Читать книгу Die Prinzess von Alaska - Richard Henry Savage - Страница 7
II.
ОглавлениеPierre Lefranc sah den leidenden Genossen von der Seite an.
„Wusstest du’s nicht?“ fragte ihn Orloff, während er müde in die Augen seines alten Freundes blickte.
„Ich habe seit vier Jahren an der Küste von Alaska Schiffe gebaut, Fedor,“ entgegnete der Gallier mit dem zarten Gesicht. „Wer hätte mir davon berichten sollen? Mein Ungemach,“ fuhr er fort, „erreichte mich in Sebastopol, und ich wurde nach dem Stillen Ozean verschickt, um mich dort als Sträfling zu verbergen. Ich habe in der Lotterie des Lebens eine Niete gezogen.“
„Auch ich habe niemals von deiner — —“ Orloff zögerte.
„Schmach willst du sagen!“ ergänzte Lefranc. „Lieber Freund,“ fuhr er leichthin fort, „wir sitzen beide in derselben Patsche.“ Dabei lachte er rauh auf.
Indem trat ein Diener des Generals in das Zimmer. Er brachte ein gutes Abendbrot, bei dem selbst die Wodkiflasche nicht fehlte.
„Ah, da wollen wir uns einen vergnügten Abend machen,“ schnalzte Lefranc.
Orloff mochte das gleichgültig lassen: „Erzähle mir vor allem, wie du hergekommen bist,“ drang er in seinen Leidensgenossen, voller Begierde, sein Geschick kennen zu lernen.
„Nun also,“ begann Lefranc, nachdem er einen herzhaften Zug gethan, „ich war in Kodiak und baute Schiffe, als die „Seevoutsch“ hereindampfte. Seine Exzellenz, diese Bestie, bedurften eines menschlichen Konversations-Lexikons, und so nahmen sie mich. Wir befuhren die ganze Küste von Alaska. Irgend eine grosse Veränderung scheint in der Luft zu schweben, denn als wir nach Sitka zurückkamen, wo mich das Untier nicht an Land liess, da hörte ich, dass die Yankees mit ihrem grossen Bürgerkriege zu Ende seien. Beratungen folgten drüben in Sitka auf Beratungen. — Die Korvette ist voller Dokumente und Berichte! — Manche behaupten, der Zar und die Amerikaner wollten England gemeinsam angreifen, Britisch-Kolumbia besetzen und die Beute teilen; andere, dass der Zar Alaska an die Vereinigten Staaten zu verkaufen gedächte.“
„Ich kann es nicht glauben, die Romanoffs sind doch keine Landverschacherer!“ sagte Orloff.
„Wohl wahr, doch in fünfzig Jahren wird man in Sibirien grosse Ueberraschungen kennen lernen! Die Krone kann beide Seiten des Oceans nicht sicher bewahren. — Wenn wir dauernde Freundschaft mit den Amerikanern schliessen, so können wir stets Sibirien und unsere Flotte von den befreundeten Yankeehäfen des Stillen Oceans aus versorgen. Wir haben doch jetzt sieben Kriegsschiffe in San Francisco!“
„Da magst du vielleicht recht haben, Pierre,“ antwortete Orloff langsam. „Aber was wird Graf Fersen denn jetzt mit dir anfangen?“
Der Franzose lachte. „Wer weiss es? Ich denke, man wird mich auf der Korvette nach Kodiak oder Sitka zurückschicken. Fürwahr, Orloff, wenn wir nur beisammen wären, so vermöchten wir wohl zu entfliehen. Ich habe es einmal versucht! Ich will dir von meiner Kayak-Fahrt auf der Suche nach einem Walfischfänger erzählen und wie mir die misslungen ist.“
„Wir wollen entfliehen oder zusammen sterben,“ beteuerte Orloff feierlich.
„Nun bin ich aber so hungrig, wie ein Eisbär,“ schnitt Lefranc die Unterhaltung ab. „Wenn ich gegessen habe, dann sollst du mir berichten, was des grossen Orloffs Erben nach Nikolajewsk an den wilden Amur gebracht hat.“
Und mit einem wahren Wolfshunger stürzte er sich auf das Abendbrot.
„Und du sollst mir die Geschichte des Missgeschicks erzählen, das General Lefrancs Enkel — einen französischen aristokratischen Emigranten — in die Reihen der Verfehmten führte. Was für seltsamer Wirrwarr doch dieser Kampf der Menschen ist.“
„Ah, Fedor, es ist immer die alte Geschichte. Du kennst ja das Sprüchwort: Où est la femme.“ Dabei stürzte er ein Glas Wodki hinunter und drehte sich eine Zigarette. Orloff hatte ihn, während er die Leckerbissen verzehrte, regungslos beobachtet.
„Wie lautete dein Urteil?“ fragte er düster.
„Zehn Jahre! Ich habe nur noch sechs davon zu geniessen — das heisst, wenn ich am Leben bleibe! Und das deine, mon cher ami?“
„Seit drei Jahren schmachte ich in dieser Hölle, und siebzehn Jahre habe ich noch vor mir, wenn nicht der finstere Geist des Unheils von mir weicht!“ stöhnte Orloff.
