Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 235 - Roy Palmer - Страница 4
1.
ОглавлениеWie gespenstische Schattenwesen glitten die Schiffe in die Bucht. Es handelte sich um einen stattlichen Vierer-Verband – drei Galeonen und eine Karavelle –, der mit gleichlaufenden Manövern gegen den Südwind kreuzte, mal nach Südwesten, mal nach Südosten schwenkend, um den Schauplatz des ungeheuerlichen, unbegreiflichen Geschehens zu erreichen.
Die Stückpforten der Schiffe waren schon hochgezogen worden, als sie den Hafen von Melilla verlassen hatten, und so blickten die Mündungen der jetzt ausgerannten Geschütze hohl in die Nacht und schienen Ausschau nach dem Feind zu halten, der all dies angerichtet hatte: die Explosionen und das anschließende Feuer im weißen Palast des Abu Al-Hassan, den Aufruhr im Fischerdorf auf der langgestreckten Landzunge, die die Bucht nach Osten hin gegen das Mittelmeer abschirmte, und die Verwirrung und Ratlosigkeit auf den Mienen derer, die sich inzwischen am südlichen Ufer versammelt hatten.
Hoch stiegen die Flammen aus den Gebäuden auf. In ihrem rötlichen Schein vermochte man auf den Hügeln schwach die fünf Säulen des Herkules zu erkennen, jenes Relikt aus der Antike, das Abus Palast zu seinem Namen verholfen hatte – „Hof des Herkules“.
Abu Al-Hassan war tot. Auch Ulad, der Haratin, und der Großteil von dessen Eunuchen-Garde hatten ein unrühmliches Ende gefunden. Ihre Leiber lagen unter den Trümmern des Harems begraben. Und dort, unter den Überresten der einst so stolzen Gemäuer, ruhte auch Abus großes Geheimnis: die Ballen Rauschgift, die durch die Sprengung zerfetzt worden waren. Nie wieder würde damit das schmutzige Geschäft betrieben werden, das Abus Wohlstand gesichert hatte. Einen Nachfolger gab es nicht.
Wo war der Feind? Hatte er sich in Luft aufgelöst, sich unsichtbar gemacht? Irritiert spähten die Spanier an Bord der vier Segler in die Dunkelheit. Sie wußten sich auf all das keinen Reim zu bilden. Sie hatten von Melilla aus nur die Feuerblitze gesehen und den Kanonendonner vernommen und waren daraufhin sofort ausgelaufen, um nach dem Rechten zu sehen. Jetzt aber standen sie vor einem Rätsel.
Dalida, die Ägypterin, eilte zum südlichen Ufer der Bucht. Sie langte bei Mechmed, dem Berber, an, der inmitten seiner Gruppe von Männern stand und die Hände zu Fäusten geballt hatte. Er war wie gelähmt und nahm seine Umgebung kaum noch wahr.
Ohnmächtige Wut brachte den hageren Mann mit dem knochigen, scharfgeschnittenen Gesicht fast zum Zittern. Er hatte in dieser Nacht die wohl größte Niederlage erlitten, denn die Kanonenkugeln des fremden Schiffes hatten ihn und seine Meute daran gehindert, rechtzeitig zum Palast Abu Al-Hassans vorzudringen. Furchtsam hatten sie sich hinter das Beiboot ihrer Bagalla zurückziehen müssen – eine Schmach, die Mechmed nicht zu verwinden wußte.
„Rache“, murmelte er daher immer wieder. „Rache. Ihr entkommt nicht ungeschoren, ihr Hunde. Mechmeds Rache wird euch alle ereilen.“
Er drehte sich um, als Dalidas Hand seinen Arm berührte.
Ihre Blicke begegneten sich. Dalidas Gesicht war unverschleiert, er konnte ihren zuckenden, rotbemalten Mund sehen. Ihre Lidschatten waren verwischt. Wirr hing ihr langes schwarzes Haar über die Schultern. Der Wind griff nach ihrem bodenlangen Gewand, bauschte es etwas auf und legte ihre Beine bis zu den Knien hinauf frei.
