Читать книгу Soldaten des Glücks - Richard Harding Davis - Страница 5

Zweites Kapitel

Оглавление

Inhaltsverzeichnis

Ein Jahr vor dem beschriebenen Diner bei Mrs. Porter war ein Frachtdampfer auf seiner Fahrt nach der Hauptstadt von Brasilien so nahe an der Küste von Olancho vorbeigesegelt, daß sein einziger Passagier in die Höhlen sehen konnte, die die Wellen in die Kalkfelsen der Küste gewühlt hatten. Dieser einzige Passagier war Robert Clay, und er sprach die Vermutung aus, daß die weißen Kalkpalissaden, die den Fuß der Berge am Meeresufer umgaben, vor vielen Jahrtausenden durch eine vulkanische Thätigkeit über den Spiegel der See gehoben worden seien. Bekanntlich liegt Olancho an der Nordostküste von Südamerika, und seine Ufer werden von dem Hauptäquatorialstrome bespült. Vom Deck eines vorüberfahrenden Dampfers aus erhält man nur eine schwache Vorstellung von Olancho, sowie dem Reichtum und der tropischen Pracht, die hinter dem Wall der Küstengebirge verborgen liegen. Nur die trostlosen dunkelgrünen Wände dieser sieht man, und die weißen Höhlen an ihrem Fuße, in die die Wellen mit widerhallendem Donner strömen und woraus Tausende von erschreckten Fledermäusen hervorflattern. Der Bergingenieur, der sich an die Brüstung des Dampfers lehnte, betrachtete das eigentümliche Gebilde der Küste mit geringem Interesse, bis sich das Schiff etwa dreißig Meilen nördlich des Hafens von Valencia befand. Dort bemerkte er, daß die Kalkfelsen verschwunden waren und daß die Wogen jetzt gegen den Fuß der Berge selbst anstürmten. Dieser Berge, die ins Meer vorsprangen, waren es fünf, und ihre Gestalt erinnerte an die fünf Knöchel einer geballten Riesenhand, die flach auf dem Spiegel des Wassers lag. Sie zogen sich sieben Meilen an der Küste entlang, und dann begannen die Höhlen in den Palissaden wieder und erstreckten sich längs der Küste bis zu den großen Klippen, die den Hafen von Valencia schützen.

»Durch die Kalkfelsen haben sich die Wellen leicht hindurchgearbeitet, bis sie an diese fünf Berge prallten,« überlegte der Ingenieur, »und dann mußten sie sich zurückziehen.«

Hierauf suchte er den Kapitän in dessen Kajüte auf und bat ihn, ihm eine Karte der Küste zu zeigen.

»Ich beabsichtige nicht, nach Rio zu fahren,« sagte er später am Tage; »ich will lieber schon hier in Valencia ans Land gehen.«

Demnach verließ er den Frachtdampfer am genannten Orte, verschwand mit einem Ochsenwagen und ein paar Packmaultieren im Inneren und kehrte zurück, um in der Amtsstube des Konsuls einen ausführlichen Bericht an einen gewissen Mr. Langham in den Vereinigten Staaten abzufassen, von dem er wußte, daß er sich lebhaft für Bergwerke und Bergbau interessierte.

»Es sind hier fünf Berge voll Erz,« schrieb Clay, »das zum Teil durch Schürfung über Tage abgebaut werden könnte. Ich habe Massen von Roteisenerz offen am Abfalle des Berges liegen sehen, das nur auf Hacke und Schaufel wartet. An einer Stelle waren wenigstens fünftausend Tonnen voll in Sicht. Ich möchte es als Bessemererz erster Klasse bezeichnen, das gewiß dreiundsechzig Prozent metallisches Eisen enthält. Den Leuten hier ist sein Vorhandensein zwar bekannt, aber sie haben keine Ahnung von seinem Werte und sind zu faul, es selbst auszubeuten. Zum Wegschaffen wäre weiter nichts nötig, als der Bau einer zwanzig Meilen langen Frachteisenbahn längs der Küste bis zum Hafen von Valencia, wo Sie das Erz von Ihrem eigenen Ladeplatze unmittelbar in Ihre eigenen Schiffe schütten könnten. Eine Verschiffung von den Gruben selbst wäre meines Erachtens nicht angängig, obgleich, wie ich schon erwähnt habe, das Erz bis ins Wasser reicht; allein es ist dort kein Platz, wo ein großes Schiff in Sicherheit ankern könnte. Ich werde mir auch Einblick in die politische Seite der Frage zu verschaffen suchen, und was für eine Art von Ausbeutungsrecht ich Ihnen sichern könnte; allein ich sollte denken, daß die Regierung mit zehn Prozent des Ertrages zufrieden sein wird, und natürlich müßte sie Maschinen und Werkzeuge zollfrei einführen lassen.«

Sechs Monate, nachdem dieser Bericht in New York eingetroffen war, wurde die »Bergwerksgesellschaft Valencia« in aller Form Rechtens gegründet und ein Mann Namens van Antwerp mit zweihundert Arbeitern und einem halben Dutzend Hilfsbeamten nach dem Süden geschickt, um die Frachteisenbahn zu bauen, den Hafendamm anzulegen und die fünf Berge von Wald und Unterholz zu befreien. Das war keine Feiertagsarbeit, sondern eine ernste und schwierige Aufgabe, die viel Umsicht erforderte, und van Antwerp war nicht der Mann dazu, sie zu lösen. Abwechselnd eigensinnig, selbstbewußt und gleichgültig, verließ er sich nicht auf seine Untergebenen, sondern verteidigte seine eigenen Ansichten eifersüchtig gegen jede Anzweiflung oder Besprechung und stieß bei jedem Schritte die ihre Bequemlichkeit liebenden Leute, in deren Mitte er arbeiten sollte, vor den Kopf. Ihre Gewohnheit, alles aufzuschieben, machte ihn ärgerlich, und er verletzte beständig ihre träge Gutmütigkeit und ihren Stolz. Die reichen Pflanzer, denen das Land zwischen den Bergwerken und dem Hafen gehörte, über das die Eisenbahn geführt werden mußte, behandelte er mit ebenso wenig Rücksicht, als er dem Regiment Soldaten erwies, das ihm die Regierung als Bergarbeiter verpachtet hatte.

Sechs Monate, nachdem van Antwerp die Leitung der Arbeiten bei Valencia übernommen hatte, wurde bei Clay, der eben mit dem Bau der Eisenbahn in Mexiko, wovon King gesprochen hatte, fertig geworden war, telegraphisch angefragt, ob er die Leitung der Gewinnung des Erzes, das er entdeckt hatte, und seiner Verschiffung nach dem Norden übernehmen wolle. Dieses Anerbieten, das ihm den Titel »Betriebsdirektor« nebst einem ungeheuren Gehalt einbrachte, nahm er ohne Zögern an. Die schwierigsten Vorbereitungsarbeiten seien bereits erledigt, und seine Aufgabe werde darin bestehen, unter seiner Leitung die wichtigere Arbeit der Ausbeutung der fünf Berge, des Pochens des Erzes und der Beladung der Dampfer fortzusetzen, wurde ihm mitgeteilt. Auch erhielt er die Vollmacht, van Antwerp abzusetzen, und ein Empfehlungsschreiben an den Minister der öffentlichen Arbeiten. Weiter wußte er nichts über die Aufgabe, die seiner wartete, allein er schloß aus dem Umstande, daß ihm die beinahe unerhörte Summe, die er für seine Dienste verlangt hatte, anstandslos bewilligt worden war, daß sie sehr wichtig sein müsse, oder daß er diejenige Stelle seiner Laufbahn erreicht habe, wo er wirklich zu arbeiten aufhören und als Sachverständiger, der die Leistungen anderer beurteilt, in aller Bequemlichkeit leben könne.

Von Valencia nach dem Bergwerke gondelte Clay in einem Raddampfer an der Küste entlang, der bis zur Grenze seiner Brauchbarkeit auf dem Mississippi gedient hatte und am Quai von New Orleans verfaulte, als van Antwerp ihn mietete, um Werkzeuge und Maschinen nach den Bergwerken zu schaffen und ihm später als Privatjacht zu dienen. Clay hatte die Wahl zwischen diesem Dampfer, einem kleinen Boote oder einem Ritt an der unvollendeten Eisenbahn entlang. Jeder dieser drei Wege nahm sechs wertvolle Stunden in Anspruch, und Clay, der nicht wenig begierig war, sein neues Thätigkeitsfeld zu Gesicht zu bekommen, klopfte ungeduldig auf die Brüstung des rollenden Zubers, der sich durch die See wälzte.

