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2.

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Hasard setzte das Spektiv ab. „Drei Inseln“, sagte er. Er stand am Backbordschanzkleid des Achterdecks, neben Ben, Ferris, Shane und Old O’Flynn. „Ich glaube, die größte davon erwähnte Jean Ribault einmal, als wir über diesen Küstenstrich sprachen. Er nannte sie Ile du Diable oder so ähnlich.“

Ben horchte auf. „Teufelsinsel? Warum?“

„Keine Ahnung. Ich erinnere mich nicht.“

„Wir könnten sie anlaufen“, schlug Big Old Shane vor. „Vielleicht finden wir eine Bucht, in die wir unsere ‚Isabella‘ verholen können. Ich meine, wir könnten dort vielleicht in aller Ruhe auf den schwarzen Segler warten.“

Hasard schüttelte den Kopf. „Nein. Nichts für ungut, Shane, aber ich will kein Risiko eingehen. Die Spanier haben immer noch eine Stinkwut auf uns. Denk mal an den Konvoi, den wir an der Nordküste von Kuba ausgenommen haben, denk an die anderen zuletzt erlebten Abenteuer mit den Dons – das alles haben sie lange noch nicht verdaut. Und sie suchen uns. Vielleicht haben wir sie schon wieder am Hals. Ich will jetzt so wenig Zusammenstöße wie möglich mit ihnen haben. Ich will nach Kap Hoorn.“

Ben sagte: „Und du meinst, auf der Insel würden sie uns aufstöbern?“

„Ich bin überzeugt davon.“

„Das heißt, es gibt spanische Siedlungen auf den Inseln?“ fragte der alte Donegal Daniel O’Flynn.

Hasard lachte. „Da bin ich überfragt. Ich habe nur so ein dumpfes Gefühl, daß hier früher oder später Philipps auftauchen könnten. Das ist alles. Ich halte es für besser, wenn wir weitersegeln.“

Carberry, von alledem wenig berührt, marschierte schon wieder über die Kuhl, und zwar auf das Vordeck zu. Das Kombüsenschott stand offen.

„Kutscher!“ brüllte er. „Wird’s bald mit dem Frühstück? Zum Henker, ich habe einen Kohldampf, der schon auf keine Kuhhaut mehr geht!“

Der Kutscher mühte sich mit dem Entfachen der Holzkohlefeuer ab.

Aber aus dem Frühstück wurde nichts mehr.

Und in den nächsten Minuten nahm die Situation eine so dramatische Wende, daß der Kutscher sich überhaupt hütete, jedwede Art von Feuer zum Glimmen zu bringen.

„Deck!“ schrie Dan O’Flynn wieder aus dem Hauptmars. „Steuerbord voraus Mastspitzen!“

Hasard fuhr herum, lief zum gegenüberliegenden Schanzkleid der Steuerbordseite und hob wieder das Spektiv ans Auge. Wie gebannt hielt er in der von Dan angegebenen Richtung Ausschau, vermochte aber nichts zu entdecken.

Er verließ das Achterdeck, hastete auf die Kuhl, begab sich mit einem federnden Satz auf das Steuerbordschanzkleid und enterte behende in den Leehauptwanten auf.

Er kletterte über die Segeltuchverkleidung des Großmarses hinweg und kauerte sich neben O’Flynn. Arwenack, der Schimpanse, hockte ebenfalls hier oben in dem luftigen, schwankenden Posten. Er quittierte Hasards Erscheinen mit einem freudigen Laut.

Hasard tätschelte ihm den Kopf, dann richtete er seinen Kieker erneut nach Süden und forschte nach den Mastspitzen.

Diesmal sichtete er sie, hauchfein nur über der schwachen Linie, an der der Himmel mit der See zusammenzustoßen schien. Schemenhaft, kaum wahrnehmbar zeichneten sich die Toppen und die Stengen mit ihren Flögeln ab.

„Hut ab vor deinen scharfen Augen“, sagte Hasard.

„Glaubst du etwa, ich lasse nach?“ erwiderte Dan.

