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Vor der Reise

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Und dieses Mal sollte alles anders werden.

Island war das Ziel. Bevor es populär wurde, mit erhobenem Zeigefinger. Es lag mir sehr daran, mich und das komplette Umfeld wiederholt darauf hinzuweisen. Bin doch nicht Mainstream. Im Zuge der europäischen Fussballmeisterschaft wurde das Interesse der Festlandbewohner an den Nachkommen der Wikinger geweckt.

Böse, witzige, Zungen behaupteten, die Nationalmannschaft trainiere auf dem Parkplatz eines regionalen Supermarktes. Abends, weil da keine Autos stehen und die Spieler tagsüber während der drei Sonnenstunden ihrem regulären Job nachgehen. Also dem Fischen und fahren des Touristenbusses. Sie spielen auf ein Tor mit halben Mannschaften. Weil da eben nur ein Tor steht und sie keine zweiundzwanzig Mann zusammenkriegen. Gut, erstunken und erlogen, vielleicht abgesehen von der Jobsache. Die isländischen Kicker gehen neben dem Fussball wirklich einer vernünftigen Arbeit nach. Nun, als die Isländer sich bis ins Viertelfinale kämpften, spielten sie sich auch in unsere Herzen. Weil sie eben anders spielen. Nicht die Grazie einer portugiesischen Ballerina, eher die Anmut von Eisbären.

Die eine oder andere Gattin, zum Fussballgenuss genötigt, fand gar Gefallen an diesen Wikingern mit Zottelbart. Welch Gegensatz zu Fussballern mit gezupften Augenbrauen und rasierten Waden.

In der Fankurve brunftige Schreie und wuchtiges zusammenschlagen imaginärer Streithämmer

Nun denn, in Island wurde jedes Hotelbett doppelt gebucht, jeder wollte plötzlich auf dieses wilde Eiland zwischen Arktischem Ozean und Nordatlantik. Ohne wirklich zu wissen, warum denn eigentlich.

Mein Beweggrund war in erster Linie der Norden. Dann trifft die Schuld noch ein wenig Walter Mitty, respektive, die Verfilmung von 'The Secret Life of Walter Mitty' warum ich Island in Betracht zog.

Rekognoszieren, wenn man so will, ich arbeite daran, als erster europäischer Klimaflüchtling im Umfeld des Polarkreises um Asyl zu bitten.

Schweden war in der engeren Auswahl. Bis ich feststellte, dass ich Ausgangs Flughafen einen Bus besteigen würde und beim Verlassen desselbigen schon die Hälfte des Urlaubs durch hätte. Island wirkte eine Idee kompakter, im speziellen bezüglich meines ausgewählten Trekkingpfades.

Die Würfel waren gefallen, ich würde den Laugavegur gehen. Den gefährlichsten Trekkingpfad der Welt, wenn man dem Trekkingführer und Internetblogs glauben möchte. Führende Internetblogs, wenn man die Google-Suche als Massstab nehmen möchte. Im Zweijahresrhythmus segelt ein Wanderfreund in eine Gletscherspalte, verläuft sich im Nebel, gart sich selber in einer heissen Quelle oder ersäuft ganz unspektakulär. Dies ist ungünstig für die Insel. Wenn man nur drei Monate im Jahr Touristen melken kann, setzt man natürlich darauf, diese Kuh nicht vorzeitig zum Schlachter zu führen. Deswegen geben die Isländer einige Verhaltensregeln aus.

Darauf werden wir im Verlauf dieses Buches noch stossen.

Der treue Leser stellt fest, im Gegenzug zu meiner letzten Trekkingtour setzte ich mich bereits im Vorfeld intensiver mit dem Vorhaben auseinander.

Siehe 'Ein Schaffhauser auf dem West Highland Way', als ich mir meine Sporen abverdiente.

Mit eines der grossen Probleme bei den Schotten war meine überdimensionierte Packung. Nicht nur deren ausladendes Volumen, insbesondere das Gewicht brachte meine Schultern an den Anschlag.