Die drei ersten Tage nach seiner Ankunft bei den Bergwerken brachte er in den Bergen zu, auf denen er herumkletterte oder deren Fuß er umritt, wobei er da schlief, wo die Nacht ihn überraschte. Bei dieser Besichtigungsreise begleitete ihn van Antwerp nicht, vielmehr überließ er diese Pflicht einem Ingenieur Namens Mc Williams und einem Herrn Weimer, dem Konsul der Vereinigten Staaten in Valencia, der der Gesellschaft vielfach nützlich gewesen und in alles eingeweiht war.

Drei Tage lang dauerte der beschwerliche Marsch, der über gefallene, durch das Moos von Jahrhunderten schlüpfrig gewordene Baumstämme und durch Wasserschründe führte, wo die Wanderer auf dem losen Gestein rückwärts glitten; dann wieder mußten sie sich fast flach auf den Rücken ihrer Ponies legen, um den hängenden Schlingpflanzen auszuweichen.

Oft ging es stundenlang zusammengekrümmt im Gänsemarsch, wobei sie nichts sahen, als die glänzenden Rücken und Schultern der vor ihnen herziehenden und ihnen einen Weg durchs Dickicht bahnenden Neger. Dann wieder standen sie plötzlich am Rande eines Abgrundes, sogen den weichen, kühlen Duft des Ozeans ein und schauten Tausende von Metern hinab, wo das undurchdringliche Grün, durch das sie eben gekrochen waren, von der schillernden Fläche der Karaibischen See begrenzt wurde. Es waren drei Tage fieberhafter Thätigkeit von Sonnenaufgang bis zum Einbruch der Nacht, und besorgte Fragen beschäftigten die Ermüdeten noch lange am Lagerfeuer, wenn sich die Dunkelheit auf sie herabgesenkt hatte und keine anderen Laute an den Bergabhängen hörbar waren, als das Rauschen eines Wasserfalles in einer fernen Schlucht und der Schrei der Nachtvögel.

Am Morgen des vierten Tages kehrten Clay und seine Genossen ins Lager zurück und ritten nach dem Orte, wo die Leute eben angefangen hatten, den Abhang eines Berges wegzusprengen.

Als Clay zwischen den Blechbaracken und Palmenhütten der Soldaten hindurchritt, kamen sie heraus, um ihn zu begrüßen, und einer, der ihr Wortführer zu sein schien, ergriff Clays Pferd am Zügel und bat mit dem Sombrero in der Hand um ein Wort mit dem Señor Direktor.

Die Nachricht von Clays Rückkehr hatte sich an der Arbeitsstelle verbreitet, und das Stampfen der Maschinen sowie das Sprengen hörte auf, während die Hilfsingenieure das Thal herunterkamen, um den neuen Betriebsdirektor zu begrüßen. Als sie ihn erreichten, saß er auf seinem Pferde, blickte gerade vor sich hin und hörte die Geschichte des Soldaten an, dessen Finger, während er sprach, mit der ganzen Anmut und Leidenschaft einer südlichen Natur in der Luft zuckten. Dabei standen seine Genossen als ein schweigender Chor mit gespannten, flehenden Blicken demütig hinter ihm. Auf das, was der Mann sprach, erwiderte Clay einige kurze Worte, in der spanischen Mundart, worin er angeredet worden war, und wandte sich dann mit einem finsteren Lächeln der Gruppe der Ingenieure zu. Diese ließ er einige Augenblicke warten, während deren er sie musterte, als ob er sie noch nie zuvor gesehen hätte.

»Nun, meine Herren,« begann er endlich, »ich freue mich, daß ich Sie alle hier beisammen habe, und bedaure nur, daß Sie nicht früh genug gekommen sind, um zu hören, was dieser Mann mir gesagt hat. Für gewöhnlich schenke ich Klagen nicht so viel Beachtung, aber was er mir mitgeteilt hat, habe ich zum Teil mit eigenen Augen gesehen, zum Teil ist es mir auch schon von anderer Seite bestätigt worden. Drei Tage bin ich jetzt hier, und ich versichere Ihnen, meine Herren, wenn ich nur an meine eigene Bequemlichkeit dächte, thäte ich am besten, meine Sachen wieder einzupacken und mit dem nächsten Dampfer nach Hause zu fahren. Ich bin hierher geschickt worden, um die Leitung eines in vollem Betriebe befindlichen Bergwerks zu übernehmen. Und was finde ich? Ich finde, daß Sie in sechs Monaten so gut wie nichts gethan, und daß das wenige, was zu thun Sie sich herbeigelassen haben, so schlecht ausgeführt ist, daß alles noch einmal gemacht werden muß, daß Sie nicht nur ein halbes Jahr Zeit verschwendet haben – und ich weiß nicht, wie viel Geld –, sondern daß Sie es auch fertig gebracht haben, die Leute, auf deren guten Willen wir unbedingt angewiesen sind, aufsässig zu machen. Ihre Maschinen haben Sie verrosten und Ihre Arbeiter in Krankheit verkommen lassen. Sie haben nicht nur nichts gethan, sondern Sie haben noch nicht einmal eine Zeichnung, woraus ich ersehen könnte, was zu thun Sie beabsichtigten. Niemals in meinem Leben ist mir Faulheit, Mißwirtschaft und Unfähigkeit in so großartigem Maßstabe entgegengetreten. Der Hafendamm ist nicht gebaut, die Eisenbahn ist noch nicht im Betriebe, und Sie haben noch nicht ein Gramm Erz gefördert. Valencia ist Ihnen besser bekannt, als dieses Bergwerk; die Stadt freilich kennen Sie von der Alameda bis zum Kanal. Die Abende, wo die Musik auf der Plaza spielt, können Sie mir nennen, aber mir die Höhe eines einzigen dieser Berge anzugeben, sind Sie nicht im stande. Ihre Tage haben Sie auf dem Pflaster vor den Cafés verbracht und Ihre Nächte in den Tanzsälen, aber Ihr Gehalt haben Sie jeden Monat pünktlich erhoben. Vor diesen Mischlingen, die Sie in diesem Fiebernest haben verhungern lassen, habe ich mehr Achtung, als vor Ihnen. Sie haben diese armen Menschen schlimmer behandelt, als ich einen Hund behandeln würde, und wenn einer von den Leuten stirbt, so kommt sein Tod auf Ihr Haupt. Sie haben sie in ein Fieberlager gelegt und sich noch nicht einmal die Mühe genommen, es zu entwässern. Ihre Verpflegungseinrichtungen sind unter dem Strich, und Sie lassen die Leute so viel Rum trinken, als ihnen beliebt. Nicht einer von Ihnen ...«

Die Gruppe der schweigenden Männer löste sich auf; nur einer von ihnen trat vor und drohte Clay mit dem Zeigefinger.

»Solche Reden lasse ich mir von keinem Menschen gefallen,« rief er erregt. »Bilden Sie sich ja nicht ein, daß ich unter Ihnen arbeiten werde. Ich verlange meine sofortige Entlassung.«

»Was wollen Sie?« rief Clay. »Sie verlangen Ihre Entlassung?«

Bei diesen Worten stieß er seinem Pferde die Sporen in die Weichen und warf es herum, so daß er den Leuten wieder ins Gesicht sah.

