Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 401 - Roy Palmer - Страница 6

2.

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Bei einem Etmal von nahezu einhundertvierzig Seemeilen pro Tag standen die sechs Schiffe am Nachmittag des 21. Juli, nach zwei vollen Tagen also, südlich der Columbus-Bank beim Cay Santo Domingo am östlichen Ausgang des Alten Bahama-Kanals und harkten in auseinandergezogener Dwarslinie nach Westen die See ab.

An Bord der „Isabella“ hatten zu diesem Zeitpunkt Gary Andrews und Sam Roskill die Ausguckposten inne. Gary, der Fockmastgast, war es, der als erster den kleinen Dreimaster sichtete, der sich aus westlicher Richtung näherte.

„Mastspitzen!“ meldete er, dann richtete er sein Spektiv auf die Erscheinung, die sich wie ein rumpfloses Gerüst aus den sanften Wogen hob. Er drehte am Okular und stellte die Schärfe richtig ein, dann stieß er einen Pfiff aus.

„Da brat mir doch einer einen Barsch“, sagte er. „Das ist ja – Donegal!“ Er ließ das Rohr sinken, beugte sich über die Segeltuchumrandung des Vormars und schrie: „Der Teufel soll mich holen – es ist die ‚Empress‘!“

Tatsächlich hatte er sich nicht getäuscht, es war wirklich die „Empress of Sea II.“ die in der breitgefächerten „Harken“-Formation der sechs Schiffe hängenblieb. Sie drehten bei, und die Mannschaften geiten die Segel auf. Kurze Zeit darauf hatte Old O’Flynn mit seiner „Empress“ zur „Isabella“ herangeschlossen, drehte ebenfalls bei und ging auf eine Distanz von knapp zwanzig Yards an sie heran.

„Holla!“ rief der Alte. „Das ist mal eine Überraschung! Was treibt ihr denn hier?“

„Dreimal darfst du raten!“ entgegnete Hasard, der ein Stück in den Lee-Besanwanten aufgeentert war und sich mit einer Hand in den Webeleinen festhielt. „Wir sind ganz auf Kampf eingestellt! Was bringst du für Neuigkeiten?“

Der Alte schien jetzt sehr erregt zu sein. „Du glaubst ja nicht, was wir erlebt haben! In der Nacht des 19. – im westlichen Bereich des Nicolas-Kanals!“

„Was?“ rief der Seewolf. „Spann mich nicht auf die Folter!“

„Wir sind auf die Schebecke von Don Juan gestoßen!“

„Und wer war an Bord?“ fragte Hasard. Seine Männer begannen bereits zu grinsen und sich untereinander mit den Ellenbogen anzustoßen. Die Zwillinge waren die ersten an Bord der „Empress“, die es bemerkten, aber sie hüteten sich, den Alten darauf aufmerksam zu machen.

„Na, halt dich mal schön fest!“ brüllte Old O’Flynn. „Du kommst nicht drauf, beim Henker nicht!“

„Laß mich raten!“ rief Hasard. „Don Juan de Alcazar natürlich – und Arne! Richtig?“ Er konnte sich sein Grinsen ebenfalls nicht mehr verkneifen.

„Stimmt’s oder stimmt’s nicht?“ brüllte Carberry. „Donegal, was ist los? Hat es dir die Sprache verschlagen?“

„Ihr Stinte!“ schrie der Alte mit hochrotem Kopf. „Ihr wißt ja schon alles! Hölle und Teufel, dann brauche ich ja gar nicht erst Aufklärung zu fahren und mir tage- und nächtelang die Augen aus dem Kopf zu starren! Genausogut kann ich in der Rutsche hängen und mir die Hucke voll saufen!“

„Beruhige dich!“ rief Hasard. „Es ist nicht unsere Schuld, daß wir bereits Bescheid wissen! Wir haben wieder eine Brieftauben-Botschaft aus Havanna empfangen, von dem guten alten Jussuf!“

Der Alte war immer noch wütend. „Zur Hölle mit ihm und seinen Nebelkrähen! Was stand in der Nachricht?“

