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ОглавлениеSiehe, der Bosporus schließt mit einem goldenen Schlüssel und öffnet/Schließt und öffnet zugleich Meere und Weltteile zween.
Pierre Gilles, französischer Gelehrter aus dem 16. Jahrhundert1
Überall im Abendland wurde der Tod Murats mit Erleichterung zur Kenntnis genommen. In Venedig, Rom, Genua und Paris machte man sich nur allzu gern eine Ansicht zu eigen, die der Italiener Francesco Filelfo einen Monat später in einem Brief an den französischen König Karl zum Ausdruck brachte, wonach der junge Mehmet ein unerfahrener und einfältiger Mann sei. Weniger aufnahmebereit war man gegenüber seiner Schlussfolgerung, dass es nun an der Zeit sei, durch einen großangelegten Feldzug die Osmanen, »eine Horde käuflicher, verkommener Sklaven«,2 ein für allemal aus Europa zu vertreiben. Die Lust auf einen weiteren Kreuzzug war durch das blutige Debakel bei Varna 1444 nachhaltig gedämpft worden, und die europäischen Potentaten freuten sich darüber, dass nun der unerfahrene und bislang eher glücklose Mehmet den osmanischen Thron bestieg.
Doch jene, die den Großen Türken näher kannten, wussten es besser. Georgios Sphrantzes, der höchst angesehene Botschafter Konstantins, befand sich auf seiner Reise vom König von Georgien zum Kaiser von Trapezunt gerade auf dem Schwarzen Meer, als Murat starb. Sphrantzes war in vielfältige diplomatische Aktivitäten eingebunden, die darauf zielten, für den verwitweten Konstantin eine standesgemäße Braut zu finden, um seine missliche Lage zu verbessern, ihm die Gelegenheit zu verschaffen, einen Thronerben zu zeugen und seine Schatzkammer mit einer stattlichen Mitgift zu füllen. In Trapezunt empfing ihn Kaiser Johannes Komnenos sehr herzlich mit den Worten: »Herr Gesandter, ich habe Euch eine freudige Nachricht mitzuteilen, nur müsst Ihr mir dafür ein schönes Botengeschenk machen.« Sphrantzes reagierte bestürzt, als ihm der Kaiser den Tod des Sultans mitteilte: »Als ich dies hörte, verstummte ich und empfand einen solchen Schmerz, wie wenn ich den Tod eines meiner liebsten Angehörigen erfahren hätte. Dann sagte ich, niedergeschlagen: ›Majestät, das ist keine angenehme Nachricht, sondern eine höchst schmerzliche.‹« Sphrantzes berichtete dem Kaiser, was er über Mehmet wusste – dass er »von Kindheit an ein Feind der Christen« gewesen sei und darauf brenne, Konstantinopel zu erobern. Und Konstantin habe so wenig Finanzmittel, dass er dringend eine Zeit des Friedens und der Stabilität brauche, um die Kassen der Stadt wieder zu füllen.3
Aus Konstantinopel wurden eilends Abgesandte nach Edirne geschickt, um dem jungen Sultan die Ehre zu erweisen und sich rückzuversichern. Sie waren angenehm überrascht über den Empfang, der ihnen bereitet wurde. Mehmet zeigte sich vernünftig und zugänglich. Es heißt, er habe beim Propheten, dem Koran und den Engeln und Erzengeln geschworen, dass er »sich dem Frieden mit der Stadt und dem christlichen Kaiser verpflichtet fühle, solange er lebe«.4 Er versprach den Byzantinern sogar eine jährliche Zahlung aus den Steuereinnahmen einiger griechischer Städte im Struma-Tal, die eigentlich für Prinz Orhan bestimmt waren, den osmanischen Thronanwärter. Das Geld sollte für den Unterhalt Orhans verwendet werden, solange er in der Stadt festgehalten wurde.
Den zahlreichen weiteren Gesandten wurden ähnliche Zusicherungen gegeben. Im September erneuerten die Venezianer, die Handelsinteressen in Edirne hatten, ihren Friedensvertrag mit Mehmet, während der serbische Despot Georg Brankovi durch die Rückkehr seiner Tochter besänftigt wurde, die mit Murat vermählt gewesen war, sowie durch die Rückgabe einiger Städte. Dafür verlangte Mehmet von Georg, ihn bei Verhandlungen mit den Ungarn zu unterstützen, die unter ihrem brillanten Führer, dem Regenten Johann Hunyadi, für die Osmanen die größte Gefahr aus dem christlichen Europa darstellten. Da Hunyadi zu Hause ebenfalls Aufsässige niederschlagen musste, willigte er in einen dreijährigen Friedensvertrag ein. Auch Gesandte von den Genuesen in Galata, von den Fürsten von Chios, Lesbos und Rhodos, aus Trapezunt, der Wallachei und Dubrovnik erreichten ähnliche Friedensgarantien zu annehmbaren Bedingungen. Im Herbst 1451 war man im Westen allgemein der Auffassung, dass Mehmet fest unter der Kuratel des friedliebenden Großwesirs Halil Pascha stehe und für niemanden eine Bedrohung darstelle – und anscheinend ließen sich auch in Konstantinopel viele Leute, die weniger wachsam oder erfahren waren als Sphrantzes, in Sicherheit wiegen. Die Könige und Potentaten der christlichen Welt wollten nur zu gern glauben, dass keine Gefahr drohe. Mehmet jedoch durchdachte sorgfältig, was er tat.
