Читать книгу Lehrbuch Biblische Seelsorge - Roland Antholzer - Страница 9
ОглавлениеLektion 2:
DÄMONISCHE GEBUNDENHEITEN /2
4. Okkultseelsorge als Spezialmethode – ist das biblisch?
Abb. 2-1
4.1 Darstellung der Methode
1. In der Diagnostischen Phase wird unmittelbar nach okkulten Betätigungen gefragt und sog. „Greuelsünden“ werden aufgespürt und aufgelistet. Die Unterscheidung von Okkultsünde, die mit Greuelsünde gleichgesetzt wird, und „normaler“ Sünde stellt die eigentliche Rechtfertigung für eine „cura specialis“ (eine Spezialseelsorge) dar. Dabei kommen nicht nur die Okkultsünden des Ratsuchenden zur Sprache, sondern auch solche der Vorfahren bis ins vierte Glied, d.h. bis zu den Ururgroßeltern.
2. Dann bindet der Seelsorger den Teufel durch eine entsprechende formelhafte Aussage: „Im Namen Jesu Christi binde ich dich, Satan, im Leben von XY.“
3. Nun soll sich der Ratsuchende durch ein formelhaftes Gebet anhand der erstellten Liste von allen Sünden lossagen (z.B. „Ich sage mich los von X, ich sage mich los von Y“ usw.)
4. Jetzt erfolgt die Lossprache oder das sog. „Lösen“ durch den Seelsorger. Dies geschieht ebenfalls durch ein entsprechendes Gebet unter Berufung auf die Aussage Jesu: „Wahrlich, ich sage euch: Was ihr auf Erden lösen werdet, das wird im Himmel gelöst sein.“ (Mt 18,18)
So, oder doch auf jeden Fall ähnlich, gehen die Okkultseelsorger beim „Binden und Lösen“ vor. Ich möchte nun eine kurze kritische Beurteilung dieser Praxis geben.
4.2 Kritische Beurteilung des „Binden und Lösens“
4.2.1 Zur Diagnostik
Sie gründet sich auf eine falsche und unbiblische Hamartiologie (= Lehre von der Sünde). Die Unterscheidung von normaler Sünde und Okkultsünde, die ja eine Greuelsünde ist, ist biblisch nicht haltbar. Wenn man die Bibel daraufhin studiert, was „Greuelsünde“ ist, findet man einen Katalog von Sünden, wobei nur die geringere Anzahl davon etwas mit Okkultismus zu tun haben (siehe Anhang 2). Dasselbe gilt für die Meinung, Okkultsünde sei dadurch herausgehoben, dass sie mit dem Tod bestraft werden sollte. Es gibt aber eine Fülle von Sünden, die ebenfalls die Todesstrafe zur Folge hatten und nichts mit Okkultismus zu tun haben.
Auch die Zuordnung von bestimmten Dämonen zu bestimmten Sünden ist in der Bibel nicht auffindbar. Da gibt es etwa einen Lügengeist, einen Hochmutsgeist, einen Geist der Depression, ja sogar einen Geist der Dummheit. So gesehen wäre dann meine Heiligung in erster Linie die Aufgabe eines Seelsorgers, der mir alle diese Geister austreibt. Wenn das der Weg der Heiligung wäre, hätte uns Paulus diese Erkenntnis gewiss nicht vorenthalten, zumal er sich doch sehr ausführlich und sehr eindringlich zu diesem Thema geäußert hat.
4.2.2 Zum Binden und Lösen
Das Binden und Lösen wird ausschließlich mit zwei Textstellen belegt, mit Matthäus 18,18 und Matthäus 12,29. Man liest aus Matthäus 18,18 heraus, dass wir den Auftrag haben, Satan zu binden und von Satan Gebundene zu lösen. Steht das da? Schauen wir uns einmal diesen Vers im Kontext an.
