Читать книгу Agilität? Frag doch einfach! - Roman Simschek - Страница 30
Was sind die Grenzen von Agilität innerhalb eines Unternehmens?
ОглавлениеOft bleibt der Erfolg aus, wenn Unternehmen versuchen jene Agilität, die im Kleinen im Projekt funktioniert, auf die gesamte Organisation auszuweiten. In vielen Fällen kommt es zu unzufriedenen Mitarbeitern oder Ineffizienzen. So gut das Konzept der Agilität in kleinen Einheiten funktioniert, so stößt es als Organisationmodell oft an seine Grenzen. Warum?
Weil bei vielen Agilisierungsinitiativen der wichtigste Faktor – der Mensch – vergessen wird. Nicht jeder Mitarbeiter ist dafür geschaffen und auch gewillt, selbstorganisiert zu arbeiten, sich immer wieder auf neue Teams einzulassen, regelmäßige Entscheidungen zu treffen und sich permanent weiterzuentwickeln. Diese Wahrheit wird häufig vergessen oder als eine nicht mehr zeitgemäße abgetan.
Tatsache ist aber, dass ein Unternehmen nur so agil sein kann wie seine Mitarbeiter. Zusätzlich bringt das Arbeiten in agilen Strukturen den Mitarbeitern nicht nur Freiheiten, sondern stellt auch hohe Anforderungen. Neben EigenverantwortungEigenverantwortung gehören dazu insbesondere KritikfähigkeitKritikfähigkeit, KommunikationsfähigkeitKommunikationsfähigkeit, die Fähigkeit der SelbstreflexionSelbstreflexion sowie eine ausgeprägte BeziehungsfähigkeitBeziehungsfähigkeit. All diese Fähigkeiten sind ein Produkt persönlicher Reife oder Einstellung. Diese Reife ist kein Selbstverständnis bei allen Mitarbeitern, sondern das Ergebnis lebenslanger Weiterentwicklung, welches auch oft im Rahmen des Themas, Agiles Mindset, angesprochen wird.
Allerdings ist nicht nur die eingeschränkte Agilität des Menschen ein Faktor, sondern oftmals auch die ungeklärte Rolle der Führungskräfte. Viele Agile Systeme stellen Führungskräfte vor das Paradox einerseits Verantwortung für Prozesse und Ergebnisse zu tragen und andererseits Selbstorganisation und Selbststeuerung zuzulassen. Diese Balance zu finden überfordert oftmals Führungskräfte. Das Ergebnis ist, dass Sie sich entweder auf eins fokussieren oder auf das andere: während die einen ihre Tätigkeit nur mehr darin sehen, hin und wieder ein paar motivierende Worte fallen zu lassen und sich ihrer FührungsverantwortungFührungsverantwortung zu sehr entziehen, fallen andere sukzessive wieder in traditionelle Arbeitsweisen zurück und zerstören so das agile System. Zudem verbleibt die Verantwortung vor den Stakeholdern und für das Produkt grundsätzlich bei der Führungskraft.
All diese genannten Aspekte bringen in vielen Unternehmen Konflikte hervor. Agile Strukturen wirken in vielen Fällen konfliktfördernd: Zum einen tun sie das, weil sie hierarchische Strukturen und Abteilungsgrenzen auflösen und damit auch die bekannten Prozesse und Abteilungen, die das Miteinander in Zaum hält, lockern. Hinzu kommt, dass deswegen aber das klassische Gerangel um Zuständigkeiten keineswegs verschwindet Auch die Thema Selbstverantwortung und SelbstorganisationSelbstorganisation bringen in der Praxis oftmals Konfliktpotenziale hervor, vor allem wenn der Druck aufkommt, dass das Produkt fristgerecht geliefert werden muss. In diesem Fall kann die Selbstorganisation mit möglichen persönlichen Interessen in der Gruppe die Emotionalität und somit das Konfliktpotenzial erhöhen. Letztlich bietet das Prinzip der rotierenden Rollen, das vielen agilen Ansätzen zugrunde liegt, gleichermaßen wie fluide Teamstrukturen für Mitarbeitende wesentlich weniger Möglichkeiten, ihr Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit zu befriedigen. Das Ergebnis sind Mitarbeiter, die sich um ihre Rolle bzw. ihrem Titel wofür Sie vielleicht schon ihre ganze Karriere gearbeitet haben und somit eine Identität aufgebaut haben, betrogen fühlen und mit Angst und Widerstand reagieren.