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Fränk – Wer zögert, der denkt
ОглавлениеWer ich bin?
Ich wohne allein ganz oben im dritten Stock eines Miethauses irgendwo in einer verlorenen Ecke Deutschlands mit hoher Kriminalitätsrate. Ewig möchte ich nicht in diesem Loch hausen. Es gibt wesentlich schönere Orte, da würde ich gerne leben, zusammen mit einer geilen Braut natürlich. Meine Eltern gaben mir vor 33 Jahren den Namen Frank. Die Menschen in meinem Haus kennen mich als Herrn Müller, so steht es zumindest an der Schelle und am Briefkasten. Meine Nachbarin mit ihrem frechen Hund nennt mich Mann mit dem Hut. Den Hut trage ich auch bei schönem Wetter, allerdings nehme ich ihn stets ab, wenn’s brenzlig wird. Bei der Ausübung meines Gewerbes gehorche ich auf den Namen Karl Winter. Diesen habe ich mich vor etwa zwei Jahren zugelegt, nachdem ich festgestellt hatte, dass man mit entschlossenen Schüssen auf Menschen fette Kohle verdienen kann. Niemand in meiner Branche sollte auf Idee kommen, die Schusswaffe als Arbeitsmittel von der Steuer abzusetzen.
Samstag, 11. September 2021
Es ist kurz nach 22 Uhr und ich betrete die Nachtbar. Der Besitzer dieses Lokals heißt Will, ein Schwarzer, der in den USA aufgewachsen ist. Wir begegneten uns, als er im pubertären Alter mit seinen Eltern nach Deutschland zog. Es zeigte sich schnell sein Hang zur Kriminalität; wurde des Öfteren mal verhaftet, aber er ist immer irgendwie mit einem blauen Auge davon gekommen. Lange hatte Will oder Wilder Willie, wie wir ihn früher nannten, nie im Knast gesessen. Ich war übrigens noch nie hinter Gittern, aber zwölf Jahre in der Armee. Ich hatte mich in jungen Jahren dazu verpflichtet, meinem Land auf diese Weise zu dienen. In der Armee lernt man schießen, in der Armee man lernt killen. Ich kannte Jungs, für die war die Armee wie ein Gefängnis.
Ich setze mich an die Theke, lasse meinen Hut auf, bestelle einen doppelten Bourbon mit Eis und frage nach Will. Die Kellnerin Carmen mit ihren mannigfaltigen Reizen greift zum Telefon. Fünf Minuten später reiche ich meinem alten Kumpel die Hand.
„Hi Fränk“, begrüßt er mich. Meinen Namen prämiert er absichtlich mit einer amerikanischen Note. Ansonsten spricht er ein besseres Deutsch als die meisten glatzköpfigen AFD-Wähler. Er beschießt mich mit Neuigkeiten.
„Das hübsche Ding ist in den Schlagzeilen. Ihre Leiche wurde gefunden. Das Lokalfernsehen hat davon berichtet.“
„Sorry Will, ich schaue mir in der Glotze nur Sport und Actionfilme an.“ Und bei Bedarf Erotik auf Video.
„Es stand groß in der Zeitung!“
„Zeitung? Les’ ich nicht.“
„Und im Internet, Fränk.“
„Internet? Verkaüfer kassieren ab, verschicken aber keine Ware, erfüllen nicht den Vertrag, furchtbar. Für mich ist dieses Internet voller Lug und Trug. Damit beschäftige ich mich nicht mehr. Ich schwöre, ich werde nie ein Mailpostfach besitzen bis in alle Ewigkeit. Jemand könnte mir Millionen bieten, um dieses verdammte Netzwerk zu neutralisieren, aber einen solchen Auftrag zu erfüllen, wäre für mich nicht möglich. Aufträge, denen ich nicht gewachsen bin, lehne ich ab. Übernehme nur Aufgaben, die ich ...“
„Ich weiß um dein Pflichtbewusstsein“, unterbricht mich Will. „Mein halbes Leben lang kenn ich dich. Du und deine Loyalität, Fränk. Wirklich lobenswert.“
Lobenswert. Im Internet kassiert man dafür Daumen nach oben.