»Wie können Sie sich unterstehen, von Entlassung zu sprechen? Wenn es mir gefällt, werde ich die ganze Gesellschaft auf dem nächsten Dampfer nach New York schicken und Ihnen ein solches Zeugnis mitgeben, daß Sie froh sein werden, wenn Sie noch die gemeinste Arbeit erhalten. Sie sind noch nicht in der Lage, von Entlassung reden zu können – nicht ein Einziger von Ihnen. Doch,« fügte er, sich selbst unterbrechend, hinzu, »einer von Ihnen kann es, und das ist Mc Williams, der den Eisenbahnbau geleitet hat. Seine Schuld ist es nicht, daß die Bahn noch nicht betriebsfähig ist. So viel ich gehört habe, ist er nicht im stande gewesen, das Wegerecht von den Besitzern des Landes zu erlangen, aber ich habe gesehen, was er fertig gebracht hat, und bitte ihn um Entschuldigung – aber nur Mc Williams. Was Sie andere angeht, so will ich Ihnen eine Probezeit von einem Monat bewilligen. Ohnehin dauert es noch einen Monat, bis der nächste Dampfer hierherkommt, und diese Zeit will ich Ihnen gewähren, damit Sie wieder gut machen können, was Sie gefehlt haben. Wenn diese Zeit abgelaufen ist, werden wir uns wieder sprechen, aber Sie sind jetzt nur noch auf Probe und so lange ich Sie dulde hier. Guten Morgen!«

Wie sich Clay gerühmt hatte, war er nicht der Mann danach, seine Stelle aufzugeben, weil er fand, daß die Rolle, die er zu spielen hatte, nicht die des Leiters, sondern eher die eines Mädchens für alles war, und obgleich es schon eine Reihe von Jahren her war, seit es mit zu seinen Pflichten gehört hatte, die Zusammensetzung von Maschinen zu überwachen oder den Polizeidienst in einem Bergmannslager zu regeln, machte er sich doch mit ernstem Eifer an die vor ihm liegende Arbeit, um seinen Untergebenen zu zeigen, daß es nicht darauf ankomme, wer die Arbeit thue, sondern darauf, daß sie überhaupt gethan werde. Anfangs waren die Leute verdrossen, empfindlich und argwöhnisch, aber sie konnten der Wahrnehmung, daß Clay die Arbeit von Fünfen nicht nur ohne Murren, sondern anscheinend mit dem größten Vergnügen that, nicht lange widerstehen. Die reichen Kaffeepflanzer, denen das Land gehörte, dessen er für die Eisenbahn bedurfte, versöhnte er durch Staatsbesuche in aller Form und durch weniger förmliche Gastmähler, denn er erkannte, daß das Eisenbergwerk auch eine gesellschaftliche und eine politische Seite hatte. Diese Thatsache im Auge behaltend, beging er die Eröffnung der Bahn mit großer Feierlichkeit, viel Musik und Gelagen, und das erste Stück Erz, das aus dem Bergwerke zu Tage gefördert wurde, ließ er in Diamanten fassen und machte es der Frau des Ministers des Inneren zum Geschenk, so daß die Frauen der anderen Minister bedauerten, daß ihre Männer nicht dieses Portefeuille gewählt hatten. Darauf folgten sechs Monate harter, unablässiger Arbeit, während deren der große Hafendamm von Mc Williams' Eisenbahn in die See hinauswuchs und der Abfall des ersten Berges seines grünen Gewandes entkleidet wurde und in verstümmelter Nacktheit stehen blieb, während der Klang der Hämmer und Aexte, das donnernde Krachen des Dynamits und das warnende Pfeifen der Maschinen dem Schweigen der Jahrhunderte ein Ende machten.

Ein langer, mühsamer Kampf war es gewesen, der Clay indessen einen hohen Genuß bereitet hatte. Zwei unerwartete Umstände trugen viel zum Erfolge bei. Der eine war die Ankunft des jungen Teddy Langham in Valencia, der angeblich kam, um den Beruf zu erlernen, den Clay in so hervorragender Weise vertrat, in Wahrheit jedoch, um über seines Vaters Interessen zu wachen. Er wurde Clay zugeteilt, und dieser verstand es, ihn etwas lernen zu lassen, er mochte wollen, oder nicht, denn Clay lenkte ihn und Mc Williams, die er beide sehr gern hatte, als ob sie, wie sie klagten, die widerspenstigsten Glieder seines ganzen Stabes gewesen wären.

Der zweite wichtige Umstand war die Mitteilung, die der junge Langham eines Tages machte, daß die Aerzte seinem Vater ein mildes Klima verordnet hätten und daß er und seine beiden Töchter in einem Monat kommen würden, um den Winter in Valencia zu verleben und zu sehen, wie sich der Sohn und Erbe als Geschäftsmann entwickelte.

Daß Mr. Langham nach Olancho kommen und seine neuen Besitzungen besichtigen wolle, war keine Ueberraschung für Clay. Schon früher hatte er sich das als möglich vorgestellt, besonders seit der Sohn eingetroffen war und sich ihnen dort zugesellt hatte. Die Gegend war an sich schön und interessant genug, einen Besuch zu rechtfertigen, und es war ja nur eine zehntägige Reise von New York, allein die Möglichkeit, daß auch Miß Langham kommen werde, hatte er nie in Betracht gezogen, und als dies nicht nur möglich, sondern gewiß geworden war, träumte er von nichts anderem mehr. Allerdings lebte er so ernst und arbeitete so unverdrossen, als bisher, aber der Ort war vollkommen verwandelt für ihn. Jetzt sah er ihn gewissermaßen mit ihren Augen, wenn er daneben auch seinen eigenen Gesichtspunkt festhielt. Es war, als ob er die Brennweite eines Fernglases vergrößert habe und durch dieses über das vor ihm Liegende und Greifbare hinaus etwas Schönes und Malerisches erblicke.

Manchmal überraschte er sich selbst dabei, wie er in Erwartung ihrer Freude über die an den abgestorbenen Bäumen hoch über dem Eingang des Bergwerkes hängenden Orchideen oder über die wie bunt glänzende Geschosse zwischen den Schlingpflanzen hin und her huschenden Papageien lächelte, und er betrachtete den Hafen bei Nacht mit den auf dem Wasser schwimmenden bunten Lichtern wie ein für ihre Augen hergerichtetes Bild. Er entwarf Pläne zu Gastmählern, die er ihr zu Ehren auf dem Balkon des großen Restaurants an der Plaza veranstalten wollte, wo abends die Musik spielte und die Sennoritas in langen Reihen zwischen den bewundernden Offizieren und Caballeros umherschlenderten, und malte sich aus, wie er, wenn die Erzboote beladen wären und seine Arbeit ihm mehr Zeit ließe, mit ihr über die rauhen Bergpfade zwischen herrlichen Reihen königlicher Palmen reiten oder Ausflüge auf der Bai machen würde, um die Höhlen zu erforschen und an Bord des Raddampfers zu frühstücken, der für sie neu gemalt und vergoldet werden sollte. Er stellte sich vor, wie er den Führer spielen und sie durch das große Bergwerk geleiten, ihre einfachen Fragen über die seltsamen Maschinen, die Arbeiter und die Art, wie er die zweitausend Menschen beherrschte, beantworten würde. Nicht persönlicher Stolz auf die Bergwerke war es, was ihn wünschen ließ, daß sie sie sehen möchte, nicht weil er sie entdeckt und erschlossen hatte, wollte er sie ihr gern zeigen, sondern als ein wunderbares Schauspiel, das, wie er hoffte, ihr Interesse erregen würde.

Aber die größte Freude empfand er, als der junge Langham vorschlug, für seine Angehörigen auf dem Gipfel des Hügels, der über den Hafen und den zur Verladung des Erzes angelegten Damm vorsprang, ein Haus zu erbauen. Dann, so stellte der junge Langham vor, würde er viel mehr von seiner Familie haben, als wenn diese sich in der fünf Meilen entfernten Stadt niederließe.