Matthäus 18,15-18: „Wenn aber dein Bruder an dir gesündigt hat, so geh hin und weise ihn zurecht unter vier Augen. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. Hört er aber nicht, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit jede Sache auf der Aussage von zwei oder drei Zeugen beruht. Hört er aber auf diese nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, so sei er für dich wie ein Heide und ein Zöllner. Wahrlich, ich sage euch: Was ihr auf Erden binden werdet, das wird im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, das wird im Himmel gelöst sein.“
Dieses Wort vom Binden und Lösen steht also im Zusammenhang mit „Gemeindezucht“. Jüdische Rabbiner zurzeit Jesu meinten mit Binden und Lösen etwas für verboten oder erlaubt zu erklären, oder aber über jemanden den Bann zu verhängen, d. h. ihn aus der Synagoge auszuschließen (binden), bzw. ihn wieder in die Synagogengemeinschaft aufzunehmen (lösen). Und genau Letzteres ist der Zusammenhang. Wieso deutet man also hier etwas Dämonisches hinein. Überhaupt bezieht sich ja das Binden und Lösen auf einen Menschen. Bei dem sog. „Befreiungsdienst“ wird aber seltsamerweise das „Binden“ auf den Satan und das „Lösen“ auf den Menschen bezogen. Eine solch unterschiedliche Deutung dieser zusammengehörigen Begriffe ist völlig willkürlich.
Die andere Bibelstelle, die als Beleg angeführt wird, ist Matthäus 12,29: „Oder wie kann jemand in das Haus des Starken hineingehen und seinen Hausrat rauben, wenn er nicht zuerst den Starken bindet? Erst dann kann er sein Haus berauben.“ Hier finden wir weder eine Lehraussage, noch eine Handlungsanweisung für die Seelsorge. Vielmehr will Jesus mit dieser Bildaussage sagen, dass seine Dämonenaustreibung beweist, dass Er der Stärkere ist. Sonst wäre es ihm ja nicht möglich, das Haus des Starken, nämlich Satans, zu berauben. Dieser kann ihn nicht hindern, er ist Ihm gegenüber wie ein Gebundener. Ich finde in dieser Bibelstelle überhaupt keinen Hinweis darauf, dass wir als Jünger Jesu die Macht oder die Autorität hätten, den Satan zu binden. Welch abstruse Vorstellung. Manche Seelsorger binden ihn am Tag mehrmals, nämlich in jeder Seelsorge.
Dieses Binden erinnert mich an die erfolglosen Versuche des Philistermädchens Delila, ihren Freund, den starken Simson zu binden. Wir wissen, dass Simson alle Stricke abgeworfen hat wie Flachsfäden. Welch eine Hybris, wenn wir meinen, wir könnten Satan, den Herrscher dieser Welt, binden. Er wird einmal gebunden werden, wenn Jesus sein Reich aufrichtet – wir wissen das aus der Offenbarung. Bis dahin wird er umhergehen wie ein brüllender Löwe und womöglich diejenigen zuerst verschlingen, die meinen, sich ihm in solch anmaßender Weise nahen zu können. Das Binden und Bannen von Geistermächten wird sogar von Gott selbst strengstens verboten.
5. Mose 18,10-11: „Es soll niemand unter dir gefunden werden, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt, oder einer, der Wahrsagerei betreibt oder Zeichendeuterei oder ein Beschwörer oder ein Zauberer, oder einer, der Geister bannt, oder ein Geisterbefrager, oder ein Hellseher oder jemand, der sich an die Toten wendet.“
4.2.3 Zur Lossage
Zunächst ist zur Lossage zu sagen, dass sich dafür keine Erwähnung in der Bibel findet. Was wir in der Schrift aber finden, ist Buße. Buße heißt, den Sinn ändern, sich von einem falschen Weg abwenden und sich dem richtigen Weg zuwenden. Wenn das mit Lossage gemeint ist, dann ist gegen Lossage nichts zu sagen. Leider stellt in der beschriebenen Seelsorge die Lossage meist einen quasisakramentalen Akt dar. Was meine ich damit? Man spricht eine Lossageformel bzw. ein formelhaftes Lossagegebet und erwartet, dass diese Handlung als solche etwas bewirkt. Wenn ein solches Gebet aber nicht an Gott gerichtet ist und aus einer echten inneren Bußgesinnung heraus gesprochen wird, kann auch nichts davon erwartet werden. Wer dennoch Wirkungen erwartet, offenbart damit lediglich sein magisches Denken. So wenig wie es ein Sakrament der Buße gibt, gibt es ein Sakrament der Lossage.