„Danke Will. Spar dir deine Worte, möchte nicht wissen, was für einen Unsinn die Pressefuzzis geschrieben haben. Den Mörder haben sie auf jeden Fall noch nicht gefasst.“
„Viel wurde nicht bekannt gegeben, bis auf ein paar Eckdaten über das Opfer. Claudia Steinmann, 22 Jahre jung und ledig. Schwarze Haare, weiße Haut.“
„Wunderschöne Märchenbraut. Schade, dass ich keine Zeit hatte, mich mit ihr näher zu beschäftigen. Ein solches Weib sollte man auf der Stelle heiraten.“
„Heiraten! Glücklich schätzen kann sich ein vermählter Mann, dass erspart ihm die finanziellen Investitionen für ein erotisches Stündchen und die Kohle für das Pizza-Taxi. Kompetenz in Küche und Bett, darauf kommt es bei den Weibern an. Gut Fränk, viel kann ich dir sowieso nicht erzählen, das Übliche halt.“
„Vorerst keine näheren Details. Es wird in alle Richtungen ermittelt; bla, bla, bla. Ermittelt hab ich 13333 und hätt jetzt gern meine Kohle.“
Will schiebt mir mein Honorar zu. Es ist gut vor neugierigen Augen geschützt. Ich merke sofort, in diesem Umschlag befinden sich auch einige kleine Münzen, die den großen Scheinen Gesellschaft leisten.
„Möchtest du den Umschlag wieder sofort zurückhaben? Soll ich zur Leerung sicherheitshalber kurz aufs Klo?“
„Nein Fränk, letztes Mal war ich bloß ein wenig knapp an Büromaterial.“
Der Umschlag findet einen Platz in meiner Oberbekleidung. Daheim werde ich in Ruhe nachzählen, aber bislang stimmte bei Will immer alles exakt bis auf den Cent.
„In Ordnung. Danke Will.“
„Alles klar, Fränk. Schau nächste Woche wieder rein. Ein Zwischenhändler hat da einen neuen Interessenten an der Angel. Es geht um dein Ding, es geht um Mord.“
„Na hoffentlich nicht jemand, der den wilden Willie loswerden möchte“, scherze ich.
Will muss lachen.
„Dein Humor ist sogar noch schwärzer als meine Hautfarbe, Fränk.“
„Der krasse Kontrast dazu ist das schneeweiße Kokain, das du schon immer verhökerst hast, mein Freund und Kupferstecher.“ Ich grins ihn an.
„Komm Fränk, wir trinken noch was. Ich geb einen aus.“
„Zu einem Gratisdrink da sag ich doch nie Nein.“
„Ein klares Nein auch dazu, mich loszuwerden? Mal ernst, du würdest doch nicht deinen Jobvermittler ins Jenseits befördern und dich in die Arbeitslosigkeit?“
Wills lauter Pfiff lässt die Serviermaus antanzen. Ich zwinker Carmen kurz zu. Eine solche Muschi daheim und das Anschauen von Erotikvideos würde sich erübrigen.
Samstag, 18. September 2021
Es ist kurz nach 22 Uhr und ich betrete die Nachtbar. Der Besitzer dieses Lokals heißt Will und der hat mich bereits erwartet.
„Fränkie, alter Junge. Schön, dass du da bist.“
Wir setzen uns an einen ruhigen Tisch und Carmen bringt mir meinen gewohnten Drink. Will beugt sich zu mir rüber und legt los.
„Hör zu. Der Typ heißt Bumerang und ist keine Ahnung wie alt. Muss ganz oben sitzen bei einem anständigen deutschen Konzern, der Waffen produziert. Zahlt eine 5-stellige Summe.“
„Für weniger Geld lege ich niemanden mehr um. Für Peanuts würde ich höchstens den Köter von meiner Nachbarin erschießen, das Gekläffe von dem Tier geht mir gewaltig auf den Keks. Kommen wir auf den Punkt. Wen genau soll ich ins Jenseits befördern?“
„Das wird dir dieser Mister Bumerang schon höchstpersönlich verraten. Morgen um drei hast du eine Audienz bei ihm. Hör zu, diesmal läuft das mit dem Entgelt nicht über mich. Pass auf, lass dir bitte die Kosten direkt in bar auszahlen, ich halt mich daraus. Morgen um drei. Alter Holzweg 66. Geht das in Ordnung?“
Ich nippe an meinem Glas. Es geht in Ordnung.