„Kopf oben! Du musst nicht so mutlos sein. Bedenke doch, was für Blut du in deinen Adern hast! Deine Freunde daheim sind sicherlich für dich thätig. Dein Onkel Stephan —.“
Orloff sprang auf und rief: „Halt! Um Gottes willen!“ Dabei bebte seine ganze Gestalt in wahnsinnigem Schmerze und in angstvoller Qual. „Nenne ihn nicht! Er ist von meiner Hand gestorben! Mir ist kein einziger Freund in der Welt geblieben!“
Lefranc starrte auf den unglücklichen jungen Mann, der wie ein Tiger im Zimmer auf und ab ging.
„Dein Onkel Stephan? Dein Vormund?“ stammelte er. „Unmöglich. Erzähle mir’s. War es ein Zufall? Du bist doch kein elender Mörder?“
Lefranc zog den Unglücklichen auf einen Sessel neben den Kamin und sagte: „Spute dich, die Mitternachtsablösung wird gleich kommen. Wir können bald unterbrochen werden; erzähle mir alles geschwind.“
Orloff schlug die Augen auf, aus denen der ganze Jammer über sein verlorenes Leben sprach. Sie glühten gleich denen eines Wolfes, der sich dem Verfolger zur Wehre setzt.
„Pierre!“ sagte er dann langsam, „weisst du, was ein Weib lieben zu bedeuten hat?“
Der Franzose sann nach.
„Ich kann dir keine Antwort geben! Die niedrigen Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts haben mich nie in Versuchung geführt. Aber ich kenne die Hofkreise. Die lächelnden Teufelinnen mit leisen, girrenden Stimmen und kühnen Augen voll wahnwitziger Zauberkünste. Sie haben mich zu Grunde gerichtet, Fedor! Aber ich habe nie geliebt. Ich bin noch nie dem Weibe begegnet, das das Opfer eines Manneslebens, seiner Ehre, seiner Freiheit wert gewesen wäre. Ich bin noch nie einer begegnet, der ich für immer dienen möchte. Denke daran: wir französischen Emigranten, die wir durch die tollen Tage von dreiundneunzig nach Russland getrieben sind, bleiben dort nur Gäste. Als mein Vater, das Schwert in der Hand, im polnischen Feldzuge für den Zaren starb, da wurde ich von dem Kaiser nach der Seekadettenschule geschickt. Ich habe allein gelebt! Nein, ich habe nie geliebt. Aber du?“
„Von dem Augenblicke an, wo ich sie sah, bedeutete sie für mich die ganze Welt. Und selbst jetzt, selbst hier,“ erwiderte Orloff traurig, „kann ich das Rauschen ihres Gewandes hören. Es durchzittert mein Herz. Ich erwache bei Nacht, denn ich fühle im Lande der Träume, dem Himmelreiche armer Gefangener, ihre Hand auf meiner Stirn! Ich vernehme sogar zu Zeiten ihre Stimme. Das geflüsterte Wort „Fedor“ schlägt an mein Ohr. Ich erwache nur zum Elende und zur Qual der Schande. Jung, lieblich, und voller Liebe, ein wahrer Traum von Schönheit, besass sie eine Seele voll leidenschaftlichen Feuers. Mein Leben wurde von einer wahnsinnigen Wildheit ergriffen, von dem Momente an, wo ich sie an meine Brust gedrückt hatte, von jener verhängnisvollen Stunde an, wo ich in ihren wunderbaren Augen zuerst die bis dahin verborgene Wahrheit entdeckte, dass sie mich wieder liebte. — Du hast sie nie gesehen, Pierre. Als du und ich von einander gingen, wurde ich dem Zarewitsch zum besonderen Begleiter beigegeben, denn er ging nach Cherson, um Ataman der Don-Kosaken zu werden. Ich war der beneidetste Mann im Regiment.“ Orloff seufzte tief.
„Ja,“ sagte Lefranc, „Fedor Orloffs Name schwebte damals auf jeder Zunge! Die grosse Welt missgönnte dir deine Stellung, dein Blut, dein galantes Leben und deine goldene Zukunft. Bestimmte dich nicht die Kaiserin zum Gatten der Prinzessin — —“
„Nenne sie nicht!“ unterbrach ihn Orloff rauh. „Lass mich vergessen, dass ein solcher Elender, wie ich, je ihre Hand geküsst hat.“ Er fuhr ruhig fort: „Im Gefolge des Zarewitsch kam ich nach dem Kaukasus. Ich war sein auserwählter Gefährte auf der Jagd, sein Genosse bei den geheimen Streifzügen in jene wilden Thäler, wo Liebe und Romantik noch an den schüchternen Schönen der wilden Gebirgsbewohner hängen. Ich rettete sogar bei einem tollen Abenteuer sein Leben. Nach meiner Rückkehr in die Hauptstadt wurde ich erst recht der Gegenstand des Neides unseres glänzenden Hofes. War ich doch der einzige Gefährte des Thronfolgers bei seinen Troika-Fahrten. Du warst nach Sebastopol entsandt. Ich glaube, wir haben uns nach jenem Osterball nie wieder gesehen, wo die Prinzessin Naryschkine alle Wunder des Elfenlandes nach unserer vereisten Hauptstadt zauberte, um den zarten Lieblingen des jungen, aristokratischen Kreises eine Freude zu bereiten!“
Lefranc nickte wehmütig. Nach kurzem, sinnenden Schweigen fuhr Orloff fort: „Dann traf ich sie. Mein Leben änderte sich, wie mit einem Zauberschlage. Aus dem flotten Courmacher, dem erwählten Erben meines Millionen besitzenden Onkels Stephan Orloff, dem Leiter des exklusivesten Yachtklubs, dem wagehalsigen Duellanten und tollkühnen Reiter, wurde mit einem Male ein leidenschaftlicher, launenhafter Liebhaber. Mir war es, als ginge meine ganze Seele in der ihren auf. Mein Herz klopfte nicht nur mehr in meiner eigenen Brust, es war in ihrem Busen begraben, und ihr Blut machte meine innersten Fibern erbeben. Das ist russische Liebe.
