Oskar Lafontaine
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Robert Lorenz. Oskar Lafontaine
Prolog. Welche Aussagekraft und Berechtigung hat eine Lafontaine-Biografie?
Zur Biografiewürdigkeit Oskar Lafontaines
Aufstieg und Fall. Optimus maximus: die frühen Jahre in der Politik
Rhetor und Rebell: Aufstieg in der Bundespartei
Aus der Arbeiterfamilie in die Staatskanzlei
Die wundersame Ablehnung des Parteivorsitzes
Kanzlerkandidatur, Parteivorsitz und Machtwechsel: die 1990er Jahre
Zwischen Bonn und Unterwelt
Lafo-Dämmerung: Rücktritt
Im politischen Niemandsland: 1999 bis 2004
Die Rückkehr des Liebhabers der Tribüne
Chaos und Querelen: die PDS vor 2004
Mit der Anti-Agenda-Partei zurück in den Bundestag: die Gründung der WASG und das Linksprojekt
Mediencoup par excellence: Rückkehr
Eloquenz, Populismus und Rage: Rhetorik als Machtressource
Luxuslinker Populist?
Tribun und Medienmagnet: Funktionen für die neue Partei
Die Stunde des Zugpferds
Der umstrittene Messias: innerparteiliche Stellung
Papier und Keil, die doch passten und getrieben wurden: persönliche Schwächen
Wider die Erwartungen der Medien: kongeniale Doppelspitze
Anmerkungen zum wundersamen Comeback eines Politikartisten
Last und Lust der Widerworte
Doppelspitze im Quadrat: die Zeit nach 2007
Primadonna auf Abschiedstournee? Reformerschreck und Patriarch: Anbahnung eines Scheiterns
Koalitionsunfähiger Kontrollfreak oder politischer Stratege?
Beginnender Niedergang
Der traurige Charismatiker: Ausstieg und unentschlossene Rückkehr
Vom Erbauer zum Zerstörer?
Die LINKE nach Oskar: unverbesserliche Trümmertruppe oder zartes Pflänzlein?
Erfolgloses Chaos
Das vorläufige Ende einer Erfolgsgeschichte
Eine Partei vor ungewisser Zukunft
Versuch eines Fazits
Erinnerungsmanager in eigener Sache
Epilog
Literaturverzeichnis
Anmerkungen
Impressum
Отрывок из книги
Titel
Prolog
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Folgerichtig lässt sich Lafontaine zum Kanzlerkandidaten küren. So will er es haben: Die Partei ruft ihn, womit er misserfolgsvermeidend nicht in der Rolle des Drängenden, sondern Gedrängten steckt, zumal er sich durchaus in der Lage sieht, Kohl im Kanzleramt abzulösen. Bis 1990 hätte man die Geschichte von Lafontaines politischer Karriere auch als vorgezeichneten Weg zur Kanzlerschaft erzählen können. Denn was lag näher, als dass ein Mann vom politischen Profil Lafontaines – ökologiebewusst, pazifistisch, insgesamt progressiv, dabei aber auch sozialstaatlich – angesichts eines Kontrahenten vom Schlage Helmut Kohls nach der Bundestagswahl im Dezember 1990 Kanzler werden würde? Bis dahin ist Lafontaine ein faszinierender Siegertyp gewesen, jung, dynamisch, fortschrittlich, mediengewandt – oder wie die Konstellation in jenen Tagen beschrieben wird: Die SPD tritt an mit dem „sieggewohnten, managementerfahrenen Internationalisten aus Saarbrücken gegen den bräsig-nationalen CDU-Kanzler aus Oggersheim“77. Und tatsächlich scheint irgendetwas dran zu sein an der überschwänglichen These, Lafontaines Erfolge hätten „bei den Genossen zu fast mystischem Vertrauen in Fortüne und Fähigkeiten des saarländischen Lebenskünstlers und Tabubrechers geführt“78. Doch es ist Kohl, der am Ende gewinnt. Denn Lafontaines politische Biegsamkeit reicht für einen Wahlsieg im zwischenzeitlich wiedervereinigten Deutschland nicht aus. Lafontaines Kandidatur ist auf eine allein westdeutsche Wahl ausgelegt gewesen. Womöglich hat er sich in der neuen Situation der „Wende“ ganz einfach überschätzt, indem er irrtümlich annahm, Kohls Kurs der schnellen Verschmelzung zweier wirtschaftlich gänzlich konträr situierter Staaten würde sich noch vor dem Wahltag als falsch erweisen.79
Die Gründe für die Niederlage des politischen Shootingstars der 1980er Jahre, Lafontaine – gegen den als „Birne“ verspotteten Amtsinhaber Kohl, der schon Ministerpräsident war (1969), als Lafontaine noch frischgebackenes Parteimitglied war (seit 1966) –, sind schnell benannt: Die Menschen in beiden Teilen Deutschlands, dem Osten wie dem Westen, wollen 1990 die damaligen Geschehnisse mit historischer Bedeutung aufgeladen wissen und die Teilung in einer Wiedervereinigung aufgelöst sehen. Lafontaine aber begegnet der Vereinigungseuphorie mit demonstrativer Geringschätzung, ja Verachtung.80 In dieser Angelegenheit gibt er sich sogar als Hardliner, will nach dem Mauerfall nur solche DDR-Bürger in sein Bundesland übersiedeln lassen, die sich von ihrer Heimat aus bereits Wohnung und Job besorgt haben,81 will „die prämieren, die bleiben“82. Jeder Wahlkampfberater würde angesichts dieser Haltung die Hände über dem Kopf zusammenschlagen – und viele in der SPD tun dies auch in jenen Tagen. Lafontaine aber, nun einmal nicht der politische Fährtenleser, sondern der sachverständige Bedenkenträger, sieht zuvorderst die mit einer überstürzten Vereinigung verbundenen Probleme, antizipiert den wirtschaftlichen Kraftakt, der seitens der Westdeutschen notwendig sein wird. Damit mag er zwar eine realistischere Haltung einnehmen als Kohl – doch dessen optimistische Aussicht, aus der maroden DDR „blühende Landschaften mitten in Europa zu machen“83, ist eben um einiges erbaulicher als Lafontaines politischer Pessimismus, der vielen Bürgern und öffentlichen Meinungsmachern schlicht missfällt. Das Pressebild ist nicht der schlechteste Indikator für die Stimmung einer Zeit: Kurz vor dem Wahltag berichtet der Spiegel vom „längst abgeschriebenen Kandidaten“, der sich zwar gut schlage, aber „nahezu ohne Siegeschance gegen den amtierenden Kanzler Helmut Kohl ist“.84
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