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Städtebünde
ОглавлениеIn der Goldenen Bulle Karls IV. wurden die Städtebünde für verfassungswidrig erklärt; erlaubt wurden einzig die Landfriedensbündnisse, denen alle Reichsglieder beitraten, und die den Zweck hatten, Frieden und Ordnung zu erhalten. Seit Friedrich II. ordneten alle Kaiser von Zeit zu Zeit Landfrieden an, und zwar entsprechend der herrschenden Dezentralisation verschiedene für die verschiedenen Landschaften. Sie waren ein merkwürdiges Mittel, die Parteiungen, die das Reich zerrissen, zu überwinden, den stets sinkenden Einfluß der geschwächten Zentralgewalt durch die Parteien selbst zu ersetzen. Wenn auch im einzelnen manches Gute dadurch bewirkt sein mag, so waren die Gegensätze doch zu scharf, das Mißtrauen zu eingewurzelt, als daß ein segensreiches Zusammenarbeiten sich hätte ergeben können; fast machte es die verwickelten Zustände noch chaotischer. Die Fürsten hatten das Recht, die an der Spitze des Bundes stehenden Landrichter zu setzen, und wählten natürlich solche, die das fürstliche Interesse im Auge hatten. Im nördlichen Deutschland kam damals die Rede auf: »Traue dem Landfrieden nicht!«, die sprichwörtlich geworden ist. So blieb die Neigung der Städte, sich durch Einungen untereinander zu sichern und zu stärken, bestehen und trotzte dem Verbot des Reichsgrundgesetzes. Zugrunde lagen ihnen Verbindungen, von denen man sagen kann, die Natur selbst habe sie gebildet, durch ihre Nachbarschaft und durch die Verwandtschaft der wirtschaftlichen Betriebe, von denen sie lebten. Zuweilen war es so, daß Betriebe einer Stadt oder Landschaft die anderer ergänzten, wie zum Beispiel die Weinstädte Mainz und Worms der Hölzer des Schwarzwaldes zur Herstellung der Fässer bedurften oder wie da, wo Tuch gemacht wurde, die Färbemittel Waid und Krapp gebraucht wurden, die gewisse Städte anpflanzten. Wiederum verbanden Ströme und Straßen gewisse Orte miteinander, kleinere ließen sich von größeren beim Bezug von Waren, bei der Benützung von Schiffen vertreten. So kam es, daß aus dem Gewimmel von Städten, Dörfern, Landschaften, das sich über das Reich verbreitete, sinnvoll und unzertrennlich verbundene Sternbilder hervorleuchteten.
Eine der ältesten Gruppen bildeten die drei weinbauenden Bischofsstädte Mainz, Worms und Speyer, zu denen sich zuweilen die Reichsstadt Oppenheim gesellte. Die Verbindung der drei erstgenannten wurde mit der Zeit zu einer verfassungsmäßigen Einrichtung, die von den neu eintretenden Ratsherren beschworen wurde. Ebenso unzertrennlich hingen am unteren Rhein Boppard und Wesel zusammen, zu denen etwa Koblenz und Andernach hinzutraten, am oberen in ähnlicher Weise Straßburg und Basel, denen sich manchmal Freiburg anschloß. Mit den vier sogenannten wetterauischen Städten Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar vereinigte sich zuweilen Seligenstadt. Die Bodenseestädte Überlingen, Konstanz, Wangen, Isny, St. Gallen fanden im 14. Jahrhundert einen Mittelpunkt in Ravensburg, wo eine kapitalkräftige Handelsgesellschaft die in den betreffenden Städten erzeugte Leinwand bis nach Spanien vertrieb. In den Oberen Landen Schwabens verbanden sich Bern und Freiburg miteinander und zuweilen mit Solothurn. Zürich hielt sich bald zu ihnen, bald zu Basel und Straßburg.