Auch die anderen Männer hatten sich jetzt umgewandt und betrachteten sie. Mechmed konstatierte es mit Unbehagen und sagte: „Schämst du dich nicht, dich in dieser Aufmachung zu zeigen?“
„Ich bin doch bekleidet“, sagte sie.
„Verhülle dein Gesicht.“
„Ich denke nicht daran“, sagte sie. „Und von dir nehme ich keine Befehle entgegen. Mein einziger Herr und Gebieter ist tot. Es wird keinen anderen Mann geben, der über mich bestimmen darf. Abu Al-Hassan ist tot, Mechmed.“
„Ich weiß. Ich habe es von deinen Dienerinnen gehört, die zum Dorf der Fischer geflohen sind.“
„So. Und mich hättest du wohl im Palast verbrennen lassen, was? Wie gut, daß ich selbst für mich sorgen kann.“
„Ich habe alles durchsucht“, verteidigte er sich, „und keine lebende Menschenseele mehr entdeckt. Um mich und meine Männer vor den herabstürzenden Trümmern zu schützen, habe ich den Rückzug angeordnet. Konnte ich ahnen, daß du noch lebtest? Wo warst du?“
„Im Haupthaus. Ich habe noch ein paar Münzen, Perlen und Edelsteine zusammengerafft. Ich wollte nicht mit leeren Händen gehen, verstehst du?“
„Ja.“
Sie senkte ihre Stimme. „Keiner wird mir diesen Lederbeutel abnehmen, den ich unter meinem Gewand trage, keiner, hörst du? Er ist mein Eigentum. Ich werde ihn bis zum letzten verteidigen.“
„Beruhige dich“, sagte er. „Wo sind die Eunuchen, die nicht im Kampf gefallen sind, wo die anderen Frauen?“
„Weggelaufen.“ Sie wies zu den Hügeln. „Die Angst hat sie kopflos werden lassen. Willst du es ihnen verübeln? Jetzt, nachdem sowieso alles zu Ende ist, hat es wenig Zweck, ihnen zu folgen. Lassen wir sie in Ruhe.“
„Aber – die Europäerinnen!“ stieß er zornig hervor. „Die ungläubigen Hündinnen! Wir müssen sie fassen, denn sie werden alles über Abu Al-Hassan erzählen, und das kostet auch uns den Kopf.“
Dalida lachte abfällig. Sie streifte ihr Kopftuch ab, hielt es fest und stemmte die Fäuste in die Seiten. „Um dein Haupt brauchst du dir vorläufig noch keine Sorgen zu bereiten, mein Freund. Noch rollt es nicht, und wenn, dann wohl nicht hier, in Marokko. Keiner kann Abus Machenschaften, an denen auch wir beteiligt waren, verraten, denn alle Mädchen, die gegen ihren Willen im Harem festgehalten wurden, befinden sich an Bord des fremden Schiffes – übrigens auch Beni, das Djerba-Mädchen, Ada, die Syrerin, Ofania, die Beraberin, und Kabil, der Stallbursche.“
„Kabil?“ Mechmed griff voll Wut nach dem Heft seines Säbels. „Dieser Bastard von einem Shilh! Ich habe schon immer geahnt, daß er etwas im Schilde führte. Er ist in eins der Mädchen verschossen und hat ihr zur Flucht verholfen, nicht wahr?“
„Ja. Ich denke, daß es Beni ist. Beni, das Herzblättchen.“
„Ich werde sie töten, alle beide. Und die anderen auch.“
„Da hast du dir viel vorgenommen“, sagte Dalida spöttisch.
