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Der Schliemer

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"Hat deu schon mal von hinge geschliemt?" fragt mich Kurti an meiner Weipert Drehbank in meiner ersten Lehrwoche auf der Galerie im Pressenwerk Bad Salzungen. "Nee" antworte ich und bekomme rote Ohren. Das ich noch nicht mal von vorne "geschliemt" habe, sage ich Kurti nicht. Gerade vor einem Jahr sah ich das erste mal wie von der Seite "geschliemt" wurde am Buchensee unter einer Decke, die da in der Hektik der Ereignisse verutscht war. "Ficken" haben wir damals kaum gesagt.

Umgangssprachlich hieß das bei uns vierzehn/fünfzehnjährigen Jungs in Südwestthüringen "Pimpern". Mit dem "schliemen", das konnte ich mir aber gleich denken, was der Kurti da meinte. Schließlich hat er es dann noch nachdrücklich auf hochdeutsch "pimpern" genannt und teilweise detailliert erklärt. Er machte es mit seiner Freundin fast jeden Tag so gegen Abend, wenn er Frühschicht oder Nachtschicht hat, prahlte Kurti - von vorn und von hinten. Am Abendbotstisch zu Hause konnte ich meinen Eltern nicht erklären, was ich im Pressenwerk neues gelernt hatte.

Nach ein paar Wochen nach diesen wichtig gehörten Ereignissen, stellte sich heraus, Kurti hatte seine Adelheid entweder von vorn oder von hinten angeschliemt. Die Adelheid war ein bischen schwanger. Kurti wagte es nicht gleich, seiner Familie dieses Ungemach aufzutischen, daß er Vater wird. Sein Vater würde ihm totschlagen, meinte mir gegenüber Kurti. Kurti bemühte sich nun, alles wieder rückgängig zu machen.

Na, eigentlich bemühte sich erst einmal Adelheid alleine. Adelheid kletterte, wenn ihre Eltern nicht zu Hause waren in Allendorf Nähe der Fitz, auf einen Stuhl und dann kletterte Adelheid auf einen Tisch. Dann sprang sie.....Vom Tisch. Adelheid sprang sehr oft und sehr lange. Es half nichts, all das Gehüpfe. Lediglich im Keller fiel der Lehmputz in dem alten Fachwerkhaus flatschenweise von der Decke. Auch das viele Heulen nützte nichts. Adelheid bekam zu ihren roten Haaren nun noch rote Augen.

Nun versuchte es Kurti mit seiner BK. Die BK 350 war ein schweres Motorrad mit Boxermotor und Kardanwelle, mit der er und Adelheid zu einem Bahngleis hinter der alten Molkerei kurz nach dem Abendzug in Richtung Immelborn fuhr. Dann ging es im zweiten Gang zwischen den Gleisen auf den Schwellen ein paar Kilometer hin und zurück bis die Adelheid nicht mehr sitzen konnte und Bauchschmerzen bekam. Am anderen Tag hatte Adelheid Blutungen und Adelheids Mutter schleppte die Adelheid mit einem feuerroten Hintern und feuerroten Augen zu Doktor Capeller nach Bad Salzungen.

Capeller meinte, Adelheid ist schon im fünftem Monat und sollte bitte nicht mehr Motorrad fahren. Kurtis Vater, der das dann erfuhr schlug Kurti nicht tot, sondern klatschte ihm zwei Ohrfeigen, eine rechts und eine links, so dass Kurti feuerrote Wangen bekam und Kurtis Vater brüllte ein wenig hinter geschlossenen Fensterscheiben nutzlos und sinnlos herum, warum seinem Sohn die Frommser von MONDOS aus Erfurt unbekannt waren. "Deu hat mei das nit verzählt" kommentierte das heulend Kurti.

Dann ging Kurtis Vater und Mutter zu Adelheids Vater und Mutter und Kurtis Vater entschuldigte sich für seinen ältesten Sohn. Dann wurde eine Flasche Doppelkorn für die Männer und eine Flasche Eierlikeur für die beteiligten Frauen beider Familen aus dem Schrank geholt. Eine Stunde später wurde der Hochzeitstermin auf Tag und Stunde festgelegt.

Tags darauf stand Kurti wieder neben mir neben der Weipert Drehmaschine. "Ich mud frei" sagte Kurti mit roten Ohren. Das heißt auf hochdeutsch "Ich muß heiraten". "Der Polterabend ist in 8 Wochen". Zum Polterabend konnte die Adelheid kaum noch sitzen und war wohl die dickste Braut, die das Dorf je gesehen hatte.

Es war ein schönes Bild, wie der dicke Pfarrer und die dicke Adelheid sich gegenüber standen und die Adelheid ohne rote Augen "ja" sagte. Kurti sagte mit roten Ohren auch "ja" und Kurtis Vater knirschte mit den Zähnen, weil ihm noch kurz vor der Trauungszeremonie ein schadenfroher Nachbar die Eisenbahnfuhren seines Sohnes vertratschte.

Inzwischen sind viele viele Jahre ins Land gegangen und viel Wasser ist die Werra hinunter geflossen. Neben der Werra verläuft ein manchmal ausgeleiertes Bahngleis. Und wie der Zufall so spielt, sitzt in der Diesellock eines der Züge, die noch täglich an der Werra zwischen Eisenach und Meiningen entlang rumpeln, ein Lokomotivführer, dem die böse Strecke nicht viel ausmacht. Der Lokomotivführer heißt Kurt, genauso wie sein Vater.

DAS THÜRINGER DEKAMERON

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