Ich entschloss mich beim Zelt den Hebel anzusetzen. Nicht, dass meine bisherige Behausung unzulänglich gewesen wäre, aber ein neues Zelt geht eigentlich immer. Die Auswahl ist auch zu verführerisch. Gerade im Bereich Leichtgewicht oder gar Ultra-Leichtgewicht wird der belastete Trekkingfreund umgarnt. Eine Behausung mit einem Komplettgewicht von weniger als einem Kilo. Dies muss man sich einmal vorstellen. Ein Zelt mit Gestänge, Heringe und Tüte wiegt weniger als eine vernünftige Packung Speiseeis.

Während man beim Elektro-Discounter ums Eck ein kleines Igluzelt als Gimmick zum Six-Pack Bier erhält - welches wiederum ein Goodie für den USB-Stick ist, man muss den Schein des Unterhaltungselektronik-Spezialisten wahren -, bezahlt man beim Outdoorhändler bei vollem Bewusstsein weniger für mehr. Da kratzt man schnell am Bereich der vierstelligen Summen.

Wie immer halte ich nicht mit der Angabe von Herstellern zurück. Wohl werde ich nicht gesponsert, obwohl Salewa ob meiner Fotos ausserordentlich entzückt war und ich kann nun weniges weniger gut als fotografieren, aber es erleichtert dem enthusiastischen Nachahmer bei der Erstellung seiner Packung. Es ist ja nicht auszuschliessen, dass einer eins zu eins in meinen Stapfen gehen will. So gross sind die Schuhe nicht.

Nordisk, die Marke mit dem Eisbären im Logo, machte das Rennen. Mein bevorzugter Hersteller, Salewa, hatte gerade nichts neues im Angebot und mit den Dänen machte ich bisher gute Erfahrungen. Der Unterschied von Ultra-Light zu Light betrug knapp 200 Gramm, die Gewichtsersparung würde mit Carbonstangen anstelle der Aluminium-Stützen erreicht werden. Die Reduktion liess sich Nordisk im Gegenzug in Gold aufwiegen, weswegen ich eine überraschende Vernunft an den Tag legte und mich für die Leicht-Variante entschied.

Eine Konstruktion muss als Ganzes bestehen, daher ist das Tunnelzelt auf Heringe angewiesen, welche solide abgespannt werden wollen. Dies geht schon in Ordnung. An und für sich. Bis ich auf die Zeilen in meinem Reiseführer stiess, welche darauf hinwiesen, dass aufgrund des Untergrundes der Zeltaufbau bisweilen etwas Improvisationsgeschick erfordert. In solide Lava kriegt man Heringe schlecht eingerammt und aus Aschehaufen gleiten die Erdnägel wieder raus, kaum lässt man die Zeltschnur aus den Fingern.

Selbstverständlich gewann ich diese Erkenntnis erst, als mein Postbote mit der Handvoll Zelt bereits um die Ecke bog.

Nun, musste eben mein bisheriges Zelt hinhalten. Die üblichen 2,3 Kilogramm.

Ich wandte mich einem neuen Thema zu.

Trekkingfreunde, welche bisweilen das Flugzeug als Transportmittel nutzen, kennen das Problem. Eine Packung Streichhölzer oder ein Feuerzeug sind geduldet, sofern man diese im Handgepäck und nicht im aufgegebenen Rucksack befördert. Nur kriegt man mit einem Feuerzeug keine Tasse Kaffee warm, weswegen man einen Brenner mitführt, welcher seinerseits nach einem gewissen Brennstoff dürstet.

Man kann sich in der Abflug- und oder Ankunftshalle mit Chanel Nummer 5 oder einem kleinen Eimer M&Ms ausrüsten, doch kein bekannter Zielflughafen, bestätigten mir erfahrene Rucksack-Reisende, bietet Outdoor-Artikel feil.

Nun suche man einmal am Sonntag Abend eine Gasflasche. Auch wenn man sich in der grössten Stadt Islands befindet, auch hier schliessen die Outdoorläden irgendwann. Ist ja auch in Ordnung.