Die Christen waren nicht die Einzigen, die Mehmets Willensstärke unterschätzten. Im Herbst 1451 versuchte der aufmüpfige Bey von Karaman abermals, den Osmanen einige Gebiete in Westanatolien zu entreißen. Er eroberte Festungen, setzte ehemalige Stammesführer wieder ein und stieß auf osmanisches Territorium vor. Mehmet schickte seine Generäle, um den Aufstand niederzuschlagen, und erschien auch selbst am Ort des Geschehens, nachdem er in Edirne die Friedensverträge unter Dach und Fach gebracht hatte. Die Revolte wurde rasch niedergeschlagen, und Mehmet kehrte wieder nach Hause zurück. In Bursa wartete eine weitere Kraftprobe auf ihn – diesmal ging sie von seiner eigenen Elitetruppe aus, den Janitscharen. »Sie standen bewaffnet zu beiden Seiten der Straße und riefen ihm zu: ›Dies war erste Feldzug unseres Sultans, und dafür sollte er uns die üblichen Zulagen bezahlen.‹«.5 Mehmet sah sich gezwungen, die Forderung zu erfüllen; zehn Säcke mit Münzen wurden unter den Meuterern verteilt, doch für Mehmet war dies eine entscheidende Herausforderung seiner Autorität, die er nicht hinnehmen wollte. Einige Tage später rief er den General der Janitscharen zu sich, tadelte ihn und enthob ihn seines Postens; mehrere Offiziere wurden auf ähnliche Weise bestraft. Dies war die zweite Revolte, die Mehmet erlebte, und er erkannte, dass er sich rückhaltlos auf die Janitscharen verlassen können musste, wenn die Eroberung von Konstantinopel gelingen sollte. Das Regiment wurde entsprechend umstrukturiert; er stockte es um 7000 Männer aus seiner eigenen Leibgarde auf und ernannte einen neuen General.
Zur selben Zeit leiteten Konstantin und seine Berater eine Initiative in die Wege, die zeigte, wie wenig sie Mehmet verstanden hatten. Prinz Orhan, der einzige verbliebene osmanische Kronprätendent, saß noch immer in Konstantinopel; sein Unterhalt wurde aus den Steuermitteln bestritten, die der Sultan im Sommer der Stadt bewilligt hatte. Die Byzantiner schickten Abgesandte zu Halil in Bursa mit einer dringenden Bitte:
Der Kaiser von Rom kann sich nicht einverstanden erklären mit der jährlichen Zuwendung von dreihunderttausend Aspern. Denn Orhan, der Eurem Herrscher gleichgestellt ist, ist nunmehr volljährig geworden. Jeden Tag scharen sich viele Menschen um ihn. Sie nennen ihn ihren Herrn und ihren Führer. Er selbst verfügt nicht über die Mittel, um sich großzügig zu erweisen gegenüber seinen Gefolgsleuten, daher wendet er sich an den Kaiser, doch dieser kann solchen Bitten nicht entsprechen, da es ihm an Geld mangelt. Daher ersuchen wir Euch: Entweder Ihr verdoppelt die Zuwendung, oder wir müssen Orhan freilassen.6
Das war eine unverhohlene Drohung: Wenn der Sultan nicht mehr bezahlte, würde ein neuer Thronrivale auftauchen und das Reich in einen Bürgerkrieg stürzen.
