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2.

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Die beiden Jollen schoben sich durch die flache Brandung und wurden vom Ufersand gestoppt. Knirschend rammten sich ihre Bugpartien fest, und gleich darauf stiegen ihre Insassen aus: allen voran Hasard, dann Ben, Shane, Ferris, Smoky, Dan O’Flynn, Blacky, der Profos und der größte Teil der Crew.

Old O’Flynn war an Bord der „Isabella“ zurückgeblieben und hatte für die Zeit von Hasards Abwesenheit das Kommando an Bord übernommen. Bei ihm waren nur noch Will Thorne, Stenmark, der Kutscher und Batuti. Philip und Hasard junior, die Söhne des Seewolfs, hatten diesmal mit ihrem Bitten Erfolg gehabt. Ihr Vater hatte sie mitgenommen. Auch Bill, der Moses, war mit bei dem Trupp, der recht erwartungsvoll am Ufer landete.

Zuerst sah es so aus, als wollten sich die Mädchen mit offenen Armen den Männern entgegenwerfen, doch der Buntgekleidete rief ihnen etwas zu, und so blieben sie artig, wenn auch nach wie vor verheißungsvoll lächelnd, bei den Stoffballen, der Kiste und dem Krug stehen, während sich der Mann würdigen Schrittes den Besuchern näherte.

„Was war das für eine Sprache?“ fragte Philip junior seinen Vater.

„Italienisch.“

„Was, hier – so nah bei Südamerika, Dad?“ sagte der Junge überrascht. „Hier müßten die Leute doch eigentlich Portugisisch oder Spanisch sprechen.“

„Sei nicht so vorlaut“, wies sein Vater ihn zurecht. Dann löste er sich mit drei Schritten von der Gruppe seiner Männer und trat vor den Buntgekleideten hin.

Dieser blieb dicht vor ihm stehen und streckte ihm lächelnd die Hand entgegen.

„Gestatten Sie, Senor?“ sagte er – diesmal im besten Kastilisch. „Mein Name ist Augusto Sabatini, und ich heiße Sie im Namen aller Bewohner der Insel Martin Vaz willkommen – herzlich willkommen. Wir haben schon lange keinen Kontakt mehr zur Außenwelt gehabt und freuen uns darüber, endlich einmal wieder Gäste zu haben.“

Hasard ergriff die ihm dargebotene Hand und drückte sie fest.

„Ich heiße Philip Hasard Killigrew“, sagte er. „Danke für die freundliche Begrüßung. Darüber haben wir uns sehr gefreut.“

„Wie, Sie sind kein Spanier?“ stieß Sabatini verblüfft aus.

„Haben Sie mich dafür gehalten?“

„Ja, jedenfalls schien mir Ihre Galeone, die ich schon sehr früh von der höchsten Erhebung der Insel aus entdeckte, spanischer Bauart zu sein.“

„Weit gefehlt“, sagte Hasard lächelnd. „Wir sind Engländer – und Sie stammen aus dem schönen Land Italien, nicht wahr?“

„Aus Genua, um es genau zu sagen.“

„Leben Sie schon lange hier?“

„Seit Jahren“, sagte der Genuese lachend. „Aber all das können wir uns doch viel besser in unserem kleinen ‚Paese‘, in unserer Siedlung erzählen, finden Sie nicht auch, Senor Killigrew? Kommen Sie, ich führe Sie und Ihre Männer hin. Das Dorf liegt nur zwei Meilen von hier entfernt am nördlichen Ufer.“

Hasard zögerte.

Sabatini wies an seiner Schulter vorbei auf die „Isabella“. „Ich sehe, Sie haben Ihre Geschütze ausrennen lassen. Eine Vorsichtsmaßnahme, die bei Seefahrern durchaus üblich ist. Aber hier ist sie nicht angebracht, glauben Sie mir, Senor Killigrew.“

Der Seewolf nickte ihm lächelnd zu und sagte: „Gut. Aber wie ist die Ankermöglichkeit am nördlichen Ufer? Vielleicht sollten wir mit unserer ‚Isabella‘ dorthin verholen.“

„Hier in der Bucht liegt sie geschützter. Am Nordufer haben wir nur eine kleine Pier für unsere wenigen Boote, und es gibt kein Hafenbecken oder eine Reede, auf der Segler zu ankern vermögen.“

„Dann wäre es doch sinnvoller gewesen, die Siedlung hier zu errichten“, sagte Hasard.

