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2.

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Sabreras stolperte den Hang hinunter, glitt aus, wälzte sich im Morast und blieb in einem Gesträuch hängen. Seine Hände waren um die wenigen Habseligkeiten verkrampft, die er bei der Flucht aus dem Lager der Mine hatte mitnehmen können: einen Jutesack mit der Smaragdkrone und anderem Schmuck darin, eine Ledermappe mit wichtigen Schriftstücken und eine reich verzierte Radschloßpistole.

Sein Gesicht war verzerrt. Er fluchte, und beinahe verlor er die Ledermappe, aber er mußte sie festhalten, koste es, was es wolle, denn in den sorgfältig beschrifteten Dokumenten war festgehalten, daß die Mine Seiner Allerkatholischsten Majestät, Philipp II. von Spanien, gehörte – und was sie bisher an Produktion abgeworfen hatte. Er mußte sie unbedingt dem Gouverneur von Panama überbringen. Niemals durften sie dem Feind in die Hände fallen.

Denn nur der König, kein Spion, hatte das Recht zu wissen, wie reich er war.

Und nur einer war im Bilde, wie das Verhältnis zwischen den offiziellen Zahlen und der wahren Produktion an Smaragden war: Sabreras. Er hatte es immer überzeugend darzulegen gewußt. Das war seine Lebensversicherung. Erfuhren seine Befehlshaber, daß er in die eigene Tasche gescheffelt hatte, dann war ihm das Todesurteil durch ein Kriegsgericht sicher.

Im Augenblick fühlte er sich dem Tod näher als dem Leben. Er war über und über beschmutzt und stank. Die Flucht durch den Dschungel hatte ihm alles abverlangt. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Oben in den Bergen war er zweimal fast abgestürzt. Einmal hatte ihn beinahe eine giftige Schlange gebissen.

Der Sargento hatte ihn vor diesem Ende bewahrt. Er hatte der Schlange mit einem Säbelhieb den Kopf vom Rumpf getrennt.

Sabreras hatte diesen Mann unterwegs eigentlich aus dem Weg räumen wollen. Er gehörte nämlich nicht zu den wenigen „Eingeweihten“, die von Sabreras’ Schatzversteck wußten und an der Ausbeute beteiligt waren.

Aber ohne den Sargento wäre er niemals bis hierher, ins Vorland der Cordilleras, gelangt. Er hätte sich bei ihm bedanken müssen.

Aber das lag ihm nicht. Er fluchte nur, spie Übelkeit und Widerwillen aus und richtete sich halbwegs an dem Gedanken auf, wie er dem Seewolf und seinen Gefährten noch zusetzen würde.

Er kroch aus dem Busch und hastete weiter.

„Comandante“, keuchte der Sargento hinter ihm. „Ich – ich glaube, die Richtung stimmt nicht. Wir müßten uns weiter nördlich halten.“

„Narr. Wie willst du das wissen?“

„Die Sterne …“

„Glaubst du Landratte, dich besser daran orientieren zu können als ein erfahrener Seemann?“ zischte Sabreras. „Schweig jetzt. Ich kann dein Gewäsch nicht mehr hören. Deinetwegen bin ich hingefallen.“

Der Sargento wollte aufbegehren, beschränkte sich aber lieber doch auf ein gemurmeltes „Si, Senor Comandante.“

Auf der Kuppe eines der letzten Hügel zwischen Bergland und Küste verhielt Sabreras unversehens seinen Schritt. Sein Begleiter prallte beinahe gegen ihn. Verstört blieb er dicht hinter ihm stehen. Sabreras würdigte ihn keines Blickes, er blickte nur starr voraus, nach Westen.

„Da ist eine Bucht“, raunte er. „Und es liegen Schiffe darin.“

„Heilige Mutter Gottes, wir haben es geschafft“, sagte der Sargento.