»Wir können im Geschäftshause an diesem Ende der Eisenbahn wohnen bleiben,« sagte der junge Mann, »und sind ihnen doch ganz nahe, wenn wir abends von der Arbeit heimkehren. Wohnen sie aber in Valencia, so geht der größte Teil des Abends mit dem Weg nach der Stadt hin und vor Tagesgrauen kommt man nicht heim, denn aus dem Klub bringt man mich unter drei Stunden nicht wieder heraus. Das Haus wird uns vor Versuchung bewahren.«

»Sehr richtig,« entgegnete Clay mit einem schuldbewußten Lächeln, »es wird uns vor Versuchung bewahren.«

Demnach wurde das Unterholz weggeräumt, und sie stellten eine große Zahl von Arbeitern an, die den schönsten und behaglichsten Bungalow am Rande des Hafens erbauen sollten. Die Fußböden wurden mit blauen, grünen und weißen Fliesen belegt und das Dach mit Hohlziegeln gedeckt, die die Luft einließen, die Wasserspeier waren Drachenköpfe und die Veranden so breit, als das Haus selbst. In der Mitte lag ein offener Hof mit einem plätschernden Springbrunnen, und die Balkons des oberen Stockes gingen nach diesem Hofe hinaus. Zur Ausschmückung dieses Patio wurden die Leute auf Meilen im Umkreise gebrandschatzt und mußten tropische Pflanzen und bunte Matten und Vorhänge hergeben. Clay und seine Freunde selbst fällten die Bäume, die die Aussicht über den langen, sich vom Meere bis nach Valencia erstreckenden Hafen verdeckten, und pflanzten eine Wand von anderen Bäumen, um den unschönen Eisenerzdamm zu verbergen. Die kahlen Stellen wurden mit Rasen belegt, kurz, der ganze Ort so vollständig umgestaltet, als ob eine Fee ihren Zauberstab darüber geschwungen hätte. Eine große Ueberraschung sollte es werden, und sie alle drei – Clay, Mc Williams und Langham – nahmen ein so lebhaftes Interesse daran, als ob die Vorbereitungen ihren eigenen Flitterwochen gegolten hätten. Wenn sie durch die Straßen von Valencia schlenderten, kam es oft vor, daß einer von ihnen ausrief: »Das müßten wir fürs Haus haben!« und dann gingen sie ohne weiteres zusammen in den Laden und bestellten für das Haus des Präsidenten der Bergwerksgesellschaft, was ihnen gefiel. Sie versorgten es mit Wein und Leinenzeug, mieteten eine Volante Ein im spanischen Südamerika sehr gebräuchlicher Wagen mit hohen Rädern. mit sechs Pferden und statteten den Kutscher mit Stiefeln aus, die ihm bis über die Kniee gingen, einer silbergestickten Jacke und einem Sombrero, der so reich verziert war, daß er in der Sonne wie ein Heiligenschein um seinen Kopf erglänzte, aber es wurde ihm bei schwerer Strafe verboten, diese Pracht anzulegen, bevor die Damen angelangt wären. Clay war entzückt, als er fand, daß es nur die schönen und erhabenen Dinge seines täglichen Lebens waren, die den Gedanken an sie in ihm wachriefen, als ob sie in seinem Geiste mit weniger würdigen Dingen nicht verbunden sein könne.

»Die Aussicht von diesem Ende der Terrasse wird ihr gefallen,« oder »dies wird ihr Lieblingsspaziergang sein,« oder »hier wird sie ihre Hängematte aufhängen,« und »der Teppich, den Weimer ausgesucht hat, wird entschieden nicht nach ihrem Geschmack sein,« und ähnliches waren die Gedanken, die ihn beständig beschäftigten.

Während dieser Feenpalast emporwuchs, setzten die drei Männer ihr rauhes Leben in der am Ende der Frachteisenbahn stehenden hölzernen Hütte fort, die dreihundert Schritte unter dem Hause lag und durch eine undurchdringliche Wand von Gebüsch den Blicken von dort entzogen war. Eine holperige Straße führte von da nach der fünf Meilen entfernten Stadt, und diese Straße hatten sie verbessert und bis nach der »Palmenvilla«, welchen Namen der junge Langham für das Haus seines Vaters gewählt hatte, ausgebaut. Als endlich alles vollendet war, blieben sie unter dem Wellblechdache ihres Geschäftsgebäudes wohnen und schlossen die Palmenvilla ab, die bis zur Ankunft ihrer rechtmäßigen Eigentümer unter der Obhut eines Gärtners und eines Wächters gelassen wurde.

Es war ein entsetzlich warmer, schwüler Tag gewesen, und selbst jetzt war die Luft noch so heiß, daß einem übel werden konnte, wie in der des Maschinenraumes eines Dampfers. Wetterleuchten zuckte um den Hafen und die Berge und zeigte die leeren Landungsbrücken, die schwarzen Umrisse der Dampfer, die weiße Vorderseite des Zollhauses und den langen Halbkreis der flimmernden Lampen am Staden. Mc Williams und Langham saßen stöhnend auf den untersten Stufen der Veranda des Geschäftsgebäudes und überlegten, ob sie zu träge seien, sich anzuziehen und nach der Stadt zu rudern, wo viel Unterhaltung in Aussicht stand, da es Sonntag abend war. Schon seit einer Stunde versuchten sie, zu einem Entschlusse darüber zu gelangen, und jetzt baten sie Clay, mit seinen Arbeiten aufzuhören und die Frage für sie zu entscheiden. Allein dieser, der im Inneren saß und unter dem grünen Schirm einer Studierlampe rechnete und schrieb, gab keine Antwort. Die Wände von Clays Arbeitszimmer bestanden aus ungehobelten Brettern, die von Splittern starrten, und waren mit Plänen und Karten des Bergwerks behängt. Ueber dem Tische war ein sehr buntscheckiges Bildnis von Madama la Presidenta an die Wand genagelt, der vornehmen und schönen Dame, die Alvarez, der Präsident von Olancho, vor kurzem in Spanien geheiratet hatte. Dieser Tisch mit seiner grünen Wachstuchplatte, die Lampe, die von geflügelten Insekten geräuschvoll umschwirrt wurde, und ein irdener Wasserkrug, von dem das Wasser mit der Regelmäßigkeit des Tickens einer Uhr tropfte, bildeten die ganze Ausstattung des Zimmers. Auf einem Bort neben der Thüre lagen die Macheten Macheten sind lange, gerade, breite und sehr schwere Säbel, die gewöhnlich scharf wie Rasiermesser geschliffen und in den Händen der damit vertrauten Eingeborenen eine furchtbare Waffe sind. der Leute, ein paar Patronengürtel und ein Revolver in einem Halfter.

Clay erhob sich vom Tische und erschien im hellen Viereck der Thür, wo er sich behaglich streckte, denn seine Gelenke waren von dem vielen Durchwaten von Flüssen und dem Klettern über Felsen schmerzhaft und steif. Das rote Erz und der gelbe Schmutz der Bergwerke klebte an seinen Stiefeln und Reithosen, denn er hatte knietief im Wasser gestanden, und sein Hemd schmiegte sich ihm an den Leib wie ein Badeanzug, so daß man, wenn er atmete, seine Rippen und die Umrisse seiner breiten, gewölbten Brust sehen konnte. Ein Ring glühenden Papiers und heißer Asche fiel von seiner Zigarette auf seine Brust und brannte ein Loch in sein Wollhemd, aber er ließ es ruhig dort liegen und beobachtete es mit einem gleichgültigen Lächeln.

»Ich wollte sehen,« erklärte er, als er den neugierigen Blick in Mc Williams' Augen wahrnahm, »ob es noch etwas Heißeres gäbe, als mein Blut. Es schießt durch meine Adern wie kochendes Wasser in einem Topfe.«

»Hört ihr,« sagte Langham, indem er die Hand erhob, »eben wird im Kloster zum Gebet geläutet, und nun ist es zu spät, noch nach der Stadt zu gehen. Ich bin eigentlich ganz froh darüber, denn ich bin zu müde, als daß ich mich noch lange wach erhalten könnte, und außerdem verstehen die Leute dort nicht, sich in zivilisierter Art zu unterhalten – wenigstens nicht in einer Art, die mir zusagte. Ich wollte, ich wäre in diesem Augenblick zu Hause; was meinen Sie, Mc Williams? Dies ist etwa die Stunde, wo im Lande Gottes alle Leute im Theater sind, oder sie haben gerade ihr Diner beendet und schlürfen kühle grüne Pfefferminzlimonade, worin kleine Stückchen Eis schwimmen. Am liebsten wäre es mir« – er hielt inne und sah mit zur Seite geneigtem Kopfe Mc Williams an, der wenig Einbildungskraft hatte – »was ich am liebsten thäte,« fuhr er nachdenklich fort, »das wäre, in einer komischen Oper auf der ersten Reihe dicht am Mittelgange zu sitzen. Die Primadonna müßte sehr schön sein und meistens mich ansingen; außerdem müßten drei gute Komiker mitspielen, und der Chor dürfte nur aus Mädchen bestehen. Ich habe überhaupt nie recht begreifen können, weshalb Männer im Chor sind. Kein Mensch sieht sie an. Da möchte ich sein. Und Sie, Mc Williams?«