Sabatini schüttelte den Kopf. „Nein, nein, ganz gewiß nicht. Sie werden gleich noch sehen, warum. Kommen Sie, und vertrauen Sie mir, Sie werden sich bei uns wohl fühlen.“

„Daran zweifle ich nicht. Und ich glaube Ihnen auch, daß Sie ein redlicher und unbescholtener Mann sind, Senor Sabatini“, sagte Hasard. „Aber wie steht es mit dem viel zitierten genuesischen Geschäftsgeist? Sagen Sie nur nicht, daß es Ihnen daran mangelt.“

Hasards Männer begannen zu lachen, und Sabatini schnitt eine vergnügte Grimasse.

„Richtig, richtig“, entgegnete er. „Ich bin ein geborener Händler, ein Kaufmann an Leib und Seele. Hier, sehen Sie, Senor Killigrew, diese wertvollen Stoffe habe ich herbringen lassen, um sie zum Verkauf anzubieten.“ Er wies mit einer großartigen Gebärde auf die Ballen, dann fuhr er fort: „Aber ich habe auch ein Geschenk für Sie und Ihre Kameraden, werter Gast. Von den Genuesen heißt es immer, sie wären geizig und würden jeden Heller dreimal umdrehen, bevor sie ihn ausgeben. Das ist eine schändliche Lüge.“ Er drehte sich zu den Mädchen um und sagte: „Portatemi il coccio – bringt mir den Tonkrug!“

Eine hübsche Blondine, die ein weißes Leinenkleid trug, und eine Dunkelhaarige, deren glutvolle Augen sich immer wieder auf den Seewolf richteten, trugen den Krug heran und setzten ihn zwischen Hasard und Augusto Sabatini im Sand ab. Auf einen Wink des Genuesen hin traten sie wieder ein paar Schritte zurück.

Hasard blickte in die Öffnung des Kruges, und auch seine Männer versuchten festzustellen, was das Gefäß denn nun eigentlich enthielt.

Sabatini bückte sich und griff mit der Hand in den Krug. Was er zum Vorschein brachte, war nicht dazu angetan, bei den Seewölfen Jubel auszulösen. Es waren schwarze, ovale Gebilde, die so ähnlich wie Kirschen aussahen und doch keine waren.

„Oliven“, sagte Hasard ohne Begeisterung.

Sabatini erhob sich und reichte ihm vier, fünf ölige Früchte auf der Handfläche.

„Es gibt grüne und schwarze Eßoliven“, erklärte er. „Aber die schwarzen sind meiner Meinung nach die besten. Olive in salamoia – Oliven in Salzlake, eine Spezialität meiner Heimat. Es ist mir gelungen, hier auf der Insel Martin Vaz Ölbäumchen anzupflanzen, die inzwischen größer geworden sind und einen recht guten Ertrag bringen. Sie kosten uns also keinen Centesimo – bitte, probieren Sie doch!“

Hasard wollte nicht unhöflich sein. Er nahm eine Olive aus Sabatinis Hand, steckte sie sich in den Mund und kaute darauf herum.

Der Genuese schritt an Hasard vorbei auf die anderen Männer zu und bot ausgerechnet dem Profos eine der schwarzen, fettig glänzenden Oliven an.

„Nun nehmen Sie schon, Senor“, sagte er aufmunternd. „Nur keine falsche Bescheidenheit.“

„Hölle“, brummte Carberry. „Warum hat er uns denn nicht einen Pakken Stoff oder die verdammte Kiste geschenkt?“ Vorsichtshalber sprach er englisch, damit der Buntgekleidete ihn nicht verstand.

„Du hast doch gehört, was Hasard über den sprichwörtlichen Geschäftsgeist der Leute von Genua gesagt hat“, flüsterte Ben Brighton ihm zu. „Und auch das mit dem Geiz stimmt natürlich, obwohl der Mann es abstreitet. Die Oliven kosten ihn nichts, deshalb schenkt er sie uns.“

Mit grimmiger Miene nahm Carberry eine Olive zwischen Zeigefinger und Daumen. Er blickte sie nachdenklich an, und fast hatte es den Anschein, als wolle er sie samt ihrem Kern zerquetschen. Doch auch er wollte die ungeschriebenen Gesetze der Höflichkeit nicht verletzten. Darum schob er sich die Olive zwischen die Zähne.

Sein großer Unterkiefer bewegte sich mahlend hin und her – und dann krachte es verdächtig zwischen den Profos-Zähnen. Jetzt war es mit den guten Manieren und dem Anstand bei Carberry doch vorbei. Er stieß einen saftigen Fluch aus und spuckte die Reste der Olive in den Sand.

