Sich selbst treu geschrieben
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Robin Krause. Sich selbst treu geschrieben
Prolog
1. Strophe – Schreiben
2. Strophe – Gefährten 1
3. Strophe – Paul 1
4. Strophe – Paul 2
5. Strophe – Brian
6. Strophe – Kunstwerke
7. Strophe – Lizzie
8. Strophe – Toronto
9. Strophe – Village
10. Strophe – Stones
11. Strophe – Pause
12. Strophe – Kunstformen
13. Strophe – Familie
14. Strophe – Frieden 1
15. Strophe – David
16. Strophe – Tour
17. Strophe – Kreise
18. Strophe – Besuch
19. Strophe – Frieden 2
20. Strophe – Mick
21. Strophe – Plastik
22. Strophe – Radikal
23. Strophe – Gefährten 2
24. Strophe – Victoria
25. Strophe – Entschuldigung
26. Strophe – Walrosse
27. Strophe – Schlaflied
Epilog
Zugabe
Impressum
Отрывок из книги
Dies ist eine Geschichte über John. Er wurde vor vielen Jahren in einer Hafenstadt an der Westküste von England, nördlich von Wales, geboren. Seine Geburt fiel dabei in den Herbst des Jahres, in dem Winston Churchill als 42. britischer Premierminister vereidigt wurde, und dadurch gleichzeitig als Vorbild für Johns zweiten Vornamen Pate stand. Obwohl der kleine John Winston wenig davon mitbekommen haben dürfte, waren die Monate vor und nach seiner Geburt davon geprägt, dass der zweite Weltkrieg nach England kam und ein deutscher Bombenregen über Teilen seiner Heimatstadt niederging. Er wuchs dennoch bescheiden, aber nicht ärmlich, mit wechselnden Bezugspersonen auf. Sein Vater fuhr zur See und seine Mutter hatte während dessen andere Flausen im Kopf, so dass er nach einiger Zeit bei seiner Tante und ihrem Mann ein neues, zwar fürsorgliches, aber auch strenges Zuhause fand. Im frühen jugendlichen Alter riss ihn erst der Tod seines Onkels und dann der seiner Mutter, jeweils kurz bevor er mit ihnen ihre aufkeimenden Beziehungen intensivieren konnte, erneut aus der Bahn. Nichts schien bei diesem Jungen wirklich geradlinig zu verlaufen. Bis auf die Musik. Darin fand er endlich Erfüllung auf seiner leidenschaftlichen Suche nach Geborgenheit und er spürte, dass er nichts anderes wollte als sich ihr bedingungslos hinzugeben. Dieser Hingabe und seinem musikalischen Talent verdankte er, dass er zusammen mit seinen Freunden tatsächlich etwas zustande brachte, was sich davor niemand vorzustellen gewagt hätte. John, die Hauptfigur dieser Geschichte, ist kein geringerer als der bemerkenswerte Musiker und Künstler John Lennon, der sich neben vielen anderen Dingen insbesondere auch dadurch auszeichnet, dass er mit den Beatles aus rein musikalischem Interesse eine Musikgruppe gründete, aus der nur wenige Jahre später die bislang erfolgreichste Band der Welt werden sollte.
Bevor diese Geschichte über John beginnt, soll zum allgemeinen Verständnis der komplexen Natur seines Wesens noch eine kurze Erläuterung erfolgen. Eine Besonderheit an Johns Leben ist, wenn man seine frühe Jugend außer Acht lässt, dass fast seine vollständige Entwicklung von einem rebellischen, sich gerade am Ende seiner Pubertät befindenden Anfang-Zwanzig-Jährigen zur mythischen Ikone der Friedensbewegung und die anschließende Zeit mit all ihren Auswirkungen bis heute unter den Argusaugen der Öffentlichkeit stattgefunden hat. Die gesellschaftliche Aufmerksamkeit beschränkte sich dabei nicht nur auf seine Verehrer und die Medien. Für John interessierten sich, neben anderen, auch die Politik und Individuen, die ihm nicht nur wohlwollend gegenüber standen. Eine von Johns frühen Eigenarten war, dass er oftmals genau das sagte, was ihm gerade in den Sinn kam und dass er vorher nicht darüber nachdachte, weil es ihm entweder egal war oder er sich damit vor äußeren Einflüssen schützen wollte. Seine Äußerungen und Bemerkungen waren bissig und zynisch und einige derjenigen, an die sich diese Äußerungen richteten, sahen sie nicht zu Unrecht als bewusst verletzend an. Einerseits wurde er gerade wegen dieser unkonventionellen sprachlichen Gepflogenheiten geschätzt, denn es konnte passieren, dass er sie durchaus intelligent einsetzte. Andererseits gab es Momente in denen er wegen seiner Aussagen von den Medien zerrissen wurde. Sein Mitstreiter Paul McCartney wies eine besondere Eigenschaft auf, die dazu führte, dass er und John gute Freunde wurden, denn Paul war in der Lage, die ordinäre Energie von John zu absorbieren und sie ihm mit gleicher Münze zurück zu zahlen. So konnte es vorkommen, dass sich John und Paul gegenseitig, nur so zum Spaß, die schlimmsten Schimpfwörter und Beleidigungen zuriefen und beide am Ende das Gefühl hatten, dass es ein ganz schöner Wettstreit gewesen war. Es fiel John nicht leicht, zu verstehen, dass er andere Personen nachhaltig verletzen konnte, denn das war niemals sein eigentliches Bestreben. Er wurde nachdenklicher und lernte schliesslich Yoko kennen, die in der Lage war, ihm bei der Neuausrichtung seiner ihm innewohnenden Energie in geordnete Bahnen behilflich zu sein. Sein Wesen reifte, und gleichzeitig entfremdete er sich von Paul, der verzweifelt versuchte, seinen alten John zu behalten. Der alte John verschwand zwar nie vollständig, aber er entwickelte sich in weniger als zehn Jahren zu einem verständnis- und liebevollen Menschen, dem die Hand zur verbalen Ohrfeige nur noch selten ausrutschte, und wenn sie es doch einmal tat, dann traf sie mit zunehmend hoher Wahrscheinlichkeit an die richtige Stelle.