Nun kann ja durchaus sein, dass jemand bei einem Okkultseelsorger solche Lossage praktiziert und dabei echte Befreiung erfahren hat. Nun, der Grund dafür ist nicht das formale Lossagegebet, sondern die Bußhaltung. Natürlich muss es zu einer echten Umkehr und Abkehr von den Dingen kommen, die einen Menschen in die dämonische Verstrickung hineingebracht haben und es kann durchaus hilfreich sein, dies in Gegenwart von Zeugen auszusprechen, aber eben als Ausdruck einer wahrhaftigen Herzenshaltung. Wichtig ist dabei auch die Abkehr von falschen und unbiblischen Denkweisen, die den Nährboden für weitere Verstrickung bilden. Auf jeden Fall würde ich davon abraten, dass der Seelsorger ein formelhaftes Lossagegebet vorspricht und den Ratsuchenden ermutigt, es nachzusprechen. Ebenfalls sollte in einem Lossagegebet Satan nicht direkt angesprochen werden. Solche Praktiken fördern ein falsches Denken beim Ratsuchenden und machen ihn angreifbar.
4.3 Haben wir heute noch den Auftrag zum Exorzismus?
Der Exorzismus ist keine Erfindung des Christentums, sondern hat eine uralte Tradition. Der Herr Jesus selbst rechtfertigte sich bei einer Dämonenaustreibung gegenüber seinen Gegnern mit dem Hinweis auf jüdische Exorzisten (Mt 12,27). „Exorzismus“ ist kein biblisches Wort. Es heißt eigentlich „Beschwörung“ (griech. „exorkisteo“ = beschwören). Jesus hat nie einen Exorzismus betrieben, er hat die Dämonen nicht beschworen, sondern hinausgeworfen (griech. „exballein“ = rauswerfen). Wir stoßen auf exorzistische Riten in allen Religionen des nahen und fernen Ostens, selbst bei den primitiven Stämmen in Indonesien und im Innersten Afrikas. Und diese den Exorzismus pflegenden Schamanen oder Zauberer – und um nichts Anderes handelt es sich hier – arbeiten mit verblüffenden Erfolgen oder besser „Scheinerfolgen“. Das ist umso erstaunlicher, da diese Magier ja nicht mit göttlichen, sondern mit dämonisch-satanischen Kräften ausgestattet sind. Biblisch gesehen könnte man meinen, sie treiben den „Teufel mit dem Beelzebub“ aus. Faktisch werden hier aber keine Dämonen ausgetrieben. Vielmehr handelt es sich hier um ein dämonisches Ritual: Zauber wird mit Gegenzauber bekämpft. Eine allgemein übliche magische Praxis in allen Religionen. Der Mensch wird hierbei nicht frei, sondern die stärkeren Dämonen nehmen den Platz der schwächeren ein und dem betroffenen Menschen geht es schlimmer als zuvor.
Die Tatsache, dass es falsche Dämonenaustreibungen gibt, muss ja nicht zwangsläufig heißen, dass es nicht eine richtige und biblische Form der Dämonenaustreibung gibt. Das NT gibt uns ja eine Reihe von Beispielen. Es stellt sich daher die Frage: Wie sieht es mit der Dämonenaustreibung heute aus? Sollen wir den Dämonen gebieten? Wir müssen uns an dieser Stelle klarwerden, was der Charakter der in der Schrift geschilderten Dämonenaustreibungen war. Die Dämonenaustreibungen im NT geschahen ausschließlich an Ungläubigen und setzten in keiner Weise voraus, dass derselbe überhaupt freiwerden wollte oder bereit war, sein Leben an Gott auszuliefern (denken wir nur an die Magd zu Philippi). Sie geschahen unabhängig von der Haltung der Betroffenen, aber abhängig von der Glaubenshaltung des Apostels und der ihm vom HERRN verliehenen Autorität. Nur von daher ist die Warnung Jesu zu verstehen, das Haus nun nicht leer zu lassen, weil der Geist sonst mit sieben anderen Geistern zurückkehren könnte.