Es war ein klassisches Manöver. Die Ausnutzung von Rivalitäten in den Herrscherhäusern angrenzender Staaten war seit jeher ein Grundzug der byzantinischen Diplomatie gewesen. Dadurch hatte Byzanz Phasen militärischer Schwäche überspielt und sich den Ruf erworben, ein unübertrefflicher Meister der Ranküne zu sein. Die Osmanen hatte diese Taktik bereits unter Konstantins Vater Manuel II. kennengelernt, als die Dynastie beinahe zusammengebrochen wäre durch einen Bürgerkrieg, den der Kaiser geschickt geschürt hatte, eine Schlappe, an die sich Mehmet noch sehr gut erinnerte. Für Konstantin war Orhan offensichtlich ein Ass im Ärmel, vielleicht die einzige Karte, die er noch hatte, und er entschloss sich, sie auszuspielen. Unter den gegebenen Umständen war dies ein schwerer Fehler – und geradezu unerklärlich in Anbetracht der Tatsache, dass erfahrene Diplomaten wie Sphrantzes mit der Politik am osmanischen Hof wohl vertraut waren. Wahrscheinlich wurde dieser Schritt eher wegen der desolaten Staatsfinanzen unternommen, denn die Hoffnung, einen Aufstand anzetteln zu können, war wenig realistisch. Die Kriegspartei am osmanischen Hof sah darin jedoch eine Bestätigung ihrer Argumente, warum Konstantinopel erobert werden müsse. Fast schien es, als ziele der Vorstoß darauf, Halils Friedensbemühungen zu untergraben und die Position des Wesirs zu schwächen. Der alte Wesir erwiderte erzürnt:
Ihr törichten Griechen, ich habe genug von euren finsteren Machenschaften. Der verstorbene Sultan hat euch wie ein nachsichtiger und pflichtbewusster Freund behandelt. Der jetzige Sultan ist anders gesinnt. Wenn sich Konstantin seinem kühnen und machtvollen Griff entwinden kann, dann nur deswegen, weil Gott über eure hinterhältigen und verschlagenen Ränke hinwegzusehen bereit ist. Ihr seid Narren, wenn ihr glaubt, ihr könntet uns erschrecken mit euren Hirngespinsten, und dies zu einem Zeitpunkt, da die Tinte unter unseren jüngsten Verträgen kaum trocken ist. Wir sind keine Kinder, die keine Kraft und keinen Verstand haben. Wenn ihr glaubt, ihr könntet Zwietracht säen, dann tut es. Wenn ihr Orhan in Thrakien zum Sultan ausrufen wollt, dann tut es. Wenn ihr die Ungarn über die Donau holen wollt, dann lasst sie kommen. Wenn ihr die Gebiete zurückerobern wollt, die ihr vor langer Zeit verloren habt, dann versucht es. Aber eines sollt ihr wissen: Ihr werdet mit keinem dieser Vorhaben weit kommen. Ihr werdet nichts erreichen, außer dass ihr das wenige auch noch verliert, das ihr noch besitzt.7
Mehmet nahm die Nachricht ungerührt entgegen. Er verabschiedete die Gesandten »mit kühlen Worten« und versprach ihnen, dass er sich um die Angelegenheit kümmern werde, wenn er wieder in Edirne sei. Konstantin hatte ihm einen unschätzbaren Vorwand geliefert, sein gegebenes Wort zu brechen, wenn ihm die Zeit dafür günstig erschien.
Auf dem Rückweg nach Edirne stellte Mehmet fest, dass er nicht wie gewünscht nach Gallipoli übersetzen konnte. Die Dardanellen waren durch italienische Schiffe blockiert. Daher zog er am Bosporus entlang zur osmanischen Festung Anadolu Hisari (»die anatolische Burg«), die sein Großvater Bajezit 1395 während seiner Belagerung der Stadt hatte erbauen lassen. An dieser Stelle verengt sich die Meerenge, die Asien von Europa trennt, auf 650 Meter. Hier ist der beste Ort, um das schnell fließende und tückische Gewässer zu überqueren, was schon der persische König Darios wusste, der hier vor 2000 Jahren mit einem Heer von 700.000 Mann auf einer Pontonbrücke aus Booten übersetzte. Während Mehmets kleine Flotte hin und her pendelte, um die Männer ans andere Ufer zu bringen, dachte der Sultan über den Bosporus nach und kam anscheinend zu einer Reihe von Schlussfolgerungen. Die Meerenge bildete eine Schwachstelle für die Osmanen: Man konnte nicht zum unangefochtenen Herrscher zweier Kontinente aufsteigen, wenn nicht gewährleistet war, dass man jederzeit von einer Seite zur anderen übersetzen konnte. Wenn er andererseits eine Möglichkeit finden konnte, den Bosporus unter seine Kontrolle zu bringen, würde er in der Lage sein, die Getreide- und Hilfslieferungen an Konstantinopel aus den griechischen Kolonien am Schwarzen Meer zu unterbinden und der Stadt die Zolleinnahmen zu entziehen, die sie aus dem Schiffsverkehr erhielt. So kam Mehmet auf die Idee, auf der europäischen Seite eine zweite Festung zu bauen, auf byzantinischem Gebiet, um die Meerenge beherrschen und »den Schiffen der Ungläubigen den Weg versperren«8 zu können. Zugleich wurde ihm wahrscheinlich auch klar, dass er eine größere Flotte brauchte, um den Christen auch zur See die Stirn bieten zu können.
Nach seiner Rückkehr nach Edirne reagierte Mehmet unverzüglich auf das byzantinische Ultimatum, beschlagnahmte sämtliche Steuereinnahmen aus den Städten der Struma, die für Orhans Unterhalt verwendet werden sollten, und verfügte die Ausweisung der griechischen Bewohner. Vielleicht spürte Konstantin bereits, dass der Druck auf die Stadt wuchs; er hatte im Sommer 1451 einen Abgesandten nach Italien geschickt, der sich zuerst nach Venedig begab, um dort die Erlaubnis zu erwirken, Bogenschützen aus der venezianischen Kolonie auf Kreta für Konstantinopel zu rekrutieren, und anschließend nach Rom reiste mit einer Botschaft für den Papst. Konstantin hoffte anscheinend noch immer, dass man gegen den neuen Sultan erfolgreich vorgehen könne: In den Botschaften an die italienischen Stadtstaaten deutet nichts darauf hin, dass er sich in einer Notlage wähnte.
