögen es nicht mehr so gerne, Menschen ganz nah zu haben. Deshalb mag ich Schüler, sie sind noch anders, mit ihnen kann man meist herum scherzen oder eben lockerer sein, was mit Erwachsenen seltener geht. Einer Frau ein Kompliment machen, da muss man leider mittlerweile schon vorsichtig sein und dünnes Eis befürchten. Ich finde, manchmal haben wir etwas die Positive und entspanntere Sichtweise verloren.
Nachdem die Schüler Zeit vorbei war, kommt man immer etwas zur Ruhe. Denn die Schülerzüge sind mitunter eigentlich die anstrengendsten Zeitfenster. Das ist so der Zeitpunkt, an dem dann die ganzen Rentner den Zug füllen. Es war kurz nach 10.00 Uhr, als ich eine Frau (Mitte 40) kontrollierte mit einer Monatskarte. Ich hätte vom äußeren Erscheinungsbild auf Chinesisch getippt. Ich erkenne meist recht schnell ob eine Fahrkarte gültig ist oder gefälscht, denn auch davon gibt es natürlich einige. Einige geben sich Mühe, andere wiederum eher nicht. Bei dieser Monatskarte war der Wille da, denn scheinbar gab es dafür noch eine gute alte Schreibmaschine, denn so sah diese Monatskarte aus. Auf einer Monatskarte müssen dann zwei Monatszahlen geändert werden (Bsp., gültig vom 15.01.19 bis 15.02.19) und man hat sie mit einem Papierschnipsel gut überklebt und darauf dann die neuen Monatszahlen getippt. Leider war das für mein geübtes Auge, zu schlecht. So sagte ich der Frau, das ich diese Monatskarte nun einziehen werde (sowie es eine Strafe wegen Betruges gebe) und sie völlig entgeistert, warum ich das nun tue. Sie meinte, ich könnte doch nicht einfach ihre Monatskarte ihr wegnehmen, die noch einen halben Monat gilt. Außerdem wäre dies nicht ihre Monatskarte und sie müsse diese wieder zurückgeben (in diesem Fall war es eine übertragbare Monatskarte). Es spielt aber keine Rolle ob sie ihr „gehört“ oder nicht, sie ist damit gefahren. Sie wollte also trotzdem lautstark „ihre“ Monatskarte zurück und versuchte hier diese mir noch abzunehmen. Nachdem sie merkte, das dies aussichtslos erscheint, feuerte sie mit kräftigem Anlauf, ihre flache Hand auf meine Backe. Die saß gewaltig, so dass innerhalb kurzer Zeit meine Backe bereits feuerrot war. Die hat gesessen und mich ein wenig aus dem Konzept gebracht, also musste auch hier die Polizei her. Die Frau musste neben der gefälschten Monatskarte, den erhöhten Beförderungsentgelt, auch noch einen Geldbetrag (den der Staatsanwalt bestimmte) zahlen. Ich selbst erstattete keine (zivile) Anzeige.
Irgendwie sind viele Fahrgäste aber tolle Schauspieler. Deshalb ist es auch schwer ‚mal eine Ausnahme‘ zu machen. Denn meist ist vieles ein gut ausgedachter Plan. Es fängt bereits bei den beliebten Kinderfahrkarten an, diese „Kinder“ enden mit dem 14 Lebensjahr. Dann ist der Tarif für Erwachsene zu bezahlen und selbstverständlich steht das auch so am Fahrkartenautomat. Warum sollte aber ein Kind das 15 Jahre alt ist, es nicht noch probieren, immerhin sind es 50% Preisunterschied. Auch ist es gar nicht so einfach, einem das Alter anzusehen und genau das Wissen natürlich beide Seiten. Somit probieren es ganz viele und die wenigsten sind gleich zu ihrem Geburtstag ‚ehrlich‘ und kaufen die Erwachsenenfahrkarte, ob absichtlich oder nicht. Auch ein Beliebtes ist es, mit den großen Geldscheinen bezahlen zu wollen und feststellen zu müssen, dass diese der Fahrkartenautomat gar nicht nehme. „Oh, dass wusste ich gar nicht“, lautet die Antwort dann von vielen Fahrgästen. Aber die meisten, fahren die gewählte Strecke nicht zum ersten Mal. In beiden aufgezählten Fällen, ist es dann die Strafe und die wenigsten informieren sich leider ordentlich im Vorfeld. Manchmal denkt man sich, wie die wohl Urlaub machen und ob sie sich da auch so gut informieren.