Im nördlichen Deutschland waren Braunschweig und Magdeburg zwei Mittelpunkte, denen sich auf der einen Seite Hannover, Hildesheim, Goslar, Göttingen, Einbeck, auf der anderen Seite Halberstadt, Quedlinburg, Aschersleben anschlossen. Nur einige Jahre waren vergangen, seit Braunschweig sich durch Schulden, Revolution und Verbannung ins Unglück gestürzt hatte, und schon, im Jahre 1384, trotzte die blühende Stadt wieder so zuversichtlich auf ihre Kraft, daß sie an eine Verbindung ohne die Herren, und das hieß gegen die Herren, dachte. Zwischen Braunschweig und Goslar, die besonders reich und ergiebig und am meisten durch die welfischen Herzöge gefährdet waren, wurde die Angelegenheit zuerst beraten, dazu kamen Halberstadt, Quedlinburg, Aschersleben, Hildesheim, Hannover, Einbeck. Sie versprachen einander im Falle, daß eine von ihnen durch den Landfrieden verunrechtet würde, gemeinsam den Schaden abzuwehren. Hildesheim und Braunschweig hatten einmal Gelegenheit, sich ihre Hilfsbereitschaft zu beweisen. Daraus, daß Bischof Barthold von Hildesheim eine Steuer auf das Hildesheimer Bier legte, entstand eine Fehde, die dahin führte, daß die Stadt dem Bischof Huld und Eid absagte, und der Bischof die Stadt belagerte. Schon glaubte sich die Stadt, der die Lebensmittel ausgingen, verloren, als der Wächter vom Turm eine lange Reihe Wagen erblickte, die von Braunschweig her Lebensmittel und Waffen herbeiführten. Zugleich brachte ein Hilfsheer Entsatz und ermöglichte einen Frieden, in dem von der Biersteuer nicht mehr die Rede war. Einige Jahre später half Hildesheim zusammen mit Hannover, Göttingen und Einbeck den Braunschweigern den Welfenherzog zu besiegen.
Die sogenannten Sassenstädte traten zu den Städten des Südens und Südwestens nicht in Beziehung; wie immer ging der sächsische Norden seine eigenen Wege und durchkämpfte sein eigenes Schicksal.
Eine ganz abgesonderte Gruppe bildeten die Städte der Oberlausitz, die nur mittelbar, als meistens von Böhmen abhängig, zum Reich gehörten. Im Jahre 1346 schlössen Görlitz, Bautzen, Löbau, Lauban, Kamenz und Zittau den sogenannten Sechsstädtebund. Von ihnen waren Görlitz und Bautzen schon früher miteinander, vorübergehend waren sie mit Breslau und anderen schlesischen Städten verbunden gewesen. Dies Bündnis unterschied sich wesentlich dadurch von denen im Reiche, daß es unter Führung des Königs, Karls IV., geschlossen wurde und in erster Linie seinem Interesse diente, der sich damit eine Stütze gegen den Adel schaffen wollte. Daß es zugleich aber sich für die wirtschaftlichen Interessen der Städte einsetzte, bewies die Zerstörung des neugegründeten Städtchens Neuhaus an der Tschirne, das namentlich Görlitz als unbequemen Nebenbuhler betrachtete. Bis ins 15. Jahrhundert hieß die Oberlausitz das Land der Sechsstädte oder die Sechslande, und noch länger blieb der feste Zusammenhang der sechs Städte.