Diese Liebe versetzte mich bald in das tollste Fieber. Selbst jetzt kann ich’s noch nicht ertragen, ihren Namen aussprechen zu hören. Der Zarewitsch war es, der mich in ihren Kreis einführte. Zuerst war ich nur der Satellit des hohen Herrn. Meine Lippen waren durch Zwang versiegelt. Ich wagte es nicht, dem glühenden Kaiserlichen Bewerber entgegenzutreten. Meine fernere Laufbahn, ja sogar die Sicherheit meiner Familie hing von meinem klugen Schweigen ab. Onkel Stephan, das Haupt eines stolzen Geschlechts, öffnete seinen grossen Palast der Gesellschaft — nur allein meinetwegen — denn sein einziges Kind, meine Cousine Wera, weilte noch vor den Augen der Welt verborgen in dem Katherinen-Institute. Ich hatte keinen Ratgeber, niemand, der mir beistehen konnte. Ich wahrte mein Geheimnis, denn ich wagte nicht, öffentlich meinen Kaiserlichen Herrn zu verdrängen. Doch wir liebten uns. Unsere Augen verrieten gar zu bald das Geheimnis. Vor ihr gähnte der dunkle Abgrund des Verderbens, wenn sie des Prinzen Zorn erweckte Und doch — die köstliche Stunde des gegenseitigen Geständnisses musste kommen, und sie kam. Ich wähnte mich in ein irdisches Paradis verpflanzt. Ich wurde von einem Weibe geliebt, das die Leidenschaft des grossen Zarewitsch erregte.
Ausser uns wusste nur ihre getreue Dienerin von unseren verstohlenen Zusammenkünften, von den glücklichen Stunden, wenn die grossen weissen Sterne über der Newa hingen. Selbst in der Wildnis habe ich jede Stunde dieser Freuden noch einmal durchlebt. Ich war gezwungen, zu heucheln. Meine persönlichen Pflichten fesselten mich tagsüber an die Seite des Grossfürsten. Seine Liebe wurde zur Tollheit. Ein unvorsichtiges geflüstertes Wort und ich wäre nach den unterirdischen Minen des Baikal entsandt worden, um in Ketten zu vermodern. Grattez le Russe! Du kennst das ja. Ich durfte mit ihr nicht öffentlich erscheinen, denn dann wäre mein Lieb das Opfer irgend eines geheimnisvollen Geschehnisses geworden!“
Orloffs Lippen verzerrten sich zu einem höhnischen Lächeln.
„Und doch, das Schicksal liess sich nicht aufhalten. Meines Herzblatts blitzende Augen und leuchtende Schönheit, die eine verhaltene Leidenschaft täglich beredter machten, erweckten die Eifersucht des Kaiserlichen Bewerbers. Ich war als Ehrenmann nicht gezwungen, eine doppelte Rolle zu spielen, denn ich forderte sein Vertrauen in keiner Weise heraus. Doch ich schauderte vor dem Unheil, das über dem goldhaarigen Engel hing, der meine ganze Welt ausmachte.
Sie lebte in völliger Unkenntnis der düsteren Geheimnisse der vornehmen Gesellschaft Russlands. Sie wusste nichts von der entsetzlichen Geschichte der unterirdischen Zellen auf der Newa-Insel, nichts von den an die Steinmauer geschmiedeten Opfern, die in wahnsinniger Angst vergeblich um Barmherzigkeit geschrieen, bis die eisige Flut sie Zoll um Zoll verschlang. Jeder Lufthauch, der an dem einsamen Festungsstrand vorüberzieht, ist mit den letzten Seufzern der unschuldig Hingemordeten erfüllt. Ich habe aus dem dunklen Fensterspalt einer dieser Zellen das Taschentuch eines Weibes flattern sehen, als letztes Lebewohl für ihren Liebsten, um dessen Schaffot ich meine Grenadiere aufgestellt hatte.“
Orloffs Stirn glühte, so heiss stürmte ihn das Blut durch die Adern. „So geschah mein Verbrechen“ endete er in heiserem Geflüster, „um meine Olga zu retten —“
Lefranc zuckte zusammen, als er den Namen hörte.
