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2.

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In der recht geräumigen Felsenbucht, in die die „Confidence“ eingelaufen war, erschienen die Dinge mit einemmal in einem fast freundlichen Licht, denn hier schlugen die Wellen nicht so hoch wie draußen auf See, und auch Eisschollen, die gegen die Bordwände schlugen und daran zerbrachen, gab es hier nicht. Der Wind pfiff über die hohen Wände der Bucht und zerrte kaum noch an den jetzt aufgegeiten Segeln, an den Rahen und am laufenden und stehenden Gut der Karavelle.

„Ein geschützter Platz“, sagte Hamilton Forbes, als sich die Männer darauf vorbereiteten, an Land zu gehen. „Man fühlt sich richtig geborgen.“

„Mich kann das alles nicht überzeugen“, sagte Andrew MacLeod, der nach wie vor neben ihm auf dem Achterdeck stand, leise. „Es ist eine Falle, in die wir uns begeben haben. Eine Todesfalle. Die Hölle öffnet ihren Feuerschlund und verschlingt uns alle.“

Forbes beobachtete Berwyn, Gallagher, Colmody und die anderen, die sich gerade anschickten, das einzige Beiboot der Karavelle an Backbord abzufieren.

Der Stockanker der „Confidence“ war jetzt ganz auf den Grund der Bucht gesunken. Man konnte sicher sein, daß das Schiff allenfalls um seine Ankertrosse schwojen, nicht aber gegen die Wände der Bucht gedrückt werden würde.

Zwei Männer namens John Feininger und Aldo Lionello schleppten gerade die wenigen Handfeuerwaffen an, über die die Besatzung der Karavelle verfügte: zwei Arkebusen, vier Musketen und einige Pistolen. Entsprechend gering war auch die Armierung des Schiffes. Es gab nur vier Kanonen, die auf beiden Seiten der Kuhl placiert waren, zwei Demi-Culverinen und zwei Minions.

Forbes sah seinen Freund an.

„Na also, Andrew“, sagte er, und diesmal klang sein Tonfall wieder versöhnlicher. „Laß die Schwarzmalerei. Alles deutet darauf hin, daß die Insel unbewohnt ist. Wer sollte uns also schon in die Quere geraten? Ich glaube nicht, daß es hier Wilde gibt, die mit Speeren und Keulen über uns herfallen.“

MacLeod lächelte freudlos. „Du hast mich immer noch nicht verstanden. Auf der Insel haust das Grauen. Satan und die Dämonen der Hölle sind unsichtbar.“

Forbes zwang sich zur Ruhe. „Du bist ja richtig vernarrt in diese Idee. Aber findest du nicht auch, daß du allmählich ein bißchen übertreibst? Du verläßt dich doch nur auf Ahnungen und hast nicht den geringsten Beweis für deine Behauptung, daß wir uns in Gefahr begeben.“

„Es ist die Stimme des Herrn, die mich warnt.“

„Andrew“, sagte Forbes eindringlich. „Ich gebe ja zu, daß du der Klügste unter uns bist – und wir alle haben uns mit Begeisterung deinem Vorhaben angeschlossen, nach dem Südland zu suchen, wo wir eine Kolonie des Friedens und der Gerechtigkeit gründen wollen. Du bist auch immer noch unser Vorbild, aber selbst du kannst dich täuschen.“

„Nicht, wenn Gott es ist, der mir die Wahrheit eingibt“, sagte MacLeod.

„Aber du bist doch nicht unfehlbar!“

„Versündige dich nicht, Hamilton.“

Forbes hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Ich habe zwar nicht den Eindruck, etwas Lästerliches gesagt zu haben, aber ich will mich nicht mit dir streiten. Denk von mir aus, was du willst. Ich kann und will dich nicht anders beeinflussen. Laß dir nur noch das eine gesagt sein: Ich finde, du überschätzt dich ein bißchen, was die Beurteilung deiner Person betrifft.“

MacLeod verschränkte die Arme vor der Brust und schwieg.