„Arne hat sie noch selbst abgefaßt, bevor er an Bord der Schebecke in See gegangen ist!“ erklärte der Seewolf. „Er teilt uns darin lediglich mit, daß der Verband von zehn Schiffen ausgelaufen sei und daß die Schebecke ihm folge! Außerdem befindet sich der Gouverneur Don Antonio de Quintanilla an Bord des Flaggschiffes! Das ist alles, was wir wissen!“

„Das ist auch schon genug!“

„Wir haben Kriegsrat gehalten und sind mit den Schiffen ausgelaufen!“ fuhr Hasard unbeirrt fort. „Nur die ‚Wappen‘ unter dem Kommando von Renke Eggens liegt noch in der Bucht vor Anker!“

„Ein Fluchtmittel, wenn’s hart auf hart geht“, sagte der Alte brummig. „Eine gute Idee, obwohl wir alle nicht hoffen, daß es so weit kommt.“

„Donegal!“ rief Hasard. „Spaß beiseite – ich bin natürlich versessen darauf, nähere Einzelheiten zu erfahren! Ich muß unbedingt Genaueres über die Schebecke und Don Juans und Arnes Aktivitäten erfahren, verstehst du? Es könnte für unser weiteres Handeln von großer Bedeutung sein! Nur du kannst mir in allen Details berichten, wie es an Bord der Schebecke zugeht!“

„Du brauchst mir keinen Honig ums Maul zu schmieren!“ rief der Alte mit bitterböser Miene. Plötzlich hellte sie sich aber doch wieder auf. „Na ja, ich weiß natürlich genau Bescheid! Ein tolles Stück, diese Sache! Don Juan ist ja plötzlich wie umgewandelt!“

„Vielleicht ist es nur ein Trick von ihm!“ brüllte der Wikinger von Bord des Schwarzen Seglers herüber. „Sind wir sicher, daß er uns auf diese faule Art nicht reinlegen will?“

„Quark!“ schrie der Alte. Er war im Begriff, wieder fuchsteufelswild zu werden. „Wer hat dich überhaupt nach deiner Meinung gefragt, du Nordpol-Kannibale? Hölle, wenn ich einem Mann in die Augen sehe, weiß ich, was ich von ihm zu halten habe! Don Juan ist kein Schlitzohr! Der meint es ehrlich!“

„Wie hast du ihm mitten in der Nacht in die Augen sehen können?“ brüllte Thorfin Njal.

„Warum bist du nicht bei deiner Gotlinde geblieben?“ schrie der Alte. „Das wäre verdammt besser gewesen, für uns alle!“

„Auch Mary wartet auf dich!“

„Weißt du eigentlich, was du mich kannst?“

„Aufhören!“ rief der Seewolf. „Es hat wirklich keinen Sinn, daß ihr euch streitet! Donegal, du wolltest mir über Don Juans Gesinnungswandel erzählen!“

„Ich will es, aber ich werde dauernd unterbrochen!“ stieß der Alte hitzig hervor. Dann dachte er an die Begegnung mit der Schebecke zurück, und seine Züge glätteten sich wieder. „Also, wie gesagt, der Mann ist ganz anders, als wir ihn bisher gekannt haben, und ich wußte gar nicht, daß so ein guter Kern in ihm steckt. Ich meine – er könnte wirklich glatt einer von uns sein. Er paßt zu uns, kapiert?“ Er geriet jetzt fast ins Schwärmen. „Was für ein feiner Kerl das doch ist! Stellt euch vor – er hat, Bord an Bord, einen tüchtigen Schluck mit mir aus der Rumpulle getrunken! Ja, er kann mithalten, das schwöre ich euch!“

„Das hätte ich mir gleich denken können!“ rief Jean Ribault von Bord der „Le Vengeur III.“. „Kaum schickt man unseren Donegal mal allein los, nutzt er die Zeit, um Saufgelage abzuhalten! Sag mal, schämst du dich gar nicht, Donegal?“

