Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 91 - Roy Palmer - Страница 5

2.

Оглавление

Die See war am frühen Morgen von milchig-grüner Färbung und lag wie eine gigantische Platte da. Die Dünung hatte immer mehr nachgelassen, der Wind schlief fast völlig ein. Bleigrau spannte sich der bewölkte Himmel über den Schiffen. Sie liefen nur noch wenig Fahrt voraus, denn inzwischen drückten auch die von Ben Brighton erwähnten Strömungen gegen sie an.

„Bald treten wir auf der Stelle“, sagte Ferris Tucker. „Himmel, ist das ein verfluchter Mist hier.“

„Was sollen wir tun?“ erwiderte der alte O’Flynn. „Bloß dastehen und uns in der Nase bohren?“

Hasard beobachtete aus schmalen Augen, wie seine „Isabella“ mehr und mehr an Fahrt verlor. Er stand mit der Körperseite gegen das Steuerbordschanzkleid des Achterdecks gelehnt und schaute an der Bordwand entlang. Die Bugwelle schrumpfte und hatte keinen weißen Bart mehr. Ein Blick nach oben: Die Segel hingen wie schlaffe Bettlaken an den Rahen. „Zum Verrücktwerden“, sagte Hasard leise. „Notfalls müssen wir die Beiboote abfieren und die Schiffe in Schlepp nehmen. Aber damit warten wir noch.“

„Deck!“ schrie Dan O’Flynn plötzlich aus dem Hauptmars. „Achtung, da ist er, der verfluchte Riesentang! Er treibt von Süden mit der Strömung auf uns zu!“

„Verdammt“, sagte der Seewolf. Er nahm den Kieker, zog ihn auseinander und blickte zum schwarzen Schiff hinüber. Siri-Tongs Ausguck schien den Tang noch nicht bemerkt zu haben, jedenfalls saß er ganz ruhig im Mars und traf keine Anstalten, die Decksmannschaft auf irgend etwas hinzuweisen.

„Dan!“ rief Hasard. „Signalisiere der Roten Korsarin, was da auf uns zuschwimmt!“

„Aye, aye, Sir!“

Hasard wandte sich seinen Männern auf Deck zu. „Los, wir fallen ab und nutzen den letzten Windhauch aus, um dem Tang auszuweichen. Es kann sich um ein paar Einzelstücke handeln, wie sie vorgestern vorbeigetrieben sind. Aber genausogut kann es eins jener Riesenbeete sein, die ein Segelschiff gefangenzusetzen vermögen. Los, Pete, abfallen! Ed!“

„Aye, aye, Sir, abfallen!“ brüllte der Profos. „Ihr Stinkstiefel, ihr faulen Säcke, an die Brassen und Schoten! Schrickt weg die verfluchten Tampen, wird’s bald!“

Wenig später sah auch Hasard durch sein Spektiv, was von Süden auf sie zutrieb. Nein, das waren keine einzelnen Tangblätter, wie er anfangs noch gehofft hatte. Das war ein Meer im Meer, eine gewaltige Fläche von grasgrünen Gewächsen, die sich wie Riesenaale ineinander- und durcheinanderschlängelten. Sie waren imstande, ein Boot samt Besatzung in die Tiefe zu zerren. Sie umschlossen Schiffe, setzten ihre Ruderblätter außer Betrieb und hielten sie – das vor allen Dingen im Sargassomeer – für die Ewigkeit fest.

Unaufhaltsam rückte das Unheil auf sie zu.

Hasard warf wieder einen Blick zum schwarzen Segler hinüber. Während die „Isabella“ bereits den Kurs wechselte und direkt vor den lauen Wind ging, schallten jetzt erst die entsprechenden Befehle über das Deck des Viermasters.

Zu spät begann die Rote Karsarin mit dem Manöver.

„Siri-Tong, beeilt euch!“ schrie Hasard zu ihr hinüber, aber er war sich dabei auch im klaren, daß er ihr nicht helfen konnte. Auch Dan signalisierte aufgeregt aus dem Großmars, um die Rote Korsarin zu schnellerem Handeln zu bewegen, aber das nutzte ebensowenig.