„Tag und Nacht habe ich Pläne geschmiedet“, fuhr Orloff fort. „Ich konnte nicht das Haupt meines Hauses ins Vertrauen ziehen, ich wagte es nicht. Für den getreuen alten Stephan Orloff war der Wille des Kaisers Gesetz. Ich hatte keinen Bruder, keinen Freund. Um meine allmächtige Leidenschaft zu verhüllen, stürzte ich mich in scheinbare Ausschweifungen. Und damals verdiente ich mir den Namen des tollen Orloff. Doch ich lebte nur allein in Olgas Liebe. Ich bewegte mich wie unter einem Zauberbanne. Tag für Tag sah ich unser Verhängnis näher heranrücken: Verbannung, Trennung, Kummer, Gefängnis, ja selbst den Tod durch Selbstmord, denn im allertiefsten Herzen fürchtete ich die Spione des Grossfürsten. Ich zitterte auch Olgas wegen, deren stete Abwehr den Prinzen nur noch mehr entflammte.
Ich war ein blinder Thor, nicht zu bedenken, dass die Subjekte des künftigen Herrschers über neunzig Millionen gerade das eine Weib beobachten würden, das sein Königlicher Wille nicht zu beugen vermochte. Ich hatte mein Geheimnis der zufälligen Entdeckung ausgesetzt, hatte heimlich meiner Liebsten fürstliche Geschenke zugeschmuggelt. Es gewährte mir eine tolle Freude, wenn ich ihre Stirn, ihren schönen Nacken mit meinen eigenen Juwelen geschmückt sah, während des Grossfürsten kostbare Gaben unberührt im uneröffneten Kasten lagen. Es war mir unmöglich, Russland zu verlassen. Wenn ich dem persönlichen Dienste beim Thronfolger absagte, vernichtete ich mein ganzes Geschlecht! Die Zukunft wäre leer gewesen und voll unbekannter Schrecknisse. Ich wagte nicht, Olga zu verlassen. Sie war an die Vergnügungen der grossen Stadt gebunden. Tausende von Augen hafteten auf uns. Das zunehmende Fieber verwirrte mein Hirn. Ich konnte keinen Pass bekommen, um Russland zu verlassen, und, ach, mein Orloffsches Gesicht war zu wohlbekannt, um eine Flucht zu wagen. Jeder Grenzoffizier kannte des Zarewitsch getreuen Schatten, Fedor Orloff!
Das Ende kam plötzlich! Wir hatten jeden Weg zur Flucht studiert. In dem Hause eines alten Haushofmeisters meines Vaters war ein geheimer Unterschlupf für Olga vorbereitet. Er schwor bei seiner fünfzigjährigen Treue, dass er mein Herzblatt verbergen und sie mit Kaufleuten aus Archangel, die keiner Pässe bedürfen, hinausschmuggeln wollte nach dem Weissen Meere. Von dort konnte Olga leicht Schweden erreichen und würde in Sicherheit sein. Aber ich blieb gefesselt. Es war nur natürlich, dass Stephan Orloff in Zorn geriet, als ich mich den Plänen der Kaiserin für meine glänzende Heirat widersetzte. Ich konnte als Mann von Ehre das schöne Mädchen, das sie mir zur Braut bestimmt hatte, nicht opfern. Ich wagte nicht zu reden. Die Freundschaft der Prinzen aus Königlichem Geblüt ist für die Erwählten verhängnisvoll. Mein Onkel versuchte vergeblich, mich von den tollen Streichen zurückzuhalten, die mein eigentliches Leben maslieren sollten. Er, der grossmütigste Mensch, verweigerte schliesslich die Geldzuschüsse für mein wildes Leben. Ich besass Ländereien, Wälder, Bergwerke, Leibeigene; ich war meines Onkels Erbe, doch nur die Juden fanden sich bereit, mir Geld zu schaffen. Auf der Stirne meiner Herzenskönigin thronte der Schatten kommenden Unheils. Der zurückgewiesene Prinz beschuldigte sie schliesslich ganz öffentlich, dass sie einen Nebenbuhler begünstige. Jede glückliche verstohlene Zusammenkunft schloss, wenn unsere innige Umarmung zu Ende kam, in dem gegenseitigen Schwure, dass sie zum alten Podolski entfliehen und ich ihr, auf jede Gefahr hin, nach dem Schlosse des Grafen Oxenstierna zu Torefors folgen sollte. Podolski, ein alter Finne, würde den Schatz meines treuen Herzens hüten, bis wir uns treffen konnten.