Die schwäbischen Städte, unter denen Ulm durch Reichtum und unternehmenden Sinn sich hervortat, traten zum ersten Male im Jahre 1331 unter Ludwig dem Bayer zu einem Bündnis zusammen, dessen Regierung überhaupt den Städten förderlich war. Der Kaiser bediente sich der schwäbischen Städte im Interesse seiner Hausmacht, verwandelte aber den Städtebund nach einigen Jahren durch Aufnahme verschiedener Herren in einen Landfriedensbund, der nicht von Dauer war. Die Städte hielten den einmal hergestellten Zusammenhang fest und erneuerten die Einigung ausdrücklich für den Fall, daß ein neuer König ihre Rechte verkümmern sollte. Nachdem Karl IV. es zum Reichsgesetz erhoben hatte, daß keine anderen als Landfriedensbündnisse errichtet werden dürften, mußte der Bund der schwäbischen Städte aufgelöst werden; das änderte sich aber, als der König durch ein Bündnis seines unbequemen Schwiegersohnes, des Herzogs Rudolf von Österreich, mit dem Grafen Eberhard von Württemberg sich bedroht fühlte. Beide, Graf Eberhard und Rudolf der Stifter, gehörten zu den Fürsten, die rücksichtslos auf die Vergrößerung und Festigung ihrer Länder bedacht waren. Die württembergischen Grafen fanden herzhafte Gegner ihrer Politik in den zahllosen schwäbischen Reichsstädten, die die Grafen um so mehr fürchteten, als sie Landvögte in Schwaben waren und dadurch die Mittel hatten, die Selbständigkeit der Städte zu beeinträchtigen. Kaum hatte der Kaiser mit Hilfe der Städte den Grafen Eberhard besiegt, als er ihren Bund wieder auflöste. Als dann dreißig Städte dennoch zusammentraten, schritten die erbitterten Fürsten und Herren zu einer Gewalttat, indem sie den Grafen Ulrich den Älteren von Helfenstein, den die Städte als ihren Hauptmann angestellt hatten, überfielen und gefangennahmen. In einer Schlacht, durch die sie ihn zu befreien hofften, siegten sie zwar; aber der Bürgermeister von Ulm, Heinrich Besserer, der sie anführte, fiel, und den unglücklichen Helfensteiner fand man einige Wochen später in seinem Gefängnis mit durchschnittenem Halse tot. Uneingedenk des Beistandes, den sie ihm früher geleistet hatten, gab der Kaiser sie preis, zwang sie, einen unvorteilhaften Frieden mit dem Württemberger Grafen zu schließen. Mit der Anerkennung seines Sohnes Wenzel zum römischen König beschäftigt, wollte er die Fürsten durch Zugeständnisse auf Kosten anderer für diesen seinen Lieblingsplan gewinnen. Eberhard von Württemberg erhielt die Stadt Weil und die Schultheißenämter von Eßlingen und Gmünd als Pfandbesitz, außerdem die Vollmacht, alle Reichspfandschaften in Schwaben für sich einzulösen. Wieder war es Ulm, das sich nicht beugen ließ; es brachte 14 schwäbische Städte zu einem neuen Bund zusammen, die sich stolz und mutig weigerten, dem neuen König zu huldigen. Der Kaiser, der mit einem großen Heer Ulm belagerte, mußte, ohne etwas ausgerichtet zu haben, wieder abziehen. Als Eberhards Sohn Ulrich sich auf der Achalm festsetzte und von dort aus die Reichsstadt Reutlingen belästigte, entschlossen sich die Städte unter dem Einfluß Ulms zur Schlacht; bei Dettingen trugen sie einen vollständigen Sieg über Ulrich davon. Im selben Jahre legten die Ulmer den Grundstein zu ihrem Dom. Das Glück der Städte brachte den Kaiser auf ihre Seite, mit Leopold von Österreich trat er ihrem Bunde bei, ebenso die angesehenen Städte Regensburg und Nürnberg. Ein großer Aufschwung des Bündniswesens ging durch die Städte im ganzen Reich: im Jahre 1379 verbündeten sich die elsässischen Städte Hagenau, Kolmar, Schlettstadt, Weißenburg, Mülhausen und einige kleinere, 1381 die rheinischen, 1382 die norddeutschen Braunschweig, Göttingen, Goslar, Hildesheim, Lüneburg, Hannover, Helmstedt, Ülzen. Man meint, der Gedanke hätte ihnen kommen müssen, alle diese Teilbünde zu einem einzigen zu