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Benommen richtete sich der Seewolf von den Decksplanken der „Santa Ana“ auf. Im Donnern der Geschütze und Schreien der Männer war ihm ein Stück Holz gegen den Kopf gewirbelt. Der Schlag hatte ihm fast die Besinnung geraubt.

„Allmächtiger“, sagte er im ersten Schreck. „Das darf doch nicht wahr sein.“

Sie hatten die „Santa Ana“, die sagenhafte Manila-Galeone, gekapert und ihren Geleitschutz vernichtet – und jetzt dies!

Im Steuerbordschanzkleid der „Santa Ana“ klafften drei splittrige Lücken. Die Fünfundzwanziger-Kugeln des schwarzen Schiffes hatten sie hineingetrieben, die Geschosse des eigenen Verbündeten! Eine vierte Kugel war flach über die Kuhl gerast und hätte Batuti, Dan O’Flynn, Sam Roskill und einige andere von der „Isabella“-Crew dahingerafft, wenn Thorfin Njal nicht so geistesgegenwärtig gehandelt hätte.

Kaum aus dem Vordeck zurückgekehrt, wo die gefangenen Spanier eingesperrt worden waren, hatte er das Unheil nahen sehen. Mit dem schwarzen Schiff stimmte etwas nicht, und der Wikinger hatte Alarm geschlagen. Dann, beim Loskrachen der Geschütze, hatte er nur noch die Arme ausbreiten und Dan und die anderen mit sich niederreißen können.

Das hatte ihnen das Leben gerettet.

Hasard, der gerade aus den Frachträumen der Galeone heraufgestiegen war, hatte Siri-Tong mit seinem Körper geschützt. Sie löste sich jetzt von ihm, unverletzt, und erhob sich.

Überall auf Deck rappelten sich die Gestalten von Männern auf. Sie schrien und fluchten durcheinander.

„An die Geschützte!“ rief der Seewolf. „Ed, Ben – Feuer frei auf den schwarzen Segler!“

„Aye, Sir!“ brüllte Carberry zurück. „Vorwärts, geben wir es diesen Halunken!“

Gegen wen sich ihr Widerstand richtete, war immer noch ungelöst. Durch den blakenden Pulverrauch, der sich nur träge verzog, konnten sie das schwarze Schiff sehen, wie es von der Bordwand der Manila-Galeone und von der an Backbord vertäut liegenden „Isabella“ fortdümpelte, ein majestätisch erhabener Schatten im verblassenden Tageslicht.

Ben Brighton hetzte an Hasard vorbei nach Backbord, sprang wie von tausend Teufeln gejagt auf die Kuhl der „Isabella“ hinüber und mobilisierte Jeff Bowie und Bob Grey, die drüben als Deckswachen eingeteilt waren.

„Auf die Back!“ rief Ben. „Los, schnell – an die Drehbassen!“

Der Seewolf war auf den Beinen und taumelte neben Siri-Tong her. Es war grotesk, reiner Aberwitz – und doch bittere Wahrheit: Jemand hatte drüben auf „Eiliger Drache über den Wassern“ die Leinen gelöst, als die beiden versammelten Crews voll mit der Festnahme der besiegten Spanier und mit der Inspektion der Laderäume auf der „Santa Ana“ beschäftigt gewesen waren.

Jetzt nahm das Drama seinen Lauf und war nicht mehr aufzuhalten.

„Stör!“ rief Siri-Tong. „Missjöh Buveur – Allmächtiger, wie konnte das nur passieren?“ Sie stieß den Namen der beiden Wachtposten drüben auf dem schwarzen Schiff noch einmal aus, obwohl der Wikinger und der Franzose sie schon nicht mehr hören konnten.

Wieder krachten auf dem schwarzen Viermaster Geschütze. Hasard und Siri-Tong ließen sich fallen. Dicht neben ihnen warfen sich auch die anderen hin. Sie fluchten, hörten die Kugeln heranorgeln und schützten die Köpfe mit den Händen.

