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2.

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Ein einziger Aufschrei gellte über Deck. Die Männer schickten sich an, ihrem rothaarigen Kameraden nachzuspringen, aber Hasards Ruf stoppte sie.

„Keiner rührt sich von Bord – keiner außer mir!“

Er schlug mit der Axt gegen sein Tau und durchtrennte es etwa zwei Handspannen von der Hüfte entfernt. Sofort glitt auch er die teuflische Rutschbahn hinab und jagte auf das Backbordschanzkleid zu. Die „Isabella“ richtete sich jedoch wieder auf, weil der Fockmast baden gegangen war, und diese Bewegung fing Hasards Schwung etwas ab.

Er landete mit den Füßen unten am Schanzkleid, stieß sich mit den Händen vom Deck ab, schwang hoch und hechtete über die Handleiste weg in die schäumende See. Er sah gerade noch Ferris Tucker untertauchen. Wenige Yards entfernt schwamm der Fockmast, er mutete wie eine riesengroße Vogelscheuche an, die mit ausgebreiteten Armen und Beinen hilflos im widrigen Element trieb.

Hasard streckte die Arme weit vor und tunkte kopfunter ein. Die Fluten rissen ihn sofort mit, sie schienen aus Tausenden von Strudeln zusammengefügt zu sein. Hasard riß die Augen auf, konnte aber nichts erkennen als tintenschwarze Finsternis. Er ruderte mit den Gliedmaßen gegen das Saugen und Wirbeln des Wassers an, richtete aber kaum etwas aus.

Dabei mußte er noch aufpassen, nicht mit dem Fockmast zu kollidieren. Prallte er von unten gegen das Ding, konnte es ihm glatt die Besinnung rauben.

Und Ferris Tucker? Himmel, dem konnte das gleiche passieren!

Hasard tauchte auf, schnappte Luft und schloß den Mund, als eine Woge ihn unterzuwühlen drohte. Ein gurgelnder Schub Wasser brandete gegen ihn an, er hätte es gallonenweise geschluckt, wenn er nicht sofort wieder den Mund geschlossen hätte.

Schreie wehten von der „Isabella“ herüber. Das Schiff war ein grauer Schatten im Sturm, angeschlagen, seinem Schicksal ausgeliefert. Die Crew war kaum zu erkennen, nur schwach gezeichnete Punkte bewegten sich am Schanzkleid hin und her, das waren die Köpfe der Männer. Die Unzulänglichkeit des Menschen zeigte sich in dieser Kraftprobe mit der Natur in aller Deutlichkeit.

Hasard dachte, die Männer schrien nur aus Sorge um ihn und Ferris Tukker, aber dann hörte er doch noch mehr heraus. Sie wollten ihn auf etwas hinweisen – und das konnte bei diesen Verhältnissen nur von Dan O’Flynn ausgehen. Dan, dieser Mordskerl! Er hielt sich nach wie vor im Großmars und schien durch die Gischt hindurch etwas entdeckt zu haben.

„Weiter nach achtern!“ brüllte Carberry.

Achtern – Hasard orientierte sich an der „Isabella“ und kämpfte sich in Richtung auf ihr Heck zu. Die Wogen zerrten an ihm, wollten ihn nicht, versuchten, ihn zu vernichten. Er stieg wie von einem Katapult befördert in einen der schäumenden Kämme auf, verharrte für eine Sekunde, vielleicht für zwei, und sah unter sich den Fockmast.

Die Welle riß ihn in die Tiefe, auf den Mast zu. Sie drohte ihn unterzubaggern und gegen das Holz zu werfen, aber Hasard tauchte. Er schwamm mit aller Kraft, so tief er konnte. In seinen Ohren war das Urbrüllen der Welt. Der Teufel schien hier unten näher zu sein als anderswo. Aber der Seewolf preßte die Zähne zusammen und dachte nur das eine: Fahr du selbst zur Hölle, du Satansbraten!

Die Fluten stießen ihn vor sich her. In seinen Lungen machte sich die Atemnot bemerkbar, er mußte wieder auftauchen. Er drehte sich um die Körperlängsachse und blickte nach oben. Etwas Schemengleiches schien über ihm dahinzuhuschen. Er ließ sich vom Auftrieb mitnehmen, schwang an die Oberfläche und pumpte wieder Luft in sich hinein.

Der Fockmast trieb keine fünf Yards hinter ihm.

Plötzlich sah er auch Ferris Tukker. Ferris befand sich in unmittelbarer Nähe des Mastes, Dan hatte also richtig beobachtet. Hasard drehte sich im Wasser, schwamm auf den Rothaarigen zu – und kriegte einen Schreck.

