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2.

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Gerard Colyer, der Befehlshaber des Verbandes von französischen Kriegsgaleonen, verfolgte die Entwicklung, die die Dinge nahmen, mit wachsender Unruhe und Besorgnis. Er hatte alles ganz anders geplant und sich ein leichtes Spiel in dem Kampf gegen die Engländer erhofft, doch jetzt mußte er einsehen, daß er sich verkalkuliert hatte.

Der Wind hatte gedreht und wehte jetzt aus Ostnordost. Der Verband geriet in die Leeposition. Die „Hornet“ und das schwarze Schiff gewannen eine günstigere Lage, weil sie unter Land lagen und den Wind voll von Luv nahmen.

Zornig stieß Colyer seine Befehle aus und brachte sein Flaggschiff an den Wind, damit er der „Hornet“ eine neue Breitseite verabreichen konnte. Voll Entsetzen sah er zu dem brennenden Schiff. Daß der Gegner auch nur einen Treffer landete und sogar mit Brandpfeilen um sich schoß, damit hatte er nicht gerechnet.

Der Verband kam aus Le Havre und hatte in Brest gelegen, als die berittenen Boten von Concarneau eingetroffen waren und um Hilfe gebeten hatten. Sofort hatte Colyer erkannt, daß er auf der richtigen Spur war, denn die Beschreibungen, die die Boten von den Schiffen der „englischen Freibeuter und Bastarde“ gegeben hatten, die allem Anschein nach in Concarneau eingelaufen und das Feuer eröffnet hatten, stimmten zumindest teilweise mit den Meldungen überein, die er in Le Havre erhalten hatte.

Colyer hatte von den Bourbonen den offiziellen Auftrag erhalten, nach diesen Engländern zu fahnden, die schon seit einigen Tagen die Küste der Bretagne verunsicherten. Jetzt hatte er sie gefunden. Zwar gab es da einige Widersprüche – die von dem Stadtkommandanten René Douglas aus Concarneau geschickten Boten beispielsweise hatten von drei, nicht von zwei Schiffen gesprochen. Hier nun hatte er es mit nur zwei Seglern zu tun, von denen der eine keine Galeone, sondern ein höchst merkwürdiger Viermaster unbekannter Bauart war. Nie zuvor hatte Colyer ein solches Fahrzeug auf dem Meer gesehen. Die düstere Farbe des Schiffes schien nichts als Unheil zu verkünden, und auch das Gebrüll, das von den Decks herüberschallte, klang geradezu schaurig.

Die „Hornet“ – so hieß die Galeone, die laut Angaben von Douglas von vierzig Soldaten unter der Leitung eines Lieutenants befehligt wurde – befand sich wieder in der Hand des Feindes. Man hatte die Soldaten von Bord gejagt. Kaum hatte der Zehnerverband den Pointe de Penmarch erreicht, da hatte der Lieutenant vom Ufer aus auch schon Signale gegeben, aus denen Colyer alles für ihn Wichtige hatte entnehmen können.

Der englische „Oberschnapphahn“ hatte auf der „Hornet“ wieder das Kommando. Colyer wußte nicht, wie er hieß, doch es war ihm bekannt, daß dieser Mann schwarzhaarig, blauäugig und hochgewachsen war.

Auf diesen Mann hatte Colyer es abgesehen, er hatte ihn sofort von dem Achterdeck der „Hornet“ wegschießen wollen. Doch so ganz hatte es mit der Blitzaktion nicht geklappt. Obwohl die Galeone des Engländers arg in Bedrängnis geraten war, hatten sich die Kerle sozusagen mit Krallen und Zähnen gewehrt. Sie schlugen um sich, daß Gerard Colyer nicht anders konnte, als über so viel Verwegenheit zu staunen.

Um keinen Preis jedoch wollte Colyer den Gegner aus der Umklammerung entlassen, in der er ihn gefangen hatte. Der Feind mußte vernichtet werden. England hatte nicht das Recht, Frankreich so hinterhältig zu überfallen, wie es in Concarneau der Fall gewesen war.

Der französische Kommandant wußte nicht, wie sehr er sich irrte und wie groß auch das Mißverständnis war, dem Douglas erlegen war – daß es nicht die Engländer gewesen waren, die in der Bretagne Unfrieden und Terror gestiftet hatten, sondern der Freibeuter Yves Grammont mit seiner Bande.