„Hasard!“ schrie der Alte. „Warum schaffst du mir diese Bande nicht vom Hals?“

„Weil es sich um eine Flotte handelt!“

„Aber ich laß’ mich nicht anblöden!“

Der Seewolf wandte sich um und blickte zu den Schiffen. „Männer! Wir haben hier keine Zeit zu verlieren! Wer Donegal jetzt noch einmal unterbricht, der segelt zurück zur Schlangen-Insel, verstanden?“

Sie murmelten ihr „Aye, aye“ und steckten zurück, denn sie wußten, daß er es ernst meinte. Im übrigen war es ohnehin nicht ganz fair, Old O’Flynn ständig anzustänkern. Wie er Don Juan schilderte, war nämlich keineswegs eine Übertreibung. Er schätzte den Spanier völlig richtig ein, und er war stolz darauf, daß es Arne von Manteuffel gelungen war, einen solchen Kämpfer für den Bund der Korsaren gewonnen zu haben.

„Also, wo war ich stehengeblieben?“ fuhr er in seinem Bericht fort. „Richtig: Dieser Don Juan, das ist ein Kerl wie Samt und Seide, vom rechten Schrot und Korn! Den können wir brauchen! Und ich versichere euch, er ist voll auf die Seite des Bundes umgeschwenkt! Er hat jetzt keine Zweifel mehr! Er kämpft mit uns gegen den Verband – und das ist natürlich letztlich auf die Intrige des Gouverneurs zurückzuführen! Diese fette Qualle, dieser Don Antonio, hatte ihm einen Frauenmord anhängen wollen!“

„Und das ist ihm wohl auch gelungen, oder?“ rief Hasard.

„Ja! Don Juan ist jetzt ein Geächteter! So hat er den Weg zu Arne gefunden, und der hat ihm auch geholfen, die Crew der beschlagnahmten Schebecke aus der Gewalt der Schergen des Gouverneurs zu befreien und dann die Schebecke selbst im Hafen von Havanna zurückzuerobern!“

„Hochinteressant!“ feuerte Hasard den Alten an. „Weiter!“

„Nun, Arne hat Don Juan bei unserer Begegnung ja endgültig reinen Wein über alles eingeschenkt, was die Verwandtschaft mit dir betrifft und so. Auch die Zwillinge hat er ihm vorgestellt. Don Juan war ganz schön von den Socken.“

„Was ist weiter geschehen?“ wollte der Seewolf wissen.

„Wir haben uns wieder verabschiedet und sind noch in der Nacht ostwärts gesegelt, um euch den Anmarsch des Kampfverbandes zu melden“, erwiderte der Alte. „Hinter uns hat es ganz schön gekracht! Ein klares Zeichen dafür, daß Don Juan und Arne bereits voll eingestiegen sind!“ Plötzlich lachte er und rieb sich die Hände. „Fein, die Dons haben also die Schebecke am Hintern und werden sie nicht mehr los! Ich schätze, Don Juan und Arne spielen fleißig das bewährte Ruderanlagenzerschießen! Das wäre nämlich genau das, was ich an ihrer Stelle tun würde! Und Arne ist ja auch nicht auf den Kopf gefallen! Oder? Leute, es geht rund, und auch wir gehen jetzt in die vollen, nicht wahr?“

„Wie darf ich das auffassen?“ fragte Hasard.

„Daß ich mit euch segle, ist doch klar!“

„Irrtum! Du kehrst zur Schlangen-Insel zurück!“

„Nein!“ brüllte der Alte, und seine Schläfenadern schwollen bereits wieder bedrohlich an. „Das kommt gar nicht in Frage! Was soll ich da? Die ‚Wappen‘ ist doch dort!“

Seine Einwände nutzten ihm nichts, bei Hasard biß er auf Granit. „Du segelst zur Schlangen-Insel!“ rief Hasard noch einmal. „Das ist ein Befehl! Du wirst nach Westen hin Aufklärung fahren – für den Fall, daß es einzelnen Schiffen des Gegners gelingen sollte, nach Osten durchzubrechen und Kurs auf die Schlangen-Insel zu nehmen!“

„Das schaffen die Hunde nie!“ brüllte der Alte.