„Nein. Aber ich glaube was anderes.“ Hasards Miene wurde grimmig. „Wer immer die fremden Schiffe auch sind, freundlich gesonnen sind sie uns bestimmt nicht. Sie scheinen ihren Kurs zu wechseln.“

Dan blickte nun auch wieder durch sein Fernrohr. „Stimmt. Erst hatten sie Kurs nach Norden, jetzt drehen sie auf Nordosten ab. Was hältst du davon?“

„So wenig wie du. Sie haben uns ebenfalls entdeckt.“

„Und jetzt reagieren sie.“

„Aber sie kneifen nicht vor uns aus“, sagte Hasard.

„Sondern?“

„Sie verlegen uns den Weg.“

„Der Teufel soll sie holen“, stieß Dan aus.

Hasard wartete noch ein paar Minuten, bis sich die fremden Segler deutlicher vor ihm im Morgenlicht abhoben, dann konnte er jeden Zweifel über ihre Identität ausräumen.

„Spanier“, murmelte er nach einem erneuten Blick durch das Spektiv. „Die Hoheitszeichen flattern in den Toppen. Ich will keine Schwarzmalerei betreiben, Dan, aber ich glaube nicht, daß das harmlose Kauffahrer oder Silbergaleonen Seiner durchlauchten Majestät, Philipps II., sind.“

„Also Kriegsschiffe?“

„Ich denke schon.“

„Verdammt und zugenäht“, sagte Dan.

Hasard kehrte wieder auf die Kuhl zurück, klomm zum Quarterdeck hoch und rief seinen Männern zu: „Alle Mann auf Gefechtsstation. Klar Schiff zum Gefecht, und zwar im Eiltempo!“

„Aye, aye“, dröhnte Carberrys Stentorstimme. „Klar zum Gefecht. Lauft, ihr Himmelhunde, wetzt, hopp-hopp, an die Geschütze, im Galopp, sonst ziehe ich euch die Haut in Streifen von euren Affenärschen!“

Sofort setzte hektische Betriebsamkeit ein. Das Trappeln nackter Fußsohlen auf Oberdeck, das Knarren der Stückpforten und das Rumpeln der Kanonen auf ihren Hartholzrädern waren die Geräuschkulisse, die das konzentrierte Schuften der Crew begleitete.

Längst hatte der Kutscher die Kombüse wieder verlassen. Die Kessel blieben kalt, die Morgenmahlzeit fand nicht statt. Der Kutscher streute Sand auf Deck aus, damit die Männer an den Geschützen bei einem eventuellen Gefecht einen festeren Stand hatten. Er ließ hölzerne Kübel und Segeltuchpützen außenbord ab und holte Seewasser herauf, das er zum Befeuchten der Wischer bereitstellte.

Hasard beobachtete die Vorbereitungen auf der Kuhl. Während nur ein winziger Teil der Mannschaft zum Ausführen der Segelmanöver an den Brassen und Schoten verblieben war, hockte das Gros bei den Culverinen.

Sechzehn 17-Pfünder waren das, acht auf jeder Seite. Sie verfügten über außerordentlich lange Rohre, ein Umstand, der der „Isabella“ in fast allen Gefechten einen Vorteil sicherte.

Die Culverinen waren in Ladestellung gebracht worden, Zugtaljen hielten sie bis zum Abschluß dieses Vorganges noch in der vorgeschriebenen Position. Weitere Taljen würden sie später in Feuerstellung bringen, und jede Kanone wurde durch ein Brooktau in ihrem Rückstoß aufgefangen, wenn es hart auf hart ging.

Matt, Gary, Smoky, Blacky und all die anderen füllten mit den Kellen Pulver in die Bodenstücke der Geschütze. Danach preßten sie mit den Ansetzern Kabelgarn auf die Pulverladungen. Schließlich führten sie die Rundkugeln ein, die durch weitere Wergknäuel in ihrer Lage gehalten wurden. Zuletzt wurden die Zündlöcher mit Pulver gefüllt.

Ein ganzes Arsenal verschiedenartiger Geschosse lag bereit: Kettenkugeln, Kastenkugeln, Stabkugeln und Kartätschenkugeln in Leinwandbeuteln. Letztere waren eine von Al Conroys neuesten Spezialfertigungen.

Al, Hasards Waffenexperte, hatte auf der Back die beiden Drehbassen geladen. Bei ihnen ging diese Prozedur anders vonstatten, sie waren Hinterlader.