Ein tolles Erlebnis war eine junge Frau die es leider nicht mehr schaffte sich einen Fahrschein zu kaufen, rannte zu mir hin und war völlig außer Atem. Sie stotterte infolgedessen und wollte mir klar machen, sie hätte sonst den Zug nicht mehr geschafft. Darum musste sie sich ganz schön sputen, schnaufte ohne Ende und man dachte sie kollabiert nun gleich. Deshalb hätte sie keinen Fahrschein und bat mich, ob sie diesen ausnahmsweise von mir bekäme. Meine Antwort war recht schnell und eindeutige, dass es im Zug leider keine Fahrscheine gäbe, ‚gleiches Recht für alle‘. Dafür, dass sie vor wenigen Sekunden noch kurz vor dem kollabieren war, ich wirklich Angst bekam, ob sie genug Sauerstoff bekäme, hat sie sich nun in Sekundenschnelle wieder erholt. Kein schnelles hecheln nach Luft, keine ‚außer Atem Erscheinungen‘ mehr und die Rückkehr zur normalen Stimme. Mit der sie fragte „Warum“?, die Antwort war aber hoffentlich relativ verständlich für die junge Dame.
Es gibt also wirklich gute Schauspieler/innen, getreu, dreist siegt. Schon immer bin ich der Ansicht das dreist in unserer Gesellschaft weiter kommt. So auch bei „meiner“ Bettlerin, was mir ein Fahrgast erzählte. Eine junge Frau spricht im Zug sehr eindringlich bis unangenehm Leute an und bettelt. Das macht sie zwar nicht aggressiv, aber mit einer gewissen Taktik, denn sie ist deutlich geistig behindert. Viele haben Mitleid mit der jungen Frau und so bekommt sie einiges an Kleingeld zugesteckt. Übrigens, als sie mit ihrem Bettelzug fertig war, konnte sie ganz normal mit ihrem Smartphone telefoniert. Die geistige Behinderung war wie weg geflogen, wie viel Macht doch diese kleinen Smartphones besitzen und früher haben Menschen da an Jesus gedacht.
Dachtest du nun ich würde eine Behinderung als Taktik einstufen? Dann kannst du zurück zu ‚positivere Sichtweise‘ springen. Kleiner Tipp, findet sich ein paar Seiten zuvor ;-)
Ansonsten geht es jetzt weiter.
Jetzt ist es mal Zeit für einen kleinen Test, so Zwischendurch. Dafür musst du nur die Gesellschaft ein wenig kennen. Klar, ist so ein Test immer etwas von der Region abhängig, aber dennoch kannst du dich nun selbst mal testen. Ich fahre auch Frühschichten, immerhin gibt es bei uns einen Wechseldienst. Was denkst du, wenn ich morgens, im Zug/Abteil die Fahrscheine mit folgendem Satz beginne zu kontrollieren:
„Guten Morgen, den Fahrschein bitte.“
Wie viele „Guten Morgen“ bekomme ich als Antwort vom Fahrgast zurück? Na? Eine Idee? Schätze doch mal! Wir sprechen von einem gut besetzten halben Zug, das sind so in etwa 100 Fahrgäste! Jetzt kommst du, rechne mal etwas durch und entscheide dann.
Na, wie lautet deine Antwort?
Es sind 10-20 Fahrgäste von denen ich ein „Guten Morgen“ zurück bekomme. Wenn ich jeden einzelnen mit einem „Guten Morgen“ anspreche, wäre es hingegen jeder Zweite. Leider, untertreibe ich nicht. Auf gewissen Strecken, ist dies leider Alltag. Die einen sind mit Smartphone, Laptop, Notebook, E-Book, Smartwatch, Konferenz, telefonieren, Buch lesen (ja ein richtiges Buch, vielleicht jetzt meins), Musik hören, texten, simsen, schlafen oder einem „Schwätzchen“ mit dem Nachbarn beschäftigt. Somit können mir einige gar nicht antworten. Ja, eigentlich bin ich irgendwie Alleinunterhalter und rede die meiste Zeit mit mir selbst. Irgendwann kontrolliere ich vielleicht noch meine eigenen Fahrscheine. Eigenen Fahrschein? Ja, ich wurde auch schon von einem Fahrgast gefragt, wo denn mein Fahrschein sei. Voll witzig… Sollte ich dazu sagen, dass er dies ernst meinte? Nicht so aus Spaß, wie dies manche Fahrgäste tun, auf die Frage: „Den Fahrschein bitte“, „Haha, ich habe keinen Fahrschein“. Lustig, Lustig. Nein, er wollte meinen Fahrschein sehen, denn so eine Uniform kann sich ja jeder besorgen und Fahrscheine kontrollieren. Klar, bei mir im Schrank ist auch eine Piloten Uniform, die ziehe ich aber nur selten an. Meist nur, wenn ich in den Urlaub geflogen bin.