An einem verhängnisvollen Abende verliess ich, von Iwan, meinem Sklaven und Milchbruder begleitet, nach einer stürmischen Szene den Orloffschen Palast, um nach dem Yachtklub zu gehn und dort die Mitternachtsstunde zu erwarten. So wollte ich des Grossfürsten Spione täuschen. Olgas Mädchen war auf dem Ausguck nach einem besonderen Signal. — Ein später Besuch war in einer halb arktischen Stadt, wo die langen Nächte zu Tagen verwandelt werden, nichts Ungewöhnliches. „Geh,“ rief Stephan, als ich ihn vergebens um Geld anflehte, „ich will deine Thorheiten nicht länger mehr unterstützen. Sieh,“ rief er in seinem Zorne, „ich habe dort in jenem Kabinett hunderttausend Rubel! Heirate! Ich bezahle deine Schulden! Dieses Geld soll deines sein! Doch für deine Freunde an den Spieltischen — für deine wahnwitzigen Streiche — gebe ich keine Kopeke!“
Ich verliess den alten Edelmann, dessen weisses Haupt vor Wut zitterte. — Der glühende Wunsch, Russland für immer zu verlassen, zehrte an mir. Ich brannte darauf, die Luft der Freiheit zu atmen, meinen Liebling Olga nach irgend einem friedlichen Ort an den schönen Ufern Siziliens oder nach den träumerischen Inseln des griechischen Meeres zu bringen, wo wir unserer heimlichen Liebe gestatten durften, ihr Antlitz im Tageslicht zu zeigen, wo sie mein sein konnte, mein Weib für immer!“
Orloff fuhr sich mit der Hand über die Augen, als ob er ein ihn verfolgtes Bild verwischen wolle. „Ich erreichte den Yachtklub, nachdem ich meinen Onkel erst nach einem Balle der Aristokratie hatte fahren sehen. Ich wagte nicht, mir den schrecklichen Plan zu gestehen, der noch ungestaltet in meinem Hirn ruhte. Ich kannte jeden Winkel im Heim meiner vaterlosen Knabenzeit! Ich wollte dorthin zurückkehren, sobald sich die träge Dienerschaft der Schmauserei hingab, und das Kabinett würde der Gewalt eines Hirschfängers nachgeben. Warum konnte ich nicht, von Iwan unterstützt, vor dem Morgengrauen schon meilenweit fort sein? Olga konnte folgen. Podolski war getreu, wie der Tod. Ich wollte ihr durch Iwan, als Zeichen höchster Gefahr, einen Ring senden, den sie mir einst gegeben hatte. Ein gewöhnlicher Schlitten konnte mich über die gefrorne Newa nach der Vorstadt bringen, wo Podolski für die Stunde von Olgas Gefahr Pferde bereit hielt. Ach! als ich den Yachtklub betrat, flüsterte Iwan: „Wir werden verfolgt.“ — Es war in der That der Fall. — Dunkle Gestalten kamen in einem schnellen Schlitten dicht an uns heran. Indem ich Iwan zu warten befahl, näherte ich mich der Klubthür, entschlossen, nach kurzem Erscheinen in dem Bekanntenkreise Iwan mit einer Botschaft zu Olga zu entsenden und im Orloffschen Palaste zu schlafen. Dort würde ich sicher sein. Als ich mich der Thür näherte, traten zwei vermummte Gestalten auf mich zu. Die eine flüsterte: „Graf, es ist alles bekannt! Der Zarewitsch erkannte das Perlenhalsband, das ich ihm nicht verkaufen wollte. Ich habe ihm alles gesagt.“ Der andere Mann war ein Glaubensgenosse des Hundes von Juwelier, ein Mann, dem ich seit lange grosse Summen schuldete. Er forderte auf unverschämte Weise sein Geld. Pierre! dann schlich sich der Teufel in mein gequältes Herz. Ich ging, ohne ein Wort zu sagen, hinein, trank ein Glas feurigen Branntwein und fuhr langsam nach Hause. Am italienischen Bazar setzte ich Iwan ab, der das schicksalsschwere Zeichen in der Hand hielt. Dann fuhr ich schnell nach dem Orloffschen Palaste zurück.
Alles war dunkel! Ich entliess den Kutscher und trat in das verhängnisvolle Thor, zum letztenmal ein schuldloser Mann. Mein Blut tobte wie siedendes Quecksilber. Ich stahl mich nach meinem Zimmer, ergriff einen Revolver und ein schweres Messer! Iwan sollte am Admiralitätsquai mit einem Schlitten und einem zuverlässigen Kutscher warten!
Ich wusste, dass in einer Stunde Olga sicher in Podolskis bescheidenem Hause sein würde. Vor Tagesanbruch würde sie auf dem Wege zu den düstern nördlichen Waldstrassen sein, deren Dunkelheit Sicherheit gewährte. Ich lachte leise vor mich hin, als ich mich in die finstere Bibliothek schlich, in der Onkel Stephan seine Tage verbrachte! Er hatte eine Besitzung verkauft, und ich kannte das Bündel Tausendrubelnoten, mit denen er mich quälte, gar wohl. Ich war wie vom Teufel besessen. Mit einem kräftigen Griff brach ich das morsche, alte Mahagoni-Kabinett auf und nach einer Sekunde war der Erbe der Orloffs ein nächtlicher Dieb. Wollte Gott dass ich in dem Augenblicke, als ich mit dem Päckchen krauser Noten in der Hand dort stand, gestorben wäre! Nachdem ich sie hastig verborgen hatte, schritt ich auf die Thür zu und wollte den Palast durch eine kleine Hinterthür verlassen, die nur von dem Dvornik benutzt wird. Ich besass seit Jahren den Schlüssel dazu.
O Schrecken, als ich in den Flur trat, packte mich ein Mann mit rauhem Griffe! Ich schlug blind darauf los.
Ich hörte einen schweren Fall auf den Boden, der aber durch den dicken Teppich gedämpft wurde.
