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MÄDCHEN UND HELDEN

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Inhaltsverzeichnis

Wie schön seid ihr, Dienstmädchen mit den Bauernbeinen und den ruhigen Augen, von denen man nicht weiss, wundern sie sich über alles oder über nichts?! Ihr führt den Hund der Herrschaft an der Leine wie die Kuh am Strick. Denkt ihr daran, dass jetzt im Dorf die Glocken läuten, oder denkt ihr daran, dass jetzt das Kino beginnt? Sicher ist es nur, ihr fühlt auf eine geheimnisvolle Weise, dass mehr Männer zwischen zwei Ecken der Stadt leben als auf dem ganzen Land, und ihr geht in jedem Augenblick durch diese Männlichkeit, wenn sie euch auch nicht gehört, wie durch ein Kornfeld, das an die Röcke streift.

Aber denkt ihr daran, während eure Augen tun, als wüssten sie nichts, dass es ein Mann ist, den ihr an der Leine führt? Oder bemerkt ihr in keiner Weise, dass Lux ein Mann ist, dass Wolf und Amri Männer sind? Tausend Pfeile durchbohren ihr Herz bei jedem Baum oder Lichtmast. Männer ihres Geschlechts haben als ihr Zeichen den messerscharfen Geruch des Ammoniaks hinterlassen, als hätte man Schwerter in einen Baum gestossen; Kämpfe und Brüderschaften, Heldentum und Neigung, die ganze heroische Welt des Mannes entfaltet sich vor ihrer schnuppernden Vorstellungskraft! Wie heben sie das Bein mit der freien Gebärde eines kriegerischen Grusses oder dem heldischen Schwung eines mit dem Bierglas grüssenden Arms beim Kommers! Mit welchem Ernst verrichten sie ihren Dienst, der ein Trank- und Weiheopfer ist wie nur irgend eines! Und ihr, Mädchen? Verständnislos zieht ihr sie hinter euch drein. Zerrt an der Leine; gönnt ihnen nicht Zeit, ohne euch auch nur umzusehen nach ihnen; achtet ihrer nicht. Es ist ein Anblick, um Steine gegen euch zu erheben.

Brüder! Auf drei Beinen hüpft hinter diesen Mädchen Lux oder Wolf; zu stolz, zu sehr im Stolzesten verletzt, um nach Hilfe zu heulen; keines anderen Protestes fähig, als das vierte Bein eigensinnig, hartnäckig, in verzweifeltem Abschied nicht sinken zu lassen, während ihn die Leine immer weiter reisst. Welche inneren Hundeerkrankungen mögen aus solchen Augenblicken entstehen, welche verzweifelten neurasthenischen Komplexe liegen in ihnen beschlossen! Und die Hauptsache: fühlt ihr seinen traurig kollegialen Blick, den er euch zusendet, wenn ihr an solcher Szene vorbeikommt? er liebt ja auch in seiner Weise die Seele dieser verständnislosen Mädchen. Sie sind nicht herzlos; ihr Herz möchte sich erbarmen, wenn sie wüssten, was vor sich geht. Aber sie wissen es eben nicht. Und sind sie nicht gerade darum so bezaubernd, diese Trägherzigen, weil sie gar nichts von uns wissen? So spricht der Hund. Sie werden niemals unsere Welt verstehn!

Nachlass zu Lebzeiten

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