Mechmed sah zu seinen Männern. Die Feindseligkeit in seiner Miene veranlaßte sie, sich wieder umzudrehen und wieder die Schiffe zu beobachten, deren Besatzungen sich jetzt anschickten, vor dem Ufer zu ankern und die Beiboote abzufieren. Mechmed ließ seinen Blick wandern und stellte fest, daß das aufgeregte Auf- und Ablaufen vor den Fischerhütten allmählich aufhörte. Das Geschrei der aufgescheuchten Männer, Frauen und Kinder ließ nach. Ruhe trat ein. Bald würde das Prasseln und Knistern der Flammen alle anderen Laute übertönen.
Es war gut, daß niemand vor den Männern an Bord der Schiffe ausplaudern konnte, welche dunklen Aktivitäten im „Hofe des Herkules“ abgewickelt worden waren. Menschen- und Rauschgifthandel – beides war im Königreich Marokko, das unter dem direkten Einfluß von Spanien-Portugal stand, ein todeswürdiges Verbrechen.
Die Berber, die vieles, aber nicht alles wußten, würden schweigen, desgleichen die entflohenen Eunuchen und die Dienerschaft. Dalida, die Abu Al-Hassans Lieblingsfrau gewesen war, war wie Mechmed durch Abu eng ins Vertrauen gezogen worden, doch auch sie würde natürlich kein Sterbenswörtchen von sich geben, so daß man den Spaniern gegenüber folgende Version der Ereignisse schildern konnte:
Fremde Seeräuber waren aufgetaucht und hatten den Palast in einem tollkühnen Raid besetzt. Sie hatten getötet, wer sich ihnen in den Weg stellte, hatten an sich gerissen, was sie in die Finger kriegten, und waren dann wieder mit ihrer großen Galeone abgesegelt – nicht ohne vorher ihr zerstörerisches Werk durch einige Ladungen Schwarzpulver zu beenden.
Alles das würde sehr glaubhaft klingen, und es hatte ja auch einen großen Wahrheitsgehalt.
Dennoch war es für Mechmed und seine Berber ratsam, die nähere Umgebung von Melilla zu verlassen. Der Wesir von Melilla, der spanische Gouverneur und die anderen Obrigkeiten mochten Nachforschungen anstellen und in den Trümmern des Anwesens graben lassen. Dann kam ein Teil der Dinge, die verborgen bleiben sollten, doch ans Tageslicht, denn das Rauschgift konnte sich nicht völlig aufgelöst haben.
Dalida war neben Mechmed getreten. Er sprach, ohne erneut den Kopf zu wenden.
„Wir werden uns an den Giaurs rächen. Weißt du, wer sie sind?“
„Nein. Ich glaube aber, es sind Engländer.“
„Das ist wenigstens etwas. Die Spanier haben einen großen Haß auf die Engländer.“ Er deutete auf die Schiffe. „Sie werden uns helfen, die Hunde zu hetzen. Wir werden sie stellen und töten. Ich weiß, in welche Richtung sie segeln.“
„Nach Norden?“
„Ja. Willst du uns begleiten, Dalida?“
Sie zögerte nicht mit ihrer Antwort. „Ich folge dir, Mechmed, aber nicht als deine Untergebene. Wir haben dasselbe Ziel, aber jeder von uns behält seine Eigenständigkeit.“
„Gut. Einverstanden“, sagte er, obwohl ihm ihre Worte erheblich gegen den Strich gingen. In seinen Augen war eine Frau ein minderwertiges Wesen, ganz gleich, woher sie stammte und wie groß ihre Klugheit war. Eine Frau hatte jedem Mann gegenüber demütig zu sein und durfte nur etwas sagen, wenn sie von ihm gefragt wurde. Eine Frau sollte stets drei Schritte hinter dem Mann bleiben, der sie begleitete, und wenn er auf einem Pferd saß, hatte sie zu Fuß zu gehen.
Dalida warf Mechmed einen verächtlichen Seitenblick zu. Sie kannte genau seine Gedanken und seine Einstellung, die sich nicht von den Ansichten eines Abu Al-Hassan und jedes anderen x-beliebigen Mohammedaners unterschied. Doch sie hatte die charakterliche Stärke, sich dem zu widersetzen. Sie würde sich keinem Mann mehr unterwerfen. Ein neuer Weg lag vor ihr, eine neue Zukunft.