Die Dämonenaustreibungen im NT waren unleugbare Machtzeichen der anbrechenden Gottesherrschaft. Denn wo das Reich Gottes anbricht, muss die Dämonenherrschaft weichen. Jesus macht das den Pharisäern gegenüber unmissverständlich klar (Mt 12,28): „Wenn ich aber durch den Geist Gottes die Dämonen austreibe, so ist also das Reich Gottes zu euch gekommen.“ Daher werden Dämonenaustreibungen immer wieder gleichzeitig mit den anderen apostolischen Zeichen genannt, wie z.B. der Sprachenrede. Die Einführung einer neuen Heilsoffenbarung war immer von Zeichen und Wundern begleitet. Zeichen bestätigten die Autorität des Trägers dieser Heilsoffenbarung und bekräftigten, dass er im Namen Gottes spricht. Hebräer 2,3-4: „Wie wollen wir entfliehen, wenn wir eine so große Errettung missachten? Diese wurde ja zuerst durch den Herrn verkündigt und ist uns dann von denen, die ihn gehört haben, bestätigt worden, wobei Gott sein Zeugnis dazu gab mit Zeichen und Wundern und mancherlei Kraftwirkungen und Austeilungen des Heiligen Geistes nach seinem Willen.“
Dasselbe wird bestätigt in Markus 16,15: „Und er sprach zu ihnen: Geht hin in alle Welt und verkündigt das Evangelium der ganzen Schöpfung!“ Und dann heißt es: „Diese Zeichen aber werden die begleiten, die gläubig geworden sind: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben, sie werden in neuen Sprachen reden.“
Ich sage nicht, dass heute eine seelsorgerliche Hilfe zur Befreiung von der Besessenheit nicht mehr möglich sei. Ich sage nur, dass die zeichenhafte Form der Befreiung eines ungläubigen Menschen durch ein an die Dämonen gerichtetes autoritativ gesprochenes Wort – unabhängig von der Glaubenshaltung dieses Menschen – heute offenbar nicht mehr im Willen Gottes ist. Es ist ein nicht zu übersehendes Faktum, dass uns die Schrift dafür keine Anweisung gibt.
Weder in den Briefen noch in der Offenbarung geht die Schrift noch einmal auf die Frage der Dämonenaustreibung ein. Es wird weder indirekt deutlich, dass solche stattgefunden hätten, noch wird direkt durch Lehräußerungen darauf Bezug genommen. Auch die Kirchengeschichte bezeugt, dass es neutestamentliche Dämonenaustreibungen nicht mehr gegeben hat. Wo immer Exorzismus praktiziert wurde und auch heute praktiziert wird, da ist er weniger ein Zeugnis der Macht Christi, sondern erweckt eher den Eindruck, dass der Teufel stärker ist. Sonst müsste es nicht zu monate- und jahrelangen „Kämpfen“ kommen. Paulus trieb der Magd zu Philippi ihren Dämon mit einem einzigen gebieterischen Wort aus.
Solche Machtzeichen sehe ich heute nirgendwo. Sie hätten auch in unserem christianisierten Abendland keinen Sinn, zumal wir doch in der Schrift den ganzen Ratschluss Gottes haben. Zudem machte der Herr Jeus selbst deutlich, dass eine zeichenhafte Dämonenaustreibung ohne Bekehrung dem Betroffenen nichts nützen, ja sogar schaden würde (Mt 12,43-45).
5. Die Folgen unbiblischer Okkultseelsorge
5.1 Ablenkung von Sünde
Da bei dieser Seelsorge nur Okkultsünden in den Blick genommen werden, wird von den anderen Sünden des Ratsuchenden abgelenkt. Sein fleischliches und egozentrisches Leben und seine Fehlhaltungen bleiben unberührt, weil letztlich ja immer Satan und seine Dämonen verantwortlich gemacht werden.
