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Joao Nazario, der portugiesische Freibeuter, hockte hoch oben in der Astgabel einer mächtigen Zypresse und ließ sein linkes Bein baumeln. Hin und wieder nahm er den Kieker zur Hand und schaute lange und prüfend hindurch.

Der Aussichtspunkt erinnerte an den Großmars einer Galeone. Punta Gorda und ein großer Teil der Nordostküste von Hispaniola konnte von hier aus überblickt werden, ja, im Osten reichte die Sicht sogar fast bis zum Cabo Engano, das an der Mona-Passage lag. Nichts konnte der Aufmerksamkeit eines guten Ausgucks entgehen – und das war Joao Nazario.

In den Elendsvierteln von Lissabon war er geboren und aufgewachsen. Als Kind riß er von zu Hause aus und heuerte auf einem Seelenverkäufer an. Er hatte Stürme, Messerkämpfe, Meutereien und Seegefechte erlebt, war als Schiffbrüchiger an fremde Strände getrieben und von Wilden gefangengenommen worden. Es war fast ein Wunder, daß er noch am Leben war.

Zäh war er, dieser Joao Nazario. Fast sechs Fuß groß und hager, höllisch gewandt im Messerkampf und ungemein schnell, vermochte er fast jedem Gegner zu trotzen. Mit seinen langen dunklen Haaren, die ihm in Strähnen bis auf die Schultern hingen, und der großen, gekrümmten Nase, die sein Gesicht prägte, wirkte er wie das Urbild eines Piraten.

Irgendwann, irgendwo hatte er Gilbert Sarraux kennengelernt, und sie hatten sich zusammengetan. Auf verschlungenen und abenteuerlichen Wegen waren sie in die Karibik gelangt und auf Hispaniola „hängengeblieben“. Sie hielten zusammen wie Pech und Schwefel. Nichts schien sie trennen zu können.

Sarraux stand am Fuß der Zypresse, mit der Hand gegen den Stamm gelehnt. Er stammte aus Frankreich, und doch war er kein typischer Franzose, sondern ein Bretone, und das wollte etwas heißen, nämlich: Er war klein und untersetzt, breitschultrig und rothaarig. Ein alter Gallier – daß seine Vorfahren Kelten gewesen waren, ließ sich nicht leugnen.

Ein breites Gesicht voller Sommersprossen hatte Gilbert Sarraux, mittendrin funkelten listige graublaue Augen. Küstenhai, Beutelschneider, Galgenstrick und Schnapphahn, all das war er in einer Person, und Nazario hätte keinen verläßlicheren Kumpan zur Seite haben können, denn der Einfallsreichtum des Bretonen war unerschöpflich.

Sie unterhielten sich in einem französisch-portugiesischen Kauderwelsch, denn Sarraux beherrschte außer Französisch und seiner keltischen Heimatsprache nur noch ein bißchen Spanisch und ein paar portugiesische Brocken, die er von Nazario aufgeschnappt hatte. Dieser wiederum konnte kein Wort Französisch. Also waren sie auf ein wüstes Sprachengemisch angewiesen.

Wieder spähte Nazario durch den Kieker, und dieses Mal straffte sich seine Gestalt. „Donnerwetter“, sagte er. „Da rauscht ein stolzer Schwan heran. Wie ein Spuk ist er an der nordwestlichen Kimm erschienen.“

Der Bretone hob den Kopf. „Und? Der Kahn hat Kurs auf uns anliegen?“

„Sieht so aus. Folglich gibt es zwei Möglichkeiten.“

„Wie immer im Leben“, sagte Sarraux und grinste. „Entweder etwas Gutes oder etwas Schlechtes. Wie sieht er denn aus, der Kahn?“

Der Portugiese gab sich Mühe, Einzelheiten des fremden Schiffes zu erkennen. Er kniff das rechte Auge zusammen. „Ein Dreimaster, ziemlich groß. Zweidecker obendrein, gut bestückt. Die Segel sind dunkel geloht. Nur irgendwie zerrupft sieht er aus.“

Der Bretone spitzte den Mund und spuckte geräuschvoll aus. „Zwei Gründe gibt es für das Zerrupft-Sein – Sturm oder ein Gefecht.“