Ferris Tucker bewegte sich nicht. Wie tot trieb er in der See. Kein Zweifel, er war zu dicht an den Fockmast geraten und wahrscheinlich gegen die Vormarsrah geprallt. Die schweren Spiere mußten seinen Kopf getroffen haben. Er war ohnmächtig und schluckte Wasser.

Hasards Arme ruderten unablässig, er bewegte die Beine heftig auf und ab. Ungeachtet des Orgelns und Tobens, Kochens und Schäumens des Wassers hielt er auf Ferris zu. Er war bei ihm, als der Rotschopf schon unter der Oberfläche der See verschwand.

Hasard tauchte, griff Ferris von hinten unter die Arme und zog ihn mit sich hoch. Sie schossen hoch und drohten erneut unterzugehen. Hasard strampelte mit den Beinen, arbeitete sich auf den Fockmast zu und packte den ersten Halt, der sich bot.

So wurde der Mast, der sie beinahe alle ins Verderben gestürzt hätte und Ferris zum Verhängnis geworden war, jetzt ein Rettungsmittel. Anfeuernde Rufe tönten von der „Isabella“ herüber. Hasard hörte Carberrys, Ben Brightons und Dan O’Flynns Stimmen heraus.

Es wäre heller Wahnsinn gewesen, ein Boot zur Übernahme der beiden Männer abzufieren. Es wäre sofort gekentert.

Ben Brighton ließ deshalb beidrehen, soweit das im Orkan möglich war, und rief: „Werft Taue aus!“

Der Seewolf sah, wie die Taue flogen und ins Wasser klatschten. Er ließ den Mast wieder los, weil er sich zu weit von der „Isabella“ entfernte, nahm Ferris in Schlepp und schwamm rücklings auf sein Schiff zu.

Es wurde ein Unterfangen, das ihn beinah umbrachte. Er schluckte Wasser und spie es wieder aus, litt Atemnot und japste unter der Last des bewußtlosen Schiffszimmermanns. Ferris Tucker war ein wuchtiger Mann mit einem Kreuz „so breit wie ein Rahsegel“. Er drohte wie ein Bleigewicht in die Tiefe abzusacken und seinen Kapitän dabei mit zum Ersaufen zu bringen.

Aber plötzlich lag da ein Tampen in Griffnähe, und Hasard streckte die Hand danach aus. Er kriegte ihn zu fassen und krallte sich fest. Das Tau war wie ein Lebensnerv, der, einmal verloren, einmal durchtrennt, nicht wiedererlangt werden konnte.

„Aufhieven!“ brüllte Carberry. „Hievt an, ihr Himmelhunde, schuftet, daß die Schwarte kracht, oder ich zieh sie euch in Streifen ab! Jawohl, diesmal tu ich’s wirklich, das schwöre ich euch!“

Ein Ruck lief durch das Tau, und der Seewolf brauchte plötzlich nicht mehr zu kämpfen, um an der Wasseroberfläche zu bleiben. Die Männer zogen ihn, er glitt auf die „Isabella“ zu. Brecher überspülten ihn und Ferris Tucker, aber es kümmerte ihn nicht mehr. Hier hatte nur noch das eine Wert: so schnell wie möglich an Bord der Galeone zu gelangen.

Die Bordwand der „Isabella“ war eine tödliche Mauer, an der man zerschellen konnte. Ben Brighton ließ die beiden. Schiffbrüchigen zwar in Lee übernehmen, aber die Brecher rollten von allen Seiten gegen das Schiff an. Die Gefahr, sich die Knochen zu brechen, bestand also auch hier.

Hasard gab den Männern ein Zeichen, dann knüpfte er das Tau kurzerhand um Ferris’ Oberkörper fest. Er war froh, daß er es fertiggebracht hatte, lachte wild und bedeutete der Crew durch eine Gebärde, den rothaarigen Riesen hochzuziehen.

Ferris erhob sich wie ein Klotz aus den Fluten und baumelte über ihm. Unter Carberrys Hau-ruck-Rufen schwebte er ziemlich rasch hoch. Die „Isabella“ krängte nach Steuerbord, und er drohte hart gegen die Backbordseite zu schlagen, aber die Männer konnten die Bewegung im Tau auffangen und dämpfen. Ferris prallte zwar gegen die „Isabella“, wurde aber nicht verletzt. Hastig hievten die Männer ihn vollends hoch.