Vier Eisenkugeln waren es. Sie heulten schräg über das Oberdeck der Manila-Galeone, weil sie zu hoch angesetzt waren. Nur ganz knapp verfehlten sie jedoch das Heck der „Isabella“.

„O, ihr Kanaillen!“ tobte Hasards Profos. „Ihr Ratten, ihr stinkenden Rübenschweine, ihr Teufel! Wenn ich euch zu fassen kriege! Ich brech’ euch die Knochen, ich schwör’s euch, ihr Bastarde!“

Das ganze Gefluche nutzte aber nichts. Sie mußten das Feuer des Viermasters so schnell wie möglich erwidern, aber das stieß auf Schwierigkeiten. Die „Isabella“ mußte erst von der „Santa Ana“ abgelöst werden und ein Stück voraussegeln, um eine Breitseite abgeben zu können. Vorläufig ließen sich von dort aus nur die beiden Bassen auf dem Vordeck einsetzen.

Und auf der Manila-Galeone funktionierte irgend etwas nicht. Al Conroy, Matt Davies und andere Männer aus beiden Crews hantierten wüst schimpfend an den Kanonen.

Der Wind hatte auf Osten gedreht. Siri-Tongs Schiff luvte langsam nach Norden an und nahm mehr Fahrt auf. Die Rauchschwaden, die die neue Salve erzeugt hatte, flossen auseinander.

Ein paar Seewölfe und Siri-Tong-Piraten feuerten von der Back der „Santa Ana“ aus mit Musketen und Arkebusen hinter dem Flüchtling her, aber das hatte bereits keinen Zweck mehr. Der Abstand war für sicher gezielte Flintenschüsse bereits zu groß.

Alles hatte sich zu schnell, zu überstürzt abgespielt. Der Gegner hatte das Überraschungsmoment auf seiner Seite.

Siri-Tong war wieder aufgesprungen und stand am zerschmetterten Schanzkleid. In einer Mischung aus Entsetzen und ohnmächtiger Wut schaute sie ihrem Schiff nach.

Hasard stellte sich neben sie und zog rasch das Spektiv auseinander. Er hob es ans Auge, spähte mit verkniffener Miene durch die Optik und gewahrte die Gestalten, die drüben in aller Eile sämtliche schwarzen Segel setzten, die das Schiff zur Verfügung hatte.

Vorher hatte „Eiliger Drache“ nur das Großsegel und die Fock gesetzt gehabt. Jetzt rauschte er unter Vollzeug dahin.

„Männer mit Lendenschürzen“, sagte Hasard. „Polynesier.“

„Ich kann es nicht fassen“, erwiderte die Rote Korsarin. „So haben Zegu, der König von Hawaii, und Thomas Federmann uns also hereingelegt …“

„Warte – nein, das sind nicht Zegus Leute“, unterbrach Hasard.

„Sondern? Etwa …“

„Ja. Krieger von Oahu.“

Sie keuchte vor Fassungslosigkeit. „Dann ist ihnen also der Ausbruch gelungen. Mein Gott. Und de Galantes und seine spanischen Spießgesellen?“

„Sie sind mit von der Partie“, entgegnete der Seewolf erbittert. „Ich kann sie in den Wanten erkennen, wie sie abentern. Sie haben sich alle als Eingeborene kostümiert. Und de Galantes, das sehe ich gerade noch, steht auf dem Achterdeck.“

Auf der „Isabella“ blafften die vorderen Drehbassen auf. Weißer Qualm puffte hoch, die Kugeln rasten dem schwarzen Segler nach und ereilten ihn auch noch. Aber de Galantes und seine acht Halunken lagen längst hinter dem Schanzkleid in Deckung. Und Schaden richteten die kleinen Hinterladerkugeln nicht an, denn „Eiliger Drache“ war aus erlesenen Harthölzern gebaut.