„Sturm haben wir nicht gehabt, die letzten Tage und Nächte waren verhältnismäßig ruhig“, sagte der Portugiese von seinem luftigen Sitz. „Also hat der Bruder einen Kampf hinter sich, und das nicht zu knapp.“

„Er ist also keine Bedrohung für uns?“

„Kaum. Eher braucht er Hilfe.“

„Wie groß ist die Besatzung?“

„Ein paar Kerle auf dem Hauptdeck, zwei auf der Back, drei oder vier auf dem Achterdeck“, erwiderte Nazario. „Kein allzu großer Haufen.“

„Der Kapitän braucht Männer, Proviant, Trinkwasser und Munition für seine Kanonen“, sagte Sarraux. „Hoffentlich bildet er sich nicht ein, er könne uns darum prellen.“ Er steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen grellen Pfiff aus. Gleichzeitig gab Nazario zum Inneren der Insel hin eine Reihe von Handzeichen, die nur verstehen konnte, wer in Punta Gorda seßhaft war.

Knapp hundert Yards entfernt erhob sich ein dürrer Mann mit verschrumpeltem, verkniffenen Gesicht von seinem Lager, das aus getrocknetem Schilfgras und ein paar Lumpen bestand. Er blickte aus schmalen Augen zu Sarraux, brummelte etwas Unverständliches und leitete die Meldung ziemlich unwillig weiter.

Dodger hieß dieser Kerl – jedenfalls wurde er von allen nur so genannt, der Schwindler also, weil er die haarsträubendsten Lügengeschichten aufzutischen pflegte, wenn er ein paar Mucks üblen Zuckerrohrschnapses gekippt hatte. Keiner kannte Dodgers richtigen Namen, keiner wußte, wie alt er war, es ließ sich auch schlecht schätzen. Wo er geboren war, war auch nicht bekannt. Dodger selbst hatte erhebliche Gedächtnislücken und schien sich im übrigen nur höchst ungern an seine Vergangenheit zu erinnern.

Er hauste in einer Hütte auf einer wackligen Plattform, die er selbst in mühsamer Arbeit in der Krone eines gigantischen Eukalyptus’ errichtet hatte. Das „Baumhaus“ befand sich in schwindelnder Höhe, und nur einmal in der Woche stieg Dodger hinunter, um die wichtigsten Besorgungen zu erledigen oder in „El Escarabajo“, der Hafenspelunke von Punta Gorda, tüchtig einen zu heben und seine wilden Geschichten zum besten zu geben.

Dodger hatte eine Anzahl von Signalflaggen zur Verfügung, von denen er jetzt eine hißte. Der Eukalyptus stand am Saum des Urwalds, aber wegen seiner immensen Höhe war das Signal bis weit in den Busch zu erkennen. Hier lebte auf einer Lichtung, die eine Art Rondell auf einer sanften Anhöhe bildete, der Zwerg Amintore mit seinen beiden Frauen.

Amintore, nur knapp über vier Fuß groß, war italienischer Abstammung. Seit zehn Jahren lebte er auf Hispaniola – mit Rosa, seiner Frau, einer dicken, müden Matrone, die an nichts Interesse zu haben schien als am Essen, und mit Annamaria.

Annamaria war eine Mulattin, schön wie ein Paradiesvogel, und mindestens zwanzig Jahre jünger als Amintore, der seinerseits behauptete, zwölf Jahre jünger zu sein als Rosa, deren genaues Alter kaum zu erraten war. Amintore versicherte, daß Annamaria seine Tochter wäre, aber niemand nahm ihm das ernsthaft ab.

Der Spott, mit dem man ihn verfolgte, hatte ihn dazu veranlaßt, vom Hafen in den Dschungel zu ziehen. Hier sammelte er Wurzeln und seltene Früchte, die er in Punta Gorda verkaufte. Er konnte feilschen wie ein Levantiner und ließ sich von keinem übers Ohr hauen.

Ganz leise hatte Amintore Sarraux’ Pfiff vernommen und trat vor seine Hütte. Er sah die Flagge munter im Nordostwind flattern und wußte Bescheid.

