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2.

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Nach ihrem Stapellauf und der bewegten Jungfernfahrt lag die „Isabella IX.“ wieder am Ausrüstungskai von Plymouth. Neben ihr war der Schwarze Segler Thorfin Njals vertäut, dessen vier Masten majestätisch und würdig in den grauen Himmel ragten.

Philip Hasard Killigrew stand auf dem Achterdeck seines Schiffes und kontrollierte mit aufmerksamem Blick die Arbeiten, deren Ausführung er angeordnet hatte. Hesekiel Ramsgate – der Mann, der die „Isabella“ konstruiert hatte und nach Überzeugung der Seewölfe der beste Schiffsbauer von ganz England überhaupt war –, Schiffszimmermann Ferris Tucker, Big Old Shane, der ehemalige Schmied und Waffenmeister von Arwenack-Castle, und der Takelmeister Roger Brighton nahmen kleine Verbesserungen vor, die Ramsgate Hasard dringend empfohlen hatte.

Beispielsweise wurden jetzt Schwerwettersegel angeschlagen, denn es war ja harter Winter geworden. Das Anbringen des groben, schweren Tuches war eine Heidenarbeit, die ganze Crew packte mit zu, vom Profos Edwin Carberry bis hin zu den Zwillingen Philip und Hasard, und schließlich schickte Thorfin Njal noch ein paar seiner Männer als Verstärkung auf die „Isabella IX.“ hinüber.

Als der größte Teil der Arbeiten bewältigt war, rief Hasard Ramsgate, den Wikinger und Jean Ribault zu einer kurzen Besprechung in seine Kammer. Die vier Männer tranken ein Glas Brandy.

Dann wandte sich der Seewolf an Thorfin Njal und fragte: „Bleibt es wirklich bei dem, was du angekündigt hast? Ich meine, es wäre doch kein schlechter Gedanke, wenn wir auch weiterhin zusammen segeln würden.“

„Gewiß wäre das nicht schlecht“, brummte der Wikinger. Dann lachte er rauh. „Aber wohin führt denn der Kurs, wenn man fragen darf?“

„In die Neue Welt.“

„Auf Beutezug?“

„Natürlich auf Beutezug“, erwiderte Hasard. „Außerdem gibt es dort drüben noch ein paar Fleckchen Erde, die wir nicht richtig ausgekundschaftet haben.“

„Es existieren sogar Plätze, die wir überhaupt noch nicht kennengelernt haben“, fügte Jean Ribault hinzu. „Wenn ich da an das geheimnisvolle Florida denke, an die Küsten, die von Coronado und De Soto bereist wurden – da wartet noch so einiges auf uns, Freunde.“

„Hört sich hochinteressant an“, sagte Hesekiel Ramsgate. „Soll es da nicht auch den berühmten Jungbrunnen geben?“

„Ja“, erwiderte Jean. „Aber keiner weiß, ob die Quelle der ewigen Jugend tatsächlich irgendwo im Sumpf oder in der Wüste darauf wartet, entdeckt zu werden, oder ob die Geschichte nicht doch nur ein Hirngespinst ist.“

„Eine Legende“, sagte Hasard. „Ganz gewiß. Tut mir leid für dich, Hesekiel, aber du wirst auch so über hundert Jahre alt.“

„Doch wenn wir Gold am Golf von Mexiko finden“, sagte Jean Ribault, „dann ist das für uns mehr wert als irgendein obskurer Brunnen. El Dorado ist letzten Endes kein Traum, das haben die Funde der Spanier und Portugiesen im Süden der Neuen Welt bewiesen, nicht wahr?“

„Ja“, meinte der Seewolf. „Und es wird Zeit, daß wir ihnen wieder etwas von ihrem Reichtum abknöpfen, den sie sich auf unrechtmäßige Weise verschaffen. Wir sind die längste Zeit in Plymouth gewesen, jetzt geht es wieder auf große Fahrt.“

Thorfin Njal lachte und hieb sich mit der Hand auf den Oberschenkel. „Ich weiß schon, auf was ihr hinauswollt, ihr Halunken. Breitschlagen wollt ihr mich, oder? Überreden lasse ich mich aber trotzdem nicht. Sicher, wenn ich das alles so höre, wird auch mir der Mund wäßrig, das gebe ich zu. Aber ich habe von der Neuen Welt und von der Schlangen-Insel vorläufig trotzdem die Nase voll.“

„Mach doch, was du willst“, sagte Jean. „Fahr nach Norden hinauf und laß dir den Hintern abfrieren. Mir soll’s recht sein.“