Zu Beginn des Winters 1451 hielt sich Mehmet in Edirne auf und arbeitete rastlos an seinen Plänen. Hier umgab er sich mit einer Gruppe westlicher Berater, vorwiegend Italiener, mit denen er über die großen Helden der Antike sprach, über Alexander und Cäsar, seinen Vorbildern für seine künftige Rolle. Nach den Unruhen unter den Janitscharen in Bursa im Herbst führte er weitere Reformen im Militär und in der Verwaltung durch. In einigen Provinzen wurden neue Statthalter ernannt, die Bezahlung der Palastregimenter wurde verbessert, außerdem begann er Waffen- und Vorratslager anzulegen. Wahrscheinlich befasste er sich auch mit einem Flottenbauprogramm. Zugleich nahm die Idee einer neuen Festung Gestalt an. In allen Provinzen ließ er den Befehl ergehen, Tausend Steinmetze und ebenso viele ungelernte Bauarbeiter anzuwerben, die sich im kommenden Frühjahr bereithalten sollten. Zudem wurden Vorkehrungen getroffen, um Baumaterial zu beschaffen und zu transportieren: »Steine, Holz, Eisen und was sonst noch… gebraucht wurde«9…»zum Bau einer Festung am Heiligen Mund oberhalb der Stadt«10 nahe der verfallenen Kirche des Heiligen Michael.
Die Nachricht über dieses Dekret gelangte schnell nach Konstantinopel und zu den griechischen Kolonien am Schwarzen Meer und auf die Inseln der Ägäis. Bei den Menschen machte sich Niedergeschlagenheit breit; viele erinnerten sich an alte Prophezeiungen, in denen das Ende der Welt angekündigt wurde: »Nun könnt ihr die Vorzeichen der bevorstehenden Vernichtung unseres Landes erkennen. Die Zeit des Antichristen ist gekommen. Was wird mit uns geschehen? Was sollen wir tun?«11 In den Kirchen der Stadt wurden Stoßgebete um Errettung gen Himmel geschickt. Ende 1451 entsandte Konstantin einen weiteren Boten nach Venedig mit überaus beunruhigenden Nachrichten: Der Sultan bereite einen großen Angriff auf die Stadt vor, und wenn keine Hilfe komme, werde sie gewiss fallen. Der Senat von Venedig beriet über das Ersuchen und antwortete am 14. Februar 1452. Die Reaktion fiel wie üblich sehr vorsichtig aus; die Venezianer mussten Rücksicht nehmen auf ihre Handelsinteressen im Osmanischen Reich. Sie empfahlen den Byzantinern, sich um die Zusammenarbeit mit anderen Staaten zu bemühen, anstatt sich allein auf Venedig zu stützen, doch sie erklärten sich bereit, Konstantins Bitte um die Lieferung von Schießpulver und Brustplatten zu entsprechen. Konstantin blieb unterdessen nichts anderes übrig, als mit Mehmet in direkte Verhandlungen einzutreten. Seine Abgesandten reisten abermals über die thrakischen Berge und baten um eine Audienz. Sie wiesen Mehmet darauf hin, dass er eine Vertragsverletzung begehe, wenn er seine neue Festung ohne Rücksprache mit Byzanz erbauen lasse, denn als sein Urgroßvater die Festung bei Anadolu Hisari errichten ließ, habe er sein Anliegen dem Kaiser vorgetragen, »so wie ein Sohn den Vater bittet«.12 Mehmet erwiderte kurz angebunden: »Was die Stadt beherbergt, kann sie ihr eigen nennen; jenseits ihres Grabens hat sie nichts zu bestimmen, und es gehört ihr nichts. Wenn ich am Heiligen Mund eine Festung bauen will, kann sie mir dies nicht verbieten.«13 Er erinnerte die Griechen daran, dass die Christen schon mehrmals versucht hätten, den Osmanen das Übersetzen an der Meerenge zu verwehren, und schloss barsch: »Geht nach Hause und richtet Eurem Kaiser aus: ›Der Sultan, der nun regiert, ist anders als seine Vorgänger. Was diesen nicht gelang, vermag er mühelos und unverzüglich zu bewerkstelligen; was sie nicht tun wollten, wird er gewiss tun. Den nächsten Gesandten, die mit einer ähnlichen Botschaft hier erscheinen, wird bei lebendigem Leibe die Haut abgezogen werden.‹«14 Deutlicher hätte die Antwort nicht ausfallen können.