„Annamaria“, sagte er. „Lauf zum Hafen. Sag den Männern Bescheid, daß sich ein Dreimaster aus Nordwesten nähert. Er segelt schon dicht unter Land. Beeil dich.“

Annamaria verließ die Hütte und eilte leichtfüßig wie eine Gazelle davon. Amintore sah ihr etwas verärgert nach. Wieder trug sie nur einen Fetzen am Leib, obwohl er sie schon oft ermahnt hatte, sich besser zu kleiden. Sie gab dann aber immer ziemlich patzig zurück, daß sie nichts anzuziehen habe. Amintore wußte dagegen nichts einzuwenden, er war machtlos. Annamarias Auftauchen im Hafen würde wie üblich einiges Aufsehen erregen. Aber sie wußte sich gegen die schmierigen, grinsenden, verwahrlosten Kerle zur Wehr zu setzen.

Rechtzeitig, bevor das fremde Schiff das Kap rundete, das Punta Gordas Bucht nach Westen hin vorgelagert war, würde man im Hafen also unterrichtet sein und Vorkehrungen treffen. Die Einmaster wurden bemannt, die Geschütze an Land besetzt, und in den Häusern verschanzte sich jeder, der eine Muskete hatte, um etwaigen Angreifern einen heißen Empfang zu bereiten. Schon mancher Angriff auf Punta Gorda war auf diese Weise zurückgeschlagen worden. Wilde Kämpfer waren die Kerle, die hier lebten, sie ließen sich so leicht nichts wegnehmen.

Das Warnsystem hatte sich als gut und brauchbar herausgestellt, es war sozusagen eine Sicherheitsgarantie für das Leben der Bewohner. Aus diesem Grunde wurde es auch nicht vernachlässigt, es hockte immer jemand hoch oben auf der Zypresse am Meeresufer und hielt Ausschau – und Dodger und Amintore verließen ihre Plätze nur in Ausnahmefällen.

Sonst aber gab es nichts richtig Organisiertes in Punta Gorda. Es herrschte ein buntes, quirliges Treiben ohne jegliche „ordnende Hand“, es gab keine Obrigkeit und auch keine sonstige Autorität. Jeder war sein eigener Herr, das Leben verlief in den paradiesischen Bahnen vollendeter Freiheit.

Neben Freibeutern, Hafenmädchen und Galgenstricken aller Art trafen sich in Punta Gorda auch Männer, die wie Sarraux, Nazario, Amintore oder Doger auf Hispaniola seßhaft werden wollten. Siedler – manche nannten sie auch die Bukanier. Sie besorgten sich das, was sie zum Leben brauchten, durch Jagd, Ackerbau, Fischfang und Küstenpiraterie.

Rosa, die Dicke, tat nichts von alledem. Sie ließ sich von Amintore und Annamaria umsorgen und verhätscheln. Eben leckte sie sich die Finger ab, die sie in den Feigenmarmeladentopf gesteckt hatte, schmatzte genüßlich und sagte: „Es gibt also Verdruß? Sollen die Kerle sich die Köpfe abhacken lassen, soll ganz Punta Gorda verrecken. Ich rühre mich von hier nicht weg.“

„Das habe ich mir fast gedacht“, sagte Amintore höhnisch.

Joao Nazario war unterdessen zur vereinbarten Zeit von einem anderen Freibeuter abgelöst worden, der seinen Platz in der Astgabel der Zypresse einnahm. Der Posten sah eben noch, wie der Zweidecker in einer Nebenbucht vor Anker ging, dann verlor er ihn aus den Augen.

„Keine Sorge“, zischte Nazario ihm zu, während er nach unten kletterte. „Gilbert und ich behalten den Kahn im Auge und bespitzeln die Mannschaft. Sollten die Hunde an Land gehen, geben wir ein Zeichen.“

Er landete mit einem Satz auf dem Boden und eilte mit Sarraux davon. Daß der düstere Zweidecker in einer westlichen Nebenbucht vor Anker ging und Punta Gorda nicht direkt anlief, konnte ein gutes Zeichen sein: Der Kapitän wollte keine Konfrontation mit den Bewohnern des Hafens. Er fühlte sich nicht stark genug für einen Kampf. Vielleicht wollte er nur die Gefechtsschäden ausbessern lassen.