„Das hab’ ich auch gesagt!“ pflichtete der Wikinger ihm mit Stentorstimme bei.

„Ruhe!“ schrie Hasard. „Wir müssen mit jedem Eventualfall rechnen, das habe ich schon mal gesagt! Wenn der Feind durchbricht, gilt es, die Schlangen-Insel so schnell wie möglich zu alarmieren! Keiner kann diesen Dienst besser versehen als du, Donegal, das mußt du einsehen! Und wenn du es nicht einsiehst, ist es mir auch egal!“

„Aye, Sir!“ rief der Alte, aber man sah ihm an, wie schwer es ihm fiel.

„Ich sage es euch noch mal klipp und klar!“ rief der Seewolf seinen Männern zu. „Bei dem Verhältnis von sechs Schiffen des Bundes gegen zehn spanische Kriegsschiffe ist durchaus damit zu rechnen, daß nicht alles so verläuft, wie wir uns das erhoffen! Wie ich die Dinge sehe, steht uns der härteste Kampf bevor, den wir jemals ausgefochten haben!“

„Wir haben schon ganz andere Schlachten geschlagen!“ rief Carberry aufgebracht. „Hast du das vergessen?“

„Nein! Aber es stand seinerzeit weniger auf dem Spiel!“

„Wir hauen die Dons in Stücke!“ brüllte Smoky. „Hölle, es wäre doch gelacht, wenn wir ihnen mit Höllenflaschen und Pulverpfeilen nicht Feuer unter dem Hintern machen würden!“

„Allein darauf dürfen wir uns nicht verlassen!“ schrie Hasard. „Wir müssen voraussetzen, daß sie gut armiert sind und jede Menge Munition an Bord haben! Wir wünschen uns, daß Don Juan und Arne so viele Galeonen und Karavellen wie möglich außer Gefecht setzen, aber wir wissen nicht, ob sie es schaffen! Wir dürfen auf keinen Fall etwas voraussetzen, von dem wir keine Bestätigung haben! Und noch etwas! Der Gegner könnte leicht Verstärkung aus einem der Häfen an der Nordküste von Kuba erhalten! Habt ihr an diese Möglichkeit schon gedacht? Stellt euch vor, der Kriegsverband verdoppelt sich! Was dann?“

„Hör bloß auf mit der Unkerei!“ brüllte Old O’Flynn.

„Das tust du doch sonst immer!“ rief Hasard ihm zu. „Aber diesmal gilt es, besonders vorsichtig zu sein! Nur das will ich euch klarmachen, sonst nichts! Donegal, ist dir etwas über die Black Queen bekannt?“

„Ja! Daß sie die größte Hurentochter und das ausgekochteste Höllenweib aller Zeiten ist!“

„Wo steckt sie zur Zeit?“

„Ich habe keine Ahnung“, erwiderte der Alte. „Aber ich drücke uns die Daumen, daß wir es rauskriegen! Und dann gnade Gott oder sonstwer diesem Satansbraten!“

Er wußte nicht, daß die Schebecke Don Juans den Zweimaster der Black Queen am Abend des 20. Juli zusammengeschossen und zum Sinken gebracht hatte – und auch nicht, daß die Schwarze mit ihrer Meute von Kerlen zuvor an dem Kampfverband der Spanier Fühlung gehalten hatte. Über diese Ereignisse war ihm nicht einmal in Ansätzen etwas bekannt – erst später sollte der Bund von dem Zweimaster und seinem Ende erfahren.

Der Seewolf hatte vorerst genug gehört, Old O’Flynn hatte nichts mehr zu berichten. Ernst verabschiedeten sich die Männer voneinander, und Hasard winkte noch zu seinen Söhnen hinüber. Dann ging die „Empress of Sea II.“ gemäß Hasards Order auf Ostkurs. Der Verband segelte weiter in Richtung Westen, einem Schwarm stolzer Schwäne gleich, deren Konturen im heraufziehenden Dämmerlicht verblaßten wie die Pinselstriche auf einem unfertigen Gemälde.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 401

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