Mitte März verließ Mehmet Edirne und begann mit den Bauarbeiten. Zunächst begab er sich nach Gallipoli; von dort schickte er sechs Galeeren und einige kleinere Kriegsschiffe aus, »[gut ausgerüstet] für eine Seeschlacht, falls dies nötig sein sollte«,15 sowie sechzehn Lastbarkassen mit Ausrüstung und Material. Dann zog er mit dem Heer auf dem Landweg zu dem ausgewählten Platz. Das gesamte Unternehmen war typisch für Mehmets Vorgehensweise. Durch sein organisatorisches Talent wurde sichergestellt, dass Männer und Material rechtzeitig und in großer Zahl bewegt wurden, damit das Werk so schnell wie möglich vollendet werden konnte. Die Statthalter in den europäischen und asiatischen Provinzen zogen die zwangsrekrutierten Männer zusammen und brachen auf zum Bauplatz. Das riesige Heer von Arbeitern – »Steinmetze, Zimmerer, Schmiede und Kalkbrenner, und viele andere Arbeiter, die für das Vorhaben benötigt wurden, ohne jeden Mangel, mit Äxten, Schaufeln, Hacken, Pickeln und anderen Eisenwerkzeugen«16 – begann mit den Bauarbeiten. Baumaterial wurde in schwerfälligen Transportbarkassen über die Meerenge geschafft: Kalk und Brennöfen und Steine aus Anatolien, Holz aus den Wäldern am Schwarzen Meer und aus Izmit, während die Kriegsgaleeren vor der Meerenge patroullierten. Mehmet ritt über den Bauplatz und legte in Abstimmung mit seinen Architekten, die beide christliche Konvertiten waren, die Einzelheiten fest: »Als er die … Grundrisse und Abstände der Türme und Zwischenwälle, dazu noch die Vortürme, die Brustwehren, die Tore und alles Übrige genau und nach seinem Willen skizziert hatte, teilte er das Werk unter den führenden Männern auf…«16 Wahrscheinlich hatte er bereits während des Winters in Edirne Baupläne für die Festung entworfen. Er steckte den Platz ab und setzte den Grundstein. Widder wurden getötet, und ihr Blut vermischte man mit dem Kalk und dem Mörtel der ersten Steinschicht, weil dies Glück bringen sollte. Mehmet war zutiefst abergläubisch und deutete die Zukunft mithilfe der Astrologie; einige Beobachter behaupteten, die eigenartige Form der Festung sei kabbalistischen Einflüssen geschuldet; sie verkörpere die ineinander verschlungenen arabischen Initialen des Propheten – und Mehmets. Wahrscheinlich aber wurde der Grundriss eher von der schwierigen Bodenbeschaffenheit an der Küste des Bosporus bestimmt, die aus »gewundenen Biegungen und…Klippen [bestand], die häufig ins Fahrwasser vorspringen und dann wieder Biegungen und Krümmungen ins Land hinein machen«.18 Das Gelände steigt von der Küste bis zum höchsten Punkt der Anlage immerhin sechzig Meter an.
Die Arbeiten begannen am 15. April und wurden nach einem Akkordsystem organisiert, das auf einer für Mehmet charakteristischen Mischung aus Drohungen und Anreizen beruhte und für alle Beschäftigten galt, für den höchsten Wesir ebenso wie für den einfachsten Lastträger. Die Anlage bestand aus vier Seiten, an drei Seiten wurden hohe Türme errichtet, die durch massive Mauern verbunden waren, und in der südwestlichen Ecke wurde ein kleinerer Turm gebaut. Die Verantwortung für den Bau der Außentürme – und deren Finanzierung – wurde vier Wesiren Mehmets übertragen, Halil, Zaganos, Schihabettin und Saruja. Sie wurden angehalten, in einen Wettstreit um die schnellste Fertigstellung ihrer Abschnitte einzutreten, was angesichts der erbitterten Machtkämpfe am Hof und der strengen Aufsicht durch den ungeduldigen Sultan, der nun »jeden Gedanken an Entspannung beiseite schob«,19 das Arbeitstempo nachhaltig beschleunigte. Mehmet selbst kümmerte sich um den Bau der Verbindungsmauern und der kleineren Türme. Die Belegschaft aus 6000 Arbeitern, darunter 2000 Steinmetze und 4000 Steinmetzgehilfen sowie viele andere Handwerker, wurde nach militärischen Prinzipien gegliedert. Jedem Steinmetz wurden zwei Helfer zugeteilt, die links und rechts von ihm arbeiteten, und er hatte die Aufgabe, pro Tag einen bestimmten Abschnitt der Mauer fertig zu stellen. Für die Aufrechterhaltung der Disziplin sorgten kadis (Richter), die aus allen Teilen des Reiches zusammengezogen worden waren und auch die Befugnis besaßen, die Todesstrafe zu verhängen; den militärischen Schutz gewährleistete eine große Abteilung der Armee. Zugleich setzte Mehmet »großartige Belohnungen aus für diejenigen, welche dies am besten und schnellsten vollbrächten«.20 In diesem Klima des Wettbewerbs und der Angst hielten es laut Doukas sogar die Adeligen bisweilen für angebracht, die Arbeiter anzuspornen, indem sie selbst Steine und Kalk zu den schwitzenden Steinmetzen schleppten. Die Szenerie wirkte wie eine Mischung aus einer kleinen provisorisch errichteten Stadt und einem großen Bauplatz. Tausende Zelte wurden aufgeschlagen in der Nähe der verfallenen griechischen Stadt Asomaton; Schiffe suchten sich ihren Weg durch die starken Strömungen der Meerenge; Rauch stieg aus den brodelnden Kalkgruben auf; Hämmer klirrten in der warmen Luft; es herrschte lautes Stimmengewirr. Gearbeitet wurde vom Morgengrauen bis spät in die Nacht; Fackeln erhellten die Dunkelheit. Die Mauern, die von einem hölzernen Gerüst umschlossen waren, wuchsen mit erstaunlicher Geschwindigkeit in die Höhe. Am Bosporus zog der Frühling ein; auf den dicht bewaldeten Hängen trieben Glyzinen und Judasbäume ihre Blüten aus; Kastanienkerzen blühten auf wie weiße Sterne; in den stillen Nächten, wenn das Mondlicht auf dem Wasser schimmerte, sangen Nachtigallen in den Kiefern.