Nazario und der Bretone eilten durch das Dickicht zu der Bucht, die sie selbst bestens kannten. Sie schlichen sich an, ohne von der Mannschaft des fremden Schiffes entdeckt zu werden. Im Unterholz kauerten sie sich hin, teilten die Zweige und Blätter vorsichtig mit den Händen und hatten den Blick frei auf das unheimlich wirkende Schiff, das einem unheilverkündenden Schicksalsboten gleich in die Bucht gesegelt war.

Nazario zog den Kieker wieder auseinander und spähte hindurch.

„Der Teufel soll mich holen“, raunte er seinem Kumpan zu. „Die ganze Crew besteht aus Dunkelhäutigen – und auf dem Achterdeck steht eine Negerin mit nackter Brust. Wie die sich benimmt, scheint sie der Kapitän zu sein.“

„Das gibt’s nicht“, flüsterte der Bretone, dann verlangte er das Spektiv. Er sah selbst hindurch und konnte das, was der Portugiese erspäht hatte, nur bestätigen.

Eine Galeone mit einer Crew von Schwarzen, Kreolen, Mulatten und Mestizen, aus deren Schar ein dunkler Riese mit krausem Vollbart herausragte – und eine Frau als Anführerin. Tatsächlich war sie nur mit einem Lendenschurz bekleidet und lenkte die Blicke der Beobachter wie in einem magischen Bann auf sich.

Wer war diese Frau? Was wollte sie? Und wer hatte ihr Schiff derart zugerichtet?

Caligula überwachte das Ankerwerfen und das Auftuchen der Segel, dann gab er den Befehl, das Beiboot der „Caribian Queen“ abzufieren. Er drehte sich auf dem Hauptdeck zu der Black Queen um und schaute zu ihr auf. Sie stand an der Querbalustrade des Achterdecks und hatte beide Hände aufgestützt.

„Wir haben Glück“, sagte Caligula, „und scheinen nicht bemerkt worden zu sein. Dabei ist Punta Gorda nur ein paar Meilen entfernt.“

„Ja, Glück haben wir wirklich“, sagte sie mit zynischer, verächtlicher Miene. „Besonders in der letzten Zeit. Aber paß auf, es könnten Beobachter im Busch stecken, die uns nicht aus den Augen lassen. Die Leute von Punta Gorda sind keine einfältigen Narren. Wir dürfen sie auf keinen Fall unterschätzen.“

„Natürlich nicht. Aber unsere Absichten sind friedlich.“

„Wir brauchen Proviant, Trinkwasser und Munition“, sagte sie. „Und wir werden dafür bezahlen.“ Sie sprach laut genug – für den Fall, daß sie jemand belauschte.

Nach der Niederlage im Gefecht gegen den Seewolf und dessen Verbündete hatte es auf der Hand gelegen, nach Hispaniola zu segeln. In erster Linie hatte die Queen die Absicht, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und den Feind zu legen. Sie hatte mit einer Verfolgung gerechnet und sich darauf vorbereitet, Hispaniola ganz zu umrunden. Doch kein Fühlungshalter hatte sich ihr an die Fersen geheftet. Den Grund dafür konnte sie vorläufig nur erahnen – vielleicht ging es dem Seewolf zunächst darum, jetzt seine Position auf Tortuga zu festigen.

So bot es sich an, in Punta Gorda Station einzulegen, die „Caribian Queen“ instand zu setzen und die Vorräte in den Lagerräumen zu erneuern. Die Verwundeten konnten sorgfältig verarztet werden, und vielleicht gelang es der Queen und Caligula, im Hafen ein paar neue Männer für ihr Schiff anzuwerben. Die Galeone war zwar nicht unterbemannt, aber die Verluste machten sich doch bemerkbar.

Das Boot lag zum Ablegen bereit an der Bordwand. Die Black Queen suchte vier Männer als Begleiter aus und ließ sie abentern. Dann stieg auch sie in die Jolle, begleitet von Caligula. Einer der Kerle drückte mit dem Peekhaken gegen die Bordwand des Schiffes, und die Jolle dümpelte ein Stück davon. Dann griffen die Männer zu den Riemen und begannen zu pullen.