Thorfin sah ihn drohend an. „Willst du meine Heimat beschimpfen?“

„Um Himmels willen, nein.“

„Bei Odin, es ist nicht nur kalt im Nordland!“ stieß der Wikinger hervor. „Dort findest du auch das Glück, Jean Ribault, Wärme und Behaglichkeit, Met und Rentiere, so viele du willst. Es zieht mich mit aller Macht nach oben in die eisige Kälte, ich habe sie lange genug entbehrt.“

„Na gut“, meinte Ribault. „Aber das mit Thule, den fernen und glücklichen Inseln, die du zu finden hoffst, ist ja doch bloß eine fixe Idee. Nein, reg dich nicht gleich wieder auf. Was ich dir in deinen Dickschädel hämmern will, ist nur folgendes: Die Sache mit Thule ist genauso erfunden wie die Mär vom Jungbrunnen.“

„Da hört sich doch alles auf“, sagte der Wikinger entrüstet. „Hast du überhaupt eine Ahnung von den Geheimnissen des Nordens? Kennst du die Welt, in der Thor und Odin die Herrscher sind?“

„Nicht wie du“, erwiderte der Franzose. „Aber ich habe das, was man einen gesunden Menschenverstand nennt. Gegenfrage: Weißt du, wo du die Inseln Thule zu suchen hast?“

„Nein.“

„Du hast also nicht den geringsten Anhaltspunkt?“

„Nein. Aber ich werde sie finden.“

„Ich geb’s auf“, sagte Ribault. „Du bist ja doch nicht davon abzubringen, und gegen deinen Dickschädel kommt keiner an.“

„Thule“, wiederholte Ramsgate nachdenklich. „Liegt das nicht in Grönland?“

„Ja“, entgegnete Hasard. „Und wir sind auch schon dort gewesen, ehe wir die Nordwestpassage suchten. Die Eskimosiedlung Thule hat jedoch nichts mit den mysteriösen Inseln zu tun, von denen Thorfin spricht.“

„Sehr richtig“, bestätigte der Wikinger. „Aber nun laßt mich mal ein offenes Wort sprechen, Freunde. Ich drehe den Spieß um, Hasard, und ich frage dich: Wie wäre es, wenn du mich begleiten würdest? Das wäre doch eine gute Bewährungsprobe für deine ‚Isabella‘ und für deine Mannschaft.“

Der Seewolf lächelte. „Tut mir aufrichtig leid, aber du kannst mich nicht herausfordern, Thorfin. Ich will nach Amerika, und in diesem Punkt bin ich genauso störrisch wie du.“

Thorfin Njal hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Beim Donner, was soll’s? Dann trennen wir uns eben. Haben wir das nicht öfter getan und uns dann später wiedergetroffen? Was mich betrifft, so vergieße ich keine Walroßtränen, ich bin doch kein altes Weib.“

„Schon gut, darum ging es ja auch gar nicht“, sagte Hasard. „Ich will nur Klarheit. Jean, was ist mit dir?“

„Ich gehe von Bord, das habe ich ja auch schon angedeutet.“

„Ja. Hesekiel?“

„Ribault und ich haben darüber gesprochen“, entgegnete Ramsgate. „Wir werden zusammenbleiben, weil wir noch eine ganze Menge miteinander zu bereden haben. Besonders wegen der Schiffe, die Ribault bei mir in Auftrag geben will.“

Hasard nickte. Er kannte die Pläne, die Ribault und vor allem auch Siri-Tong mit der Schlangen-Insel hatten, und sie fanden seine volle Billigung.

„Gut, dann sind wir uns also einig“, meinte der Seewolf. „Jeder hat seine eigenen Vorstellungen, und was die Pläne für die Schlangen-Insel betrifft, bin ich einverstanden. Es gibt keine Einwände, wir trennen uns in vollem Einvernehmen. Darum ging es mir hauptsächlich.“

Sie erhoben sich und schüttelten sich stumm die Hände. Monate, so wußten sie, konnten vergehen, bis sie sich wiedersahen, möglicherweise auch Jahre. Ihre Augen drückten den Wunsch aus, daß sie alle unversehrt aus den Abenteuern zurückkehren mochten, die jetzt jeder von ihnen auf sich nahm. Doch sie sprachen das nicht offen aus. Sie wußten auch so, daß der Segen des einen die Reisen des anderen begleiten würde. Immer wieder würden sie sich der gemeinsam durchfochtenen Kämpfe entsinnen, und die Erinnerung an die Erlebnisse auf den Meeren gab ihnen neue Kraft für die Zukunft.