Meine Lösung, Benzin. Benzin kriegt man schliesslich überall. Im Extremfall springt ein Schlauch und ein Pfefferminzbonbon in die Bresche.

Der amerikanische Hersteller MSR ist ein Garant für Qualität und bietet tolle Artikel feil. Je nach Ausführung kann man den Brenner mit Diesel betreiben, oder in meiner Ausführung, mit Autobenzin, Reinbenzin und, nach einem Tausch der mitgelieferten Düse, mit Kerosin. Bevor ihr nun mit Schlauch und Pfefferminzbonbon unter die Flugzeugtragflächen krabbelt, unter dem Begriff Kerosin wird in anderen Ländern Petroleum vertrieben.

Die Benutzung eines Benzinkochers will geübt werden. Nicht zuletzt vermitteln die unzähligen Warnhinweise das Gefühl, man hantiere mit waffenfähigem Plutonium.

Zwei Wochen vor Abreise entschloss ich mich, den Rucksack zu ersetzen. Eine Luxusentscheidung, wenn man so will. Es ergab sich, dass ich kürzlich in militärischer Funktion einen Rucksack in siebzig Liter-Ausführung der Schweizer Marke Mammut tragen musste. Durfte. Im Grundsatz patriotisch bis in die Zehenspitzen, verweigere ich mich nach Möglichkeit diesem Lieferanten. Nachdem der Produktsupport meine wiederholten Anfragen in durchwegs kaufwilliger Absicht wiederholt, ich möchte sagen böswillig, ignorierte, keimte der Verdacht, dass ich im Fall einer Beanstandung ganz bestimmt auf weiter Flur in eine dunkle Schlucht brüllen würde. Jeglichen Echos beraubt. Glücklicherweise steht dem Outdoor-Enthusiasten eine geradezu erschlagende Menge an Herstellern und Lieferanten zur Verfügung. Bisweilen sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Ich darf erwähnen, dass gerade Salewa oder North Face die Chance packt, mit kompetentem After-Sale-Support einen Kunden zu begeistern.

Der Unzufriedenheit mit der Hersteller-Firma zum Trotz, musste ich dem Rucksack einen gewissen Tragekomfort zugestehen. Massgeblich durch die schmale, jedoch hohe Bauform. Mein bisheriger Lieferant hat Aussentaschen in das Gesamtvolumen einbezogen. Dies sind dann die Rucksäcke mit der Bezeichnung plus irgendwas. Also etwa 60+10. Aussentaschen sind was feines, nur kriegt man in eine fünf Liter-Aussentasche weder einen Schlafsack noch eine Isomatte rein. Und stopft ihr sie dennoch voll, wirkt ihr wie ein Packesel mit Überbreite. Dennoch bleibt der Hersteller meines Vertrauens diesem Prinzip treu und das neuste Modell wirkt wie ein Hamster mit gefüllten Backen.

Spätestens bei knappen Passagen, wie auch in Türen von öffentlichen Verkehrsmitteln, würdet ihr euren Kauf verfluchen denn, wenn ich von mir auf alle schliessen darf, egal welches Packungsvolumen ihr wählt, ihr werdet es füllen. Liegt in der Natur der Sache, da man die Packliste auf die Rucksackgrösse zusammenstreicht.

Ich werde im Anhang eine praktische Packliste aufführen. Dieses Werk soll nicht in Konkurrenz mit Reiseführern stehen, sondern in erster Linie unterhalten. Allenfalls mit einem nützlichen Beigeschmack.

Und sind wir ehrlich. Die Abschnitte Land und Leute, Kultur, Geografie und welche Kategorien in gelobten Reiseführern noch alle gepflegt werden, liest ihr sowieso erst in einer ruhigen Minute. Einer langweiligen. Wenn auf dem stillen Örtchen kein Smartphone zugegen ist.

Ein Schaffhauser auf dem Laugavegur

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