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John war temperamentvoll. Er hat den Erfolg schon als kleiner Junge gewollt. Er war entschlossen, alles zu tun, um erfolgreich zu sein und er hatte das künstlerische und intellektuelle Potential, das man dafür brauchte. Er war der freche Junge, der mit freiem Oberkörper auf dem Fahrrad durch die Straßen der Liverpooler Vorstadt fuhr und ab und zu einen herablassenden Spruch auf vorbeigehende Passanten ablud, nur um seinen Freunden später bei einer Tüte Fish & Chips und einem Bier von deren empörten Reaktionen zu berichten. Diese Menschen sahen in John nur einen Störenfried, einen rüpelhaften, ungezogenen Jungen. Wie sollten sie auch anders empfinden, denn er hatte sich ihnen ja von dieser Seite gezeigt. Von seiner neuen Seite, die Welt verbessern zu wollen und zu können, die er jedem von sich zeigen konnte, als er später berühmt war, hat er höchstens etwas geahnt. Die Kraft, den Erfolg zu wollen, hatte er schon. Das zeigt sich allein darin, dass er beschloss, für eine längere Zeit nach Hamburg zu gehen. Es war ihm mit der Musik wirklich ernst. Er war nicht derjenige, der im letzten Moment kniff und doch nicht ging. Er tat es. Und die anderen waren mit dabei. In einem kurzen Lebenslauf, den er in Hamburg 1961 für einen deutschen Journalisten verfasste, schloss er mit dem Satz, dass er und seine Band die Ambitionen hätten, reich zu werden. Und das taten sie auch, und zwar wie.
John war später nie so wie Elvis seinerzeit. Er hatte nie Angst vor einem potentiellen Rivalen, ob neu oder alt, und war grundsätzlich aufgeschlossen und interessiert an allem Neuen, auch neuen Künstlern gegenüber, die gerade am Anfang ihrer Karriere standen. Es kam zwar bedauerlicherweise vor, dass der unreife John sich anfänglich aufgrund seines chauvinistischen Charakters, einer rücksichtslosen Selbstverherrlichung und der damit einhergehenden Tatsache, dass er sich überhaupt keine Gedanken über die Konsequenzen dessen machte, was er sagte, auch abfällig gegenüber Musikerkollegen äußerte. Das hat zum Beispiel Ray Davis von den Kinks noch in Erinnerung, als diese 1964 im Vorprogramm für die Beatles spielten. Ein überheblicher John teilte der unerfahrenen Band mit, dass sie die Menge eh nur für die Beatles warm machen würden und ob sie ihnen ihre Programmliste borgen könnten, denn sie hätten die eigene verlegt. Die Kinks kamen allerdings beim Publikum gerade mit Songs wie you really got me, die sich deutlich von denen der Beatles abhoben, so gut an, dass der vorherigen Einschüchterung durch John eine gut tuende Selbstbestätigung folgte. Wenn man berücksichtigt, dass John später in seinem Lied god, in dem er aufzählt, an was er alles nicht mehr glaubt, auch die Kinks erwähnt, ist das ein Beweis dafür, dass er sie zumindest vor 1971 sehr geschätzt hat. Unbelegten Quellen zufolge war er ein großer Fan der Kinks-Single wonderboy und soll sich bei einer Feier einmal dafür eingesetzt haben, dass dieses Lied wieder und wieder gespielt wurde. Nachdem John seine frühe Überheblichkeit überwunden hatte, wollte er genauso wie die anderen Beatles der Nährboden für neue Kunst sein. Das war der Grund, warum die Beatles später ihr eigenes Unternehmen gründeten. Doch um dafür bereit zu sein, mussten sie zuerst den Gipfel erklimmen und die Beatlemania über sich ergehen lassen.
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