„Auch ich suche nach Vergeltung“, sagte sie leise. „Ich werde Abus Tod sühnen und besonders dem einen dieser Kerle heimzahlen, was er uns allen angetan hat. Dieses Scheusal hat mich erniedrigt und beschimpft. Ich werde ihm die Gurgel durchschneiden.“
Voll Widerwillen dachte sie an die Szene zurück, die sie noch bildhaft vor Augen hatte: Sie, nackt bis auf ihre Armreifen und ihre Halskette, ihm gegenüber, der sich nicht von ihr hatte täuschen und einwickeln lassen. Er hatte sie geohrfeigt und von sich gestoßen, ein Riese von Mann mit narbigem Gesicht und gewaltigem Kinn.
Die „Isabella VIII.“ hatte die Küste von Marokko achteraus gelassen und segelte mit raumem Wind auf Kurs Nordosten. Das Feuer war hinter ihrem Heck immer kleiner geworden und jetzt als winziger Punkt in der Finsternis verschwunden.
„Niemand folgt uns, Sir!“ rief Philip junior, der immer noch mit seinem Bruder auf dem Ausguckposten im Großmars hockte. „Wir sind in Sicherheit!“
Hasard, der bei Ben Brighton und den beiden O’Flynns auf dem Achterdeck stand, ließ es dabei bewenden und korrigierte seine Söhne nicht. Sie waren sehr stolz darauf, vor der nordafrikanischen Küste rechtzeitig genug die Bagalla Abu Al-Hassans bemerkt zu haben. Tatsächlich hatte ihre Wachsamkeit mit zum Gelingen des ganzen Planes beigetragen, denn wenn Mechmed und seine Kumpane schon eher zum Palast gelangt wären, hätte der Rückzug der Seewölfe sicherlich nicht so reibungslos geklappt.
Jetzt aber überschätzten sie ihren scharfen Blick. Bei den derzeitigen Sichtverhältnissen – der Mond streute sein fahles Licht über der See aus – konnten sie allenfalls zwei, drei Kabellängen weit spähen und folglich nur das erkennen, was sich in unmittelbarer Nähe der „Isabella“ zeigte.
Philips ausgesprochen optimistische Meldung konnte sich als falsch erweisen, denn es war gut möglich, daß auf die Entfernung von ein oder zwei Meilen beispielsweise die Bagalla als Fühlunghalter im Kielwasser der Galeone lief – vorläufig unsichtbar für Hasard und seine Männer.
Mechmed würde keine Schwierigkeiten haben, der „Isabella“ zu folgen. Es bedurfte keines Scharfsinns, um sich auszurechnen, daß ihr Kurs nach Norden oder Nordosten führte, fort von der marokkanischen Küste und hinüber nach Europa, wobei es wahrscheinlich war, daß eine Mannschaft englischer Korsaren – bei allem Schneid, den sie hatte – die spanische Südküste um jeden Preis mied.
Vor dem Wind segelnd, würde Mechmed mit der Bagalla auch nicht so weit zurückfallen, daß er die „Isabella“ beim ersten Tageslicht bereits aus den Augen verlor. Im Gegenteil, vielleicht holte er sogar auf. Und vielleicht wagte er jetzt, da sein Haß auf den Gegner riesengroß war, sogar einen Überraschungsangriff auf das Schiff. Eine solche Aktion hatte er drüben, bei Melilla, noch gescheut, da die Bagalla nur ein Geschütz hatte und der „Isabella“ in einem Seegefecht geradezu erbärmlich unterlegen war.
Was er jedoch versuchen konnte, war ein rasches Entermanöver. Männer hatte Mechmed genug, und an Entschlossenheit mangelte es der Meute gewiß nicht. Je länger Hasard darüber nachsann, desto wahrscheinlicher erschien ihm, daß die Berber sich noch während der Nacht an die „Isabella“ heranpirschen würden.