Grammont war tot. Auch Easton Terry, der ehemalige Verbündete des Seewolfs, war gefallen und hatte somit für seinen Verrat bezahlt, den er an seinen Landsleuten begangen hatte, als er zu Grammont übergelaufen war.

Der eigentliche Verantwortliche für alles, der Spion und Scharfmacher, war auf der „Hornet“ gefangen. Er hieß Lucio do Velho und war ein alter Feind der Seewölfe, der immer wieder versucht hatte, sie zu besiegen. Wieder war es ihm mißlungen, auch sein Schicksal war nun besiegelt. Er war ein für allemal gescheitert und würde nie wieder ein Kommandounternehmen für die spanische Krone durchführen.

Das alles sollte Gerard Colyer erst sehr viel später erfahren. Überhaupt hatte er zu irgendwelchen Überlegungen, ganz gleich, welcher Art, vorerst keine Gelegenheit, denn jetzt rauschte das schwarze Schiff heran.

Kaum lag es auf gleicher Höhe mit der in Brand geschossenen Galeone, entließen seine Kanonenrohre eine volle Breitseite, die das Hauptdeck des französischen Dreimasters wie mit einem Höllenbesen leerkehrte. Colyer stöhnte auf und verfolgte fassungslos, was weiter geschah. Er wollte dem Kapitän der Galeone zubrüllen, wie er sich zu verhalten hatte, doch jede Hilfe erfolgte zu spät.

Gellendes Geschrei klang von der Galeone herüber. Die Mannschaft hatte genug mit sich selbst zu tun und konnte das Feuer des Schwarzen Seglers nicht erwidern. Die Toten und Verletzten mußten geborgen, die Flammen bekämpft werden, alles das erforderte den vollen Einsatz der Überlebenden.

Und die Flammen griffen weiter um sich. Sie hatten das Großsegel, die Fock und das Kreuzsegel der Galeone erreicht, sprangen auf dem Weg über die Wanten bis zu den Rüsten hinunter, leckten an den Schanzkleidern hoch und belegten alles mit einem lodernden Teppich.

Der schwarze Viermaster war an seinem Gegner vorbei, jagte den beiden Galeonen, die ihn verfolgten, ein paar Schüsse vor den Bug und nahm direkten Kurs auf das Flaggschiff.

Colyer begann zu toben und gab drei von seinen Begleitschiffen das Zeichen, diesem „verrücktgewordenen Hund“ einzuheizen. Sofort drehten die Segler und steuerten auf den Viermaster zu, während das Flaggschiff und die drei restlichen Galeonen erneut die „Hornet“ mit ihren Kugeln eindeckten.

Plötzlich aber befanden sich auch auf der „Hornet“ zwei Kerle oben in den Wanten und kletterten über die Umrandung des Großmarses. Colyer konnte genau beobachten, wie sie mit Pfeilen und Bogen hantierten. Er stand auf einem Platz des Achterdecks, den die Rauchschwaden noch nicht vollends eingehüllt hatten.

Colyer sprang selbst an eine der Drehbassen seines Schiffes, bewegte das Rohr in der Gabellafette und versuchte, auf einen dieser Kerle, einen graubärtigen Riesen, zu zielen. Der andere war ein Schwarzer, er schien direkt dem Dschungel Afrikas entsprungen zu sein. Beide waren die reinsten Teufel in Menschengestalt, wie Colyer gleich feststellen sollte.

Er feuerte die Drehbasse ab, doch die Kugel ging um ein paar Handspannen am Großmars der „Hornet“ vorbei und riß lediglich ein Loch in das Großmarssegel. Dann verlor sie sich irgendwo in der Luft, Colyer vermochte ihren weiteren Flug nicht zu verfolgen.

Big Old Shanes Lachen, das den ersten Brandpfeil begleitete, tönte zum Flaggschiff der Franzosen hinüber. Der Pfeil bohrte sich zischend in das Großsegel. Colyer fluchte, als er die Flamme sah, die sich wie eine Schlange an dem Tuch hochwand. Er eilte zur nächsten Drehbasse und brachte sie ebenfalls in Anschlag auf den graubärtigen Riesen, doch der kümmerte sich nicht darum.