„Ich gehe jetzt von Bord“, sagte Forbes. „Willst du uns nicht doch begleiten?“

„Nein, ich bleibe hier“, erwiderte MacLeod. „Ich werde über das Schiff und über meine Töchter wachen, denen ich nie und nimmer gestatte, auch nur einen Fuß auf die Insel zu setzen.“

Forbes stieg auf die Kuhl hinunter. Himmel, dachte er, er ist unausstehlich geworden. Vielleicht hat er selbst schon erkannt, daß er sich in der Berechnung der Position und der Bestimmung unseres Kurses vertan hat, und das wirkt sich bei ihm jetzt auf diese Weise aus.

„Hamilton“, sagte Oliver Selkirk, der jetzt aus dem Großmars auf die Kuhl abgeentert war. „Sollten wir nicht wenigstens schon ein leeres Faß mit auf die Insel nehmen?“

„Ich bin der Meinung, daß wir uns zunächst überzeugen sollten, ob es überhaupt eine Süßwasserquelle auf der Insel gibt“, entgegnete Forbes. „Aber auch darüber sollten wir abstimmen.“

„Ja“, sagte Kenneth Berwyn. „Ich bin dafür, daß wir erst mal ohne Faß übersetzen. So ist der Trupp größer, der in der Jolle Platz findet, denn das Faß würde ziemlich viel Raum in Anspruch nehmen.“

„Je mehr wir sind, desto besser“, sagte Gallagher. „Es wird gleich dunkel, aber mit einer starken Gruppe haben wir die Insel schnell erforscht.“

Andrew MacLeod sah zu, wie die Mehrheit der Männer die Hand hob und somit entschied, das leere Faß vorerst auf der „Confidence“ zurückzulassen.

Die demokratische Mitbestimmung mag eine gute Sache sein, dachte er erbittert, aber ein Schiff ist doch besser bedient mit einem Kapitän, der als einziger die Befehlsgewalt hat und bestimmt, was zu geschehen und was nicht zu geschehen hat.

Die Eintracht, die unter den dreizehn Männern der „Confidence“ geherrscht hatte, war brüchig geworden. Eine düstere Stimmung des Zwiespalts und des Mißtrauens schien sich über das Schiff gesenkt zu haben. Dies war eine der deprimierenden Folgen der langen, entnervenden Überfahrt, die vor Monaten in Schottland begonnen hatte und deren Ende noch nicht abzusehen war.

MacLeods puritanisches Gemüt war durch die plötzliche Aufsässigkeit der Kameraden erheblich erschüttert worden. Mit zunehmendem Zorn blickte er denen nach, die jetzt an der Jakobsleiter in die an der Bordwand der „Confidence“ dümpelnde Jolle abenterten.

Es waren Forbes, Berwyn, Gallagher, Colmody, Selkirk, Feininger, Lionello und zwei andere, deren Namen Timball und Jackson lauteten. Die drei restlichen Männer – Mulligan, Duvalier und Burnell – blieben als Wachtposten an Bord der Karavelle zurück. Sie beugten sich über das Schanzkleid und winkten den neun Kameraden nach, als diese mit dem Boot ablegten und zum südlichen Ufer der Bucht hinüberpullten.

Der Herr wird euch für euren sträflichen Leichtsinn zur Rechenschaft ziehen, dachte Andrew MacLeod. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Sein Blick wanderte an dem mächtigen Felsen hoch, der sehr nah war, so nah, daß man glauben konnte, er würde jeden Augenblick auf die „Confidence“ stürzen.

MacLeod meinte wieder das Kreuz hoch oben auf dem Gipfel zu sehen und wußte, daß er diese Insel haßte, wie er zuvor selten etwas gehaßt hatte.