Old O’Flynn hatte die beiden Bassen des Achterkastells entsprechend vorbereitet. Knapp mehr als eine Minute war verstrichen, und die „Isabella“ rauschte als Festung zur See gegen den Feind an.

„Schiff klar zum Gefecht!“ meldete Carberry.

Hasard winkte ihm zu, dann schaute er wieder durch sein Spektiv. Die Distanz zwischen beiden Gegnern war geschrumpft. Er konnte nun die Stärke des spanischen Verbandes abwägen. Es waren fünf Schiffe, drei Galeonen und zwei Karavellen.

„Ausnahmslos gut armiert“, sagte er besorgt. „Schwere Brocken. Die sind nicht leicht zu knacken, das schwöre ich euch.“

„Kneifen können wir aber auch nicht“, entgegnete Big Old Shane.

Hasard warf ihm einen Seitenblick zu. „Wer sagt denn, daß wir kneifen wollen, Shane?“

„Du willst doch Auseinandersetzungen meiden, oder?“

„Das darf aber nicht in Feigheit vor dem Feind ausarten, mein Bester.“

„Also, was ist nun?“ fragte der graubärtige Riese verwirrt. „Segeln wir ihnen vor der Nase weg oder hauen wir ihnen die Jacke voll, diesen geschniegelten Lackaffen?“

Längst hatte Hasard Vollzeug setzen lassen. Mit steiler Bugwelle schob sich die „Isabella“ dahin, hart am aus Nordosten einfallenden Wind. Der Seewolf hatte noch die Luvposition, aber damit war ihm nicht geholfen. Zwar waren die Spanier gezwungen zu kreuzen, doch sie brachten es trotzdem fertig, ihnen den Weg abzuschneiden.

„Verfluchter Mist“, sagte Ben Brighton. „An Backbord haben wir die Inseln liegen.“

Hasard sah ihn plötzlich an. „Und, Ben?“

„Ich schätze, wir können nicht einfach zwischen den Inseln hindurchsteuern, weil wir Untiefen fürchten müssen.“

„Wir versuchen es“, erwiderte der Seewolf. „Freunde, diese Übermacht an Spaniern erscheint mir zu groß, außerdem gibt es bei denen nichts zu holen außer Waffen und Munition. Damit sind wir bereits ausreichend versorgt. Wenn es irgend geht, will ich verhindern, daß unsere ‚Isabella‘ in Stücke geht.“

Shane lag eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, aber er sprach sie nicht aus. Natürlich hatte Hasard recht. Fürs Kneifen war er ganz und gar nicht, das wußten sie zur Genüge. Nur hielt er es für taktisch richtiger, sich mit dem Kriegsschiffverband nicht anzulegen.

„Anluven“, befahl Hasard. „Pete, fünf Strich Backbord!“

„Fünf Strich Backbord, Sir“, erwiderte Pete Ballie, der Rudergänger.

„Wir gehen auf Ostkurs und segeln zwischen den Inseln hindurch!“ rief Hasard.

„Ostkurs!“ brüllte Carberry. „Braßt an, ihr Halunken, oder muß ich euch das erst wieder vorexerzieren? Oh, ihr abgeschlafften Mastaffen, habt ihr heute Feiertag?“

Schneller hätte er der Crew die Manöver auch nicht vorführen können, aber er betrachtete es eben als eine Art Existenzberechtigung, in seiner Funktion als Profos den Männern überflüssige Anweisungen auf seine ureigene Art zuzuschreien.

Die „Isabella VIII.“ schwenkte mit ihrem Bug nach Osten und ging hart an den Wind. Die Segel waren so weit angebraßt wie irgend möglich, und jede Sekunde drohte das Schiff in den Wind zu laufen. Hasard preßte die Lippen zusammen. Er korrigierte nicht, hielt den neuen Kurs strikt ein und knüppelte seinen Dreimaster mit eiserner Hand.

Die größte der Inseln war diejenige, die am dichtesten zum Festland hin versetzt aus der See aufragte.

Hasard steuerte auf sie zu. Er blickte wieder durch das Spektiv und registrierte erst jetzt, daß auf dem Eiland Bauten existierten. Bisher hatten sich die Gebäude für ihn und seine Crew im toten Blickfeld befunden. Jetzt schob sich ihr Schiff auf das südliche Inselufer zu, und allmählich rückten die Zeugen menschlichen Wirkens in den Sichtbereich.