In Epheser 4,25 fordert Paulus auf: „Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, jeder mit seinem Nächsten, denn wir sind untereinander Glieder.“ Anstatt dass nun aber der Ratsuchende im Sinne dieses Wortes ermahnt wird, seine Lüge abzulegen, treibt man ihm den Lügendämon aus. Das ist natürlich für den Betroffenen leichter, weil es keine echte Buße fordert. Er muss nicht bekennen: „Ich habe gelogen“, was ja beschämend ist, sondern er kann sich sagen, der Teufel hat mich missbraucht und durch mich gelogen. Und wenn er am nächsten Tag wieder lügt, dann war eben die Seelsorge nicht ausreichend und es ist immer noch eine Bindung da. So wird eine echte Befreiung durch Buße und Abkehr von der Sünde erschwert und verhindert. Das hat schon Eva nach dem Sündenfall so gemacht: „Die Schlange betrog mich, so dass ich aß!“ Stimmt ja, dass hinter der Sünde letztlich immer der Satan steht, doch „ich aß“! Wir entscheiden uns für die Sünde. Für Christen gibt es keinen Zwang zum Sündigen, deshalb können wir uns nie von Schuld freisprechen.
5.2 Schuldverschiebung auf die Vorfahren
Die Schuld wird nicht nur auf die Dämonen geschoben, sondern auch auf die Vorfahren. Meine gegenwärtige Schuldverstrickung hat ihre Wurzeln in der Schuld der Vorfahren. Dabei entsteht allerdings das Problem, dass man Ahnenforschung betreiben muss. Und den Sünden des Großvaters oder der Urgroßmutter kommt man nicht mehr so leicht auf die Spur. Wenn sich also im eigenen Leben nichts ändert, so bleibt man der Ungewissheit überlassen, ob nicht doch irgendeine nicht erkannte Schuld der Vorfahren im Spiel ist. So verliert man jede Hoffnung, dass es noch einmal anders werden könnte. Dem Seelsorger kommt diese Vorstellung allerdings entgegen, hat er doch für das Versagen seiner Seelsorge immer eine Ausrede.
5.3 Abhängigkeit vom Seelsorger
Da der Seelsorger als angeblich besonders bevollmächtigter Fachmann stark in den Vordergrund tritt und so etwas wie eine Priesterstelle einnimmt, kommt es zwangsläufig zu einer starken Abhängigkeit des Ratsuchenden dem Seelsorger gegenüber. Ohne ihn kann er ja nicht frei werden. Darum ist mancher bereit, über Jahre hin große Entfernungen zu reisen, um sich der Seelsorge eines „vollmächtigen“ Seelsorgers zu unterziehen. Der Glaube des Ratsuchenden richtet sich dabei nicht selten mehr auf den Seelsorger als auf den HERRN. Unsere Aufgabe ist es in der Seelsorge aber immer, den Ratsuchenden in die Selbständigkeit und Freiheit zu führen. Unser Tun darf dabei nie im Vordergrund stehen. Der Ratsuchende muss verstehen, dass es viel mehr auf sein Tun und die souveräne Gnade Gottes ankommt.
5.4 Satan erhält Ehre
Durch die starke Beschäftigung mit Satan steht dieser bei sämtlichen Beteiligten im Vordergrund und nimmt ihr Denken gefangen. Die monate-, ja oft jahrelangen Kämpfe lassen Satan als den Stärkeren erscheinen, wodurch ihm Ehre zuteilwird, die ihm nicht zusteht. Es ist eine absolute Verunehrung unseres HERRN, wenn ein Christ nach monate- und jahrelangen Austreibungen im Namen Jesu nicht frei ist. In der Bibel finden wir dafür keine Beispiele. Die Befreiung erfolgte unmittelbar.
5.5 Dämonische Beeinflussung
Durch die unbiblische Auseinandersetzung mit Satan, die nicht selten von Furcht und Faszination begleitet ist, erhält dieser erst Zugang zum Leben der Beteiligten und es treten wirklich dämonische Manifestationen auf, die den Seelsorger und den Ratsuchenden in ihrem Irrtum noch bestärken. Werden diese durch Exorzismus, dann lässt man sich auf das Spiel Satans ein und wird zu seinem Spielball. Die Dämonen ziehen eine große Show ab und die Seelsorger werden ungewollt zu Akteuren in dem teuflischen Scheingefecht zwischen sog. „Schwarzer“ und „Weißer Magie“, wobei, wie wir gesehen haben, der Seelsorger die Rolle des Zauberers innehat. Allein schon die Erwartung der Beteiligten, dass sich die finsteren Mächte kundtun, bedeutet eine Grenzüberschreitung hin zum Spiritismus.