Schweigend verlief die kurze Überfahrt zum Ufer der Bucht, Stille herrschte auch an Bord der „Caribian Queen“. Über was sollte auch groß gesprochen werden? Geflucht hatten sie alle ausgiebig. Wenn sich alles bewahrheitete, würden die Seewölfe und ihre Verbündeten bald in den tiefsten Schlünden der Hölle schmoren. Die Schlacht von Tortuga bedurfte keines Kommentars – es gab an der Niederlage nichts zu beschönigen und nichts hinzuzufügen.

Das Boot schob sich auf den weißen Ufersand, die Frau und die fünf Männer stiegen aus. Die Kerle sicherten das Boot, und einer blieb als Wachtposten zurück. Mit Caligula und den drei anderen Piraten schritt die Black Queen auf das Dickicht zu und verschwand darin.

Kaum einer der Männer an Bord der „Caribian Queen“ schickte den fünfen auch nur einen Blick nach. Von der Bewunderung, die diese skrupellosen und gnadenlos harten Kerle für die Queen empfunden hatten, war kaum noch etwas übrig. Sie hatte ihre Machtposition auf Tortuga und in der ganzen Karibik stärken und die Vorherrschaft an sich reißen wollen, aber erreicht hatte sie das Gegenteil.

Deprimiert war sie, aber sie zeigte es vor den anderen nicht. Dennoch wußte zumindest Caligula genau, wie ihr zumute war. Die Niederlage, die sie vor Tortuga erlitten hatte, war schlimm – schlimmer als alles, was sie bisher erlebt hatte.

Ihre stolze Flotte, der Grundstock für einen künftigen Großverband möglicherweise, war zerschlagen. Die „Aguila“, die „Vascongadas“ und die „Buena Estrella“ existierten nicht mehr, ein Schiff war in die Luft geflogen, die beiden anderen hatte der Gegner versenkt. So war der Queen nur noch die „Caribian Queen“ geblieben, auf deren Decks jetzt die zerschundenen, verletzten Kerle hockten und ihre Blessuren leckten.

Das Allerschlimmste aber war, daß die Gefolgsleute, die die Queen schon sicher auf ihrer Seite gewähnt hatte, ins gegnerische Lager übergelaufen waren. Anders ausgedrückt: Die Siedler von El Triunfo hatten keine Lust, für die Queen ihren Kopf hinzuhalten und sich für ihre hochgesteckten Ziele verheizen zu lassen – wenn sie auch vorher von ihr begeistert gewesen waren. Der reine Selbsterhaltungstrieb überwog, und Willem Tomdijk, der holländische Bürgermeister von El Triunfo, hatte wieder nahezu alle seine Männer hinter sich. El Triunfo war niedergebrannt, doch auf Tortuga, so schien es, hatten die Siedler vorläufig einen Platz gefunden, an dem sie sicher waren.

Die Black Queen trachtete danach, all dies aus ihrem Gedächtnis zu verbannen. Aber sie konnte sich jetzt, als sie sich mit ihren Männern einen Weg durch das Dickicht des Dschungels bahnte, der unangenehmen Erinnerungen nicht erwehren. Zu frisch waren sie und zu groß die erlittene Schmach.

Die Black Queen fühlte sich klein und häßlich, und doch hegte sie bereits die Zuversicht, daß das Schlimmste vorbei war. Sie hatte den Tiefpunkt erreicht, aber es würde wieder aufwärtsgehen.

In ihre Gedanken verstrickt, schritt sie voran und legte sich Pläne zurecht, wie sie ihre Mannschaft stärken und einen neuen Schlag gegen den Seewolf durchführen konnte. Sie bemerkte nicht die beiden Augenpaare, die sie aus dem Busch beobachteten, und auch Caligula und den anderen entging es, daß sie von Nazario und Sarraux belauert wurden.

Der Portugiese und der Bretone fanden Gelegenheit, ihren Kumpan im Wipfel der Zypresse durch Zeichen zu verständigen. Keine Gefahr schien von diesen fünf Fremden zu drohen. Die Nachricht wurde über Dodger und Amintore weitergeleitet – und in Punta Gorda atmeten die Kerle, die ihre Verteidigungspositionen längst bezogen hatten, auf. Mit einiger Gelassenheit blickte man dem Erscheinen der Queen und ihrer kleinen Schar entgegen.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 364

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