Ein einziger hohler Seufzer verkündete mir die entsetzliche Wahrheit. Ich kannte jene Stimme. Ich stürmte wie ein Verrückter nach der Hinterthür. Ich erreichte die Strasse und floh wie ein Schatten mit fast erstarrtem Herzen nach dem Quai. In fünf Minuten waren wir auf dem vereisten Flussbette. Der geängstete Iwan antwortete nur einsilbig. Doch meine Sinne kehrten mir bei der kalten Luft der Newa wieder. Ich erfuhr, dass Olgas Mädchen ihn zu ihr geleitet, der zu Liebe ich meine Hand mit Blut befleckt hatte. „Ich werde dort sein!“ hatte sie ihm gesagt. Weiter konnte ich nichts aus dem erschreckten Diener herausbringen, der wie toll auf die Pferde einhieb. Im bleichen Mondlicht erblickte ich einen Fleck auf meiner Hand. Es war Blut. — „Schneller, schneller!“ schrie ich, von Entsetzen geschüttelt, und wir jagten hinein in den finsteren Wald. Ich trank das feurige Nass aus Iwans Flasche, die er mir aufzwang. Mein Kopf sank kraftlos in die Kissen zurück! — Als ich erwachte wurde ich rauh geschüttelt. Eine Kosaken-Polizeiwache, etwa ein Dutzend Leute, stand um mich herum! Mein Pferd lag tot im Schnee, und Iwan wurde, fest gebunden, von einem Soldaten mit dem blanken Säbel in der Hand bewacht.
Als ich mich mühte, auf die Füsse zu kommen, näherte sich aus einem benachbarten Stalle ein grobgearbeiteter Schlitten, dem ein Offizier entstieg.
Die entsetzliche Wahrheit dämmerte mir auf. Ich war ein Gefangener! War ich — war ich ein Mörder? Ein finsterer Polizeibeamter befahl mir kurz, ich solle den Schlitten besteigen. Als ich es that, trafen meine Augen auf meinen getreuen Iwan. Er rief hastig: „Sie sind verraten, gnädiger Herr! Die Dienerin hat sie auf die Spur gebracht! Die Dame ist gleichfalls eine Gefangene.“ Ich hörte ein Geräusch, und als ich den Kopf wandte, sah ich, dass mein getreuer Diener auf dem blutbefleckten Schnee lag, den Kopf von einem Säbelhieb gespalten!
Dann weiss ich nichts mehr, bis ich aus meiner Zelle vor einen Gerichtshof in der Festung geschleppt wurde. Auf dem Tische lag ein Paket Banknoten. Der verfluchte Schatz, der das Mittel sein sollte, um Olga nach dem erträumten Paradiese im griechischen Meere zu bringen! Ich stand stumm, denn ich wusste nichts. Ich hörte, wie ich zum Verluste aller bürgerlichen Ehrenrechte und zu zwanzig Jahren Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt wurde! Die Ermordung meines Onkels war das Verbrechen.
Ich entnahm aus den Zeugenaussagen, dass mein Onkel plötzlich vom Balle heimgekehrt war, und als der tapfere alte Herr ein Geräusch gehört hatte, war er aus seinem Schlafzimmer gekommen, um von meiner Hand unwissentlich erschlagen zu werden. Die klare Thatsache, dass ich geglaubt hatte, es sei ein Diener, rettete mich vor der gesetzmässigen Strafe des Todes wegen Totschlages eines Verwandten. Als ich gefragt wurde, ob ich noch irgend etwas zu sagen hätte, sah ich die Augen des neuen grossfürstlichen Adjutanten auf mich gerichtet! Durch mein verstörtes Hirn zuckte der Gedanke an Olga, mein hülfloses Lieb, den Abgott meiner Mannesleidenschaft, die Göttin meines Daseins! Sie war nun gleichfalls eine Gefangene, in der Gewalt des hochmütigen Prinzen. Während ihr Name auf meinen Lippen schwebte, senkte ich das Haupt und murmelte „Nichts“. Meine Richter wechselten bedeutsame Blicke. Ich fing ein bleiches, winterliches Lächeln der Zustimmung auf, das dem frohen Genossen des Zarewitsch um die Lippen huschte. Ich war meinem Gelöbnis treu gewesen! Er wandte sich auf dem Absatze herum und verliess das Zimmer! Wenigstens eine Schmach war mir bei meiner Erniedrigung erspart geblieben, die Schande, das Privatleben des Kaiserlichen Herrn, dem ich diente, zu verraten!“
Orloffs Augen strömten von bitteren Thränen über.
„Du hast mir noch nicht gesagt, wer sie war, mein armer Fedor,“ sagte Lefranc mit vor Erregung blitzenden Augen.