Es war gegen 22.30 Uhr und es wird Zeit für mein erotischstes Erlebnis. Ja, auch solche gibt es, nur hatte es einen kleinen Haken. Wie immer, ging es um die Fahrscheinkontrolle. Es saß eine junge Frau im geschätzten Alter von 29 Jahren. Sie machte einen merkwürdigen Eindruck auf mich, eine Mischung aus, dass sie Alkohol oder Drogen genommen hätte oder abhängig wäre. Sie habe keinen Fahrschein, war die Antwort der jungen Frau, auf meine Frage. Sicherlich kennst du auch meine Aussage nun schon (dass wäre dann eine Strafe von vierzig Euro). Die Antwort der Frau war, „ob wir dies nicht anders regeln könnten“. Ich: „Ähm, nein, wie anders?“ Daraufhin die Frau wieder: „Naja, anders eben.“ Ich sagte, ich bekomme bitte nun den Ausweis. Vielleicht denkst du in die richtige Richtung, ich bin in diesem Moment nicht auf die Lösung gekommen, was sie mit ‚Anders‘ denn nun meinte. Es blieb beim Klassiker mit der Strafe und erst einige Minuten später, als ich nochmals darüber nachdachte, wusste ich was sie andeutete. Bin eben manchmal kein Blitzmerker und es wäre gar keine Option gewesen, oder doch?
Immer in den Party Nächten, also Freitag auf Samstag und Samstag auf Sonntag. Da erlebt man viele gut gelaunte und teilweise angetrunkene Fahrgäste. Denn Alkohol ist in der Bahn (noch) erlaubt. Etwas anstrengend wird es dann immer am Morgen danach. Wenn die Party zu Ende ist und die Lieben wieder nach Hause fahren. Entweder sie verschlafen ihren Ausstieg vor lauter Alkohol(rest)pegel oder man hat wirklich Sorgen, dass diese auch sicher zu Hause ankommen. Es kann einem aber auch passieren wie es meiner Kollegin passierte. Die traute ihren Augen nicht, als ein junger Mann der so besoffen war, dass er scheinbar nicht mehr viel wahrnahm. Als der Zug am Endbahnhof war und alle Fahrgäste bereits ausgestiegen waren, führte daraufhin meine Kollegin eine Kontrolle durch, ob alle Fahrgäste denn ausgestiegen waren, da dieser abgestellt wird. Sie sah den jungen Mann, der vor den berühmten vierer Sitzen stand, seine Hose öffnete, er seinen Penis nahm und voller Stolz sich erleichtert hatte. Ja, das geschah nicht auf der Toilette, wie es sich gehört und natürlich eine funktionsfähige vorhanden war. Sondern er erleichterte sich auf den Boden, dann auf die Sitze, gegen die Scheibe und dass ganze im Zug. Oder er wollte sein bestes Stück nur der Kollegin präsentieren. Dieser schlimme Alkohol, jetzt hatte es sich noch mehr gelohnt diesen Zug zu reinigen.
Auch an Weihnachten, wenn alle zu den Weihnachtsmärkten dieser Städte mit dem Zug fahren, erlebt man so einiges. Ja, auch speiende Frauen. Wo man dachte, sie trinkt zum ersten Mal einen über den Durst oder dieser tückische Glühwein ist recht hinterhältig. Wir sind losgefahren, da habe ich schon gesehen, dass diese Dame viel Wasser getrunken hat und auf ihrem Klappsitz etwas hin und her schaukelte. Der Zug schaukelte nicht, sondern nur die Dame. Ich habe also erkannt, dass es gleich soweit ist, es war recht spät, denn es war der letzte Zug. Die Dame hatte einen Fahrschein, vielleicht nur der Vollständigkeit. Aber ich habe mir mehr Sorgen gemacht, dass diese Dame nicht mehr so richtig nach Hause kommt. Nachdem sie sich aber komplett erleichtert hatte, irgendwie hat das Wasser trinken nicht viel gebracht, konnte jeder ihren ganzen Mageninhalt nun im halben Fahrradabteil begutachten. Es war einiges dabei. Peinlich war ihr das nur, weil ein Nachbar zufällig kam, er sie erkannte und mir mitteilte dass er sie nach Hause bringen wird. Ein wenig besser ging es ihr dann schon, aber kein Grund sich zu entschuldigen. „Dafür gibt es ja Reinigungskräfte, ich als Zugbegleiter muss das ja nicht sauber machen“, meinte sie und lachte etwas. Stimmt das ist definitiv ein Grund, für keine Entschuldigung und ich kann euch beruhigen, Männer kotzen genauso.