Mc Williams war der Vertreter einer Menschengattung, mit der Clay sehr vertraut war, aber für den auf der Universität ausgebildeten Langham war er eine Offenbarung und ein Genuß. Er stammte aus einer kleinen Stadt im Westen und hatte das, was er von der Ingenieurkunst verstand, auf dem Wege der praktischen Erfahrung gelernt, nachdem er seine Lehrzeit mit dem Abhauen von Büschen und dem Eintreiben von Pfählen begonnen hatte. Den größten Teil seines Lebens hatte er in Mexiko und Zentralamerika verbracht, und er sprach von seinem Heim, das er seit zehn Jahren nicht gesehen hatte, mit der übertriebenen Anhänglichkeit eines eingefleischten Wanderers. Weil sie aus den Vereinigten Staaten kamen und ihm nach der Heimat schmeckten, zog er, wie allgemein bekannt war, Mais und Tomaten in Blechbüchsen den herrlichen Erzeugnissen des Landes vor. In seinem jungen Leben drängten sich Erfahrungen zusammen, die die Nerven jedes anderen Mannes von zarterer Empfindsamkeit und weniger Sinn für das Lächerliche zu Grunde gerichtet haben würden, aber gerade diese Erfahrungen hatten ihn nur zu einem pfiffigen und auf sich selbst vertrauenden Manne gemacht, der bei allen Gelegenheiten oder Schwierigkeiten vollkommen gelassen blieb.

Nachdenklich sog er an seiner Pfeife und überlegte Langhams Frage aufs sorgfältigste, während Clay und der jüngere Gefährte mit auf die Kniee gestützten Armen seine Entscheidung in gedankenvollem Schweigen erwarteten.

»Ich ginge auch gern in ein Theater,« sagte Mc Williams endlich mit einer Miene, als ob er zeigen wolle, daß auch er Sinn für die Kunst habe. »Ich möchte den Komiker mal wieder sehen, den ich im Jahre achtzig – ach, wie lange ist das her! – ehe ich an der Atchison-Santa Fé-Eisenbahn arbeitete – gesehen habe. Das war ein gelungener Kerl, und er hieß Owens – John E. Owens.«

»Du lieber Himmel, Mc Williams!« rief Langham ungeduldig. »Der Mann ist ja schon seit fünf Jahren tot!«

»So?« entgegnete Mc Williams nachdenklich. »Na,« schloß er, ohne sich irre machen zu lassen, »das kann ich nicht ändern, aber den möchte ich am liebsten sehen.«

»Sie dürfen noch einen zweiten Wunsch aussprechen, Mac,« drängte Langham, »nicht wahr, Clay?«

Clay nickte ernst, und Mc Williams runzelte wieder nachdenklich die Stirn.

»Nein,« sagte er, nachdem er sich eine Weile Mühe gegeben hatte, etwas anderes zu finden, »nein, Owens, John E. Owens, das ist mein Mann; den möchte ich gern sehen.«

»So, nun will ich meinen zweiten Wunsch zum besten geben,« sagte Langham. »Ich stelle den Antrag, daß jeder von uns zwei Wünsche aussprechen darf. Ich wünsche ...«

»Warten Sie doch; ich habe ja meinen ersten Wunsch noch zu gute,« unterbrach ihn Clay. »Sie sind schon einmal an der Reihe gewesen. Ich möchte gerne an einem Orte in Wien sein, den ich kenne. Es ist nicht so heiß, als hier, sondern kühl und frisch, ein Konzertgarten mit Hunderten von farbigen Lichtern und Bäumen, und es herrscht immer ein angenehmer Luftzug. Eduard Strauß, der Sohn, wissen Sie, leitet das Orchester, das nichts als Walzer spielt. Er steht vor den Musikern und beginnt, indem er die Schultern in die Höhe zieht, sich auf die Fußspitzen erhebt und dann langsam wieder sinken läßt, während er seinen Taktstock ausstreckt, als ob er die Musik damit herausziehen wolle. Der ganze Ort scheint sich zu wiegen und zu bewegen, und es ist, als ob man aufgehoben und auf dem Deck einer großen Jacht über die Wogen getragen würde, und ringsum sitzen die schönen Wienerinnen und die österreichischen Offiziere in ihren blauen Röcken, hohen Mützen und den blanken Säbeln an der Seite. Und es gibt kühle Getränke,« fuhr Clay fort, während er das aufsteigende Gewitter beobachtete, »alle möglichen Sorten von kühlen Getränken in hohen, schlanken Gläsern voll Eis – so viel Eis, als Sie nur haben wollen ...«

»Hören Sie auf! Hören Sie auf!« rief Langham mit einem Zucken seiner schweißtriefenden Schultern, »ich kann's nicht mehr aushalten, ich verschmachte!«

»Still,« unterbrach ihn Mc Williams, indem er sich vorwärts neigte und scharf in die Nacht hinausspähte. »Es kommt jemand.«

Unten auf der Straße konnte man Hufschlag und das Rasseln der Landkrebse hören, die sich in den Büschen verkrochen, und plötzlich kamen zwei Reiter aus der Dunkelheit zum Vorschein und zügelten ihre Pferde in dem aus der offenen Thüre strömenden Lichtschein. Der erste war der General Mendoza, der Führer der Opposition im Senate, der zweite seine Ordonnanz. Der General schwenkte seinen Panamahut bis zum Knie und machte drei Verbeugungen im Sattel.

»Guten Abend, Euer Excellenz,« sagte Clay, indem er sich erhob. »Wollen Sie so gut sein,« fuhr er, zu Langham gewandt, fort, »dem Diener zu sagen, er solle mir meinen Rock bringen?«

Langham klatschte in die Hände, worauf das Spiel einer Guitarre aufhörte, Diener und Koch hinter der Hütte hervorkamen und dem General das Pferd hielten, während dieser abstieg.

»Warten Sie, bis ich Ihnen einen Stuhl gebracht habe,« sagte Clay. »Diese Stufen würden nicht sehr zuträglich für Ihren weißen Anzug sein.«

»Ich habe Glück, daß ich Sie zu Hause treffe,« entgegnete der Offizier lächelnd, wobei seine weißen Zähne sichtbar wurden. »Der Fernsprecher funktioniert nicht. Ich habe es im Klub versucht, konnte Sie aber nicht anrufen.«

»Das liegt am Gewitter,« antwortete Clay, während er seinen Rock anzog. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«

Damit ging er ins Haus, um gleich darauf mit einer Anzahl Flaschen auf einer Platte und einem Päckchen Zigarren wieder zu erscheinen. Der Süd-Amerikaner goß sich ein Glas Wasser ein und mischte es mit sehr wenig Jamaikarum.

»Ihre Landsleute behaupten,« sagte er dabei lächelnd, »daß, wenn ein Mensch nach Olancho komme, er anfänglich etwas Rum in sein Wasser gieße, während er später ein wenig Wasser in seinen Rum mische.«

»Ja,« antwortete Clay lachend, »ich fürchte, das ist wahr.«

Eine kleine Pause trat ein, während deren die Herren an ihren Gläsern nippten und die Pferde und die Ordonnanz betrachteten. Das Klimpern der Guitarre wurde wieder von der Küche hörbar.

»Von hier aus hat man eine sehr schöne Aussicht über den Hafen,« sagte Mendoza, dem die Ruhe nach dem Ritte zu behagen schien und der es augenscheinlich nicht eilig hatte, auf den eigentlichen Zweck seines Besuches zu kommen. Mc Williams und Langham sahen sich verstohlen an, Clay betrachtete das brennende Ende seiner Zigarre, und alle warteten.

»Wie steht's mit dem Bergwerke?« fragte der Offizier freundlich. »Wie ich höre, wird viel gutes Eisen gefunden.«

»O ja, die Sache entwickelt sich ganz leidlich,« stimmte Clay zu. »Zuerst hatten wir freilich mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, aber jetzt, wo alles im Gange ist, fördern wir ungefähr zehntausend Tonnen monatlich. Doch hoffen wir, bald auf zwanzigtausend zu kommen, wenn die neuen Stollen etwas weiter getrieben sind und unsere Verschiffung besser geordnet ist.«

»So viel!« rief der General erfreut. »Und davon wird die Regierung meines Landes ihren Anteil von zehn Prozent erhalten – eintausend Tonnen! Ganz großartig!« schloß er lachend und mit einem schlauen Kopfschütteln, das Clay mit einem Lächeln erwiderte, worin eine andere Ansicht zum Ausdruck kam.