Am Nachmittag dieses Tages rollte auf dem Kai eine Kutsche vor, die von vier Pferden gezogen wurde. Die Männer der Crew, die auf dem Hauptdeck der „Isabella IX.“ ihren Dienst versahen und Wache schoben, wollten Ben Brigthon, Hasards Erstem Offizier und Bootsmann, einen entsprechenden Hinweis geben, doch Ben war bereits auf das Gefährt aufmerksam geworden und enterte vom Quarterdeck aus das Achterdeck, um die Kutsche genauer in Augenschein nehmen zu können.

Der Kutscher zerrte an den Zügeln, der Vierspänner stoppte. Drei Männer stiegen aus, von denen zwei wie auf eine vorher getroffene Vereinbarung hin am Schlag verharrten. Der dritte Mann – hochgewachsen, hager und distinguiert – schritt auf die „Isabella“ zu und grüßte, indem er seinen schmalkrempigen, hohen Filzhut abnahm und ein Stück hochhob.

„Lord Gerald!“ rief Ben und lachte. „Warten Sie, ich sage sofort Hasard Bescheid!“

„Tun Sie das, Mister Brighton“, erwiderte Gerald Cliveden, Lordschaft von Elizabeths I. Gnaden und Sonderbeauftragter Ihrer Majestät. „Darf ich inzwischen schon an Bord kommen?“

„Selbstverständlich dürfen Sie das!“ Ben sah zu Carberry, der von der Kuhl zu ihm aufblickte, und der Profos scheuchte sofort Jack Finnegan und Paddy Rogers los, die Cliveden an der Gangway in Empfang nehmen sollten.

Der elegante Herr in dem kurzen schwarzen Cape, den dunklen Hosen und den Schnallenschuhen begab sich also an Bord des neuen Schiffes und schüttelte den Männern, die er inzwischen bestens kannte, die Hände.

Dann sah er sich nach allen Seiten um, nickte anerkennend und sagte: „Wirklich, ein feines Schiff ist das, das muß man Mister Ramsgate lassen.“

Hesekiel Ramsgate hatte es vernommen, denn er war inzwischen mit Hasard, Jean Ribault und Thorfin Njal auf dem Quarterdeck erschienen.

Mister Ramsgates Augen blitzten.

„Das will ich meinen“, erwiderte er nicht ohne Stolz, „das derzeit Beste, was meine Werft zu bieten hat. Gerade recht für Mister Killigrew!“

„Willkommen an Bord, Lord Gerald“, sagte der Seewolf und schritt auf Cliveden zu, der sich anschickte, das Quarterdeck zu entern. „Darf ich Sie in meine Kammer bitten? Es freut mich aufrichtig, Sie wiederzusehen.“

„Und selbstverständlich fragen Sie sich, was mich zu Ihnen führt“, sagte Cliveden lächelnd und drückte ihm die Hand. Er begrüßte auch den Wikinger und alle anderen, die sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Achterdeck aufhielten.

„Ich sehe es Ihnen an, daß Sie etwas auf dem Herzen haben“, meinte Hasard. „Wollen wir es in aller Ruhe besprechen?“

„Ja.“ Noch einmal ließ Cliveden seinen Blick über die Decks, die Masten und die Takelung der „Isabella“ wandern. „Hat Ihr Schiff die Jungfernfahrt gut überstanden? Hat es sich bewährt?“

„Allerdings“, sagte Hasard.

„Ich hätte auch niemals gewagt, das Gegenteil anzunehmen. Vortrefflich, wirklich, ganz vortrefflich.“

Sie betraten mit Ben, Shane, Ferris, Old O’Flynn, dem Wikinger, Ribault und Ramsgate zusammen die Kapitänskammer, und Hasard berichtete von der ersten Fahrt der „Isabella IX“. Dann rückte Cliveden ohne große Umschweife mit seinem Anliegen heraus.

Er zog aus der Innentasche seines Capes ein dickes Kuvert hervor. Es war mit dem Siegel der Königin versehen, wie die Männer sogleich erkannten.