Die Kanonen der Franzosen brüllten, die Kugeln rasten auf die „Hornet“ und das schwarze Schiff zu, doch beide Besatzungen warfen sich mit Todesverachtung in das Gefecht.

Shane und Batuti sandten jetzt Pfeil um Pfeil in die Takelage des Flaggschiffs. Hasard hatte das Hauptdeck verlassen und stand auf dem Quarterdeck bei Ferris Tucker, der die Höllenflaschen ausgepackt hatte und bereithielt.

Der Schwarze Segler war heran und griff das Flaggschiff an. Thorfin Njal schrie und fluchte wie Odin höchstpersönlich. Die Geschütze krachten, beide Batterien schleuderten ihre Ladungen über die See hinaus. Colyer sah noch, wie einer seiner Galeonen, die dem unheimlichen Schiff Paroli zu bieten versuchte, das halbe Vorschiff weggerissen wurde. Dann erreichten die Kugeln auch das Flaggschiff. Sie bohrten sich in die Bordwand, fetzten Teile des Schanzkleides an der Backbordseite weg und versetzten dem Besanmast ein paar üble Schläge, die ihn zum Erbeben brachten.

„Feuer!“ schrie Colyer, aber seine Männer standen längst an den frisch nachgeladenen Culverinen und senkten die Luntenstöcke auf das Zündkraut. Es krachte und donnerte, heulte und dröhnte, und wieder war der Teufel los.

Die Segel des Flaggschiffes brannten lichterloh, dann flog die erste Flaschenbombe von der „Hornet“ zu den Franzosen herüber. Als sie explodierte, erkannte Gerard Colyer zu seinem hellen Entsetzen, daß jetzt er um sein Leben kämpfen mußte.

„Arwenack!“ schrien die Seewölfe und heizten sich mit ihrem alten Kampfruf gegenseitig an. Mit fliegenden Fingern luden sie die Kanonen nach und feuerten auf den Gegner, der sie mit vier Schiffen umzingelte. Old O’Flynn bediente die achteren Drehbassen, Al Conroy hatte die vorderen drei Hinterlader übernommen. Big Old Shane und Batuti veranstalteten hoch über den Köpfen der Crew vom Großmars aus ein Wettschießen auf die Segel der Gegner.

Hasard stand nach wie vor auf dem Quarterdeck, nahm Ferris Tucker die Flaschenbomben ab und schleuderte sie zum Flaggschiff des Verbandes hinüber. Immer, wenn drüben eine Wurfgranate explodierte und heillose Verwirrung stiftete, hatte der rothaarige Riese bereits die Lunte einer weiteren entfacht und reichte sie mit wildem Grinsen an den Seewolf weiter.

„Arwenack!“ wehte der Ruf auch vom Schwarzen Segler herüber. Thorfin Njal setzte ebenfalls dem Flaggschiff zu und hielt den Seewölfen außerdem diejenigen Schiffe vom Leib, die von der Nordseite her aufsegelten und einen Keil zwischen die „Hornet“ und „Eiliger Drache“ zu treiben versuchten.

Beide Schiffe hatten sich in feuerspuckende Ungetüme verwandelt, es wurden sämtliche Register gezogen, die sowohl Hasard als auch dem Wikinger in einem Gefecht wie diesem zur Verfügung standen. Sie waren alte Kampfgefährten und ergänzten sich großartig – und mit all dem hatten die Franzosen bei der Eröffnung ihrer Offensive nicht im entferntesten gerechnet.

Die Fetzen flogen, die Franzosen waren verwirrt. Auf mehreren Schiffen herrschte jetzt bereits Wuhling, überall mußten die Feuer in der Takelung gelöscht werden. Gleichzeitig wurden die abgefeuerten Kanonen gereinigt und nachgeladen und dann wieder gezündet, doch es fehlte dem Beschuß der Franzosen etwas von der Heftigkeit, die zu Beginn den Angriff bestimmt hatte.