Hasard hielt alle viere von sich gestreckt und rauschte auf die Bordwand seines Schiffes zu. Er setzte auf, begann zu kriechen und enterte auf diese Weise tatsächlich allmählich auf. Er rutschte aus, strauchelte fast, fluchte, gab aber nicht auf.

Zwei Taue flogen, Ben Brighton hatte sie neu werfen lassen. Eins davon ergriff der Seewolf, als sich die „Isabella“ wieder auf die Backbordseite legte. Er klammerte sich fest, verlor den Kontakt zur Außenhaut, schwebte frei und drohte in die See hinabgestoßen zu werden.

Die Crew feuerte ihn wieder an, und er klomm an dem Tau hoch, daß selbst Arwenack darüber gestaunt hätte. Hände schoben sich ihm entgegen, packten sein Tau, holten es hoch, griffen auch nach ihm, hatten ihn endlich im Griff und zogen ihn über das Schanzkleid auf die Oberdecksplanken.

Sie banden ihn fest. Keine Sekunde zu früh, denn schon donnerte der nächste Brecher über Deck. Hasard setzte sich am Schanzkleid auf, hielt sich fest und blickte zu Ferris Tukker.

Shane und Ben Brighton hatten Ferris rasch an einer Nagelbank festgezurrt und hielten ihn noch zusätzlich fest. Die Gestalt des Rothaarigen war nach wie vor schlaff. Er regte sich nicht und gab keinen Laut von sich. Es schien kein Leben mehr in ihm zu stecken.

Unter schwierigsten Bedingungen transportierten die Seewölfe Ferris Tukker unter Deck. Der Eile halber brachten sie ihn gleich ins Vorschiff, wo der Kutscher seinen Behandlungsraum eingerichtet hatte. Bevor sie Ferris auf einer Koje festbanden, beugte sich der Kutscher, der der Koch und Feldscher der „Isabella“ war, über ihn und lauschte an seiner Brust nach dem Herzschlag.

„Er lebt“, sagte er. „Ich kann das Herz nur ganz schwach hören, aber, Hölle und Teufel, unser Zimmermann scheint durch nichts kleinzukriegen zu sein.“

„Was machen wir mit ihm?“ sagte der Profos. „Wir können ihn doch nicht einfach so liegenlassen.“

„Wir müssen ihn wiederbeleben“, entgegnete Hasard. Er hielt sich an der Koje fest. Er stand noch ein bißchen wacklig auf den Beinen, und die wilden Schlingerbewegungen des Schiffes drohten ihn umzureißen. „Er muß opfern, was er bei dem unfreiwilligen Bad in sich ’reinschlingen mußte. Stimmt’s, Kutscher?“

„Stimmt, Sir.“

„Hab ich doch gesagt!“ rief Carberry. „Und jetzt laßt mich mal ’ran, ich – ehm – ich wollte sagen, bitte um die Erlaubnis, Tucker wiederbeleben zu dürfen, Sir.“

„Dann mal los, Ed“, sagte Hasard.

Carberry hatte eine ganz rüde Methode, so was zu regeln, aber der Seewolf war sicher, daß nur eine so konsequente „Behandlung“ den Mann schnell ins Bewußtsein zurückholen konnte.

Carberry legte sich den Rothaarigen bäuchlings übers Knie, was bei dem Tanzen und Rollen der „Isabella“ auch nicht gerade leicht war. Ferris reagierte, wie jeder andere es tut, wenn er ein fremdes Knie in der Magengrube hat: er opferte.

Mehrere Gallonen Seewasser sprudelten in den Raum und verliefen durch die Türritze in Richtung auf den Vordecksgang. Und dann, ja, dann konnten die Männer auch plötzlich wieder lachen, trotz aller Gefahren und trotz des Sturms.

Ein kleines, zappeliges Lebewesen schoß aus Ferris Tuckers Mundhöhle und landete auf den Planken. Es hüpfte, kam aber nicht vom Fleck.

„Ein Fisch“, stieß Carberry hervor. „Ich werd verrückt, Ferris hat einen Fisch mit Haut und Gräten gefuttert, bei lebendigem Leib. Mann, muß der einen Kohldampf gehabt haben!“

Sie lachten und bogen sich vor Vergnügen. Der Kutscher wollte sich den Fisch greifen, rutschte aber aus und stürzte. Er schlidderte quer durch die Kammer, bumste mit dem Kopf gegen die Tür und gab einen Wehlaut von sich.

Die Männer wollten sich ausschütten vor Lachen, und der Seewolf fiel mit ein, denn dieser ungestüme Heiterkeitsausbruch war gleichzeitig eine Möglichkeit, einen Ablaß für die aufgestauten Sorgen zu finden.