„Nein. Das ist nicht unsere Bucht.“

„Nicht – unsere …“

„Du elender Nichtsnutz“, fuhr der Kommandant ihn an. „Wenn du mich nicht irritiert hättest, wären wir nicht in die verkehrte Richtung gelaufen. Aber ich weiß jetzt, wo wir sind. Das da ist die Bucht, die zehn Meilen südlich unseres natürlichen Hafens liegt. Und die Schiffe gehören dem Seewolf. Hidduk hat ihn dorthin geführt, er wußte von der Bucht, dieser rote Bastard.“

„Senor“, sagte der Sargento. „Wir haben Waffen. Wir können die Kerle auf den Schiffen überfallen. Viele können es nicht sein. Der Großteil der Besatzungen befindet sich ja noch in der Mine, bei El Lobo del Mar.“

Sabreras musterte ihn von der Seite, als wäre er vom Aussatz befallen. „Por Dios. Wer hat dich bloß befördert? Es wäre unser Ende, wenn wir uns auch nur in die Nähe der Bucht begeben würden. Sie sind auf der Hut, diese Hunde, und sie würden uns aufgrund der Beschreibungen von Hidduk auch sicherlich identifizieren – zumindest mich.“

„Was tun wir dann?“

„Wir wenden uns nach Norden, gehen an Bord der ‚Esperanza‘ und laufen aus, um die Bastarde zu erledigen. Verdammt, die Boten, die ich von der Mine aus zum Verband geschickt habe, müssen längst dort eingetroffen sein. Warum suchen meine Männer die Schiffe des Seewolfs nicht?“

„Sicher tun sie es“, erwiderte der Sargento. „Aber die Bucht liegt versteckt. Wer nichts von ihrer Existenz weiß, segelt unweigerlich daran vorbei.“

Sabreras fluchte wieder leise vor sich hin, aber insgeheim gab er dem Sargento recht. Er, Sabreras, hatte seine Untergebenen nicht über die versteckte Bucht unterrichtet. Absichtlich nicht. Er hatte sich gesagt, eines Tages könne sie ihm irgendwie von Nutzen sein.

Daß aber genau das Gegenteil der Fall war, brachte ihn noch mehr zur Raserei.

„Gehen wir“, sagte er. „Ich will zu meinen Schiffen – und wenn ich das letzte Stück auf allen vieren kriechend zurücklegen muß.“

Aber er verfügte doch noch über größere Kraftreserven, als er selbst angenommen hatte. Aufrecht gehend, wenn auch leicht wankend, erreichte er nach Mitternacht den Hafen der Smaragdschiffe. Schon aus einiger Entfernung sah er ihr skeletthaftes Mastwerk in der Dunkelheit aufragen. In der geräumigen Bucht ankerten auch die Kriegssegler, die die Küste sicherten und den Frachtgaleonen auf dem Weg nach Panama und zurück Geleitschutz gaben.

„Sargento“, sagte Sabreras.

„Hier bin ich, Comandante.

„Lauf voraus und sorge dafür, daß die Posten an Land ein Boot für mich bereithalten.“

„Si, Senor.“

Der Sargento stolperte voran, seine Gestalt wurde von der Dunkelheit verschluckt. Insgeheim malte Sabreras sich schon aus, wie er von einem der Wachtposten erschossen wurde. Durch die Boten, die Sabreras geschickt hatte, waren sie ja von der Anwesenheit des Seewolfs unterrichtet worden. Und sie waren nervös genug, um einen auf sie zuhetzenden. Mann durch eine Kugel zu stoppen, bevor sie ihn zu identifizieren versuchten.

Es kam dann aber doch anders. Sabreras hörte den Sargento rufen. Irgend jemand antwortete ihm, und der Kommandant schloß aus den Wortfetzen, daß der Sargento erkannt worden war.

Fahr zur Hölle, dachte er.