Erschüttert verfolgte Colyer das Aufschlagen und Detonieren der Flaschenbomben auf den Decks seines Schiffes, fassungslos sah er seine Männer zusammensinken und sterben, sah ihre Gestalten durch die Luft wirbeln. Für einen Moment schloß er die Augen. Warum hatte ihn niemand vor der Tollkühnheit und besessenen Kampfeswut dieses Gegners gewarnt?

Er selbst hätte gewarnt sein müssen – nach allem, was er über die Vorfälle in Concarneau vernommen hatte. Auch hatten die Boten anklingen lassen, daß vor der Insel Mordelles ein Gefecht stattgefunden hatte, aus dem die Engländer als Sieger hervorgegangen waren. Daß es Grammont gewesen war, gegen den diese Himmelhunde dort gekämpft hatten, sollte Colyer auch erst später in Erfahrung bringen.

Doch das Gehörte hätte ihm ein Omen sein sollen, er hätte nicht zu unbekümmert in die Schlacht gehen dürfen. Jetzt begriff er, daß auch zehn Schiffe im Einsatz gegen zwei Teufelssegler wie diese noch zu wenig sein konnten. Aber jetzt war es zu spät, um noch etwas an der einmal angefangenen Taktik zu ändern.

Zu allem Unheil schien das schwarze Schiff auch unter den dicksten Treffern nicht den geringsten Schaden zu erleiden. Colyer war dies ein Rätsel, er begann zu glauben, daß die wilden Kerle dieses Seglers tatsächlich mit den Mächten der Finsternis im Bunde standen.

Er konnte ja nicht ahnen, daß „Eiliger Drache über den Wassern“ aus jenem rätselhaften, fremdartigen Eisenholz erbaut war, das ihn über so manches Gefecht und viele Stürme hinweggerettet hatte. Nur selten war dieses Schiff wirklich hart angeschlagen worden, nur Explosionen vermochten ihm etwas anzuhaben.

Mit wachsender Panik sah Gerard Colyer, wie das schwarze Schiff näher an das Flaggschiff heranrückte. Pulverrauch fing seine Gestalt ein, die Sicht wurde ihm genommen. Er mußte husten, bückte sich instinktiv und ging vor den nächsten Schüssen seines Gegners in Deckung. Dann trieb er seine Männer durch heisere Rufe dazu an, die nächste Breitseite abzufeuern.

Plötzlich klafften die Rauchschwaden etwas auseinander. Colyer richtete sich halb auf, spähte über das Backbordschanzkleid und sah das schwarze Schiff neben der „Hornet“ liegen. Dann entdeckte er wieder die große, breitschultrige Gestalt des schwarzhaarigen Mannes auf dem Quarterdeck der „Hornet“, und für wenige Atemzüge war es ihm, als fixiere ihn der Kerl und blicke ihm furchtlos in die Augen.

„Verrecke!“ zischte Colyer.

Er griff sich eine der Musketen, die neben ihm auf den Planken lag. Daß sie geladen war, wußte er. Vorsichtig schob er den Lauf über das Schanzkleid und zielte auf den schwarzhaarigen Mann. Er zerdrückte einen Fluch auf den Lippen und spannte den Waffenhahn.

In diesem Augenblick jedoch flog wieder eine der verdammten Flaschen von der „Hornet“ herüber, und dieses Mal landete sie polternd auf dem Achterdeck des Flaggschiffs. Colyer hörte sie hinter sich über die Planken rollen und verlor die Nerven. Er drückte noch ab, doch er zielte nicht gut genug, die Musketenkugel flog über Hasards und Ferris Tuckers Köpfe weg.

Die Flasche zersprang mit einem einzigen Donnerschlag, Hämmer von enormer Größe schienen auf die Galeone der Franzosen einzuhauen. Ein greller Lichtblitz stand für kurze Zeit über dem Deck. Colyer fühlte sich von einer unsichtbaren Kraft hochgehoben und entführt. Er prallte mit voller Wucht gegen die Heckreling und wurde bewußtlos.

Die Explosion riß dem Flaggschiff eine Nagelbank auseinander und fegte den Rudergänger vom Kolderstock weg, als sei er eine Marionette. Ein Loch klaffte plötzlich in den Planken des Achterdecks. Ein einziger Schrei hallte über das Schiff – und auf der „Hornet“ brüllten die Männer wieder: „Arwenack!“

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 298

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