»Ja, sehen Sie, Herr General,« antwortete er, »Sie können uns keine Vorwürfe machen. Die Erzvorräte sind stets hier gewesen, ehe diese Regierung ans Ruder kam, ehe die Spanier einen Fuß hierhersetzten und ehe es überhaupt eine Regierung gab, aber das Kapital, sie zu erschließen, war vielleicht nicht vorhanden, oder – es gehörte eine gewisse Thatkraft dazu, den Angriff zu beginnen. Ihre Leute haben sich die Gelegenheit entgehen lassen, und, wie sich die Sache herausgestellt hat, war es auch ganz verständig, das zu thun. Jetzt erhalten sie zehn Prozent des Ertrages; das heißt, zehn Prozent ohne Gegenleistung, denn ehe wir erschienen, war es doch so gut, als ob dieses Eisen gar nicht vorhanden wäre, soweit die Regierung in Betracht kam, nicht wahr? Es war wüstes Land und wäre das geblieben. Und dann berücksichtigen Sie doch auch den Preis, den wir bar bezahlt haben, ehe wir einen Baum fällten – drei Millionen Dollars! Das ist doch ein ganzer Haufen Geld, und es wird noch geraume Zeit dauern, bis sich diese Kapitalanlage bezahlt macht.«

Mendoza schüttelte achselzuckend den Kopf.

»Ich will offen gegen Sie sein,« sagte er mit der Miene eines Menschen, dem jede Verstellung ein Greuel ist. »Ich komme heute abend in einer unangenehmen Angelegenheit hierher, aber ich halte es für meine Pflicht, und da ich Soldat bin, geht mir die Pflicht über alles. Diese Pflicht gebietet mir, Ihnen zu eröffnen, Mr. Clay, daß wir, die Opposition, nicht mit der Art einverstanden sind, wie die Regierung über diese großen Eisenlager verfügt hat. Wenn ich sage, nicht einverstanden, so bediene ich mich eines sehr milden Ausdrucks, lieber Freund. Ich hätte sagen sollen, daß wir überrascht, entrüstet und entschlossen sind, das Unrecht, das unserem Lande zugefügt worden ist, wieder gut zu machen. Unsere Partei hat mir die Ehre erwiesen, mich dazu auszuersehen, diese höchst wichtige Sache in ihrem Namen zur Sprache zu bringen, und am nächsten Dienstag« – der General stand auf und verbeugte sich, als ob er schon vor der erhabenen Versammlung stehe – »werde ich mich im Senat erheben und eine Mißtrauenserklärung gegen die Regierung beantragen, wegen der Art, wie sie den reichsten Besitz der Schatzkammer meines Vaterlandes verschleudert hat – verschleudert, nicht nur an Ausländer, sondern auch für einen Preis, einen Anteil, der kein Anteil ist, sondern lediglich eine Bestechung, um die Augen des Volkes zu blenden. Es ist ein schmähliches Geschäft, und ich weiß nicht, wen die Schuld trifft. Anklagen will ich niemand, aber ich habe meinen Verdacht und werde eine Untersuchung beantragen und verlangen, daß der Wert nicht eines Zehntels, sondern der Hälfte alles Eisens, das Ihr gewinnt, in den Schatz von Olancho gezahlt werde. Heute abend habe ich Sie als den Betriebsdirektor aufgesucht, um Sie von meiner Absicht in Kenntnis zu setzen, denn ich wünsche nicht, daß mein Vorgehen Sie unvorbereitet treffe. Ihrer Gesellschaft mache ich keinen Vorwurf; Sie sind Geschäftsleute, die es verstehen, ihren Vorteil zu wahren, und bestrebt sind, zu kriegen, was sie kriegen können. Das ist Geschäftsgebrauch, aber Sie sind zu weit gegangen, und ich gebe Ihnen den Rat, sich mit Ihren Leuten in New York in Verbindung zu setzen und in Erfahrung zu bringen, was für Anerbietungen sie jetzt zu machen bereit sind – jetzt, wo sie mit Männern zu thun haben, die nicht an ihr eigenes Interesse denken, sondern an das des Landes.«

Mendoza machte eine tiefe Verbeugung und setzte sich mit einem dramatischen Stirnrunzeln und untergeschlagenen Armen wieder auf seinen Stuhl. Seine Stimme schwebte noch in der Luft, denn er hatte so feierlich gesprochen, als ob er schon in der Halle des Senates stehe und die Sache des Volkes verfechte.

Mc Williams sah von seinem Platze auf den Stufen zu Clay empor, allein dieser beachtete ihn nicht, und es war kein Laut hörbar, als das Gurgeln des Nikotinsafts in Langhams Pfeife, woran der junge Mann in raschen Zügen sog, das einzige Zeichen, daß er Interesse an der Sache nahm. Clay legte einen seiner schmutzigen Stiefel über den anderen und lehnte sich mit in den Gürtel geschobenen Händen zurück.

»Warum haben Sie denn dies nicht schon früher zur Sprache gebracht?«

»Sie haben ganz recht, das zu fragen,« antwortete der General rasch. »Ich komme allerdings etwas spät und es sollte mir aufrichtig leid thun, wenn wir Ihnen dadurch Unannehmlichkeiten bereiten, aber ich konnte doch natürlich nicht eher sprechen, als bis ich wußte, was vorging. Ich bin mit meinen Truppen abwesend gewesen, denn ich bin in erster Linie Soldat und dann erst Politiker. Während des letzten Jahres habe ich die Grenze bewacht. Ein General im Felde, der von Lager zu Lager zieht und immer im Sattel sitzt, erhält nur wenig Nachrichten, aber ich wage, die Hoffnung auszusprechen, daß Sie von mir gehört haben.«

Clay preßte die Lippen aufeinander und senkte den Kopf.

»Ja, Herr General, wir haben von Ihren Siegen gehört,« entgegnete er. »Also Sie fanden bei Ihrer Rückkehr, daß Dinge vorgefallen waren, die Ihnen nicht gefielen?«

»So ist es,« stimmte der andere eifrig zu. »Ich finde, daß auf allen Seiten Entrüstung herrscht; ich finde, daß sich meine Freunde über die Eisenbahn beklagen, die Sie über ihr Land gebaut haben; ich finde, daß fünfzehnhundert Soldaten zu Arbeitern mit Hacke und Spaten gemacht worden sind und an der Seite von Negern und euren Irländern arbeiten. Ihre Löhne sind ihnen nicht bezahlt, und sie sind schlechter verpflegt worden, als wenn sie sich auf dem Marsche befänden; Krankheiten und ...«

Clay machte eine ärgerliche Bewegung und stampfte mit dem Fuß auf.

»Das war früher richtig, ist es aber jetzt nicht mehr,« fiel er dem General ins Wort. »Ich würde mich sehr freuen, Herr General, wenn Sie mir einmal gestatten wollten, Sie durch die Quartiere der Leute zu führen. Was die Frage der Soldzahlung anlangt, so sind die Leute von ihrer eigenen Regierung niemals bezahlt worden, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil die niederen Offiziere das Geld in ihre eigenen Taschen steckten, wie sie das stets gethan haben. Aber jetzt werden die Leute regelmäßig bezahlt. Das ist indessen von untergeordneter Wichtigkeit. Wer beklagt sich denn über die Bedingungen, unter denen uns die Erlaubnis zu unserem Unternehmen erteilt worden ist?«

»Alle Welt!« rief Mendoza mit einer bezeichnenden Handbewegung, »und die Leute fragen überdies, warum, wenn das Bergwerk so reich ist, keine der Aktien hier in unserem eigenen Lande angeboten worden sind? Warum sind sie nicht offen auf den Markt gebracht worden, wo jedermann kaufen konnte? Wir haben reiche Leute hier in Olancho; warum wird nicht ihnen in erster Linie Gelegenheit gegeben, aus den Schätzen ihres eigenen Landes Nutzen zu ziehen? Aber nein! Wir sind gar nicht gefragt worden, ob wir kaufen wollen oder nicht; vielmehr sind alle Aktien in New York an den Mann gebracht worden: hier hat niemand Nutzen von der Sache, außer dem Staate, und der erhält lumpige zehn Prozent! – Unerhört!«

»Aha, ich verstehe,« sagte Clay ernst. »Von diesem Gesichtspunkte aus habe ich die Angelegenheit noch nicht betrachtet. Die Leute fühlen, daß sie hintangesetzt worden sind – hm, ich verstehe.« Einen Augenblick hielt er inne, als ob er ernstlich überlege. »Nun,« fügte er sodann hinzu, »dem kann abgeholfen werden.«

Nach diesen Worten wandte er sich um und machte mit dem Kopfe eine Bewegung nach der offenen Thüre.