Selbst konnte er den pflichtbewußten Mann nun nicht mehr töten. Es war zu spät dazu. Es gab zwei Möglichkeiten: entweder stellte der Sargento in der nahen Zukunft keine kompromittierenden Fragen, dann war alles in Ordnung. Oder er erinnerte sich der Bemerkungen, die der Seewolf, die Rote Korsarin und einige ihrer Männer in der Mine hatten fallenlassen. Bohrte er weiter, um die Wahrheit zu erfahren, würde Sabreras ihn zu bestechen versuchen.

Er schritt auf das Ufer der Bucht zu. Der Sargento hatte alles Notwendige veranlaßt. Ein Boot lag im Flachwasser bereit, Soldaten und Seeleute bildeten zwei Reihen und salutierten zur Begrüßung.

Sabreras verharrte und schaute zu den Schiffen.

Da lag die „Esperanza“, seine Galeone, ein ausgesprochen schönes, aufwendig gebautes und reich verziertes Schiff. In den Frachträumen lagerten die Truhen, die er am Vortag hatte hinschaffen lassen. Sie waren bis zum Rand mit Smaragden und Smaragdschmuck gefüllt.

Weiter ankerten da eine unbeladene Transportgaleone, zwei Kriegskaravellen – und was war das?

Ja, ganz am nördlichen Ufer der Bucht schwojte ein Etwas an der Ankerkette, das man als Schiff kaum noch bezeichnen konnte. Die drei Masten waren zu Stummeln reduziert, das Schanzkleid und die Aufbauten arg ramponiert – ein Bild des Jammers.

„Was ist das? Was hat das zu bedeuten?“ stieß Sabreras hervor.

„Senor“, erwiderte einer der Seeleute. „Ich bin einer der Überlebenden des Gefechts, das wir östlich der Isla de Malpelo mit zwei Schiffen gehabt haben. Ich gehöre zur Besatzung der Galeone ‚Santa Margarita‘, die Sie dort liegen sehen.“

„Das ist die ‚Santa Margarita‘?“ sagte Sabreras entsetzt.

„Das war sie“, erwiderte der Seemann erbittert. „Es geschah in der vergangenen Nacht. Wir patrouillierten vor der Küste und trafen mit diesen verdammten beiden fremden Schiffen zusammen. Dann …“

„Genug“, schnitt der Kommandant ihm das Wort ab. „Den Rest höre ich mir auf meinem Schiff an. Signalisiert sofort allen Schiffsführern. Ich halte eine Lagebesprechung auf der ‚Esperanza‘ ab.“

Das Boot brachte ihn zu der Galeone hinüber. Während die Männer auf den Duchten schweigend pullten, hockte Sabreras tief in seine Gedanken verstrickt da. Einiges konnte er sich bereits zusammenreimen.

Ein Seegefecht. Zwei fremde Schiffe, die einen gut armierten spanischen Verband aufgerieben hatten. Das konnten nur der Seewolf und Siri-Tong gewesen sein.

Das werdet ihr mir büßen, dachte Sabreras.

Er ging an Bord seines Flaggschiffes. Wenig später setzte auch der Sargento mit einem anderen Boot über, aber zu diesem Zeitpunkt befand sich Sabreras bereits in seiner Kammer im Achterkastell und hieb mit der Faust aufs Pult. Er hatte sich gesäubert, die Kleidung gewechselt und fühlte sich bereits wieder bedeutend wohler in seiner Haut, wenn der Haß ihn auch aufzuzehren drohte.

„De Vargas und Mangusto“, sagte er mit bebender Stimme. „Ich verlange augenblicklich eine Erklärung für das, was hier vorgeht.“

Aurelio de Vargas war der Kommandant der „Santa Margarita“, diese wiederum fungierte als Flaggschiff des Geleitschutzes. Er sprach ruhig, war ein hochgewachsener, besonnener Mann um die Mitte der Vierzig, aber die Spuren des Erlebten zeichneten als Kerben und Schatten sein Gesicht.

