Читать книгу Über Berauschung, deren Folgen und Verhütungs- und Heilmittel dagegen. Alkoholsucht - Robert Macnish - Страница 5

Zweites Kapitel. Ursachen der Trunkenheit:

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Die Ursachen der Trunkenheit drängen sich so sehr auf, daß wenige Schriftsteller es für nöthig gehalten haben, sie besonders zu entwickeln; auch werden wir uns nur einige Worte über diesen Gegenstand erlauben. Es giebt Personen, die sich nie der Trunkenheit ergeben, und Andere, bei denen dieses trotz aller Verhinderungs-Mittel der Fall sein wird. Einige sind Trunkenbolde aus eigener Wahl und Andere in Folge ihres Geschicks. Die Ersteren haben eine angeborne, in ihrer Constitution begründete Neigung für geistige Getränke und trinken con amore (mit Liebe). Sie sind gewöhnlich von sanguinischem (heiter, lebhaft) Temperament, rohem und ungebildetem Geiste und gemeinen und thierischen Trieben. Sie besitzen im Allgemeinen eine gewisse Festigkeit der Fibern und einen höheren Grad innerer Lebens-Thätigkeit. Sie erfreuen sich an dem wilden Lärm der Trinkstuben und suchen in der Flasche Schutz und Hilfe gegen jedes menschliche Elend.

Der Trunkenbold der zweiten Klasse erhielt nie von Natur die Anlage zu diesen Ausschweifungen. Er ist vielleicht von nüchternem und mäßigem Temperamente, aber das Unglück hat ihn gebeugt, und statt demselben männlich zu widerstehen, sucht er es in dem Zustande der Berauschung zu vergessen. Es treibt ihn ein Uebermaaß der Empfindlichkeit, eine parzielle Geistesschwäche, eine absolute Verzweiflung, und die Trunkenheit ist bei ihm eine Folge des Unglücks. Solche Personen sterben häufig an geistiger Verzweiflung, noch bevor jene Ausschweifungen durch ihre Folgen selbst sie vernichten konnten.

Einige werden Trunkenbolde, weil man ihnen in der Jugend zu viel Nachsicht gewährt. Es giebt Eltern, welche ihre Kinder an den Genuß von Wein, Punsch und von anderen berauschenden Getränken gewöhnen. Viele eignen sich die Untugend durch den häufigen Besuch von Trinkgesellschaften an. Zwei Drittel der Trunkenbolde wurden dort in jene Neigung zur Unmäßigkeit und zu wildem unordentlichem Treiben eingeweiht.

Die Trunkenheit herrscht in einem beunruhigenden Grade unter den niedern Klassen der Gesellschaft vor. Sie findet sich mehr in Städten als auf dem Lande, und mehr unter Handwerkern als unter Bauern. Vieles von dem Elend, welches unter der arbeitenden Klasse herrscht, entspringt aus dieser Quelle. Die Bedienten der Vornehmen sind ebenfalls der Versuchung zu jenem Laster sehr ausgesetzt, so wie alle Menschen, die ein umherziehendes und abentheuerliches Leben führen.

Frauen gewöhnen sich häufig an diese Untugend, indem sie, während sie ihre Kinder stillen, geistige Getränke genießen. Diese Reizmittel werden ihnen gewöhnlich aus wohlgemeinten aber mißverstandenen Gründen angerathen, und vielen jungen Frauen wird jene traurige Gewohnheit verderblich, indem ihre Milch darunter leidet und nur zu oft der Grund zu einer spätern Angewöhnung dadurch gelegt wird.

Der häufige Genuß von Liqueuren giebt ebenfalls oft Veranlassung, daß geistige Getränke eine Art von Nothwendigkeit werden. Unter andern Ursachen müssen wir auch des übertriebenen Gebrauchs spirituöser Tinkturen für die Heilung der Hypochondrie (übertriebene Angst, krank zu sein) und eines schlechten Magens erwähnen. Personen, die starken Thee, besonders grünen trinken, setzen sich derselben Gefahr aus. Der Letztere ist besonders der Gesundheit verderblich, indem er Hysterie und allgemeine Schwäche der Verdauungs-Werkzeuge veranlaßt. Einige dieser schädlichen Wirkungen werden eine Zeitlang durch den Gebrauch von Spirituosis aufgehoben, und was Anfangs als Arznei angewendet wurde, wird bald zum Bedürfniß.