Hasard wandte sich zu Ben, Old O’Flynn und Dan O’Flynn um. „Ben, wir setzen jeden Fetzen Tuch, meinetwegen auch dein letztes Hemd.“
„Aye, Sir.“
„Wir bleiben auch weiterhin gefechtsbereit und halten die Augen offen. Ich möchte jeden weiteren Kampf nach Möglichkeit vermeiden. Ihr wißt schon, was ich meine, nicht wahr?“
„Ja“, brummte der alte O’Flynn stellvertretend für alle drei. „Aber sie sollen nur aufkreuzen, diese Himmelhunde. Wenn sie uns auch nur ihren Bugspriet zeigen, rasieren wir ihn ihnen gleich weg. Diese Narren bilden sich doch wohl nicht ein, daß sie es noch mal mit uns aufnehmen können, was? Denen gerben wir das Fell, aber ganz gehörig.“
„Langsam, Dad“, sagte sein Sohn. „Wenn du die Berber meinst – nun, die könnten immerhin Verstärkung aus Melilla erhalten haben. Schließlich haben wir im Harem und auf der Landzunge einen Feuerzauber veranstaltet, der es in sich hatte.“
„Schon, schon.“ Der Alte sog scharf die Luft durch die Nase ein. „Aber womit wollen sie uns denn jagen? Mit noch mehr Bagallas? Mit Dhaus oder Feluken? Daß ich nicht lache.“
„Melilla ist ein bedeutender Hafen, vergiß das nicht“, sagte der Seewolf. „Dort liegen auch die Spanier und Portugiesen. Sollten sie herauskriegen, daß wir es gewesen sind, die dem ehrenwerten Abu heute nacht einen Besuch abgestattet haben, werden sie ganz versessen darauf sein, uns nachzustellen.“
Überrascht hob Old O’Flynn die Augenbrauen. „Richtig! Mann, daran hab ich noch gar nicht gedacht. Soll ich dir was sagen?“ Er senkte ein wenig die Stimme, damit die „Ladys“, die unten im Achterkastell saßen, ihn nicht verstehen konnten. „Mit diesem Weiberverein haben wir uns eine feine Suppe eingebrockt. Zehn Frauenzimmer und ein grüner Junge – hol’s der Henker, das ist mir nicht geheuer. Sehen wir zu, daß wir sie so schnell wie möglich wieder loswerden.“
Sein Sohn grinste. „Dir mag ja nichts an ihnen gelegen sein. Wie sollte es auch, bei deinem hohen Alter, Mister O’Flynn. Aber es gibt eine ganze Menge Männer an Bord dieses Schiffes, die in der Blüte ihres Lebens stehen und so eine Gesellschaft Wochen, ja, Monate, gern ertragen würden.“
„Fängst du wieder an, geschraubte Reden zu führen?“ zischte der Alte. „Trag bloß nicht zu dick auf, sonst kannst du was erleben. Ich bin immer noch dein Vater und immer noch gelenkig genug, um mein Holzbein abzuschnallen und es jemandem auf dem Rücken tanzen zu lassen.“
„Donegal“, sagte Ben Brighton. „Sollten wir die Mädchen vielleicht ihrem Schicksal überlassen?“
Ärgerlich blickte Old O’Flynn ihn an. „Wenn wir etwas früher oder etwas später in das verdammte Mittelmeer gesegelt wären, hätten wir die Deutsche gar nicht zu Gesicht gekriegt. Das wäre besser gewesen.“
„Nun hör aber auf!“ stieß Ben empört aus.
„Ihr werdet alle noch sehen, was für einen Aufstand es wegen der Weiberröcke gibt“, sagte der Alte finster.