Siri-Tong tat, was in ihren Kräften stand. Und es lag weder an ihr noch an ihrer Mannschaft, daß sie nur mit geradezu lähmender Langsamkeit abfiel – bei den miserablen Windverhältnissen kriegte sie ihr großes 500-Tonnen-Schiff einfach nicht schneller herum.

Hasard spielte mit dem Gedanken, auch die letzte Fahrt aus dem Schiff zu nehmen und auf den schwarzen Segler zu warten. Aber was erreichte er damit?

Die Antwort auf diese Frage erhielt er bald. Hätte er die Segel aufgeien lassen, dann hätten sie im Handumdrehen beide festgesteckt. So aber entzog sich die „Isabella“ gerade noch mit knapper Not dem herantreibenden Tang.

Siri-Tong mußte mit zusammengepreßten Lippen und geballten Händen zusehen, wie die schlüpfrige Masse ihr Schiff umhüllte. Das Zeug schien sich an den Bordwänden festzuklammern und festzusaugen. Es brachte das Schiff zum Stoppen.

Entsetzt sahen der Boston-Mann, Juan, die fünf Wikinger und die anderen Besatzungsmitglieder auf das treibende Geschlängel, das sich da rund um ihren Segler abspielte. Cookie zog sich vorsichtshalber aus Flanagans Nähe zurück, weil er befürchtete, der Mann könne ihm auch hierfür die Schuld in die Schuhe schieben.

Als der Riesentang sich schmatzend um das Ruderblatt des schwarzen Schiffes legte, war es endgültig aus mit der Manövrierfähigkeit.

„Bei Odin!“ brüllte Thorfin Njal. „Aus diesem Schlamassel kommen wir vorerst nicht wieder ’raus!“

„Wir müssen ein Loch in das Zeug schießen!“ schrie Juan. „Das muß irgendwie zu drehen sein!“

„Wir könnten unsere Brandsätze in den Tang feuern“, entgegnete Siri-Tong. „Aber sie müßten sehr tief angesetzt werden und dicht neben oder vor dem Schiff einschlagen. Wir könnten uns selbst gefährden. Nein, warten wir noch.“

Arne schaute plötzlich auf und stieß einen verblüfften Laut aus. Er befeuchtete rasch einen Finger, streckte ihn hoch in die Luft und wies dann auf die Takelage. „Da kann man doch verrückt werden! Der Wind bläst immer noch aus Westen, aber er hat wieder zugenommen. Und wir hocken hier im Tang und haben nichts davon.“

Es stimmte, der Wind hatte aufgefrischt und schob die „Isabella“ rascher vor sich her. Sie beschleunigte zusehends. Hasard konnte sich darüber aber nicht recht freuen.

Er schaute wieder zum schwarzen Schiff und sagte: „Teufel, sie bewegen sich auch, aber der Tang haftet an ihnen und schleift mit. Das sieht ja fast wie Hexerei aus.“

Er wandte sich um. Nur Ben Brighton befand sich dicht hinter ihm und hatte seine Worte gehört. Darüber war Hasard froh. Ben war kein sehr abergläubischer Mann. Die anderen aber hätten allein das Wort Hexerei wieder mit ihren Unkereien und Spökenkiekereien interpretieren können.

„Anluven“, befahl der Seewolf. „Ruder Backbord, wir gehen auf Nordkurs und dann über Stag – wir umkreisen den schwarzen Segler!“

Und so umrundete die „Isabella VIII.“ den Viermaster wie ein großes Tier, das seinem Artgenossen helfen möchte und es doch nicht kann. Beide Schiffe wurden dabei vom Wind immer weiter nach Osten gedrückt.

Das Tangfeld hatte riesige Ausmaße. Hasard konnte nicht einmal auf Rufweite an das schwarze Schiff heran. Wagte er sich zu dicht an die glitschigen grünen Gebilde, dann riskierte er, ebenfalls gepackt zu werden.