„Befestigungsanlagen!“ rief Dan O’Flynn. „Da öffnet sich eine Bucht an der Ostseite der Insel – mit einem richtigen Hafen! Die bauen da ein Fort oder was Ähnliches!“

„Die?“ wiederholte Ben Brighton. „Wen meint er damit?“

„Dreimal darfst du raten“, sagte Hasard bissig.

„Ile du Diable“, sagte Ferris Tukker. „Auf Spanisch Isla del Diablo. Mann, mich soll wirklich der Teufel holen, wenn da nicht was oberfaul ist.“

Er hatte noch nicht ganz ausgesprochen, da stieß Dan einen gellenden Schrei aus. Hasard fuhr zusammen wie unter einem Peitschenhieb. Er blickte nach oben und sah, wie Dan die rechte Hand nach vorn stieß und mit dem Zeigefinger auf etwas wies. Hasard senkte wieder den Blick und spähte in die Richtung zur Insel.

Sie war ungefähr so groß wie Little Cayman, jedoch nicht langgestreckt wie jene, sondern rund wie ein gigantischer, leicht deformierter Kuchen. Hasard brauchte nicht herumrätseln, auf was Dan hinweisen wollte. Er sah jetzt auch, was sich da aus der Bucht mit den Befestigungsanlagen hervorschob.

Schiffe.

Wieder ein ganzer Verband!

„Vier Galeonen“, sagte Hasard. „Kriegsschiffe. Spanier. O Hölle und Teufel, was haben wir uns da bloß eingebrockt!“

„Laß uns erst mal heran sein!“ rief der alte O’Flynn. „Dann braten wir ihnen eins über, daß ihnen Hören und Sehen vergeht.“

Hasard spielte mit diesem Gedanken. Aber dann sah er drüben die Stückpforten der spanischen Schiffe hochgehen und zählte fünfzehn bis zwanzig auf jeder Galeone. Das hieß: Jeder dieser Segler brachte mindestens dreißig Geschütze gegen sie auf, im günstigsten Fall waren es insgesamt hundertzwanzig Kanonen auf dieser Gegnerseite.

Und die fünf Schiffe an Steuerbord? Die verfügten über mindestens ebenso viele Kanonen.

„Durch den Wind mit dem Kahn!“ schrie er. „Wir gehen über Stag und auf Gegenkurs!“

Carberrys Gebrüll purrte die Crew erneut an die Schoten und Brassen. Pete Ballie legte das Steuerruder scharf herum, und prompt reagierte die „Isabella“. Sie luvte dicht vor der Südküste der Insel an, riskierte, mit irgendwelchen Riffs oder anderen Untiefen zu kollidieren, ging durch den Wind, fiel ab, segelte nun über Backbordbug und hatte den Wind schließlich raumschots. Sie nahm neue Fahrt auf, schoß wie ein erbostes Füllen nach Westen – und doch brachte es nicht den gewünschten Erfolg.

Die fünf Gegner, die aus Richtung Festland aufgekreuzt waren, hatten sich auseinandergefächert und rückten Hasard nun als breite Phalanx auf den Leib. Zwei Galeonen bewegten sich nach Nordwesten und schnitten ihm auch von dieser Seite den Weg ab.

„Es hat keinen Zweck“, stieß Hasard wütend aus. „Wir müssen uns stellen. Sie haben uns umzingelt. Das Kesseltreiben beginnt.“

„Aber noch haben sie uns nicht am Achtersteven zu packen!“ rief Old O’Flynn zurück. „Hey, wo bleibt denn dein alter Kampfgeist, Seewolf? Bist du nicht in Ordnung? Mann, was ist denn in dich gefahren?“

Hasard sah zu ihm, ihre Blicke verfingen sich ineinander. Plötzlich grinste Hasard. In diesem Augenblick haftete ihm tatsächlich etwas Wildes, Wölfisches an. „Ich brauche weder Schröpfköpfe noch Blutegel, um mich zu kurieren, falls du das meinst, du alter Oberhalunke. Mir fehlt nichts.“

„Mir auch nicht“, platzte Ben Brighton heraus. Er schwenkte sogar seinen verwundeten Arm. „Heda, auf was warten wir eigentlich noch?“

„Auf gar nichts“, erwiderte Hasard. „Es geht los.“

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 80

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