„Ich habe die offizielle Aufgabe, Sie zu fragen, ob Sie einen neuen Auftrag übernehmen würden, Mister Killigrew“, sagte der Lord. „Ihre Majestät bittet Sie darum.“

„Das ehrt mich. Aber um welche Art von Auftrag handelt es sich?“

„Darüber kann ich leider keine nähere Auskunft geben.“

„Wie bitte?“ Hasard war nun doch reichlich verwundert. „Wie soll ich denn dann überhaupt beurteilen, ob ich ihn ausführen kann oder nicht?“

Cliveden lächelte wieder. „Sie können es, Mister Killigrew, davon bin ich fest überzeugt. Sie sind gleichsam prädestiniert, dieses Unternehmen durchzuführen. Ihr Frankreich-Auftrag ist ein voller Erfolg geworden, trotz aller Widrigkeiten, mit denen Sie zu kämpfen hatten. Sie glauben ja gar nicht, wie sehr Ihr Ansehen bei Hof gestiegen ist.“

Ja, das Unternehmen in der Bretagne – der Seewolf hatte Yves Grammont und den spanischen Spionen das Handwerk gelegt, und er hatte gleichzeitig auch Easton Terry, der ihm als Verbündeter zur Seite hatte stehen sollen, als einen gefährlichen Verräter entlarvt. Gerade diese Erfahrung war ihm eine Lehre gewesen, und aus diesem Grunde verspürte er jetzt auch eine gehörige Portion Skepsis.

Andererseits konnte er diesen neuen Auftrag – den er nicht einmal in seinen Ansätzen kannte – schlecht abschlagen, weil zum einen die Königin dahinter-stand und zum anderen Lord Cliveden ihm gegen den Schnösel Marquess Henry geholfen hatte, der die „Isabella“ hatte requirieren wollen, jetzt aber aufgrund seiner Eigenmächtigkeit von seinem Vater abberufen worden war und künftig auf seinem Landsitz friedlich Hühner züchten würde.

„Ich weiß, Sie denken an die Sache mit Easton Terry“, sagte der Lord nun von sich aus. „Aber Sie werden dieses Mal keinen Mitstreiter zur Seite haben, auf den Sie sich nicht verlassen können, Mister Killigrew. Sie werden allein sein. Doch gerade die Affäre Terry ist der Grund dafür, warum die Königin diesmal eine versiegelte Geheimorder ausgestellt hat. Keiner soll vor dem richtigen Zeitpunkt davon erfahren, wie der Auftrag lautet, nicht einmal Sie selbst.“

„Und wann tritt der richtige Auftrag ein?“ fragte Hasard. „Wenn ich nicht einmal den Kurs kenne, wohin soll ich mich dann wenden?“

„Nach Skagen sollen Sie segeln, erst dort dürfen Sie das Siegel aufbrechen und die Order lesen“, erwiderte Cliveden.

Die Seewölfe sahen sich verdattert an. Nur Thorfin Njal begann zu lachen.

„Skagen?“ wiederholte er. „Bei Odin, also doch eine Fahrt hoch in den Norden hinauf, Hasard, nicht in die Neue Welt. Ich habe das Gefühl, wir begegnen uns doch bald wieder.“

„Halt mal die Luft an, du behelmter Nordpolbär“, sagte Shane. „Noch ist gar nicht sicher, ob wir diesen Auftrag auch wirklich übernehmen.“

„Mann, was haben wir bloß verbrochen?“ brummelte der alte O’Flynn. „Nach Eis und Schnee steht mir nicht der Sinn. Außerdem geht da oben bestimmt was schief, ich spür’s in meinem Beinstumpf. Wir saufen mit der ‚Isabella‘ ab, und dann …“

„Und dann hängen wir dich als Treibanker außenbords“, fiel Ben ihm ins Wort. „Fängst du jetzt wieder mit deiner Schwarzmalerei an?“

„Darf ich die Gentlemen um Ruhe bitten?“ sagte der Seewolf. „Vorläufig ist überhaupt nichts entschieden. Oder vielleicht doch?“

„Nein, Sir“, sagten die Männer.

Lord Gerald Cliveden war ihren Worten halb amüsiert, halb beunruhigt gefolgt. Er wollte sich wieder an Hasard wenden, doch dieser kam ihm zuvor und fragte: „Was steckt hinter dieser Geschichte, Lord Gerald? Sie wissen doch bestimmt etwas mehr, als Sie zugeben wollen.“

Der Lord hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Tut mir leid, aber es ist mir nicht mehr darüber bekannt als das, was ich Ihnen bereits mitgeteilt habe. Sie wissen, daß Sie meinem Wort vertrauen können, Mister Killigrew. Ich würde mir nie einfallen lassen, auch nur etwas von dem, was ich wissen könnte, Ihnen gegenüber zu verheimlichen.“