„Wir müssen was unternehmen“, sagte er zu Ben Brighton. „Wenn wir das schwarze Schiff einfach so treiben lassen und darauf hoffen, daß eine günstige Gegendrift den Tang wieder davonträgt, besteht die Gefahr, daß Siri-Tong irgendwo aufläuft. Die Inseln sind nach meinen Berechnungen nicht mehr fern.“

„Was tun wir also?“ erwiderte Ben Brighton. „Können wir nicht ein Tau zum schwarzen Segler hinüberbefördern – etwa so wie in der Treibsand-Lagune? Wenn Big Old Shane präzise zielt, dürfte durch den Pfeil, der die Leine trägt, drüben auf dem Viermaster keiner verletzt werden.“

„Ben, die Entfernung ist zu groß für einen solchen Schuß.“

„So ein Mist aber auch.“

„Also“, sagte jetzt Ferris Tucker zum Seewolf, „ich habe doch diese Handbomben gebastelt – Flaschen, die mit Nägeln, Blei und Pulver gefüllt sind. Damit könnten wir eine Bresche in den verfluchten Tang treiben.“

„Ich glaube, das hat wenig Zweck“, erwiderte Hasard. „Genausogut kannst du versuchen, ein Feuer auszuspucken. Wo du ein Loch in den Tang sprengst, schließt sich die Lükke in Sekundenschnelle wieder.“

„Aber wir könnten es doch wenigstens probieren“, sagte der rothaarige Riese beharrlich.

„Ja. Ich schätze, es ist unsere einzige Möglichkeit.“

„Gut, ich hole die Flaschen“, sagte Ferris.

In diesem Augenblick meldete sich wieder Dan O’Flynn aus dem Großmars. „Männer, die Augen nach Westen. Wale! He, ho, ich krieg zuviel, das ist eine ganze Schule!“

Sie befanden sich inzwischen wieder an der südlichen Flanke des Riesentang-Feldes, segelten also mit achterlichem Wind nach Osten. Hasard verließ das Achterdeck und lief mit seinem Spektiv über die Kuhl zur Back, um einen besseren Ausblick zu haben. Er klomm den Steuerbordniedergang hoch, stellte sich neben Smoky und Al Conroy ganz vorn an die Balustrade und spähte durch die Optik.

Es war eins der gewaltigsten Schauspiele, dem ein Mensch beiwohnen konnte, vergleichbar vielleicht nur mit einem Seebeben oder der Geburt einer Vulkaninsel. Schätzungsweise zwei Seemeilen vor den beiden Schiffen brach die See an mehreren Stellen auf, als müsse sie Blähungen entlassen. Das gischtete und sprudelte, das schäumte und brodelte, und dann schnellten zunächst zwei Riesenleiber mit urwüchsiger Kraft aus den Fluten hervor und gleich darauf noch einer. Ja, sie vermochten sich bis in die Luft hinauszukatapultieren. Danach tauchten sie kopfüber wieder ein, ein gewaltiger Hieb mit der Schwanzfluke noch, und jeder von ihnen verschwand in den Tiefen, um seinen Artgenossen Platz für den nächsten akrobatischen Salto zu schaffen.

„Das ist ja phantastisch“, sagte Hasard.

„Kaum zu glauben“, pflichtete Smoky ihm bei. Er stand links neben ihm und hatte ebenfalls das Fernrohr ans Auge gehoben. „Ich habe schon ein paarmal Wale beobachtet, aber so herrliche Sprünge habe ich noch nicht gesehen.“

„Hasard, wie viele hast du gezählt?“ rief Dan von oben. Er hatte sich aufgerichtet und blickte angestrengt durch den Kieker. „Fünf, sechs, Mann, ich verliere den Überblick!“

„Es sind mehr als zehn Tiere“, antwortete der Seewolf. „Und zwar Humpbacks, Buckelwale. Ihr Anführer scheint der größte von allen zu sein – der, der die kühnsten Sprünge ausführt. Ja, er muß der Leitbulle sein.“

„Wir halten genau auf sie zu“, sagte Al Conroy.