In der Stadt verfolgte man die Arbeiten mit wachsender Beunruhigung. Die Griechen hatten verblüfft das Auftauchen einer bislang unbekannten osmanischen Flotte in der Meerenge registriert. Vom Dach der Hagia Sophia und der Spitze der Sphendone, dem heute noch erhaltenen Halbrund am Südende des Hippodroms, konnten sie das Treiben acht Kilometer flussaufwärts beobachten. Konstantin und seine Minister waren unschlüssig, was sie tun sollten, aber Mehmet legte es darauf an, sie zu provozieren. Schon zu Beginn der Arbeiten holten sich die osmanischen Handwerker Baumaterial aus Klöstern und Kirchen in der Nähe der Festung. Die Menschen in den nahegelegenen griechischen Dörfern und in Konstantinopel betrachteten diese Gebäude nach wie vor als geheiligte Stätten. Zugleich begannen osmanische Soldaten und Bauarbeiter ihre Felder zu plündern. Als der Sommer voranschritt und die Ernte reifte, heizte sich die Stimmung immer mehr auf. Als Arbeiter in der Kirche des Erzengels Michael Säulen abbauten, versuchten einige Dorfbewohner sie daran zu hindern; sie wurden gefangengesetzt und hingerichtet. Doch wenn Mehmet gehofft hatte, Konstantin dadurch zu einem Angriff zu provozieren, hatte er sich getäuscht. Der Kaiser erwog zwar einen Ausfall, aber seine Berater brachten ihn davon ab. Stattdessen entschloss er sich, die Situation zu entschärfen, und bot den Osmanen an, den Bauarbeitern Nahrungsmittel zu schicken, um sie von weiteren Raubzügen auf die Felder abzuhalten. Mehmet erlaubte seinen Leuten daraufhin, ihre Tiere auf den Feldern unbeschränkt weiden zu lassen, und befahl den griechischen Bauern, sie nicht daran zu hindern. Schließlich jagten die verzweifelten Bauern, die nicht mehr mitansehen konnten, wie ihr Getreide zertrampelt wurde, die Tiere davon, worauf es zu einem Scharmützel kam, bei dem auf beiden Seiten Tote zu beklagen waren. Mehmet wies seinen Kommandeur Kara Bey an, die Einwohner des betreffenden Dorfes zu bestrafen. Am folgenden Tag fiel eine Kavallerieeinheit über die nichtsahnenden Bauern her, als sie auf den Feldern ihre Ernte einbrachten, und metzelte sie nieder.
Als Konstantin von dem Massaker erfuhr, schloss er die Tore der Stadt und ließ alle Osmanen, die sich in der Stadt aufhielten, internieren. Darunter befanden sich auch einige junge Eunuchen Mehmets, die in der Stadt zu Besuch waren. Am dritten Tag ihrer Gefangenschaft baten sie Konstantin um ihre Freilassung und erklärten, ihr Herr würde zornig auf sie werden, wenn sie nicht zurückkehrten. Sie verlangten, man solle sie entweder sofort freilassen oder hinrichten, weil eine spätere Freilassung dazu führen würde, dass sie von der Hand des Sultans sterben würden. Konstantin gab nach und ließ die Männer gehen. Er schickte abermals einen Emissär zum Sultan mit einer Botschaft, aus der gleichermaßen Resignation und Trotz sprachen:
Es ist klar, dass du den Krieg dem Frieden vorziehst; da ich dich weder durch Beteuerungen meiner Aufrichtigkeit noch durch meine Bereitschaft, dir Untertanentreue zu schwören, zufriedenstellen kann, so sei es, wie du es wünschst. Ich wende mich nun mehr nur zu Gott und blicke zu ihm auf. Sollte es sein Wille sein, dass die Stadt dir gehöre, wer könnte sich seinem Willen widersetzen? Wenn er dir den Wunsch nach Frieden eingeben sollte, werde ich nur glücklich sein. Ich spreche dich von all deinen Eiden und mit mir geschlossenen Verträgen frei. Ich schließe die Tore meiner Hauptstadt und werde mein Volk bis zum letzten Tropfen meines Blutes verteidigen. Herrsche glücklich, bis uns beide der Allgerechte, der Höchste Richter, vor seinen Richterstuhl ruft.21
Konstantin wollte damit seine Entschlossenheit und Unbeugsamkeit unterstreichen. Mehmet ließ die Gesandten hinrichten und schickte eine knappe Antwort: »Entweder du übergibst die Stadt oder du stellst dich zum Kampf.« Ein Trupp osmanischer Soldaten wurde ausgeschickt, um das Gebiet vor den Stadtmauern zu verwüsten, Schafe zu stehlen und Menschen zu entführen, aber Konstantin hatte die Bevölkerung der nahe gelegenen Dörfer mitsamt der Ernte schon größtenteils in die Stadt geholt. Die osmanischen Chronisten berichten, er habe Halil zu bestechen versucht, um seinem Wunsch nach Frieden Nachdruck zu verleihen, doch dies war wohl eher Propaganda der Feinde des Wesirs. Ab der Sommersonnenwende blieben die Tore der Stadt geschlossen, und die Kontrahenten befanden sich faktisch im Krieg.