„Sie war das lieblichste Weib im weiten Reiche des weissen Zaren und die Königin des Gesanges,“ entgegnete Orloff langsam, während er sein müdes Haupt auf die Hände sinken liess. „Und ein stürmischer, winterlicher Ocean scheidet uns, denn sie ist gleichfalls eine Gefangene in einem fernen Lande!“
„Die herrschende Primadonna?“ wiederholte Lefranc. „Ich habe von einem derartigen Verschwinden gehört, aber ich habe mir eingebildet, dass sie ihre Nachtigallenstimme nur im Bauer ihres begünstigten Liebhabers verborgen hätte!“ Lefranc trat zu Orloff heran und rief energisch: „Wir müssen entfliehen! Wenn wir nur bei einander bleiben können! Und, Fedor,“ sagte er ernst, „der Grossfürst wird nie im Leben vergessen, nie vergeben!“
„Du hast recht! Dazu ist keine Hoffnung,“ entgegnete Orloff. „Und die tiefverletzten, strenggläubigen, russischen Edlen werden für allezeit den Russen knechten, der ein Glied seiner Familie getötet hat. Ich schwöre dir, Pierre,“ rief Orloff, „dass ich nie im Traume daran gedacht habe, das Geld zu nehmen, bis mein Oheim mich damit gereizt hat! Ich begehrte es nur, um meine Olga aus den Klauen der doppelten Tyrannei zu retten. Sieh, auf was für ein schwankes Rohr wir uns stützten! Die Dienerin wurde durch meine Grossmut reich — sie machte mein schutzloses Lieb unglücklich und sandte uns dann beide kalten Blutes in Schande und Verderben. Es ist verlorene Zeit, wenn ich daran denke, mein Los zu bessern. Ich habe weder Geld, noch Macht, noch einen einzigen Freund! Ich habe das Grab meines vergangenen Lebens versiegelt. Nur ein einziger Gedanke hat mich aufrecht erhalten, — ein einziger Hoffnungsstern in die Dunkelheit der Sträflingsbaracken geleuchtet: sie wieder zu sehen, ihre Stimme sagen zu hören: „Fedor ich liebe dich! Ich vergebe dir!“
„War sie eine Russin?“ fragte Lefranc, der gern Orloffs Kummer erleichtern wollte.
„Ihre Mutter war ein wunderbares Kind Ungarns, voller Schönheit und Genie, und als sie in Italien starb, da liess ihr Gatte, ein reicher Südrusse, das Mädchen im Auslande. Sein Tot beim Aufstande seiner Leibeigenen liess sie völlig mittellos, denn die Mutter war nicht orthodox. Es war ein verhängnisvoller Tag, an dem mein Lieb durch den wilden Enthusiasmus der unter dem nördlichen Lichte Weilenden nach Petersburg gelockt wurde. Es giebt nichts Süsseres als Liebe! Nichts Seltsameres als das Spiel des Zufalls! Nichts Traurigeres als den eisernen Griff des Schicksals! ... Hast du in Sitka nichts von ihrer Geschichte gehört, Pierre?“
„Ach nein, mein armer Freund!“ entgegnete der Franzose. „Dieser erbarmungslose Hund, der Fersen, liess mich eifersüchtig bewachen. In Kodiak hörten wir von der Aussenwelt nur alljährlich einmal durch den Besuch des Handelsschiffes aus San Francisco! Ich versuchte mich zu Tode zu trinken. Es klingt wohl seltsam, aber der schwarze Rum war meine Nahrung. Der beständige Regen machte Streifereien im Freien unmöglich, und die zornigen braunen Bären, die nach den Strandfischen lüstern waren, bildeten eine wirksame Wache in den langen einsamen Tagen meiner Gefangenschaft in Kodiak. Ich suchte in der Arbeit Betäubung meines Kummers. Meine einzige Freude bestand im Erlernen der aleutischen Sprache, des Dialekts der Alasker. Ich habe mich durch strenge, unermüdliche Arbeit, das einzige Heilmittel für ein gebrochenes Herz, vor dem Wahnsinn bewahrt!“
„Bist du gut behandelt worden?“ fragte Orloff.
„Meine Kerkermeister waren meist gut gelaunt. Sie konnten nichts dadurch gewinnen, dass sie mich quälten. Ich war unter die menschliche Beachtung herabgesunken. Ausserdem verloren sie, wenn sie mich töteten, ihren einzigen Schiffsbauer. Wenn ich an Entkräftung starb, oder sie mich in eine Zelle sperrten, dann wurde die nötige Arbeit unterbrochen. Die Beamten verbrachten ihre Zeit damit, dass sie im geheimen kostbare Pelze erwarben, spielten oder tranken.“
„Und du sagtest, dass du schon einmal einen Fluchtversuch gewagt hättest. Wenn er dir allein misslang, wie kann er uns da gemeinsam gelingen?“
„Bei den bevorstehenden Veränderungen werden sich uns mancherlei Gelegenheiten bieten,“ sagte Lefranc. „Wenn die Amerikaner Alaska kaufen, dann wird das allgemeine Verlassen des Landes die Wachsamkeit unserer Wächter beeinträchtigen. Aber wie schaffen wir dich dorthin? Du sollst mit Fersen den Amur hinaufgehen. Er ist ein grausamer Tyrann. Hüte dich, ihn zu reizen! Das bedeutet den Tod.“
„Das scheint so,“ stimmte Orloff bei. „Aber er hasst mich schon. Vielleicht kennt er die alte Geschichte. Ich kann nicht hoffen, seine Gunst zu erringen!“
„Dann sei jeden Augenblick auf der Hut. Und was nun unsere geheimen Pläne anbetrifft, Fedor. Vor zwei Jahren musste ein amerikanischer Walfischfänger Kodiak anlaufen, um einen kranken Matrosen zu landen. Ich lag mit ihm gemeinsam im Hospital. Dank meinem Englisch konnten wir ungestört mit einander plaudern. Dieser Aleck McMann ist durch seine ungewöhnliche Begabung ganz unschätzbar. Er kennt jede Bucht im nördlichen Eismeer und spricht jeden Dialekt am ochotskischen Eis- und Behringsmeer. Zwei Jahre lang hat er unter den Tschuktschen in Kamtschatka geweilt. Er kennt auch jedes Geheimnis des Pelz- und Elfenbeinhandels, und er wird mit den freundlich gesinnten, aber verschlagenen sibirischen Küstenstämmen fertig, die seinen alljährlichen Besuch erwarten. Wir wurden sehr intim, da ich ihm beträchtliche Hülfe geleistet habe. Ich brannte darauf, meine Freiheit wieder zu erlangen. Ich sah Mc Manns Schlauheit, und eine Hand wäscht die andere — ich willigte ein, ihm zu nützen!