Al Conroy fluchte laut und ungeniert herum, Carberry versuchte ihn durch sein Gebrüll zu übertrumpfen. Die 17-Pfünder der „Santa Ana“ waren kaum noch zu gebrauchen. Die spanischen Geschützführer hatten sie in ihrer Panik während des Gefechts zuletzt äußerst nachlässig versorgt – jetzt mußten sie von Hasards und Siri-Tongs Männern erst mit Kellen und Wischern von innen gesäubert werden. In dem allgemeinen Durcheinander fiel auch das Laden schwer, Pulver, Kabelgarn und Geschosse mußten erst mühsam zusammengesucht werden.

Das alles raubte ihnen kostbare Minuten – Zeit, in der das schwarze Schiff immer mehr an Distanz gewann.

„Da ist etwas“, sagte Siri-Tong mit gepreßter Stimme. „An Steuerbord des schwarzen Seglers. Zwei Auslegerboote. Sie dümpeln zur Seite weg.“

Hasard beobachtete wieder durch das Spektiv. In Gedanken überschlug er rasch, wie das alles gelaufen sein mochte: De Galantes und seine acht Kerle hatten sich aus der Hütte auf Hawaii befreit, die Wächter überwältigt, sich rasch verkleidet, waren zum Strand gelaufen und hatten die Boote flottgemacht.

Aber da schien noch mehr zu sein. Der Seewolf wurde den Verdacht nicht los, daß die Piraten noch eine andere Schandtat verübt hatten, etwas Ungeheuerliches.

„In den Booten liegen Gestalten“, sagte er. „Reglos. Ich glaube, sie sind beide schwer verletzt.“

„Der Stör und der Franzose“, hauchte Siri-Tong. „Sie haben sie brutal niedergemetzelt, diese elenden Hunde. O, de Galantes, das wirst du mir büßen! Männer, warum schießt ihr denn nicht endlich?“ Die letzten beiden Sätze schrie sie heraus.

Al Conroy und die anderen hatten es geschafft. Sie senkten die glimmenden Lunten auf die Bodenstücke der Kanonen. Die Glut fraß sich durch die Zündkanäle, und dann rollten die Geschütze unter Donnergrollen auf ihren Hartholzrädern zurück. Brooktaue bremsten den Rücklauf. Der Tod raste dem schwarzen Schiff sechsfach nach, aber nur noch zwei Kugeln erreichten das Heck und prallten dagegen, ohne etwas zu beschädigen. Der Rest klatschte ins Kielwasser.

„Ein Beiboot abfieren!“ rief der Seewolf. „Wir holen den Stör und Missjöh Buveur!“

„Und dann jagen wir dem Bastard de Galantes nach!“ rief Siri-Tong. Sie hielt die Hände in maßlosem Zorn geballt.

Sechs Seewölfe unter der Führung von Edwin Carberry nahmen die reglosen, schlaffen Gestalten des Störs und des Franzosen von den zwei Auslegerbooten in die Jolle der „Isabella“ über. Dann kehrten sie zu den Schiffen zurück.

Vorsichtig wurden die beiden armen Teufel auf die Kuhl der „Isabella“ gehievt.

Der Kutscher untersuchte sie eingehend. Seine Finger färbten sich rot vom Blut der beiden Männer.

„Messerstiche“, murmelte er. „Sie glaubten wohl, die Insulaner kämen, um uns zu beglückwünschen. Nur deshalb haben Sie sich überrumpeln lassen.“

„Kutscher“, sagte Siri-Tong. „Sind sie …“

„Tot? Nein, ihre Herzen schlagen noch.“

„Wie lange noch?“

Der Kutscher begann, die Blessuren des Wikingers und Missjöh Buveurs zu verbinden, und dabei stellte er fortlaufend weitere Untersuchungen an.

„Auf diese Frage kann ich nicht antworten“, sagte er sehr leise. „Noch nicht.“ Hasard war auf die Back seines Schiffes gestiegen und blickte zum wiederholten Mal dem schwarzen Schiff nach. Es nahm jetzt Kurs nach Nordwesten.

„Der Hundesohn haut ab!“ rief Dan O’Flynn aus dem Großmars.