»Wenn ihr beide noch nach der Stadt wollt, so wäre es Zeit, daß ihr euch auf den Weg machtet,« sagte er dabei zu den jungen Leuten, worauf sich Langham und Mc Williams erhoben und schweigend gegen ihren Gast verbeugten.

»Es wäre mir sehr angenehm, wenn Mr. Langham noch einen Augenblick bei uns bliebe,« sagte Mendoza höflich. »Wie ich höre, ist es sein Vater, der die Aktien der Gesellschaft zum größten Teil in Händen hat, und da wir ein Abkommen besprechen, so wäre es vielleicht besser, wenn er unseren Verhandlungen beiwohnte.«

Clay blieb mit gesenktem Kopfe sitzen und schaute nicht auf, ebensowenig versuchte der junge Mann, ein Zeichen von ihm zu erhaschen.

»Ich bin nicht als meines Vaters Sohn hier,« erwiderte Langham, »sondern nur als Angestellter Mr. Clays. Er ist der Vertreter der Gesellschaft. Guten Abend, Herr General!«

»Sie meinen also,« nahm Clay das Gespräch wieder auf, »daß Ihre Freunde uns weniger feindselig sein würden, wenn sie Gelegenheit hätten, Aktien zu kaufen? Sie würden dann der Ansicht sein, daß damit allen Teilen Gerechtigkeit widerführe?«

»Ja, das weiß ich,« antwortete Mendoza. »Warum werden die Aktien außer Landes gebracht, wenn Leute, die hier leben, im stande sind, sie zu kaufen?«

»Ganz richtig,« entgegnete Clay, »natürlich. Aber noch eine Frage, Herr General. Sind die Herren, die die Aktien zu kaufen wünschen, dieselben, die im Senate sitzen – dieselben, die gegen die Bedingungen sind, unter denen wir die Genehmigung zu unserem Unternehmen erhalten haben?«

»Ja, mit wenigen Ausnahmen sind es dieselben.«

Clay schaute über den Hafen nach den Lichtern der Stadt hinaus, und der General wirbelte seinen Hut um sein Knie und sah die Sterne über seinem Haupte an.

»Denn wenn sie das sind,« fuhr Clay fort, »und es gelingt Ihnen, unseren Anteil von neunzig auf fünfzig Prozent herabzusetzen, so müssen Sie doch einsehen, daß die Aktien ebenfalls vierzig Prozent von ihrem gegenwärtigen Werte verlieren.«

»Das ist wahr,« stimmte der General zu. »Ich habe daran auch gedacht, und wenn den Senatoren der Opposition Gelegenheit gegeben würde, Aktien zu kaufen, so würden sie gewiß einsehen, daß es klüger wäre, ihren Widerstand gegen die gegenwärtigen Bedingungen fallen zu lassen, und als Aktionäre würden sie Ihnen erlauben, neunzig Prozent des Ertrages zu behalten. – Auf der anderen Seite,« fuhr Mendoza fort, »ist es auch besser, daß das Geld unter die Leute kommt, als daß es im Staatsschatze nutzlos aufgespeichert wird, wo immer die Gefahr vorliegt, daß sich der Präsident seiner bemächtigt – wenn nicht dieser, dann der nächste.«

»Ich sollte denken – das heißt – es scheint mir,« entgegnete Clay mit großer Ueberlegung, »daß Euer Excellenz in der Lage wären, uns in dieser Angelegenheit behilflich zu sein. Wir bedürfen eines Freundes bei der Opposition, und es springt in die Augen, daß gerade Sie uns in vieler Weise nützlich sein können, ohne daß Ihre Dienste gegen uns Ihren öffentlichen Pflichten zuwiderlaufen würden, so vorteilhaft sie für uns auch wären. Natürlich habe ich keine Vollmacht zu endgültigen Abmachungen, ohne zuvor Mr. Langham zu Rate zu ziehen, aber ich glaube, er würde Ihnen persönlich Gelegenheit geben, so viel Aktien zu kaufen, als Sie haben wollen, entweder, um sie zu behalten, oder um sie an Ihre Freunde bei der Opposition oder wo sie sonst den meisten Nutzen brächten, weiter zu begeben.«

Clay blickte den im Lichtscheine der offenen Thüre sitzenden Mendoza fragend an, dieser aber lächelte leise und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.

»Ja,« fuhr Clay fort, »ich sollte meinen, Mr. Langham würde wohl so gefällig sein, Ihnen die Mühe des Kaufens der Aktien zu ersparen, und Ihnen deren Geldwert einfach übersenden. Ich bitte um Entschuldigung,« unterbrach er sich, »versteht Ihre Ordonnanz Englisch?«

»Nein,« versicherte der General eifrig, indem er seinen Stuhl näher zog.

»Angenommen also, Mr. Langham zahlte für Ihre Rechnung fünfzig- oder sagen wir sechzigtausend Dollars bei der Bank von Valencia ein, meinen Sie, daß dann der Antrag auf eine Mißtrauenserklärung in betreff der uns gewährten Bedingungen noch gestellt werden würde?«

»Ganz entschieden nicht,« antwortete der Führer der Opposition mit einem lebhaften Kopfnicken.

»Sechzigtausend Dollars,« wiederholte Clay langsam, »für Sie selbst. Und meinen Sie, Herr General, daß Sie im stande sein würden, wenn Sie diesen Betrag erhielten, Ihre Freunde zurückzuhalten, oder würden die auch – Aktien verlangen?«

»Darüber brauchen Sie sich gar keine Sorgen zu machen: die thun das, was ich ihnen sage,« erwiderte Mendoza in eifrigem Flüstertone. »Wenn ich ihnen sage: Es ist alles in Ordnung, ich bin mit dem, was die Regierung in meiner Abwesenheit gethan hat, einverstanden, so genügt das vollkommen. Und das werde ich sagen; darauf gebe ich Ihnen das Ehrenwort eines Soldaten. Ich werde es sagen, und ich werde auch nächsten Dienstag keinen Antrag auf eine Mißtrauenserklärung stellen. Ich freue mich, daß ich mächtig genug bin, Ihnen von Nutzen zu sein, und sollten Sie etwa Zweifel in mich setzen« – er schlug sich auf die Brust und verbeugte sich mit einem bescheidenen Lächeln – »dann brauchen Sie ja das Geld nicht alles auf einmal zu zahlen. Sie können zehntausend in diesem, zehntausend im nächsten Jahre zahlen und so weiter. Dann haben Sie die Gewähr, daß mir das Interesse des Bergwerks allezeit am Herzen liegt. Wer weiß, was in einem Jahre vorfallen kann? Vielleicht vermag ich Ihnen noch erfolgreicher zu dienen. Wer weiß, wie lange die gegenwärtige Regierung noch am Ruder bleibt? Aber ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, mag ich zur Opposition gehören, oder an der Spitze der Regierung stehen, wenn ich alle sechs Monate das Handgeld empfange, wovon Sie sprechen, so bin und bleibe ich Ihr Vertreter. Meine Freunde können nichts ausrichten. Ich verachte sie. Ich bin die Opposition. Sie haben wohl gethan, mein lieber Herr, daß Sie mich allein in Betracht gezogen haben.«

Clay drehte sich auf seinem Stuhle um und sah durch die Arbeitsstube in den dahinterliegenden Raum.

»Freunde,« rief er, »ihr könnt jetzt wieder herauskommen.«

Bei diesen Worten erhob er sich, stieß seinen Stuhl beiseite und winkte der Ordonnanz, die im Sattel saß und das Pferd des Generals hielt. Langham und Mc Williams kamen nun zum Vorschein und blieben in der offenen Thür stehen, während sich Mendoza erhob und Clay anschaute.