„Ja.“ Hasard war fasziniert. Er konnte sich nicht sattsehen an dem Getummel und der Ausgelassenheit der gewaltigen Tiere. „Buckelwale sind die Artisten unter den Walen. Sie werden nicht so groß und schwer wie die Blau- und Pottwale, aber sie leisten ganz Erstaunliches – wie diese Sprünge über die Wasseroberfläche hinaus. Sie tragen Höcker auf dem Kopf, haben einen schwarzen Rükken, einen weißen Bauch und lange Brustflossen, die beim Jumpen wie Windmühlenflügel rotieren.“

„Wie du das alles weißt“, sagte Smoky. „Was meinst du, wie lang ist das Leittier wohl?“

„Fünfzehn Yards oder noch länger.“

„Warum jagen wir ihn nicht?“

Hasard setzte das Spektiv ab und sah seinen Decksältesten verwundert an. „Jagen? Wie kommst du darauf?“

„Wir könnten doch Fleisch-Nachschub gebrauchen. Walfleisch soll wie Rind schmecken, hab ich gehört.“

„Das ist auch so“, entgegnete Hasard. „Aber ich hätte nie ernsthaft daran gedacht, so einen Brocken zu erlegen und dann hier auf dem Deck der ‚Isabella‘ auszuweiden. Erstens sind wir keine Fachleute auf dem Gebiet, Smoky. Zweitens liegt es mir irgendwie nicht, einen Wal zu töten. Sie sollen kluge Burschen sein, diese Giganten, und ich habe Respekt vor ihnen.“

„Das heißt, wir lassen die Schule in Ruhe?“

„Ja.“

Smoky bedauerte das. Hasard konnte seinem Gesichtsausdruck deutlich das Jagdfieber entnehmen, das ihn gepackt hatte. Er konnte es ihm nicht verübeln. Der Wunsch, ein großes Tier zu besiegen, war als Instinkt in jedem Menschen verwurzelt. Und je größer das Wesen war, desto mächtiger wurde dieses Bestreben.

„Ho!“ brüllte Dan O’Flynn unvermittelt wieder los. „Wir kriegen noch mehr Besuch. Sieh mal zur südöstlichen Kimm, Hasard!“

Hasard folgte der Aufforderung. Wenig später hatte er den „Besuch“ entdeckt.

Es waren zwei große Schiffe, und zweifellos hatten ihre Besatzungen auch die „Isabella“ und das schwarze Schiff bereits gesichtet.

Siri-Tongs Viermaster war durch den Tang behindert und lief kaum Fahrt, während die „Isabella“ inzwischen an dem Tangfeld vorbeigesegelt war, das äußere östliche Ende erreichte und unter Hasards Kommando wieder anluvte.

Er kehrte auf das Achterdeck zurück und beobachtete von hier aus unausgesetzt die fremden Segler. Ben Brighton, Ferris Tucker, Big Old Shane und Old O’Flynn hatten sich zu ihm gesellt.

„Kriegsschiffe“, sagte der Seewolf, ohne das Spektiv abzusetzen. „Und ich will einen Besen fressen, wenn es nicht Spanier sind. Sie kreuzen, mal einen Schlag nach Norden, dann wieder einen nach Süden. Zwei Schritte vor, einen zurück.“

„Ich kann ihre Flaggen erkennen!“ rief Dan O’Flynn. „Es sind Dons!“

„Na bitte“, sagte Hasard grimmig. „Entweder haben sie uns schon erkannt oder sie kommen, um uns zu kontrollieren. Ausweichen können wir ihnen nicht. Wir dürfen den schwarzen Segler nicht im Stich lassen.“

„Wäre doch gelacht, wenn wir vor denen auskneifen würden“, sagte der alte O’Flynn. „Was bilden die sich eigentlich ein?“

Hasard ließ den Kieker immer noch nicht sinken. „Ich an deiner Stelle würde nicht so selbstherrlich und vorschnell in meinem Urteil sein. Donegal, das sind zwei bestens armierte Kriegsschiffe. Ich kann ihre Stückpforten noch nicht zählen, aber ich nehme an, jedes trägt mindestens zwanzig Geschütze.“

„Meinst du, die putzen wir nicht weg?“

„Ich meine, daß Siri-Tong gehandikapt und kaum gefechtsfähig ist. Wir stehen dem Gegner allein gegenüber, falls wir kämpfen müssen.“

„Tja“, sagte Old O’Flynn, und das klang schon gar nicht mehr so überzeugt.