„Wir segeln ihm nach“, sagte der Seewolf. „Smoky, Jeff Bowie und Sam Ros-kill, ihr bleibt als Notbesatzung auf der ‚Santa Ana‘ zurück.“ Er wandte sich um. „Siri-Tong, du teilst der Manila-Galeone am besten auch drei Leute zu.“

Sie antwortete nicht und schaute nur zu Thorfin Njal. Der Wikinger hatte seine Wahl rasch getroffen. „Eike, Arne, Oleg“, sagte er.

Die drei wären lieber bei ihrem sterbenswunden Landsmann geblieben, aber sie wußten auch, daß die Lage keine Widerworte zuließ. Sie folgten also Smoky, Jeff und Sam auf die „Nao de China“ zurück und begannen, die Festmacherleinen zu lösen.

Alle anderen Besatzungsmitglieder waren inzwischen bereits auf die „Isabella“ übergewechselt und nahmen ihre Plätze ein. Die große Galeone war im Gefecht ramponiert worden, aber auch in diesem Zustand war sie noch manövrierfähig, seetüchtig und durchaus imstande, eine neue Schlacht zu schlagen.

Den sechs auf der „Santa Ana“ rief Hasard zu: „Ihr gebt auf die Gefangenen acht, hütet unsere Beute und sammelt die überlebenden Dons ein, die noch in der See schwimmen oder sich mit Booten absetzen wollen.“

„Aye, aye, Sir!“ rief Smoky zurück.

„Die Polynesier sollen euch dabei unterstützen!“

„Da sind sie!“ schrie Dan.

Richtig, vom Westufer der Insel hatten sich mehrere schlanke Wasserfahrzeuge gelöst. Es waren die Auslegerboote der Eingeborenen. Sie glitten auf die Schiffe zu.

Noch einmal schaute Hasard mit dem Spektiv nach Nordwesten. Die Konturen des schwarzen Seglers schrumpften und drohten mit dem grauen Schleier der Abenddämmerung zu verwachsen.

Nordwesten – laut Thomas Federmann befanden sich dort die kleineren Inseln des Archipels. De Galantes würde wohl nicht so dumm sein, nach Oahu zu seinem alten Schlupfwinkel zu segeln, wo seine Feinde ihn mit Leichtigkeit aufstöbern konnten. Wahrscheinlich suchte er sich eins der entfernter liegenden kleinen Eilande aus, verholte sich dort in ein Versteck und hoffte darauf, daß der Gegner ihn aus den Augen verlor.

Du gemeiner Lump, dachte Hasard, und wenn ich dich Tage, Wochen hetzen muß, ich kriege dich zu fassen.

Abrupt wandte er sich wieder zur Kuhl um. Er trat an die Schmuckbalustrade, schaute in die besorgten Mienen seiner Männer und sah Siri-Tongs Gefährten ratlos und bedrückt dastehen.

Die Rote Korsarin selbst war in diesem Augenblick nur noch ein Schatten ihrer selbst. Der Stör und Missjöh Buveur – gewiß, sie waren nur ganz einfache Decksleute auf dem schwarzen Schiff, nicht mit Thorfin Njal, Juan oder dem Boston-Mann auf eine Stufe zu stellen. Sie waren kleine Lichter, wenn man so wollte.

Aber die Rangfolge hatte keine Bedeutung. Diese beiden waren Siri-Tong ans Herz gewachsen wie die meisten anderen aus der Crew, und sie bangte um ihr Leben.

Thorfin Njal kniete bei den Verletzten, gleich neben dem Kutscher. Er atmete auf, als der Kutscher mit seiner Arbeit fertig war und endlich wieder aufschaute.

„Nun rede doch schon“, drängte der Wikinger.