5.6 Lehren der Dämonen11
In 1. Timotheus 4,1 lesen wir: „Der Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten etliche vom Glauben abfallen und sich irreführenden Geistern und Lehren der Dämonen zuwenden werden.“ Durch Ansprechen und zum Teil ausgedehnte Gespräche mit den Dämonen kommt es zu „Lehren der Dämonen“, die in die Gemeinde Jesu eindringen und sie wie ein Sauerteig durchsäuern. Sehr gut lässt sich das an dem Buch „Dämonische Besessenheit heute“ von Pater Rodewyk erkennen. Ich habe fast auf jeder Seite Beispiele dafür gefunden, wie die Dämonen die katholischen Irrlehren und abergläubischen Praktiken bestätigen. Auch in evangelikale Kreise ist Sauerteig eingedrungen, der seinen Ursprung in der Finsternis hat. So ist zum Beispiel die sog. „Blutsmagie“, d.h. das Anrufen des Blutes Jesu zur Deckung, Besprengung, Reinigung und zum Schutz vor allen möglichen Gefahren, fast überall durchgedrungen. Sie hat laut Rudi Holzhauer ihren Ursprung nachweislich in der extremen pfingstlerischen „Spätregen-Mission“ in Südafrika und geht auf Dämonenaustreibungen zurück. Letztlich ist auch manche Praxis der Okkultseelsorge ähnlich zu werten, indem es den Dämonen gelungen ist, diese Praktiken durch entsprechende Showeffekte zu untermauern.
5.7 Psychische Schädigungen
Allgemein ist zu bemerken, dass durch diese Seelsorge die Egozentrik des Ratsuchenden unterstützt und verstärkt wird. Manche sind stolz auf ihre besonderen Erfahrungen und Erlebnisse, die sie aus der Masse der Gläubigen herausheben und gehen damit von Seelsorger zu Seelsorger, um sich interessant zu machen. Nicht selten aber kommt es auch zu schweren psychischen Schäden. Wenn etwa Depression, Angst und Zwangsneurosen, Psychosen und schizophrene Persönlichkeitsstörungen nicht als solche erkannt oder als okkulte Belastung oder Besessenheit verkannt werden, kommt es zu einer massiven Überlagerung und Befrachtung der vorliegenden Symptomatik mit religiösen Wahnvorstellungen. Dadurch verschlimmert sich der Gesamtzustand, und eine sinnvolle Therapie wird noch schwieriger. Bei vulnerablen Menschen mit erhöhter Verletzbarkeit oder schon vorhandenen latenten Störungen kann es zu akuten psychotischen Reaktionen kommen, die nicht selten in einen Suizid münden.
Ich habe zwei schriftliche Zeugnisse von Brüdern, die beide – einer als Opfer, der andere als Täter – über Jahre hinweg in solche Seelsorge verwickelt waren. Der eine der beiden gehörte dem Team einer Gemeinde an, die für ihre Exorzismen bekannt war. An seiner Frau wurden dort die Dämonen über Jahre hinweg ausgetrieben. Der andere war Opfer solcher Austreibungen und hatte Jahre nach seiner Trennung von diesen Praktiken noch Probleme mit Heilsgewissheit.
Es ist den Brüdern, die in solch unbiblischer, unnüchterner und schädlicher Seelsorge engagiert sind, zu wünschen, dass Gott ihnen – um mit Paulus zu reden – „Buße geben möchte zur Erkenntnis der Wahrheit und sie wieder nüchtern werden aus dem Fallstrick des Teufels heraus, von dem sie lebendig gefangen worden sind für seinen Willen.“ (2Tim 2,26) Glücklicherweise gibt es Brüder, die aus diesen Verirrungen wieder herausgefunden haben. Ich kenne drei Brüder, die früher sehr stark in dieser unbiblischen Seelsorge verstrickt waren, sich davon völlig gelöst haben und alle heute einen sehr gesegneten überörtlichen Dienst tun. Auch das Missions- und Freizeithaus, das früher einmal eine Zentrale dieser Seelsorge war, hat sich davon völlig gelöst und distanziert.
11 Antholzer, Roland: „Mächte der Bosheit“ – Seelsorge bei dämonischer Verstrickung. CLV Bielefeld, Seiten 104-106.