Er schilderte die Schlacht bei der Isla de Malpelo. Er konnte sogar die Personenbeschreibungen der feindlichen Schiffskommandanten geben.

„Also doch! Der Seewolf und die Rote Korsarin“, sagte Sabreras, als der Mann geendet hatte. „Das habe ich mir gedacht. Wo sind die Überlebenden der Karavelle, die von diesem schwarzen Viermaster versenkt worden ist, de Vargas?“

„Sie haben sich mit Beibooten absetzen können und sind gestern abend zu uns gestoßen.“

„Und die Galeone, das dritte Schiff des geschlagenen Verbandes?“

„Ist nicht wieder zurückgekehrt.“

„Ich entnehme Ihrem Bericht, daß der Kapitän sich feige aus dem Kampf zurückgezogen hat“, sagte Sabreras. Seine Augen waren schmal und blickten unsagbar kalt. „Das ist Fahnenflucht. Ich verurteile diesen Mann und seine Besatzung mit sofortiger Wirkung zum Tode und werde meinen Schuldspruch vom Gouverneur in Panama bestätigen lassen. Wer immer diese elenden Lumpen entdeckt, kann sie als Vogelfreie töten.“ Er wandte sich seinem Ersten Offizier zu, der bisher schweigend dagesessen hatte. „Mangusto – ich vermisse drei weitere Schiffe unseres Gesamtverbandes hier in der Bucht.“

Lopez Mangusto erhob sich. Er war mittelgroß, stämmig gebaut, muskulös und fast von athletischer Statur. Ein dichter schwarzer Vollbart rahmte sein Gesicht. „Senor Comandante, es handelt sich um die Galeone und die beiden Karavellen, die ich ausgesandt habe, als die Boten aus der Mine eingetroffen sind und mir Meldung erstattet haben. Sie suchen die Schiffe des Seewolfs. Kurz nach ihrem Auslaufen kehrte die Galeone zurück, die ich auf Patrouillenfahrt nach Süden geschickt hatte. Sie brachte die ‚Santa Margarita‘ im Schlepp mit. Die Schiffe des Seewolfs haben wir bisher noch nicht entdeckt. Comandante – wollen Sie uns nicht endlich sagen, was in der Mine vorgefallen ist?“

Sabreras setzte es ihnen auseinander. Ihre Augen weiteten sich, und besonders de Vargas und Mangusto kriegten immer längere Gesichter. Sie gehörten zu den Eingeweihten, die an dem großen Schatz auf San Cristóbal beteiligt waren. Als sie vernahmen, daß der Seewolf mit den Serranos paktiert hatte, wußten sie natürlich Bescheid.

„Der Seewolf wird so viele Smaragde wie möglich auf seine Schiffe schaffen“, sagte Sabreras zum Schluß. „Aber wir werden sie ihm wieder abjagen und ihn und seine Bande von Galgenstricken töten. Wir haben genügend Schiffe, um es schaffen zu können – und ich weiß, wo die Galeone ‚Isabella‘ und dieser verfluchte schwarze Viermaster ankern.“

Sie starrten ihn entgeistert an. Sabreras kostete ihre Verblüffung voll aus, er war wieder völlig Herr der Lage und sonnte sich in seiner Führerposition.

Eigentlich hatte er im ersten Schreck wirklich nach Panama flüchten wollen. Aber er hatte eingesehen, daß es töricht war. Es war besser, dem Seewolf eine Falle zu stellen und sich die gesamte Beute zurückzuholen. Dabei würde es ihm schon gelingen, den Anteil von den Galapagos wieder heimlich beiseite zu räumen und zu verstecken.

Und wenn er den Seewolf, Siri-Tong und deren Crews zu den Fischenschickte, gab es niemanden mehr, der ihn eventuell beim Gouverneur von Panama anschwärzen konnte – außer dem Sargento vielleicht.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 101

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