„Wir könnten uns als Spanier ausgeben“, schlug Shane vor. „Ich weiß, das schwarze Schiff läßt sich schlecht tarnen, es verrät uns. Aber wenn die Rote Korsarin alle blonden, nordischen Typen unter Deck versteckt, könnte es klappen. Die Dons werden in erster Linie mit uns palavern, an den Viermaster kommen sie wegen des Tangs nicht heran. So werden sie also gar keine Gelegenheit finden, unsere Freunde als Piraten zu entlarven.“

„Stimmt, und wir haben uns ja schon öfter als Spanier ausgegeben – mit Erfolg“, sagte Ben Brighton. „Warum sollte es nicht auch dieses Mal hinhauen?“

„Also gut, wir versuchen es“, erwiderte Hasard. „Alle blonden Männer verstecken sich. Pete, Stenmark, das gilt in erster Linie für euch! Ferris, auch du mit deinem roten Schopf verziehst dich am besten unter Deck. Dan, du bleibst im Großmars, zeigst dich nach Möglichkeit aber nicht, verstanden?“

„Aye, aye!“ Dan O’Flynn setzte sich hin. Arwenack tat das gleiche, und damit waren sie hinter der Segeltuchverkleidung ihres luftigen Postens verschwunden.

„Ed“, sagte Hasard vom Achterdeck aus zu seinem Profos. „Paß auf, wenn du die Kommandos auf Spanisch erteilst. Du weißt ja, daß du noch einen starken englischen Akzent hast. Und achte auf Sir John. Daß er sich bloß nicht verplappert.“

„In Ordnung, Sir“, erwiderte Carberry. Er grinste, pflückte sich Sir John, den roten Aracanga, von der Schulter und stopfte ihn sich einfach in die Tasche. Sir John beherrschte die gesalzensten und längsten Carberry-Flüche, aber nur auf Englisch.

„Heißt Flagge“, ordnete Hasard an. „Nehmt die schönste, die wir an Bord haben – die des spanischen Königs mit den Wappenzeichen von Kastilien und León. Damit werden wir genügend Eindruck schinden.“

Während sie weiter an dem Tangfeld entlangsegelten und alle erforderlichen Vorbereitungen für das Täuschungsmanöver trafen, hielt Hasard wieder Umschau. Auf dem schwarzen Schiff war Unruhe eingetreten. Siri-Tong und ihren Männern waren die beiden spanischen Kriegsschiffe natürlich auch nicht entgangen. Da die Schiffe mit ihren langwierigen Kreuzschlägen langsam, aber beständig auf sie zuzuhalten schienen, zerbrach sich auch die Korsarin den Kopf darüber, was wohl am besten zu tun sei.

Hasard ließ ihr signalisieren und teilte ihr in groben Zügen seinen Plan mit. Danach spähte er wieder zu den Spaniern.

Der Wind hatte noch etwas zugenommen und blies jetzt frisch bis handig aus Westen. Die beiden Feindsegler hatten den Kurs gewechselt und segelten jetzt einen Kreuzschlag nach Süden.

Dabei geriet die Walschule praktisch zwischen beide Parteien. Die Tiere ließen sich durch die Schiffe jedoch nicht stören, sie vollführten weiterhin ihre kühnen Sprünge. Vielleicht waren sie noch nie in ihrem Leben einem menschlichen Wesen begegnet.