„Verzeihen Sie, Sir, ich wollte Sie nicht beleidigen.“

„Natürlich können Sie auch ablehnen“, sagte Cliveden. „Niemand würde Ihnen das verübeln. Aber, wie gesagt, bei Hofe wäre man hocherfreut, wenn Sie auch dieses Mal wieder die hohe Verantwortung akzeptieren würden, mit der man Sie betraut. Lassen Sie mich nur noch das eine erwähnen: Man würde es Ihnen sehr hoch anrechnen, wenn Sie einschlagen.“

Hasard überlegte scharf. Clivedens Anliegen zog ihm einen Strich durch die Rechnung, denn er hatte so schnell wie möglich in die Neue Welt hinübersegeln wollen. Aber er konnte und wollte den Lord nicht zurückweisen, das wäre schäbig und unehrenhaft gewesen.

„Welchen Kurs soll ich nehmen, um nach Skagen zu gelangen?“ fragte er.

„Durch den Kanal, an der Nordseeküste entlang, dann nach Helgoland hinüber, schließlich Richtung Jütland und nach Skagen hinauf. Dort können Sie dann die königliche Order öffnen. Ich glaube, sie enthält einen hochinteressanten Auftrag, denn die Königin würde Sie nicht auf diese Reise schicken, wenn es keine wichtigen Hintergründe dafür gäbe.“

„Irgendwelche Aufwiegler?“ fragte Ben Brighton. „Droht England etwa auch von Osten her Gefahr?“

„Ich weiß es nicht“, versetzte der Lord und stieß einen Seufzer aus. „Auch mir wäre wohler zumute, wenn ich wenigstens einen Anhaltspunkt erhalten hätte. Doch selbst mir gegenüber hat Ihre Majestät strengste Geheimhaltung gewahrt.“

„Vielleicht geht es darum, einen Schatz zu heben“, sagte Ferris Tukker.

„Oder aber wir sollen uns die Köpfe einschlagen lassen“, brummte der alte O’Flynn. Er sprach jedoch nicht weiter, denn Ben und Shane warfen ihm vernichtende Blicke zu.

Hasard wandte sich zu seinen Männern um. „Also los. Wer etwas zu sagen hat, soll es jetzt vorbringen. Ben, geh bitte an Deck und versammle die Männer. Ich will, daß beraten und abgestimmt wird, unterrichte sie über alles, was Lord Gerald uns vorgetragen hat.“

„Aye, Sir.“ Ben drehte sich um und verließ den Salon, er eilte auf das Hauptdeck hinaus und begann, mit Carberry, seinem Bruder Roger, Blacky, Batuti, Gary Andrews, Luke Morgan, Finnegan, Rogers und allen anderen zu sprechen.

„Irgendwie reizt mich die Sache jetzt“, sagte Big Old Shane. „Wer weiß, welche Überraschung Skagen für uns bereithält? Es könnte ja auch mal ein Auftrag sein, in dem sich Nützliches mit dem Angenehmen verbinden läßt.“

„Zum Beispiel?“ fragte Ferris.

„Vielleicht sollen wir skandinavische Kneipen auskundschaften“, sagte Shane, und dann lachten sie alle.

Wenig später ließ der Seewolf abstimmen, und die komplette Besatzung der „Isabella“ erklärte sich damit einverstanden, den Auftrag zu übernehmen. Keiner widersetzte sich, keiner enthielt sich der Stimme – Ehrensache, denn allein Lord Gerald Cliveden gegenüber, der alle Sympathien der Crew auf seiner Seite hatte, durfte man sich keine Blöße geben.

So nahm Hasard das versiegelte Kuvert aus der Hand des Lords entgegen und sagte: „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, Sir, es erst in Höhe von Skagen zu öffnen. Von jetzt an werde ich die Order sorgsam verwahren, so daß nur ich Zugang dazu habe.“

Cliveden gab ihm die Hand. „Ich vertraue Ihnen und Ihren Männern, Mister Killigrew. Meine besten Wünsche begleiten Sie, und ich hoffe, daß Sie es nicht bereuen werden, der Königin und insbesondere mir diesen Gefallen zu erweisen.“

Er verabschiedete sich und ging von Bord. Hasard betrat das Achterdeck und blickte ihm nach, wie er in seine Kutsche stieg, noch einmal zur „Isabella IX.“ herübergrüßte und dann davonfuhr.

Noch wußte Hasard die Bedeutung dessen, auf das er sich eingelassen hatte, nicht zu ermessen, aber er hoffte inständig, daß die neue Reise im Auftrag der Königin keine Enttäuschung für seine Männer und ihn werden würde.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 302

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