Die Neigung zur Trunkenheit scheint einigermaßen erblich zu sein. Wir sehen häufig sie von den Eltern auf die Kinder fortpflanzen. Dieses kann allerdings oft durch schlechtes Beispiel und Nachahmung veranlaßt werden, aber es läßt sich nicht läugnen, daß wenigstens in einigen Fällen es auch ein Familienfehler ist.

Männer von Genie sind unglücklicherweise oft dem Trunk ergeben. Die Natur, welche sie mit höheren Geisteskräften als ihre Mitmenschen begabte, scheint auch ihrem Lebensbecher mehr Bitterkeit eingemischt zu haben. Der Geist solcher Männer ist zu empfindlich und zart, so daß er in der gewöhnlichen Atmosphäre der menschlichen Natur nicht auszudauern vermag, weshalb bedeutendes Talent sich gewöhnlich mit der Anlage für Melancholie und Trübsinn vereinigt findet. Das Genie lebt in seiner eigenen Welt; wenige Menschen, die mit demselben begabt sind, erfreuen sich des gewöhnlichen Glückes der Menschheit, und wenn nun noch wirkliches Unglück hinzutritt, so werden sie in das tiefste Elend gestürzt.

Um diese Stimmungen zu verscheuchen, werden verschiedenartige Mittel angewendet. Der Dr. Johnson (ein englischer Gelehrter, Lexikograf, Schriftsteller, Dichter und Kritiker) griff zum Wein, wenn die Melancholie sich seiner bemeisterte. Er fand, daß die Anfälle, so lange dessen unmittelbarer Einfluß währte, unterdrückt wurden, aber dafür kehrten sie mit doppelter Kraft zurück. Er bemerkte den gefährlichen Abgrund, an welchem er stand und wußte durch eine ungewöhnliche Anstrengung seiner Willenskraft ihm zu entgehen. Statt des Weines wählte er den Thee und bediente sich während seiner melancholischen Stimmung dieses mildern Reizmittels.

Voltaire (ein französischer Philosoph und Schriftsteller) und Fontenelle (französischer Schriftsteller und Aufklärer) tranken zu demselben Beruf Kaffee; die Aufregungsmittel von Newton (ein englischer Naturforscher und Verwaltungsbeamter) und Hobbes (ein englischer Mathematiker, Staatstheoretiker und Philosoph) waren Tabacksdämpfe, während Demosthenes (griechischer Redner) und Haller (vermutlich Karl Ludwig von Haller, ein Schweizer Staatsrechtler, Politiker, Puplizist und Nationalökonom) schon durch den häufigen Genuß kalten Wassers ihren Zweck erreichten. So verschieden sind die Constitutionen!

„Es ist besser durch Melancholie gequält zu werden, als der Trunkenheit sich zu ergeben,“ bemerkt der alte Burton (englischer Schriftsteller) in seiner Anatomie der Melancholie und es wird Wenige geben, die diesem Urtheil nicht beistimmen. Der Dr. Darwin (vermutlich Charles Darwin, ein britischer Naturforscher) sagt, er habe nie einen im Genuß der Speisen Unmäßigen mit der Gicht geplagt gesehen, der nicht zugleich dem Trunk ergeben gewesen sei.

Er bemerkt ferner: „Es ist auffallend, daß alle aus dem Uebermaß des Genusses geistiger Getränke entstehenden Krankheiten und Uebel leicht erblich, selbst bis zur dritten Generation werden, und nach und nach, wenn die Ursache fortdauert, sich verschlimmern, bis die Familie ausstirbt.

Es wäre zwecklos, wenn wir die entfernten Ursachen der Trunkenheit weiter verfolgen wollten. Ein dem Trunke Ergebener kann sich selten erinnern, durch welche besondere Umstände er es geworden ist. Das Laster bemächtigt sich seiner, ohne daß er sich dessen bewußt wird und er trägt diese Fesseln, bevor er selbst es weiß. Es genügt, daß wir die nächsten Ursachen und deren sichere Folgen kennen. So viel ist gewiß, daß Jemand, der sich der Unmäßigkeit ergibt, weder an Geist noch an Körper gesund genannt werden kann. Der Geist befindet sich in einem Zustande des parziellen Wahnsinns, so lange die Wirkungen der geistigen Getränke andauern und der Körper wird immer mehr oder wenig ein seiner naturgemäßen Wirksamkeit gehemmt oder benachtheiligt.

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