Der Kutscher sah in die Runde. „Soviel kann ich sagen: Sie haben gewaltiges Glück gehabt, alle beide. Jeder hat nur einen Messerstich empfangen, wären es mehr gewesen, hätten sie keine Überlebenschance gehabt. Lebenswichtige Organe sind nicht getroffen, soweit ich feststellen kann.“

„Dann ist ja alles in Butter“, sagte Cookie, der Koch der Siri-Tong-Mannschaft. „Tragen wir sie in ihre Hängematten. Genügend Schlaf und eine kräftige Verpflegung bringen sie in wenigen Tagen wieder auf die Beine.“

Die Rote Korsarin schüttelte den Kopf. „Ganz so rosig würde ich das nicht sehen. Wenn ich den Kutscher richtig verstanden habe, ist noch alles in der Schwebe. Der Stör und Missjöh Buveur sind noch nicht außer Lebensgefahr, nicht wahr, Kutscher?“

„Richtig, Madame.“

„Werden sie es schaffen?“

„Das steht noch in den Sternen. Ich will ganz ehrlich sein. Es hängt vor allen Dingen von ihrer körperlichen Verfassung ab, ob die Genesung in den nächsten Stunden voranschreitet oder nicht“, erwiderte der Kutscher.

Pedro Ortiz, der Portugiese, blickte auf den Franzosen, kratzte sich am Hinterkopf und sagte: „Mensch, Buveur, hättest du doch bloß nicht immer so viel gesoffen.“

„Schnaps ist die beste Medizin“, wandte Mike Kaibuk ein.

„Siri-Tong!“ rief der Seewolf. „Wir müssen dem schwarzen Schiff nach. Sofort – wenn wir es überhaupt noch stellen wollen. Wir haben schon zu viel Zeit verloren. Die beiden Schwerverletzten können wir auf der ‚Santa Ana‘ oder auf der Insel zurücklassen. Wir können sie aber auch mitnehmen. Die Entscheidung liegt bei dir, denn es sind ja deine Männer.“

Die Korsarin sah zum Kutscher. „Ich würde sie gern auf der ‚Isabella! behalten, während wir de Galantes und seine Schufte jagen. Ich finde, wir können die beiden hier an Bord besser überwachen und versorgen. Oder riskieren wir, daß sich ihr Zustand verschlimmert?“

Der Kutscher lächelte schwach. „Einem salzgewässerten Rauhbein setzen die Schiffsschwankungen wohl nicht zu, auch nicht, wenn er sterbenskrank ist. Und ich hoffe nicht, daß wir Sturm kriegen.“

Hasard war den Niedergang hinuntergestiegen und trat auf sie zu. „Gut, dann bringen wir sie am besten in eine Kammer des Achterkastells. Einverstanden?“

„Ja“, sagte Siri-Tong. Sie winkte Thorfin Njal und ein paar anderen zu. „Aber geht behutsam mit ihnen um.“

„Kutscher, du bleibst bei ihnen in der Kammer“, ordnete Hasard an. „Wenn du etwas benötigst oder mal kurz abgelöst werden willst, wendest du dich durch die Achterdeckswache an mich, verstanden?“

„Aye, Sir.“

Sie hoben den Stör und Missjöh Buveur auf und trugen sie weg. Hasard wollte jetzt endlich aufbrechen, aber es gibt wieder eine kurze Verzögerung, weil die Auslegerboote der Insulaner eingetroffen waren.

Sie gingen längsseits der „Santa Ana“, und kurze Zeit darauf waren Thomas Federmann und der Häuptling Zegu an der Spitze eines rund zwanzigköpfigen, aufgeregten Trupps Männer über die Jakobsleiter aufgeentert.

Sie liefen über die Kuhl der spanischen Galeone, und Thomas Federmann rief Hasard, Siri-Tong und den anderen auf der „Isabella“ auf englisch zu: „Ciro de Galantes und seine Piraten haben einen Wächter auf der Insel getötet und vier verletzt.“

„Der Teufel soll diese Hunde holen“, entgegnete der Seewolf. „Bleibt auf der Manila-Galeone, Thomas! Wir legen ab und segeln dem schwarzen Schiff nach. De Galantes hat es an sich gerissen.“

„Das haben wir von Land aus verfolgt. Ich meine, wir – wir haben es uns zumindest gedacht, daß es de Galantes war, der auf euch feuerte.“ Federmann verhaspelte sich beim Sprechen und gestikulierte, er war völlig aus der Fassung.