Sonntag, 19. September 2021
Der sonnige Tag geht auf drei Uhr am Nachmittag zu. Die protzige Villa liegt verlassen am Ende einer schmalen Straße und fällt direkt auf. Genau wie das große Namensschild, das so neu wirkt, als ob es gerade erst angebracht worden wäre. Ich drücke den Klingelknopf und warte leicht schwitzend vor der Eingangstür. Bin den letzten Kilometer zu Fuß gegangen, wollte den Wagen nicht in unmittelbarer Nähe parken. Ein knapp 30-jähriges Weibsbild öffnet mir die Tür.
„Sind Sie Herr Winter?“, fragt sie und nach meinem flinken Ganzkörperscan muss ich feststellen, die miniberockte Maus ist mehr als nur attraktiv verpackt. Ihr Gesicht kommt mir irgendwie bekannt vor. Wer ist diese heiße Braut? Bumerangs Gattin? Bumerangs Sekretärin? Bumerangs Putze? Oder alles in einem?
„Sind Sie Herr Winter?“
Ich bin nicht ganz auf dem Teppich. Ein zweites Mal muss ich mir die Frage anhören, weil die Braut weit mehr als nur meine Fantasie erregt. Schließlich nicke ich wortlos und betrete nach mündlicher Aufforderung das Haus. Wir latschen durch prächtig ausgestattete Räume bis hin zur Terrasse. Dort steht ein Mann Mitte-Ende fünfzig.
„Tag. Herr Bumerang? Karl Winter mein Name.“
Wir drücken uns die Hände.
„Bernhard Bumerang. Tag Herr Winter. Sie sind mir als äußerst zuverlässig empfohlen worden. Und als jemand, der umgehend die Pers..., die Arbeit erledigt. Kommen wir gleich zur Sache. Meine Ehefrau Kiki ist vor Kurzem ermordet worden. Haben Sie was darüber gehört?“
„Mein Beileid. Passierte es hier in der Gegend? Es würde mich nicht wundern.“
„Ja, hier in der Nähe.“
„Okay, hier wird viel gemordet, da verliert man leicht den Überblick, scheint eine Art Volkssport zu sein. Kiki Bumerang? Nein, nie gehört.“
Die reizende Braut im atemberaubenden Minirock unterbricht unser Gequassel und fragt mich, ob ich was trinken möchte. Ich verneine dankend. Wie dumm von mir, ein Drink hätte mir gepasst. Das Weib bringt mich ganz durcheinander, verdreht mir den Kopf. Bernhard Bumerang beginnt, sein Anliegen vorzutragen.
„Ich kann mir denken, wer dahinter steckt, und möchte, dass Sie ....“
„Verstehe“, unterbreche ich und unterbreite ihm ein Angebot.
„Hier meine Preise. Ein Störenfried zweiundzwanzigtausend, zwei Störenfriede vierzigtausend, drei Störenfriede fünfzigtausend.“
„Nein, achtzehntausend für eine Leistung. Ich verlass mich auf Sie.“
Achtzehn sind nicht schlecht, davon geht ein Drittel an Will. Der letzte Job von diesem Italiener mit Hang zur Theatralik brachte zwar 2000 mehr, aber man soll nicht meckern bei der Konkurrenz aus Osteuropa.
„Auf mich können Sie zählen, Herr Bumerang. Auf mich können Sie sich verlassen, ohne Frage. Achtzehn gehen in Ordnung, aber dann bitte alles cash. Sofort!“
Mein neuer Geschäftspartner entschuldigt sich kurz, um mir einen Moment später eine Handvoll Scheine zu überreichen. Ich zähl nach und bin zufrieden. Ich zöger nicht lange und reiche ihm meine Flosse, der Vertrag ist besiegelt. Rücktritte gibt es bei mir nicht. Bernhard Bumerang dirigiert mich ins Wohnzimmer.
„Ich zeige Ihnen ein Bild von meiner Frau.“
Er nimmt ein gerahmtes Foto von der Regalwand und hält es mir vor die Nase.
„Das ist ihre Frau Kiki?“ Ich nehme meinen Hut ab und kratze mich am Kopf. Warum heiraten junge Dinger alte Knacker?