Phyllis und Rebecca, die längst wieder ihre Kammer im Achterkastell aufgesucht hatten und nur durch ein winziges Fenster das Ablegen der Jolle hatten beobachten können, blickten sich mit sorgenvollen Mienen an.

„Glaubst du, daß es gut ausgeht?“ fragte Phyllis. „Vaters Bedenken sind doch bestimmt nicht grundlos.“

„Wegen der Insel bereite ich mir keine Sorgen“, sagte Rebecca. „Viel schlimmer ist, daß es Ärger gegeben hat und jetzt eine Spannung zwischen Vater und den anderen Männern herrscht.“

Phyllis riß ihre großen blauen Augen auf. „Meinst du etwa, sie könnten ihm etwas – etwas antun?“

„Sag doch so was nicht“, erwiderte Rebecca ärgerlich. „An offenen Streit und Meuterei denke ich nicht. Ich habe nur Angst, Forbes und die anderen könnten an dem Erfolg unserer Mission zu zweifeln beginnen.“

„Daran, daß wir das Südland finden?“

„Ja.“

„Glaubst du denn, daß wir es finden?“

„Vater sagt, es sei ein riesengroßer Kontinent mit mildem Klima, wo das Saatgut, das wir an Bord haben, reichen Ertrag bringen wird“, erwiderte Rebecca. „Niemand brauche dort Hunger zu leiden. Die Sonne scheine fast das ganze Jahr über und der Reichtum der Menschen seien ihre Sorglosigkeit und Friedfertigkeit.“ Sie sagte es voll Überzeugung, wich dem offenen Blick ihrer Schwester aber plötzlich aus, weil sie selbst wußte, daß dies keine Antwort auf die Frage war.

Phyllis fuhr plötzlich zusammen, weil tief im Innern des Schiffsrumpfes ein dumpfes Rumoren ertönte. Sie griff nach dem Arm ihrer Schwester. „O Gott, was ist das?“

„Herrje!“ entgegnete Rebecca. „Das sind die Schweine und Schafe, die wir an Bord haben. Wie oft soll ich dir denn noch sagen, daß die Männer alles daransetzen, unsere Haustiere lebend bis zum Südland zu bringen?“

„Ich werde mich nie daran gewöhnen“, sagte Phyllis mit unglücklicher Miene. „Schweine, Schafe und Hühner – mit uns zusammengepfercht auf einem kleinen Schiff, das wie ein Spielball im Meer schaukelt. Ich kann die Seefahrt nicht ausstehen.“

„Aber du wirst durchhalten – versprichst du mir das?“

„Ja“, erwiderte das blonde Mädchen, und plötzlich lächelte sie. „Natürlich. Bis hierher sind wir gelangt, und den Rest der Reise werden wir wohl auch noch schaffen.“

Weder die beiden jungen Mädchen noch ihr Vater oder die drei Deckswachen der „Confidence“, noch die neun Männer, die inzwischen am Ufer gelandet waren und sich auf den Aufstieg in die Felsen vorbereiteten, ahnten, daß sich zu diesem Zeitpunkt ein zweites Schiff der Insel Tristan da Cunhas näherte. Die Ankerbucht der Karavelle befand sich an der Nordseite der Insel, die „Isabella VIII.“ jedoch segelte von Südosten heran.

Zwischen den Männern der „Confidence“ und der „Isabella“ stand der hohe Felsen, der ihnen den Ausblick auf die Galeone und die beiden kleineren Inseln versperrte. Man mußte ihn erst erklimmen, um sich ein vollständiges Bild von der Umgebung zu verschaffen.

Im bläßlichen Büchsenlicht, das den Übergang vom Tag zur Nacht kennzeichnete, steuerte die „Isabella“ mit einem letzten Kreuzschlag von Osten nach Westen auf das Südufer der großen Da-Cunha-Insel zu. Bill hielt die Augen nach einem geeigneten Ankerplatz offen, und Dan O’Flynn war in den Vormars aufgeentert, um ihn dabei zu unterstützen.