Zegu schüttelte die Faust. „Pele, die feuerspeiende Göttin, wird sich an den Unholden rächen!“ rief er auf spanisch.

„Noch etwas!“ schrie der Deutsche. „Die Piraten haben vier Mädchen aus dem Dorf entführt – Alewa, Waialae und zwei andere, die eine kranke alte Frau pflegten. Wir dürfen sie nicht gefährden!“

„Himmel“, sagte Hasard. „Ich habe es mir doch fast gedacht, daß de Galantes noch eine andere Teufelei ausgeheckt hat.“

„Das darf uns nicht hindern, ihm nachzujagen“, erklärte die Rote Korsarin hart.

„Nein, auf keinen Fall. Wir müssen einen Weg finden, das schwarze Schiff zurückzuerobern und auch die vier Mädchen zu befreien. Wir müssen.“ Hasards Miene war von steinerner Härte. „Thomas, Zegu!“ rief er. „Unterstützt unsere Leute auf der ‚Santa Ana‘. Und folgt uns, sobald ihr könnt. Unser Kurs ist Nordwesten. Wir tun alles, was in unseren Kräften steht – für die Mädchen!“

Smoky, Jeff, Sam und die drei Wikinger Eike, Arne und Oleg hatten die Festmacherleinen gelöst. Allmählich verlor die „Isabella VIII.“ die Berührung mit der Manila-Galeone.

„Großsegel und Fock!“ brüllte Carberry. „Und wenn wir aus der Abdeckung der verdammten Galeone heraus sind, setzen wir alles, was wir an Fetzen an Bord haben, verstanden, ihr gepökelten Heringe? Auch dein Hemd, Matt Davies!“

Matt grinste. Er hatte sich das Hemd ausgezogen, weil er einen Eisensplitter in den linken Arm erhalten hatte und der Kutscher ihn so besser hatte verarzten können. Außer Matt war im Gefecht mit den Spaniern des Manila-Verbandes nur Smoky verletzt worden; er hatte eine blutige Streifwunde auf der Schulter. Doch die war auch nicht weiter der Rede wert.

„Ich begleite euch!“ schrie Thomas Federmann noch von der „Santa Ana“ herüber.

Hasard schüttelte den Kopf. „Du wirst bei deinen Leuten gebraucht. Mach dir keine Sorgen, wir sehen uns bald wieder.“

Federmann, Zegu und alle anderen auf dem spanischen Schatzschiff winkten ihnen nach. Die „Isabella“ glitt aus dem Windschatten des „Nao de China“, luvte an und segelte schneller werdend mit Steuerbordhalsen und auf Backbordbug liegend aus der Gefechtszone.

Schwelende Wrackteile der drei Kriegsgaleonen trieben noch im Wasser und blieben als Zeugen des Kampfes hinter ihnen zurück. Zwei Beiboote mit überlebenden Gegnern steuerten auf die Insel zu, die die Polynesier Maui nannten. Sie lag nördlich von Hawaii. Smoky und seine Helfer würden aber keine Schwierigkeiten haben, diese Männer aufzufischen.

Hasards Blick zurück zur „Santa Ana“ und nach Hawaii hinüber war düster. „Verdammt“, sagte er. „Thomas Federmann ist ein Kämpfer für die Gewaltlosigkeit. Er predigt den Frieden in diesem Paradies und hat ihn erhalten.“

„Du vergißt, daß wir ihn und seine Freunde vor einem Angriff der Piraten bewahrt haben“, sagte Siri-Tong.

„Das ja, aber jetzt haben wir ihnen neuen Verdruß gebracht. Wir müssen das unbedingt wieder ausbügeln. Erst dann ist das Gleichgewicht in diesem Gebiet wiederhergestellt.“

Thorfin Njal, der sich inzwischen wieder zu ihnen gesellt hatte, sagte: „Bei Odin, hoffen wir, daß wir das schwarze Schiff überhaupt noch wiedersehen.“

Seine Skepsis war begründet.

Der Viermaster war am dunklen nordwestlichen Horizont verschwunden.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 106

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