Nach einem Zweikampf in der Schlauheit versprach er, mir bei meiner Flucht behülflich zu sein. Alljährlich im März verlässt sein Schiff — er führt inzwischen selbst eines — San Francisco und kehrt im Oktober dorthin zurück. Er will mir dazu verhelfen, dass ich Kalifornien erreiche. Ich soll als Gegenleistung die sämtlichen Aleuten- und Eskimostämme beobachten, die Robben- und Otternjäger und die Bewohner des Innern von Yukon, und herausfinden, woher sie ihr Gold beschaffen. McMann hat entdeckt, dass die alastischen Eingeborenen, nördlich von Sitka, um die Chicagoff-Inseln herum und am Takou-Flusse riesige Mengen von Goldkörnern besitzen, deren Wert sie gar nicht kennen. Bei geheimen Besuchen von Cross Sound hat McMann diesen Eingeborenen gegen ihren Goldstaub Rum vertauscht und dabei sehr bedeutend gewonnen. Um die Kriegsschiffe in Sitka und die herrschenden russischen Behörden zu vermeiden, veranlasst Mc Mann, der der leitende Geist ist, seine Schiffsherren, Kodiak zu ihrem Versorgungshafen zu wählen. Er bekommt den Rum von den dortigen bestechlichen Beamten, die er in amerikanischem geprägten Golde bezahlt, und er nimmt auch ihre gestohlenen Pelze, die sie im Geheimen von dem russischen Regierungstribut entwenden, zu guten Preisen an. Er hat versprochen, mich nächstes Jahr zu befreien, wenn ich ihm die Quelle des Goldstaubes aufspüren kann. Ich sehe jene Eingeborenen alljährlich Monate lang und habe ihr Vertrauen gewonnen, obgleich sie schlau und verschmitzt sind. Er bewahrt die Goldstaubbezahlungen als tiefstes Geheimnis.“
Lefranc füllte sein Glas.
„Ich will kurz sein! Mc Mann ist eine Mischung von Seemann, Geizhals, Handelsmann und Pirat! Ich weiss, dass er die vertrauenden Eingeborenen eines Plover-Bay-Dorfes tot auf dem Platze liess, nachdem sie sich an verschiedenen Fässern vergifteten Rums gütlich gethan hatten, die er ihnen zum Geschenke mitgebracht hatte. Und dann raubte er dort einen grossen Vorrat kostbaren Fischbeins — ihren einzigen Besitz! Ich fürchte diesen rohen Menschen. Und darum habe ich ihn betrogen! Er kennt meinen Einfluss auf die Eingeborenen Alaskas und ich habe den noch übertrieben. Denn er ist meine einzige Hoffnung! Er kann uns späterhin vielleicht alle beide retten.
Wenn ich nun deine Uebersiedelung nach Kodiak bewerkstelligen könnte, so vermöchten wir ihm vorzuspiegeln, dass wir die Schatzgrube entdeckt hätten. Ich vermute, es ist eine kleine vulkanische Insel. Nächstes Jahr müssen wir ihm dann um den Bart gehen und mit ihm entfliehen. Er wird natürlicherweise nach Kalifornien zurückkehren, um mit seinem Schiffsherrn zu beraten. Sind wir erst in San Francisco, so sind wir frei und können selbst ihm Trotz bieten.“
„Ich will es überdenken!“ sagte Orloff nachdenklich. „Von hier könnte ich vielleicht nach Korea oder der Mandschurei entfliehen.“
„Wohl wahr! Aber in den Wäldern hier hausen die riesigen Tiger der Amurdistrikte. Du hast keine Hülfe, keinerlei Nahrungsmittel, kein Geld, keine Waffen. Du wirst sicherlich gleich den Tausenden zu Grunde gehen, deren Gebeine von den Wolfsrudeln in den pfadlosen Waldungen benagt wurden. Es ist eine fast unmögliche Aufgabe! Und wiederum, wenn deine Olga in Sitka ist, Fedor, dann könntest du ihr womöglich helfen! Die kleine Prinzessin von Alaska vermag vielleicht euch alle beide zu retten!“ sagte Lefranc mit glatter Zunge.
Orloff sprang auf. „Ich bin dein bis zum Tode! Wir müssen unser Los zusammenwerfen! Um Olgas willen!“