Der Kutscher drehte sich um, kroch zu dem Fisch und kriegte ihn jetzt doch zu fassen. Carberry schüttelte währenddessen Ferris Tucker wie einen Kartoffelsack, und der gab auch den letzten Rest aller Geheimnisse preis, die er in seinem Magen hütete.

Auf Hasards Befehl hin ließ der Profos den Schiffszimmermann dann rücklings auf die Planken plumpsen. Der Kutscher kniete sich hin und wollte mit den Wiederbelebungsversuchen anfangen, die er von Sir Anthony Abraham Freemont gelernt hatte, aber Ferris schlug plötzlich die Augen auf.

„Hey“, sagte er heiser. „Was ist denn hier kaputt? Was ist los, Kutscher? Bist du nicht ganz dicht?“

Carberry grinste wie der Leibhaftige höchstpersönlich. „Das mußt du gerade sagen. Sieh doch mal, was du alles ausgespuckt hast.“ Al, der den Fisch vom Kutscher übernommen hatte, zeigte das hüpfende Etwas vor.

Ed Carberry sagte: „Du bist nicht ganz dicht, Ferris. Du hast ein Faß Wasser mit ’nem Hering drin abgelassen.“

Big Old Shanes Augen glitzerten. Er schaute von Carberry zu Ferris Tukker, sah Ferris’ einmalig verblüfften, fragenden Gesichtsausdruck, lief dunkel an – und prustete los. Es war der auslösende Impuls für die anderen, sie stimmten mit in die Lachsalve ein.

Ferris zog verwundert die Augenbrauen hoch. Er streckte die Hand aus, sah Al Conroy an, und der übergab ihm den Fisch. Eine Weile hielt der rothaarige Riese das Tierchen zwischen Daumen und Zeigefinger an der Schwanzflosse fest und beäugte es. Er suchte nach einer Erklärung, fand sie aber nicht.

„Das ist kein Hering“, sagte er schließlich mit verkniffener Miene.

Shane ließ fast seinen Halt los, so ulkig fand er die Bemerkung. Er japste, schnappte nach Luft und fragte dann mühsam beherrscht: „Kein Hering, Ferris? Aber was dann?“

„Du Barsch“, knurrte Tucker. „Das weiß ich erst, wenn ich ihn gegessen hab.“ Er warf den Fisch mit erstaunlich sicherer Bewegung dem Kutscher zu und sagte: „Den brätst du mir zum Abendbrot, klar?“ Ein Grinsen kerbte sich in seine Mundwinkel, er blickte vom einen zum anderen. „Ich weiß nur noch, daß ich in die See gefallen bin und mir irgendwo den Kopf gestoßen habe. Aber wenn ihr glaubt, ich hab ein Ding verpaßt gekriegt wie damals – auf dem Höllenriff – unser guter alter Smoky, dann habt ihr euch gewaltig getäuscht.“

Smoky begehrte auf: „Heda, müßt ihr immer wieder die alte Geschichte aufwärmen? Meine Schuld war’s doch auch nicht, daß ich den Tempo … äh, den Dingsbumsschwund gehabt habe. Außerdem ist das längst wieder vorbei, ich bin kuriert.“

„Yeah“, meinte Ferris gedehnt. Er versuchte aufzustehen und fixierte dabei grimmig Big Old Shane. „Und wer hier glaubt, er könnte mich aufziehen und veralbern, der hat sich …“

„Augenblick“, sagte der Seewolf. „Dreimal tief Luft holen und sitzen bleiben, Ferris. Laß dir erst mal erzählen, was sich zugetragen hat. Die Männer wollen dich nicht auf den Arm nehmen. Sie sind bloß heilfroh, daß du die Sache gut überstanden hast.“

Er berichtete, und als er am Ende angelangt war, holte Ferris wirklich dreimal Luft.