Am Donnerstag, dem 31. August 1451, war Mehmets neues Bollwerk fertig, knapp viereinhalb Monate nach der Grundsteinlegung. Es war ein gewaltiges Fort, »das in jeder Hinsicht stärkste und sicherste, das berühmteste von allen, die jemals erbaut worden sind«, wie Kritobulos schrieb.22 Die Anlage beherrschte die Meerenge. Die Osmanen nannten sie Bogaz Kesen, den Durchschneider der Meeresstraße oder das »Messer an der Kehle«, doch bald wurde sie als Europäische Festung bekannt, als Rumeli Hisari. Die dreieckige Anlage mit ihren vier großen und dreizehn kleinen Türmen, ihren 6,70 Meter dicken und 15 Meter hohen Umfassungsmauern und ihren mit Blei gedeckten Türmen war für die damalige Zeit eine erstaunliche bauliche Leistung. Dass Mehmet imstande war, außergewöhnliche Projekte zu konzipieren und mit atemberaubender Geschwindigkeit zu verwirklichen, sollte seine Gegner in den kommenden Monaten stets aufs Neue verblüffen.
Am 28. August zog Mehmet mit seinem Heer um die Spitze des Goldenen Horns und schlug vor den Mauern der Stadt, die nun gut gesichert waren, sein Lager auf. Drei Tage lang überprüfte er mit größter Sorgfalt die Befestigungsanlagen und das Terrain, machte sich Notizen und Zeichnungen und analysierte mögliche Schwachstellen der Bollwerke. Am 1. September, allmählich zog der Herbst ins Land, kehrte er nach Edirne zurück, hochzufrieden mit seiner Sommerarbeit, und die Flotte kehrte zu ihrem Stützpunkt in Gallipoli zurück. Im »Messer an der Kehle« wurden 400 Mann stationiert unter ihrem Befehlshaber Firuz Bey, der den Auftrag erhielt, sämtliche Schiffe, die durch die Meerenge fuhren, so lange festzuhalten, bis sie einen Wegezoll entrichtet hatten. Um dieser Drohung Nachdruck zu verleihen, waren mehrere Geschütze gegossen und in die Festung gebracht worden. Auf den Zinnen wurde leichte Artillerie postiert, doch am Ufer unterhalb der Festungsmauern wurden schwere Geschütze aufgestellt »wie Drachen mit furchterregenden Schlünden«.23 Diese Geschütze, die in verschiedene Richtungen zielten und ein weites Schussfeld bestreichen konnten, verschossen knapp 250 Kilogramm schwere Steinkugeln. Die Geschosse flogen knapp über der Wasseroberfläche wie Steine, die über einen Teich hüpfen, und trafen so die Rümpfe vorüberfahrender Schiffe. Auf der anderen Seite der Festung standen ähnliche Geschütze, sodass »nicht einmal ein Vogel vom Mittelmeer ins Schwarze Meer fliegen konnte«.24 Somit konnte tags wie nachts kein Schiff mehr ins Schwarze Meer oder von dort heraus gelangen, ohne entdeckt und überprüft zu werden. »Auf diese Weise«, berichtete der osmanische Chronist Sa’d-ud-din, »blockierte der Padischah, die Zuflucht der Welt, diese Meeresstraße, versperrte den Schiffen der Feinde den Weg und tötete die Leber des hartherzigen Kaisers ab.«25
In der Stadt rüstete sich Konstantin für die Belagerung, die nun unmittelbar bevorstand, und schickte Gesandte mit immer dringlicheren Hilfsersuchen in den Westen. Er unterrichtete seine Brüder in Morea, Thomas und Demetrios, und bat sie, sofort in die Stadt zu kommen. Jedem, der zur Hilfe bereit war, bot er großzügig Land an: Dem ungarischen Herrscher Hunyadi wollte er wahlweise Selymbria oder Mesembria am Schwarzen Meer überlassen, Alfonso von Aragon und Neapel bot er die Insel Lemnos an. Er wandte sich an die Genuesen auf Chios, an Dubrovnik, Venedig und abermals an den Papst. Die Hilfe blieb zwar weitgehend aus, aber den Mächten des christlichen Europas wurde allmählich klar, dass Konstantinopel in sehr bedrohter Lage war. Es kam zu einem regen Austausch diplomatischer Noten. Auf Drängen von Papst Nikolaus stellte Friedrich III., der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, im März dem Sultan ein ernstes, aber leeres Ultimatum. Alfonso von Neapel schickte eine kleine Flotte mit zehn Schiffen in die Ägäis, zog sie aber bald wieder zurück. Die Genuesen waren besorgt wegen der Gefährdung ihrer Kolonien in Galata und am Schwarzen Meer, doch auch sie waren nicht bereit, praktische Hilfe zu leisten; stattdessen wiesen sie den Podestà (den Bürgermeister) von Galata an, sich mit Mehmet in irgendeiner Form zu verständigen, falls die Stadt fallen sollte. Der Senat von Venedig sandte ähnlich mehrdeutige Befehle an seine Kommandeure im östlichen Mittelmeer: Sie sollten die Christen schützen, aber auch die Türken nicht reizen. Sie wussten, dass Mehmet ihren Handel im Schwarzen Meer bereits vor der Fertigstellung des Messers an der Kehle bedroht hatte; alsbald schickten ihre Spione detaillierte Zeichnungen der formidablen Festung und ihrer Geschütze nach Hause. Die Gefahr rückte näher: Im August wurde ein Antrag im Senat, der sich dafür aussprach, Konstantinopel seinem Schicksal zu überlassen, mit deutlicher Mehrheit abgelehnt, aber eine entschlossene Hilfsaktion blieb aus.