»Sie können jetzt gehen,« sagte Clay ruhig zu ihm, »und Sie können sich nächsten Dienstag im Senat erheben, Ihre Mißtrauenserklärung beantragen und Ihren Einspruch gegen die uns gewährten Bedingungen begründen. Und wenn Sie sich dann wieder hinsetzen, so wird sich der Minister der öffentlichen Arbeiten erheben und dem Senat erzählen, wie Sie sich bei Nacht und Nebel hier herausgestohlen und versucht haben, etwas von mir zu erpressen, und wie Sie verlangt haben, ich solle Ihr Schweigen erkaufen, und wie Sie sich erboten haben, Ihre Freunde fallen zu lassen, um alles, was wir geben wollten, für sich selbst zu behalten. Das wird Sie bei Ihren Freunden ungeheuer beliebt machen und der Regierung zeigen, wie der Führer beschaffen ist, der gegen sie arbeitet.«

Clay trat einen Schritt vorwärts und schüttelte seinen Zeigefinger vor dem Gesicht des Offiziers.

»Versuchen Sie nur, die Bedingungen unseres Unternehmens zu brechen – versuchen Sie es nur! Diese sind von der Regierung einer Körperschaft von ehrlichen, anständigen Geschäftsleuten bewilligt worden, und wenn Sie sich in unsere verbrieften Rechte zur Ausbeutung dieser Bergwerke mischen, so werde ich ein Kriegsschiff mit schön weiß gemaltem Rumpfe kommen lassen, und das wird Ihre kleine Republik in Stücke schießen. So, jetzt können Sie gehen.«


Als Clay zu sprechen anfing, hatte sich Mendoza überrascht aufgerichtet, dann leicht vorgebeugt, als ob er ihn unterbrechen wolle. Seine Augenbrauen waren zu einer geraden Linie geworden, und seine Lippen bewegten sich rasch.

»Sie Elender –« begann er in verächtlichem Tone. »Bah!« rief er aus, »Sie sind ein Narr! Ich hätte einen Bedienten herausschicken sollen, um mit Ihnen zu verhandeln. Sie sind ein Kind, aber Sie sind ein freches Kind,« rief er plötzlich, »und ich werde Sie züchtigen. Sie unterstehen sich, mich zu beschimpfen? Das läßt sich nur mit Blut abwaschen. Sie haben einen Offizier beleidigt, und morgen sollen die Waffen zwischen uns entscheiden.«

»Wenn ich Ihnen morgen gegenübertrete, werde ich Sie für Ihre Unverschämtheit durchprügeln,« erwiderte Clay. »Der einzige Grund, weshalb ich das nicht gleich thue, ist der, daß Sie auf der Schwelle meiner Thür stehen. Für Sie wäre es besser, wenn Sie mir weder morgen, noch zu irgend einer anderen Zeit begegneten, und ich habe keine Muße, mich auf Zweikämpfe mit irgend jemand einzulassen.«

»Sie sind ein Feigling,« antwortete der andere ruhig, »und das sage ich Ihnen vor den Ohren meines Bedienten.«

Clay stieß ein kurzes Lachen aus und wandte sich dem in der Thür stehenden Mc Williams zu.

»Reichen Sie mir doch mal meine Pistole, Mac Williams,« sagte er. »Sie liegt auf dem Bort rechts von der Thür.«

Mc Williams blieb ruhig stehen und schüttelte den Kopf.

»Ach, lassen Sie ihn doch gehen,« sagte er. »Sie haben ihn ja dahin gebracht, wohin Sie ihn haben wollten.«

»Geben Sie mir meinen Revolver, sage ich Ihnen,« wiederholte Clay gebieterisch. »Ich werde ihm nicht wehe thun; ich will ihm nur zeigen, daß ich schießen kann.«

Widerstrebend ging Mc Williams ins Haus und brachte Clay den Revolver. »Nehmen Sie sich in acht,« sagte er dabei, »er ist geladen.«

Bei Clays Worten hatte sich der General hastig nach dem Kopfe seines Pferdes zurückgezogen und begann nun, den Riemen des Halfters aufzuschnallen, während der Soldat nach seinem Karabiner griff. Clay rief ihm auf spanisch zu, die Hände hoch zu halten, und der Soldat that mit einem erschreckten Blick auf seinen Offizier, was ihm der Revolver gebot. Hierauf machte Clay dem anderen mit seiner freien Hand ein Zeichen, sich ruhig zu verhalten. »Lassen Sie das; ich werde Ihnen nichts zuleide thun,« rief er dabei, »ich will Sie nur ein bißchen einschüchtern.«

Bei diesen Worten wandte er sich um und blickte nach der Studierlampe im Zimmer, die auf dem Tische stand und von draußen deutlich sichtbar war. Nun erhob er seinen Revolver. Anscheinend hatte er ihn dabei nicht einmal am Kolben erfaßt, wie es andere Menschen machen, sondern die Waffe lag in der offenen Hand, in die sie zu passen schien, wie die Hand eines Freundes. Der erste Schuß riß das obere Ende des Glascylinders weg, der zweite zerschmetterte den grünen Schirm, der diesen umgab, der dritte verlöschte das Licht, und der vierte warf die Lampe auf den Fußboden. Ein wilder Schreckensschrei wurde von der Rückseite des Hauses hörbar, dem das Geräusch einer die Treppe hinabfallenden Guitarre folgte.

»Wahrscheinlich habe ich einen sehr guten Koch erschossen,« sagte Clay, »wie ich Sie erschießen würde, wenn ich Ihnen gegenüberträte. – Langham,« fuhr er fort, »gehen Sie hin und sagen Sie dem Koch, er solle zurückkommen.«

Der General sprang in den Sattel, und diese erhöhte Stellung schien ihm einen Teil der Zuversicht, die er verloren hatte, wiederzugeben.

»Das war sehr hübsch,« sagte er. »Wie ich höre, sind Sie Cowboy gewesen, und das merkt man ja auch an Ihrem Benehmen. Aber das gehört nicht hierher. Wenn wir uns morgen nicht gegenübertreten, so ist der Grund der, daß ich wichtigere Dinge zu thun habe. In zwei Monaten von heute an werden eine neue Regierung und ein neuer Präsident in Olancho herrschen, und die Bergwerke werden einen neuen Direktor erhalten. Ich habe versucht, Ihr Freund zu sein, Mr. Clay; nun können Sie ja einmal erproben, wie ich Ihnen als Feind gefalle. Gute Nacht, meine Herren!«

»Gute Nacht,« antwortete Mc Williams gelassen. »Bitte, sagen Sie Ihrem Diener, daß er das Thor hinter Ihnen schließt.«

Als der Hufschlag verhallt war, standen die drei Männer noch in unbehaglichem Schweigen bei einander, und Clay wirbelte den Revolver um den Finger.

»Es thut mir leid, daß ich eine solche Vorstellung für die Galerie gegeben habe,« sagte er, »allein das war der einzige Weg, einem Menschen, wie dem, begreiflich zu machen, wie die Sache steht.«

Langham seufzte und schüttelte mit kläglicher Miene den Kopf.

»Hm,« machte er, »ich dachte, alle Schwierigkeiten wären vorüber, aber es sieht mir so aus, als ob sie jetzt erst anfangen wollten. Soweit ich sehe, ist mein Alter seines Geldes doch noch keineswegs sicher.«

»Wie viele von Mendozas Soldaten haben wir hier im Bergwerk, Mac?« fragte Clay, indem er sich an Mc Williams wandte.

»Ungefähr fünfzehnhundert,« antwortete dieser, »aber Sie sollten nur einmal hören, wie sie über ihn sprechen.«

»So, thun sie das?« sagte Clay mit einem Lächeln der Befriedigung. »Das ist gut. ›Sechshundert Sklaven, die ihre Herren hassen!‹« citierte er. »Was sagen sie denn über mich?«

»O, sie halten Sie für einen guten Mann. Sie wissen, daß sie es Ihnen zu verdanken haben, wenn sie ihren Sold bekommen, und so weiter. Sie würden viel für Sie thun.«

»Auch für mich fechten?« fragte Clay.

Mit einem etwas zweifelhaften Lachen sah Mc Williams auf.

»Hm, das weiß ich nicht,« sagte er. »Was haben Sie denn, Alter? Was beabsichtigen Sie zu thun?«

»O, ich weiß nicht,« entgegnete Clay. »Ich dachte nur, ob es mir wohl passen würde, Präsident von Olancho zu werden.«

Soldaten des Glücks

Подняться наверх