Die beiden kleineren Inseln lagen jetzt Backbord achteraus. Hasard hatte sie durch sein Spektiv aufmerksam betrachtet, aber er war nach wie vor der Ansicht, daß er und seine Männer Trinkwasser nur auf der großen Insel finden würden – wenn überhaupt.

Wieder stand er auf der Back und hielt mit dem Rohr Ausschau nach Menschen, Tieren und Vegetation. Big Old Shane, Ferris Tucker, Old O’Flynn und der Profos waren neben ihm und beobachteten ebenfalls die Küste – mit gemischten Gefühlen.

„Da tut sich nichts“, sagte Big Old Shane. „Da ist nichts los.“

„Da ist auch der letzte Hund erfroren“, brummte Carberry. „Alles Leben ist ausgestorben. Was sollen wir da bloß?“

„Trinkwasser suchen“, entgegnete Ferris Tucker grinsend. „Was denn wohl sonst?“

„Da gibt es keine Quelle, sage ich.“ Der Profos warf dem rothaarigen Schiffszimmermann einen wütenden Seitenblick zu. „Aber du Schlauberger kannst ja ein paar Pützen und Kübel aufstellen. Damit fangen wir den Schnee auf, der jeden Augenblick fallen kann. Wir lassen ihn auftauen und trinken ihn, klar?“

„Geht das wirklich?“ fragte Ferris in gespielter Ahnungslosigkeit.

Carberrys Miene verfinsterte sich noch mehr. „Ich hab schon immer gesagt, daß du eigentlich zu nichts taugst, du alter Holzwurm, und daß wir auf dieser alten Lady dringend mal einen neuen Zimmermann brauchen.“

Ferris sagte: „Das gilt auch für den Profos, denn …“

„Ruhe!“ unterbrach ihn der Seewolf. „Seht euch jetzt mal die Hügel an, die zwei oder drei Meilen hinter der Küste aufsteigen. Zuerst dachte ich auch, sie wären kahl, aber jetzt kann ich einen dunklen Streifen erkennen. Das sind mit Sicherheit Büsche – und wo Büsche sind, muß es auch Süßwasser geben. Also, wir gehen an Land und laufen uns ein wenig die Hacken ab, damit wir die Quelle möglichst noch vor dem Dunkelwerden finden.“

„Ja, Sir“, sagten die Männer.

Old O’Flynn wies zum dunkelgrau bewölkten Himmel. „Es sieht zwar nach Schnee aus, aber solange der Wind steif aus Nordnordwest bläst, schneit’s noch nicht. Darauf gehe ich jede Wette ein. Ed, wir sind also doch auf die Quelle angewiesen.“

„Sagt mal, seid ihr hier eigentlich alle gegen mich?“ fragte der Profos.

„Deck!“ riefen Dan und Bill plötzlich wie aus einem Munde. „Bucht in Sicht! Steuerbord voraus – höchstens eine Meile entfernt!“ präzisierte gleich im Anschluß daran Dan.

„Alles vorbereiten zum Landemanöver“, sagte der Seewolf. „Wir gehen so dicht wie möglich unter Land, loten die Wassertiefe aus und sehen, ob die Bucht für unsere Zwecke geeignet ist.“

Carberry drehte sich um und brüllte: „Anluven! Zwei Strich Steuerbord! An die Brassen, an die Schoten, bewegt euch, ihr triefäugigen Plattfüße!“

Während der Profos seine üblichen Flüche vom Stapel ließ, um die Crew anzutreiben, warf Big Old Shane noch einen Blick durchs Spektiv und sagte: „Ich frage mich, ob die Insel wirklich so menschenleer und ausgestorben ist, wie Ed annimmt. Der Schein könnte doch auch trügen, oder?“

„Bald wissen wir es ganz genau“, entgegnete der Seewolf. „Auf bloße Vermutungen will ich mich nicht stützen.“

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 217

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