„Genau, wir hatten erst vor drei Wochen in Las Vegas den Bund der Ehe geschlossen. Kiki war ihr Kosename, so nannte nur ich sie. Die Personenstandsänderung wurde der Gemeinde nicht gleich mitgeteilt. Erst nach ihrem Tod habe ich die Behörden über die Eheschließung informiert.“
Ich betrachte das Bild von Claudia Steinmann, als ob ich sie noch nie gesehen hätte.
„Schwarze Haare, weiße Haut. Mmmh, wer könnte sie umgebracht haben?“, frage ich ihn scheinheilig.
„Ich gehe davon aus, ihr Ex-Freund hat es getan. Der war vor zwei Monaten mit ihr noch liiert.“
„Sie haben aber schnell Kiki geheiratet.“
„Wir kannten uns schon länger.“
„Ach so. Wer ist dieser Ex-Freund?“
„Ein heißblütiger, krankhaft eifersüchtiger Süditaliener.“
Stimmt, geht es durch meinen Kopf. Der hat Claudia Kiki aber nur entführt und ich habe sie erschossen. Mit einer Pistole. Im Wald. Der kleine Mafioso hatte wohl in der Hektik keine passende Gelegenheit gefunden, die Märchenbraut in Beton zu gießen. Vermutlich hat er gehörig Schiss bekommen, seine ehemalige Freundin zu ermorden, und hat einen dubiosen Landsmann aufgesucht, der ihm etwas schuldig war. Dieser bewegte sich in einem Umfeld von Leuten, die wissen, wie sich solche Probleme lösen lassen. So kam ich zu diesem Job. So wurde ich Kikis Mörder.
„Dieser Italiener wird es gewesen sein“, meint Herr Bumerang, „der mich versucht hat, zu erpressen. Gleich nach unserer Rückkehr aus den Staaten hat er meine Frau entführt und forderte per Brief eine riesige Summe von mir. Wollte mich ruinieren, dieser krankhafte Macho, aber ich zahlte nicht.“
„Wo war mal wieder die Polizei?“
„Die Polizei wurde erst nach dem Tod meiner Frau über die Entführung in Kenntnis gesetzt.“
„Also erledige ich diesen Italiener“, sage ich erleichtert, setze meinen Hut wieder auf und frage nach persönlichen Daten der Zielperson.
„Gleich. Moment noch.“
Bernie macht es richtig spannend, hoffentlich keinen neuen Ärger.
„Herr Winter, finden Sie zunächst heraus, ob der Kerl es wirklich getan hat. Wenn er es war, bringen Sie ihn um. Falls er behauptet, jemand anderes wäre noch mit im Spiel und hat meine Frau ermordet, dann packen sie den Spaghetti an den Eiern und ziehen sie ihm die Nudel lang, bis er den Namen des Mörders ausspuckt. Sie können ihn dann nach Belieben abservieren, aber dafür habe ich Sie nicht bezahlt. Für dieses Vergnügen habe ich Sie nicht bezahlt. Ich habe Sie dafür bezahlt, den Mörder meiner Frau zu töten.“
„Verstehe“, stöhne ich, nehme den Hut wieder ab und resümiere: „Gegenstand des Vertrages ist die Beseitigung von Claudia Kiki Bumerangs Mörder.“
„Wir haben uns verstanden, Herr Winter. Wir haben uns verstanden. Hier ist eine Versandtasche mit Informationen über diesen verdächtigen Italiener. Meine Tochter Christine wird Sie nun zur Haustür begleiten.“
Die Stute ist Bumerangs Tochter, soso. Schade, jammerschade, dass ich keine Zeit mehr finden werde, mich mit ihr näher zu beschäftigen.
Samstag, 25. September 2021
Es ist kurz nach 22 Uhr und ich betrete geknickt die Nachtbar. Der Besitzer dieses Lokals heißt Will und ihm hab ich alles zu verdanken. Wir sitzen an einem Tisch.
„Siehst nicht gut aus, Fränk. Gab es Probleme? Wie laufen die Geschäfte? Hast du Bumerangs Auftrag angenommen und ihn erfüllt?“
„Noch nicht Will, aber heute Nacht. Hier deine 6000.“
Ich schiebe ihm seinen Anteil zu.