„Beim Henker“, sagte er wütend. „Daran beißt man sich ja die Zähne aus.“

Die Mädchen kicherten und hielten sich die Hände vor die Münder. Auch Sabatini war sichtlich amüsiert.

„Oliven sind nicht jedermanns Sache“, sagte er.

„Das nicht!“ rief Dan O’Flynn. „Aber ich mag sie gern. Geben Sie mir eine, Senor, ja, gut, danke schön.“ Er verzehrte eine Olive und dann gleich noch eine und blickte dabei zu Carberry hinüber, um ihn zu ärgern.

„Elender Verräter“, sagte der Profos.

„Fein“, sagte der Genuese nun. Er gab der Blonden und der Schwarzhaarigen durch eine Gebärde zu verstehen, sie sollten den Krug mit den Oliven zu den Jollen tragen. „Wenn wenigstens einige Ihrer Männer Gefallen an dem Geschenk finden, so ist der Zweck erfüllt, Senor Killigrew.“

„Herzlichen Dank. Wir werden Ihre Großzügigkeit zu schätzen wissen.“ Hasard sprach diese Worte, ohne eine Miene zu verziehen.

„Oh, das ist doch nicht der Rede wert“, meinte Sabatini. „Nur eines noch – ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihrem Koch oder Proviantmeister sagen würden, er solle den Inhalt des Kruges in ein anderes Gefäß entleeren und mir den Krug zurückerstatten, ehe Sie wieder davonsegeln.“

„Ich werde dafür sorgen, daß es geschieht“, versprach Hasard.

Carberry blickte Ben Brighton von der Seite an und raunte – wieder auf englisch: „Langsam geht der Kerl mir auf die Nerven. Weißt du, wohin er sich seinen verdammten Tontopf von mir aus stecken kann?“

„Ja“, erwiderte Ben und grinste.

Hasard sagte: „Also schön, wir gehen mit Ihnen in Ihr Dorf, Senor Sabatini. Nur verraten Sie mir eines: Wer sind diese netten jungen Mädchen?“

Der Genuese deutete auf die Blonde und die Schwarzhaarige, die den Tonkrug unter den Blicken der Männer der „Isabella“ in einer der Jollen verstaut hatten.

„Die Dunkle ist Sabrina, die andere heißt Stefania“, erklärte er voll Würde. „Beide sind meine Töchter.“ Er drehte sich um und wies auf das übrige halbe Dutzend Mädchen. „Diese dort sind die Töchter meiner italienischen und portugiesischen Freunde auf dieser Insel. Wir sind eine einzige große Familie von Kolonisten, Senor Killigrew, und wir Genuesen sind mit den Freunden aus Portugal, die wir seinerzeit hier schon angetroffen haben, eine echte – nun, Symbiose eingegangen. Wir verstehen uns hervorragend.“

„Was ist eine Symbiose?“ wollte der Profos von Ben Brighton wissen.

„In diesem Fall das friedliche Zusammenleben zweier verschiedener Nationalitäten“, erwiderte Ben.

„Zum Teufel damit“, zischte Ferris Tucker hinter ihnen. „Wie mir scheint, dürfen wir uns an die lieben, braven Mädchen nicht heranpirschen, denn die sind für solche Zwekke nicht bestimmt.“

Dan O’Flynn trat vor und sagte: „Ich habe auch noch eine Frage, Senor Sabatini. Was verbergen Sie in Ihrer Kiste? Ist das ein Geheimnis?“

„O nein, o nein“, versicherte der Genuese eilfertig. Er setzte eine bedeutsame Miene auf, beugte sich über die kleine Truhe, öffnete ihren Deckel und richtete sich wieder auf, damit alle den Blick auf den Inhalt frei hatten.

Die Kiste schien vor lauter Perlenketten, Diamantbroschen, Diademen und Ringen, mit denen sie bis obenhin angefüllt war, überzuquellen, und auf den ersten Blick schien dies ein Schatz von unermeßlichem Wert zu sein – aber nur auf den ersten Blick.

Hasard, Ben, Shane, Carberry und ein paar andere Männer näherten sich der Truhe, und der Seewolf sagte: „Man könnte wirklich meinen, das seien Gold, Silber und Diamanten.“

„Dabei ist es alles nur Katzengold“, sagte der Profos abfällig.