Ansagen müssen nicht immer langweilig oder einschlafend sein. Einige meiner Kolleginnen, lieben meine Zug Ansagen. Da kann es auch mal mit einer selbst kurz angestimmten „Schni-Schna-Schnappi“ Einlage losgehen, um etwas Stimmung und gute Laune einzubringen. Die Qualität und Ernsthaftigkeit ist damit genauso gewährt. Das darf Bahn fahren genauso ausmachen, es zu einem Erlebnis zu machen und dafür sorge ich immer mal wieder. Auch wenn die Weiche streikt, die ‚Ampel‘ (korrekt wäre: ‚Signal‘) auf ‚rot‘ (Ja, korrekt gibt es auch hier: ‚halt‘) steht und es nicht weiter geht. Manches kann man nicht ändern, aber es ein wenig ‚lockerer‘ verpacken, es schadet damit keinem, sondern entspannt. Natürlich nicht alle, den gestressten Geschäftstyp interessiert das meist wenig. Aber lachen schüttet Glückshormone aus und die bräuchten wir vielleicht viel öfter.
Schlussendlich sollten wir alle das schätzen, wir sind Menschen. Denn es gibt schon genug, was uns mit automatischen Ansagen abgenommen wird und so zu eintönig und monoton wurde...
Ich liebe es in meinem Job zu flirten, wer tut das nicht. Das geht nicht immer oder jeden Tag, aber manchmal geht dass. Ich freue mich darauf, wenn Frauen mitmachen. Gut manche Frauen meinen, einen Vorteil zu haben, denn einige finden sich so toll oder meinen, sie sehen aus wie ein (oder dass nächste) Topmodell. Da gibt es aber leider keine Ausnahme bei mir, wenn man keinen Fahrschein besitzt. Auch hatte ich ja schon erwähnt, dass ein Lächeln einem den Tag nicht nur versüßt, sondern einfach gute Laune bringt. In unserer heutigen Zeit ist das flirten, nur etwas erschwert. Jede Zweite ist dem liebsten Spielzeug beschäftigt. Selbst wenn man den Fahrschein kontrollieren möchte, schaffen es viele gar nicht einem einen Blick zu schenken. Schade, dass wir schon so Kontakt- und Emotionslos geworden sind.
Ich war durch ein paar Erlebnisse die in diesem Kapitel vorkamen, schon mit einigen Artikeln in Tageszeitungen. Mein Highlight war eine dreiviertel Seite, mit einem großen Bild, zum Thema Deeskalation. Hier kam auch der Fall mit dem Messer vor. Ein kleiner Artikel war zum Beispiel bei der Dame die mir eine pfefferte und ich ihre Monatskarte einzog.
Solltest du mich tatsächlich erwischen, wie ich Dich kontrolliere oder ich im selben Zug bin wie Du und du dabei dieses Buch liest. Dann musst du nicht schüchtern sein, sondern kannst einfach „Hallo“ (oder „Guten Morgen“ ;-)) sagen, gut, du darfst mich oder meine vielen Kollegen auch gerne anlächeln. Es ist nicht so das die dann gleich eine Handynummer verlangen, weil sie denken „cool, yeah“, ein Flirt. Wir dürften uns viel mehr positiv begegnen und Glückshormone austauschen. Es gibt auch tolle Kollegen die ihren Job genauso voller Freude machen, da gefällt es mir sogar meinen eigenen Fahrschein vorzuzeigen, wenn ich mal Bahn ‚privat‘ fahre. Da gibt es sogar Kollegen die mir bei meiner privaten Bahnfahrt ein lächeln auf die Lippen zaubern. Dass ist wirklich großes Kino.
Gerne darfst du auch positive Gespräche mit „mir“ führen, denn die sind irgendwie fast schon Rarität. Besser als die Geschichten, die ich mir sonst jeden Tag anhöre, wie schlecht doch das Wetter ist, wie scheiße doch die Löhne sind und ganz zu schweigen von unserer Politik. Oder die neusten „Dorf und Tratsch“ Geschichten, beschwere ich mich gerade? Nein, das täuscht! Ich liebe den neusten Tratsch, besonders weil ich überall wohne, quasi.
Schön und Danke dass du Bahn fährst und vielleicht treffen wir uns ja mal, meist erkennt man mich recht schnell an meiner guten Laune (lach), aber dann habe bitte einen (gültigen) Fahrschein…