„Aber es ist ein Scheiß-Job, Will. Diesmal ist es wirklich ein verflucht beschissener Scheiß-Job. Ich werde ihn trotzdem tun müssen.“
„Respekt Fränk, du hast noch nie beim Job versagt, solange wir beide Zusammenarbeiten. Man kann sich auf dich verlassen. Wer sollte dies besser wissen als ich? Komm, ich geb dir einen aus.“
Will pfeift nach der Serviermaus, die flott einen doppelten Bourbon bringt. Aber der geschenkte Drink und die reizende Optik von Carmen schaffen es nicht, meine Stimmung wesentlich zu verbessern.
Sonntag, 26. September 2021
Es geht auf drei Uhr am Morgen zu, eigentlich Zeit, um ins Bett zu gehen. Ins Bett zu gehen mit einer heißen Braut. Ich habe keine Zeit damit verschwendet, den Italiener ausfindig zu machen und ihm eine gehörige Lektion zu erteilen. Ich habe meine Zeit in diversen Klubs verbracht und mir hübsche Frauen angesehen. Ich fahre allein mit dem Wagen in die Nähe, wo ich die hübsche Claudia erschossen habe. Ein dunkler Parkplatz ist die Endstation meiner Reise. Ich lege meinen Hut auf den Beifahrersitz, steige aus und gehe tief in den Wald hinein. Ich bin stolz, dass ich diesen Schritt wage. In einigen Minuten werde ich tot auf dem Boden liegen. Bestimmt nicht, weil ich keine Lust mehr zum Leben habe, nein, sondern weil ich mich entschlossen habe, meinen Job zu erledigen. Denn auf mich ist Verlass. Die Pistole, mit der ich Bernhard Bumerangs Kiki getötet habe, wird auch mich in die Ewigkeit befördern. Vielleicht findet ein Hundebesitzer meine Leiche? Irgendwann wird mich schon jemand finden und irgendjemand anderes wird eine Grube für mich buddeln. Dann werde ich nicht mehr oben wohnen, sondern irgendwo unten, begraben auf irgendeinem Friedhof.
Wer ich bin?
Ich wohne in einer ganzen tollen Villa irgendwo im sonnigen Florida. Kurze Zeit später, nachdem Fränk sich erschoss, flog ich über den Großen Teich zurück in meine Heimat. Das Ticket wurde vor Wochen gebucht, als mir diese geniale Idee kam. Fränk lag nicht falsch, es gab Mitbewerber im Drogen-Business, denen ich ein Dorn im Auge war. Es war ihm zuzutrauen, dass er bei einem hohen finanziellen Anreiz selbst mir das Gehirn weggepustet hätte. Wer kann der Macht des Geldes widerstehen? Manche können nie genug bekommen. Ich habe aus dem Leben gelernt und hatte genug. Ich spürte, es war höchste Eisenbahn, mit krummen Geschäften Schluss zu machen. Bevor ich mich um das Flugticket kümmerte, lagen mir bereits Angebote für die Geschäftsübernahme meiner Nachtbar vor. In einer Bar lernte ich sie nicht kennen, sondern ich rempelte sie versehentlich an, als sie nachmittags vor dem Schaufenster eines Juweliergeschäftes stand. Das Glitzern in ihren Augen übertraf das Glitzern der Klunker auf der anderen Seite der dicken Scheibe. Noch am gleichen Tag lag sie in meinem Armen und spuckte alles aus. Im Bett hatte sie keine großen Ansprüche. Groß waren ihre Ansprüche auf das Erbe ihres Vaters, dessen verstorbene Frau zwei Mädchen zur Welt brachte.
Christine Steinmann hat das gesamte Vermögen ihres Vaters geerbt, der in der Adventszeit kurz vor Weihnachten verstarb. Hans-Dieter Steinmanns Tage waren gezählt, als ich seiner ältesten Tochter zum ersten Mal die Muschi kraulte. Schwesterchen muss sterben, hauchte sie mir in dieser Nacht eiskalt zu. Die Gier nach Geld war ihr Motiv, einige können einfach nie genug bekommen. Die Polizei geht davon aus, dass Fränk der Täter war. Weil sein Erpressungsversuch scheiterte, brachte er die Gekidnappte um und hinterließ dabei eindeutige Spuren. Fränk hielt man für eine gescheiterte Existenz, einen psychischen Kranken, der bei jedem Wetter einen dämlichen Hut dabei hatte, und der sich letztendlich selbst erschoss. Als Erstes geriet Claudia Steinmanns richtiger Freund ins Visier der Ermittlungsbeamten, aber ihm konnte man nichts. Er hatte auch absolut nichts mit der Geschichte zu tun, die ich mir in aller Ruhe zurechtgebastelt hatte.