„Wertloser Plunder“, sagte Shane. „Der reinste Tand.“ Zum Glück sprach auch er englisch, so daß Sabatini ihn nicht verstehen und sich wegen seiner Bemerkungen beleidigt fühlen konnte.

„Meine Herren“, sagte der Genuese, und seine Stimme klang jetzt geradezu salbungsvoll. „Ich kaufe den Seeleuten, die bei uns einkehren, alle Waren ab, die sie entbehren können und wollen. Dann veräußere ich diese Güter an andere Männer weiter, die unsere Insel besuchen, ganz gleich, welcher Herkunft sie sind. Ich komme mit allen gleichermaßen gut aus, wie es sich für einen Kaufmann gehört. Fast alles kann ich wieder absetzen – nur für echten Schmuck hätte kein Mensch das nötige Kleingeld, glauben Sie mir. Die liebe Mutter oder die Braut zu Hause nimmt aber auch gern eine Kette oder einen Reif dieser Art an, wenn der lange erwartete Seefahrer endlich in seine Heimat zurückkehrt.“

„Talmi“, sagte Matt Davies zu Luke Morgan. „Herrgott, ich dachte, das Zeug schenken die Dons nur den Eingeborenen, wenn sie sie friedlich stimmen wollen.“

Augusto Sabatini lächelte den Männern der „Isabella“ auffordernd zu. „Nur zu, greifen Sie zu und betrachten Sie sich alle Stücke – vielleicht ist das eine oder andere dabei, das Ihnen gefällt. Ich räume Ihnen einen Sonderpreis ein.“

„Besten Dank“, sagte Ferris Tukker. „Aber wir sind Besseres gewohnt.“

Hasard warf ihm einen warnenden Blick zu, doch es war zu spät. Ferris sah zwar ein, daß er einen Fehler begangen hatte, aber zurücknehmen konnte er seine Äußerung nicht.

Sabatini sah den Schiffszimmermann der „Isabella“ aufmerksam an.

„Wie denn?“ fragte er. „Sie sind mit echtem Gold und Silber, mit Rubinen und Smaragden vertraut? Das kennt man doch sonst nur von den Spaniern, die aber leider recht selten hier vorbeisegeln. Haben Sie etwa eine kostbare Ladung an Bord? Santo Cielo, dabei hatte ich Sie für ganz harmlose Kauffahrer gehalten.“

„Das sind wir auch“, entgegnete der Seewolf an Ferris’ Stelle. „Wir haben Bauhölzer nach Ormuz gebracht, denn unsere Landsleute versuchen, dort Fuß zu fassen. Leider müssen wir leer nach Plymouth, unserem Heimathafen, zurückkehren, weil es keine Rückladung für uns gab.“

„Ach“, sagte der Genuese gedehnt. „So ist das.“ Es entging Hasard nicht, daß er einen prüfenden Blick zur „Isabella“ hinüberwarf, so, als wolle er ihren Tiefgang abschätzen.

Sabatini sah ihn wieder an und erkundigte sich: „Und wegen der Windverhältnisse haben Sie den Kurs gewählt, der Sie an der östlichen Spitze Südamerikas vorbeiführt, Senor Killigrew?“

„Ja.“

Sabatinis Miene wurde traurig. „Und Sie sind nicht einmal an meinen schönen Stoffen interessiert?“

„Doch“, erwiderte der Seewolf vorsichtshalber. „Im Dorf sehen wir sie uns genauer an, einverstanden?“

„Voll und ganz“, sagte der Genuese, und seine Züge hellten sich wieder auf. „Wir kommen also doch noch ins Geschäft miteinander – wunderbar! Wollen die Senores mir jetzt bitte folgen?“

„Ja.“ Hasard wandte sich zu seinen Männern um und sagte: „Ferris, Luke und Bob, ihr kehrt mit dem einen Boot zur ‚Isabella‘ zurück. Jeff und Bill, ihr haltet hier bei der zweiten Jolle Wache, bis ihr einen anderslautenden Befehl erhaltet.“

„Aye, Sir“, antworteten die Männer.

Fünf Männer blieben also bei den Booten, die anderen schritten hinter dem Genuesen her, der sich jetzt an die Spitze der acht Mädchen setzte und den Uferfelsen zustrebte.

Ärgerlich fuhr sich Ferris Tucker mit der Hand über den Nacken.

„Verdammt noch mal“, sagte er. „Geschieht mir ganz recht, daß ich nicht mit ins Dorf gehen darf. Das hat man davon, wenn man sein Maul zu weit aufreißt.“

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 218

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