„Muttertiere mit Kälbern und den dazugehörigen Ammen“, sagte Hasard zu seinem Bootsmann und Ersten Offizier. „Und der Anführer wacht über sie alle. Ich nehme an, sie kommen aus den kalten, südlichen Zonen und ziehen in wärmere Gefilde, damit die Weibchen in Ruhe und Geborgenheit ihre Jungen zur Welt bringen können.“

„Hasard.“ Ben Brighton wies zu den fremden Schiffen hinüber. „Ich habe eben die Stückpforten gezählt. Es sind fünfzehn an jeder Schiffsseite.“

„Dreißig Geschütze also auf jedem Schiff“, sagte der Seewolf nachdenklich. „Und jeder wiegt gut und gern seine 600 Tonnen. Das sind harte Brocken, Ben. Ich hoffe nur, sie fallen auf unseren Trick herein wie all die anderen Dons, die wir bisher damit hereingelegt haben.“

„Das Führungsschiff signalisiert uns!“ rief der junge O’Flynn über ihren Köpfen – auf Spanisch, der Vorsicht halber, denn die Spanier waren inzwischen auf weniger als eine Meile Distanz heran. Der Wind trug ihnen den Schall entgegen. „Wir sollen uns zu erkennen geben!“

„Hat der Tomaten auf den Augen?“ knurrte Old O’Flynn. „Sieht der unsere schöne weiße Spanier-Fahne nicht?“

„Dahinter steckt was anderes“, meinte Hasard. „Verdammt noch mal, wir haben es mit einem ganz Mißtrauischen zu tun. He, Dan!“

„Ich höre!“

„Signalisiere dem Kommandanten des Flaggschiffes da drüben, wir hätten unsere Nationalitätszeichen bereits gehißt – und außerdem heiße Don Diego de Almirante, der Kapitän dieses Schiffes, ihn herzlich willkommen.“ Er sprach jetzt ebenfalls spanisch – vorsichtshalber.

„Diego de Almirante?“ wiederholte Shane gedämpft. „Wo hast du denn den Namen her?“

„Er ist mir eben eingefallen“, erwiderte der Seewolf.

Dan tat, was Hasard ihm aufgetragen hatte, und in derselben Zeit gingen die spanischen Kriegssegler wieder über Stag, um einen neuen Kreuzschlag nach Norden zu fahren. Sie zogen dicht an der Walschule vorbei. Die Tiere verlagerten ihren Platz ein wenig näher zur „Isabella“ hin. Allmählich gerieten sie in eine Art Kessel zwischen den beiden so unterschiedlichen Verbänden.

Dan war mit dem Signalisieren fertig. Hasard wartete auf die Antwort der Spanier. Er lief mit seiner „Isabella“ immer noch am Ostrand des Tangfeldes entlang, hatte also Parallelkurs zu den Gegnern.

Plötzlich luvte drüben das Führungsschiff an. Hasard beobachtete es deutlich durch das Spektiv. Überlegend kaute er auf der Unterlippe. Was hatte der fremde Kommandant vor?

„Sollten wir nicht doch lieber gefechtsklar machen?“ sagte der alte O’Flynn.

„Das muß die Burschen noch argwöhnischer stimmen“, erwiderte Ben Brighton. „Wenn sie dichter heransegeln, sehen sie unsere schußbereiten Kanonen und wissen, was wir mit dem ‚herzlichen Empfang‘ in Wirklichkeit meinen.“

„Hölle und Teufel, das ist auch wieder wahr.“

Hasard sah als erster drüben bei dem Flaggschiff eine weiße Qualmwolke hochpuffen.

„Deckung!“ rief er. „Los, hinlegen, verdammt noch mal!“

Erst jetzt erreichte der Geschützdonner ihre Ohren. Sie ließen sich auf die Decksplanken fallen, auf der „Isabella“ wie auf dem schwarzen Schiff. Die feindliche Kugel heulte heran, schlug seitlich versetzt in Bugnähe der „Isabella“ in den Riesenseetang und jagte eine baumhohe Fontäne in die Luft.

Als sie wieder in sich zusammenfiel, richtete der Seewolf sich auf.

„Der Don hat uns durchschaut!“ schrie er. „Wie, das weiß ich nicht, aber wir können ihn nicht hinters Licht führen. Schiff klar zum Gefecht, Ed, und dann vertauscht ihr die spanische Fahne mit unserer Flagge!“

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 91

Подняться наверх