Christine Steinmann zeigte den Ermittlern einen Erpresserbrief. Für die Polizei war der Fall damit abgeschlossen. Diesen Brief, den hatte ich mir ausgedacht. Die freundliche Aufforderung nach Lösegeld war ein Laserausdruck, welcher in einem Umschlag steckte, voll mit Fränks Fingerabdrücken. Es war alles hervorragend inszeniert. Am 18. September wurde das Namensschild an der Villa kurzerhand ausgewechselt. Einen Tag darauf wurde der schwer kranke Steinmann mittags in seinem Bett leicht betäubt. Ein Hintermann gab sich als Bernhard Bumerang aus. In weiteren Rollen Christine Steinmann, die Auftraggeberin. Bei der Premiere als Bumerangs Tochter hatte sie ein Heimspiel. Emilio, ein kolumbianischer Drogenkurier, hatte Wochen zuvor bereits seine Auftritte als raffgieriger, italienischer Ex-Freund. Alles Personen, wo ich von ausgehen konnte, dass Fränk sie nicht hat kennen können. Diese Theateraufführung unter meiner Regie wäre wohl aufgeflogen, wenn er sich im Internet ein wenig schlaugemacht hätte, Fränk besaß noch nicht einmal ein Handy. Er zögerte nie, dass nahm ihm die Zeit zum Denken. Und ich war mir 100 Prozent sicher, dass Fränk jeden Auftrag zu 100 Prozent erfüllt.
Christine Steinmann hat mich bestens bezahlt. Seit ich wieder in Amerika bin, gilt für mich: keine Vermittlungen mehr an Auftragskiller, keine Drogengeschäfte. Nein, überhaupt gar nichts mehr in diese Richtung. Ich führe nun ein anständiges Leben zusammen mit einer ehemaligen Angestellten, die ich inzwischen geheiratet habe. Zwar nicht in Las Vegas, aber wir haben den Bund der Ehe geschlossen in irgendeiner kleinen Kapelle irgendwo in den Staaten.
Wer ich bin?
Ich wohne in diversen Zimmern in irgendwelchen Hotels. Es war kein finanzieller Kraftakt, diesen wortkargen Russen zu bezahlen. Zur Abwechselung war Will nun selbst das Opfer. Na ja, so ist halt das Leben. Bei mir ist er eben nicht mehr mit einem blauen Auge davon gekommen. Er war schon immer eine miese Ratte gewesen, hatte so viele Leichen im Keller, die konnte man kaum noch zählen. Seine Skrupellosigkeit war die Grundlage für sein Vermögen. So fing es an: Ich suchte Arbeit, er suchte Spaß. Wir beide fanden, was wir suchten. Ich gab ihm meinen Körper, er gab mir einen Job. So hörte es auf: Er nahm mich zur Frau, der Killer nahm ihm sein Leben. Ich konnte Will nicht länger ertragen, selbst in unserer Ehe sah er auf mich herab, nahm mich an die Leine und spielte weiter munter den großen Commander. Von wegen anständiges Leben!
Ich habe sein Geld genommen und mir eine neue Identität zugelegt, bin bei der Steuer unbekannt. Wenn jemand in der Bar nach der Kellnerin pfeift und einen Drink bestellt, dann fühle ich mich nicht mehr angesprochen. Ich führe ein geiles Leben. Bei meinem Outfit komme ich in den Bars problemlos mit attraktiven Männern in Kontakt, habe dann die Qual der Wahl. Besonders Brave und Nette gehorchen meinem Pfiff und folgen mir aufs Hotelzimmer, wo sie ordentlich auf ihre Kosten kommen, wenn sie sich mit mir vergnügen dürfen. Ja, ich führe ein lockeres Leben und habe das starke Geschlecht im Griff. Eines Tages jedoch, davon bin ich überzeugt, werde ich in die Grube fallen, die ich in meiner Vergangenheit selbst gegraben habe. Vielleicht überlebe ich den tiefen Sturz in dieses Loch und verbringe den Rest meines Lebens in einem kahlen Zimmer verziert mit fetten Eisengittern irgendwo in einer verlorenen Ecke dieser Welt.