verschmelzen und die gesammelte Kraft zugunsten der Reichseinheit oder wenigstens der Städtefreiheit im Gegensatz zum Territorialfürstentum einzusetzen; aber so weit griff ihre Politik nicht. Im Gegenteil beschränkten sie sich bewußt; nicht leicht überschritten sie den Kreis ihrer nächsten Interessen, ließen sich nicht leicht auf Unternehmungen ein, deren Zweck und Ausführung nicht ganz in ihrer Hand gelegen hätte. Immerhin kam es dazu, daß die rheinischen sich mit den schwäbischen Städten vereinigten, obwohl Straßburg warnend den vorsichtigen Grundsatz entgegenhielt, keinen Bund über den Rhein zu machen. Ebenso widersetzten sich die Waldstädte, konnten aber Luzern nicht zurückhalten, da Bern, Zürich, Zug, Konstanz und Solothurn sich anschlossen. Wie hoch die Schweizer Städte gewertet wurden, sieht man daraus, daß ihnen besonders günstige Bedingungen zugestanden wurden. Die Fürsten und Ritter begegneten der städtischen Bewegung, indem sie ihrerseits Verbindungen abschlossen und sich auf den Landfrieden beriefen, den die Städte als eine fürstliche Parteisache ansahen. Die Stimmung war so gespannt, daß ein Ausbruch der Feindseligkeit erwartet wurde. Als Luzern durch Zerstörung des österreichischen Rotenburg den Herzog Leopold zum Angriff reizte und den glorreichen Sieg bei Sempach erfocht, wäre es zum allgemeinen Kriege gekommen, wenn nicht Straßburg vermittelt hätte. Ein Streit des Bischofs Pilgrim von Passau mit den Herzögen von Bayern, die den Bischof veranlaßten, dem Städtebunde beizutreten, gab im Jahre 1388 den Anlaß zum kriegerischen Zusammenstoß. Der Bürgermeister von Ulm, der Stadt, die die Seele des Bundes von Anfang an gewesen war, wieder ein Besserer, fiel in der unglücklichen Schlacht bei Döffingen, die dem Grafen Eberhard von Württemberg die durch den Tod seines Sohnes Ulrich teuer erkaufte Rache brachte. Den rheinischen Städten brachte Ruprecht von der Pfalz bei Worms eine Niederlage bei. Wenzel, inzwischen Nachfolger seines Vaters geworden, der kurz vorher, da er gerade mit den Fürsten im Streite war, sich den Städten zugewendet hatte, verließ sie mit dem Glück. Auf dem Reichstage zu Eger mußten sie auf ihr Sonderbündnis verzichten und dem Landfrieden beitreten, wie es dem Reichsgesetz entsprach. »Der Kaiser wollte nicht einsehen, daß die Städte Gottes Recht führten«, sagte ein städtischer Chronist. »Gott gebe dem heiligen Reich und der heiligen Christenheit eines Tages ein rechtes Haupt.«
Trotz dieses schweren Schlages verloren die Städte den Mut nicht. Sieben Städte am Bodensee, deren Haupt Konstanz war, traten trotz kaiserlichen Gebotes dem Landfrieden nicht bei. Grade um diese Zeit erwarben sich zwei Städte, Regensburg und Dortmund, weithin leuchtenden Ruhm durch die Unbeugsamkeit, mit der sie ihren Feinden widerstanden. Die mächtigen Feinde Regensburgs waren die bayrischen Herzöge; der geringeren, die Fehde ansagten, waren so viele, daß zwei Rollen kaum ihre Namen faßten. Die vergebliche Belagerung wurde zu einem Triumph, dessen Gedächtnis noch jahrelang gefeiert wurde. Während die Belagerung Regensburgs nur drei Monate dauerte, widerstand Dortmund zwei Jahre lang. Dortmunds Feinde waren der Erzbischof von Köln und der Herzog von der Mark, dazu sagten im Namen Kölns 540, im Namen des Herzogs 649 Ritter und eine Reihe erzbischöflicher und märkischer Städte Fehde an. Tapfer verteidigte sich auch Straßburg gegen seinen Bischof, gegen den Markgrafen Bernhard von Baden und Eberhard den Milden von Württemberg. Schon zwei Jahre nach der Niederlage von Döffingen brachte das kühne Ulm wieder einen Bund schwäbischer Städte zustande. Vollends im Norden hatten die Städte soeben eine solche Stellung erkämpft, daß sie sich an Macht und Ansehen neben Heinrich den Löwen, an Weisheit über ihn stellen konnten.