Mehmet hatte entweder erwartet oder davon erfahren, dass Konstantin seine Brüder in Morea um Hilfe gebeten hatte, und ergriff rasch Maßnahmen, um dies zu vereiteln. Am 1. Oktober 1452 befahl er seinem altgedienten General Turahan Bey, in die Peloponnes einzumarschieren und Demetrios und Thomas anzugreifen. Turahan verwüstete das Land, stieß weit nach Süden vor und verhinderte dadurch, dass Hilfstruppen nach Konstantinopel geschickt werden konnten. Unterdessen kamen die Weizenlieferungen aus dem Schwarzmeergebiet zum Erliegen. Im Herbst wurde ein weiterer Emissär nach Venedig entsandt. Die Antwort des Senats vom 16. November war ebenso vage wie die vorherige, doch die Venezianer sollten sich bald stärker mit Ereignissen beschäftigen, die sich weiter im Osten abspielten.
Ab November standen die Führer der italienischen Schiffe, die zwischen dem Schwarzen Meer und dem Mittelmeer verkehrten, vor der Entscheidung, ob sie Mehmets Wegezoll beim »Messer an der Kehle« entrichten oder diese Forderung ignorieren und mögliche Konsequenzen riskieren sollten. Aufgrund der starken Strömung hatten Schiffe, die stromabwärts unterwegs waren, eine gewisse Chance, die Kontrollstelle zu passieren, bevor sie unter Beschuss genommen werden konnten. Am 26. November lief ein italienischer Kapitän namens Antonio Rizzo mit einer Ladung von Nahrungsmitteln für Konstantinopel aus dem Schwarzen Meer in den Bosporus ein. Als sich das Schiff der Festung näherte, entschloss er sich, das Risiko einzugehen. Er ignorierte Warnrufe vom Ufer, die Segel einzuholen, und fuhr weiter. Darauf wurde eine Salve über das Wasser abgefeuert, und ein großer Stein durchschlug die leichte Hülle seiner Galeere. Der Kapitän und dreißig Überlebende konnten sich in einem kleinen Boot ans Ufer retten, wo sie gefangengenommen, in Ketten gelegt und in die Stadt Didimotkon in der Nähe von Edirne gebracht wurden, wo sie dem Sultan vorgeführt werden sollten. Während sie im Gefängnis saßen, reiste der venezianische Botschafter in Konstantinopel an den Hof des Herrschers und bat um das Leben der Seeleute. Er kam zu spät. Mehmet hatte beschlossen, an diesen Venezianern ein Exempel zu statuieren. Die meisten Männer wurden enthauptet; Rizzo wurde gepfählt »durch einen Pfahl, der ihm in den Anus getrieben wurde«.26 Die Leichen ließ man vor den Mauern der Stadt verwesen als Ermahnung, welche Folgen Unbotmäßigkeit haben konnte. »Ich sah sie einige Tage später, als ich dorthin reiste«, berichtete der griechische Chronist Doukas. Einige Seeleute wurden nach Konstantinopel zurückgeschickt, um sicherzustellen, dass man in der Stadt von dem Ereignis erfuhr. Es gab noch einen weiteren Überlebenden: Mehmet begnadigte den Sohn von Rizzos Schreiber und steckte den Jungen in den Harem.
Diese grausame Machtdemonstration erzielte die gewünschte Wirkung. Die Einwohner Konstantinopels wurden von Angst ergriffen. Unterdessen gab es trotz der dringlichen Botschaften Konstantins noch immer kein Zeichen, dass der Westen der bedrängten Stadt zu Hilfe kommen würde. Nur der Papst stand über den konkurrierenden Handelsinteressen, den Fehden zwischen den Herrscherhäusern und den Kriegen und konnte im Namen der Christenheit zur Hilfe aufrufen, doch das Papsttum befand sich in einem langwierigen und unlösbaren Konflikt mit der orthodoxen Kirche, der alle diesbezüglichen Anstrengungen überschattete. Dies sollte alle Chancen Konstantins zunichte machen, wirksame Hilfe zu bekommen.