„Mann“, stieß er aus. „Das ist vielleicht ein Hammer. Daß ich nicht von allein an Deck zurückgekehrt bin, konnte ich mir aber auch denken. Schockschwerenot. Hasard – äh – ich danke dir, daß du mich …“

„Geschenkt“, erwiderte der Seewolf. „Ich erwarte keinen Dank. Was ich getan habe, würde ich jederzeit für jeden von euch wiederholen.“

„Wir auch für dich“, sagte Shane. Er war jetzt stockernst geworden. „Das ist die Stärke unserer Crew: der kompromißlose Zusammenhalt.“

„Ich hoffe bloß, daß nun keiner mehr aus dem Teich gezogen zu werden braucht“, meinte Ferris. Er blickte seinen Kapitän an. „Und daß der verdammte Sturm bald nachläßt. Was ist denn aus dem schwarzen Schiff geworden?“

„Das wissen wir nicht“, erwiderte Hasard. „Vorläufig sind Siri-Tong und ihre Männer spurlos verschwunden. Drücken wir ihnen die Daumen, daß sie keinen Schiffbruch und keine Verluste erleiden.“

Fromme Wünsche, aber sie gingen nur zum Teil in Erfüllung. Die Seewölfe steuerten ihre „Isabella“ ohne Fockmast durch die aufgepeitschte See, und weitere Schäden waren vorläufig nicht zu verzeichnen. Hasard hatte bei allem Unglück immer noch den einen Trumpf in der Hand: Das Ruder hielt, und die Galeone blieb begrenzt manövrierfähig.

Die Männer gaben auf sich acht und prüften ständig die Widerstandsfähigkeit der Taue, an denen sie sich hielten. So ging denn auch wirklich keiner mehr „im Teich baden“, wie Ferris Tucker sagte.

Nur der Rest ließ auf sich warten. Das Sturmtoben hielt mit unverminderter Gewalt an und hatte sie fest im Griff. Es schüttelte sie und ließ sie nicht wieder los.

Die Dunkelheit nahm noch zu. Der Tag war gewichen, und den Männern stand die längste und schaurigste Nacht seit langem bevor. In diesen Stunden rechnete so mancher ganz für sich mit sich selbst und seinem Leben ab und zog einen Schlußstrich.

„Falls wir’s überstehen“, sagte der alte Donegal Daniel O’Flynn düster, „können wir uns wie neugeboren fühlen. Was meint ihr denn, wie weit schaffen wir es mit dem ramponierten Kahn noch?“

„Nicht unken“, warnte Big Old Shane. „Damit machst du alles bloß noch schlimmer, Donegal. Was ist? Bist du unter die Zittergreise gegangen?“

Sie saßen mit Hasard in der Kapitänskammer und lauschten dem fortwährenden Knarren, Knacken und Poltern im Schiffsleib, dem Heulen des Windes, dem Rauschen und Brüllen des Seewassers an den Bordwänden. Sie saßen im Finstern, denn keiner durfte es wagen, auch nur eine Talglampe anzuzünden. Die Gefahr, daß sie ihm entglitt und ein größeres Feuer entfachte, war bei diesem Seegang zu groß.

Old O’Flynn stapfte mit dem Holzbein auf. „Ich gehöre noch lange nicht zum alten Eisen, merk dir das, du Bär.“

Shane grinste. „Wir brauchen dich also noch nicht wegzuschmeißen?“

„Was fällt dir ein …“

„Dann hör mit der Unkerei auf“, sagte Shane drohend.

Der Alte wollte etwas Giftiges erwidern, aber in diesem Augenblick wurde gegen die Tür geklopft. Hasard wandte den Kopf und rief: „Herein! Was zum Teufel gibt’s?“

Ferris steckte den Kopf zur Tür herein. „Verdammt, Hasard, wir haben ein paar Lecks im Achterschiff entdeckt.“

„Ein paar? Was heißt das präzise, Ferris?“

„Drei oder vier. Wir fangen sofort mit dem Abdichten und Lenzen an, aber ich kann nicht für den Erfolg garantieren. Ich meine, ich weiß nicht, wie schwer die Schäden an der Außenhaut sind. Die können wir natürlich erst reparieren, wenn sich die See wieder beruhigt hat.“

Hasard sprang auf. „Ist klar. Hör zu, ich spreche selbst mit Smoky und den anderen und teile Schichten ein, die sich beim Lenzen ablösen. Lauf du schon wieder nach unten und sieh zu, daß du die Arbeit einleitest.“

„Aye, aye, Sir.“

Von nun an standen stets vier Männer tief im Achterschiff bis zu den Knöcheln im Wasser und sorgten dafür, daß nicht noch mehr Naß eindrang, beziehungsweise, daß es abgeschöpft und wieder ins Meer zurückbefördert wurde.

Auf Oberdeck ließ der Seewolf die sechzehn 17-Pfünder durch zusätzliche Brooktaue sichern, weil er auch hier unliebsame Überraschungen erwartete. So wurde fast ununterbrochen geschuftet. Der Kampf ums nackte Überleben dauerte die Nacht hindurch und auch noch den darauffolgenden Tag.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 99

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