Hasard hob die rechte Hand. „Ruhe bitte. Diskutiert nicht über Dinge, die wir schon mehrfach durchgesprochen haben. Grundsätzlich bin auch ich dagegen, daß Frauen an Bord der ‚Isabella‘ reisen. Aber diesmal muß ich eine Ausnahme gestatten. In Marokko konnten wir sie nicht lassen. Sie könnten sich vor Mechmed und den anderen Häschern nicht sehr lange verstecken. Sie würden wieder in einem Harem oder Freudenhaus landen. Das dürfen wir nicht zulassen. Da wir beim Hof des Herkules kein passendes Schiff für sie gefunden haben, mit dem sie nach Europa übersetzen können, versuchen wir jetzt eben, es ihnen auf den Balearen zu besorgen.“
„Die Bagalla wäre wohl das richtige gewesen“, brummte Old O’Flynn. „Aber was zu spät ist, ist zu spät.“
Der Seewolf tat einen Schritt auf ihn zu und blickte ihn fest an. „Sag mal, meinst du das im Ernst? Hätten wir uns noch mit den Berbern herumschlagen sollen? Dabei hätte es Tote und Verletzte gegeben, auch auf unsrer Seite, verlaß dich drauf. Und ich habe es auch nicht gern, wenn jemand die Richtigkeit meiner Entscheidungen in Frage stellt, Donegal, ganz gleich, wer es ist.“
Old O’Flynn senkte verlegen den Blick. „Tut mir leid, Sir. So war das nicht gemeint.“
„Schon gut. Wir laufen jedenfalls direkt Ibiza, Mallorca oder Menorca an und sehen zu, daß wir irgendwo einen seetüchtigen Einmaster für die Ladys finden. Allzu schwierig dürfte das nicht sein, und ich schätze, daß wir die Sache innerhalb einer Woche hinter uns gebracht haben.“ Er legte eine kurze Pause ein, dann fuhr er fort: „Ich habe mit Kabil und mit Victoria gesprochen. Sie verstehen genug von der Seefahrt und werden die anderen darin unterweisen. Die Überfahrt von den Balearen nach Südfrankreich, wo sie endlich sicher sind, dürfte ihnen nicht allzu schwerfallen.“
Dan räusperte sich. „Was wird aus Beni, Kabil, Ada und Ofania? Die sind doch eigentlich ganz woanders zu Hause. Wir könnten sie noch ein Stück weiter mitnehmen und vielleicht …“
Hasard unterbrach ihn durch eine neuerliche Gebärde. „Nein, mein Bester, da hast du dich verschätzt. Sie wollen bei Sieglinde, Victoria und den anderen bleiben und nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren.“
„Ach so.“
Hasard zeigte den Anflug eines Lächelns, als er Dans betroffene Miene wahrnahm, wurde aber sofort wieder ernst.
„Damit das ganz klar ist“, sagte er. „Wir überlassen unsere Kammern im Achterdeck den Damen, Gentlemen. Wir schlagen unsere Lager hier oben auf, verstanden? Auf diese Weise passieren keine Mißverständnisse. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?“
„Aye, Sir“, sagten sie.
Ben Brighton fragte: „Und unsere Gäste dürfen die Hütte nicht verlassen?“
„Diese Order habe ich bereits erteilt“, antwortete der Seewolf. „Bei Zuwiderhandlungen muß ich das Schott leider zuriegeln, das habe ich auch schon angekündigt.“
Die Männer nickten schweigend.
Keine Kontakte zwischen den Frauen und den Achterdecksleuten, aber auch keine Verbindungen der „Ladys“ zur Crew – so wollte der Seewolf es, so lautete das Bordgesetz. Zuviel Freizügigkeit untergrub die Disziplin.
Aber die Anwesenheit der – ausnahmslos schönen – Frauen konnte auch eine Zündschnur zum Schwelen bringen, darüber war Hasard sich völlig im klaren. Er mußte nur aufpassen, daß diese Lunte nicht bis zum Pulverfaß hin abbrannte.
Mit Vollzeug rauschte die „Isabella“ durch die Nacht, ihre Segel blähten sich vor dem jetzt etwas kühleren, kräftiger blasenden Südwind.