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2.

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In Damiette an der östlichen Mündung des Nils waren die Seewölfe gezwungen gewesen, sich zu trennen, denn als geschlossene Crew hätten sie die Heimreise nach England nicht antreten können. So hatte Philip Hasard Killigrew drei Gruppen gebildet. Die erste unterstand seinem Kommando, die zweite dem Befehl Ben Brightons, und die dritte wurde von Ferris Tucker angeführt.

Ferris Tucker, Edwin Carberry, Stenmark, der Kutscher, Blacky, Jeff Bowie, Bill und Luke Morgan waren gleich in Damiette an Bord einer französischen Galeone namens „Mercure“ gegangen, die mit Kurs auf ihren Heimathafen Brest ausgelaufen war.

Hasard und Ben waren mit ihren Gruppen an Bord der Beiboote der „Isabella VIII.“ noch bis nach Alexandria gesegelt. Hier hatten auch sie sich getrennt, und Ben Brighton, Pete Ballie, Al Conroy, Smoky, Sam Roskill, Bob Grey, Will Thorne und Old O’Flynn segelten seitdem an Bord einer Sambuke in westlicher Richtung an der nordafrikanischen Küste entlang, während der Seewolf selbst den Weg zur offenen See gewählt hatte.

Hasard, die Zwillinge, Dan O’Flynn, Big Old Shane, Gary Andrews, Batuti und Matt Davies hatten zunächst eine Feluke gesegelt, später hatten sie Uluch Alis Flaggschiff – ebenfalls eine Feluke – als Prise genommen. Auf Sardinien aber hatten sie die Feluke mit einer Einmast-Tartane vertauscht, und diese diente ihnen jetzt auf dem weiteren Kurs nach Westen als Fahrzeug.

Der Seewolf wußte seit dem Erlebnis auf der kleinen Insel Marittimo bei Sizilien einiges über das Schicksal der Ferris-Tucker-Gruppe, doch er ahnte nicht, daß Ferris und Ben mit den ihnen anvertrauten Männern bereits viel weiter westlich lagen als er selbst. Nur hoffen konnte er, daß sie sich bald wiedertrafen – doch diese Hoffnung sollte enttäuscht werden.

Zwei Gruppen der Seewölfe nahmen inzwischen also direkten Kurs auf Gibraltar – die von Ben Brighton mit der Sambuke und vier geborgenen Schatztruhen von dem Wrack der „San Marco“ an Bord und mit einem neuen Mann, nämlich Bens Bruder Roger Brighton, sowie die von Ferris Tucker auf der französischen Handels-Galeone „Mercure“.

Diese beiden Gruppen hatten ihr letztes zufälliges Zusammentreffen im Seegebiet um Malta gehabt, und zwar am 11. Juni 1592, als Bens Sambuke von den drei Feluken Muley Salahs umstellt worden, im letzten Moment aber von der Tucker-Gruppe mit der „Mercure“ herausgepaukt worden war. Beide Gruppen hatten sich nach kurzem Wiedersehen und einem gegenseitigen Erlebnisbericht wieder getrennt und waren erneut dem nach Westen verlaufenden Zielkurs gefolgt.

Ben Brightons Sambuke war schneller als die französische Galeone unter dem Kommando von Kapitän Delamotte. Infolgedessen stand er mit dem kleinen Schiff in dieser Nacht vom 20. auf den 21. Juni bereits südwestlich von Malaga, nur noch etwa fünfzig Meilen von Gibraltar entfernt. Die „Mercure“ jedoch befand sich zum selben Zeitpunkt erst südlich von Kap Gata, etwa auf der Höhe von Almeria, also ungefähr ein Etmal – eine Tagesreise – hinter der Sambuke.

Ben Brighton hatte sich während der letzten Tage so weit wie möglich an der spanischen Küste „entlanggemogelt“, um den nordafrikanischen Piraten aus dem Weg zu gehen, mit denen seine Männer und er eingehende Erfahrungen gesammelt hatten.

Bislang hatte seine Taktik den gewünschten Erfolg gezeitigt, und sie waren unbehelligt geblieben. Sobald sich voraus oder vom südwestlichen Sektor her etwas näherte oder in Sichtweite geriet, war er unverzüglich nach Norden ausgewichen, denn es war ratsam, sich mit Uluch Alis Galgenstricken nicht mehr anzulegen.

Jetzt aber waren die Männer an der Sambuke erschöpft, denn sie waren Tag und Nacht gesegelt – mit jeweils vierstündiger Wachablösung. Das zehrte auf die Dauer an Energien und Nerven, wenn man nur zwei Wachen zur Verfügung hatte. Und was die Ausgucks betraf: Wer vier Stunden ununterbrochen mit dem Kieker oder mit dem bloßen Auge die Kimm nach etwaigen Verfolgern absuchte und nadelfeine Mastspitzen zu erkennen trachtete, der wußte auch sehr wohl, was er getan hatte.

Doch bisher hatte es dank ihrer Aufmerksamkeit und ihrer Ausweichtaktik keine Unannehmlichkeiten mehr gegeben, und allein das zählte.

„Ärger kriegen wir im Mitelmeer nicht mehr“, sagte Old O’Flynn in dieser Nacht zu Ben Brighton. „Ich bin ja sonst ein alter Schwarzmaler, aber ich fühl’s in meinem Holzbein – bald sind wir im Atlantik und kriegen die Schatzkisten heil und sicher bis nach Plymouth rauf.“

„Langsam, langsam“, sagte Ben. „Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.“

„Wieso?“ fragte Pete Ballie grinsend. „Es ist doch schon stockdunkel, oder? Was soll uns denn jetzt noch passieren?“

„Ich will euren Optimismus nicht dämpfen“, entgegnete Ben. „Und ich verstehe sehr gut, wie euch zumute ist. Aber wir haben schon die unglaublichsten Sachen erlebt, das wißt ihr selbst. Laßt uns erst mal den morgigen Tag in Angriff nehmen und hinter uns bringen, dann könnten wir immer noch ‚Arwenack‘ schreien.“

„Da hast du wohl recht“, brummte der alte O’Flynn. „Und meistens gehe ich ja auch baden, wenn ich schon mal zuversichtlich bin. Hol’s der Henker, es ist schon ein Dreck, daß man nicht hinter die Kimm blicken kann.“

„Laß man, Donegal“, sagte Will Thorne, der ebenfalls mit zu dieser Wache gehörte. „Bislang ist alles klar gelaufen, und dabei bleibt es auch.“

Doch der vorsichtige, stets besonnene Ben Brighton sollte am Ende recht behalten – bald war es aus mit der Ruhe, schon am Tag, der auf diese Nacht folgte.

Das Gehöft lag nur schätzungsweise eine Meile von dem Metato entfernt, und zwar in östlicher Richtung. Juan und Baltasar gelangten zu der Überzeugung, daß Maria sie wohl doch nicht angelogen hatte. Alles schien zu stimmen.

Zu der Feststellung, daß die Kastanienröststube zu dem Bauernhof gehörte, brauchte man wahrhaftig keinen Scharfsinn. Juan dachte jedoch weiter und gelangte zu dem Schluß, daß es nach der vollzogenen Aktion auf jeden Fall ratsam war, nicht wieder in den Metato zurückzukehren, sondern sich tiefer in die Olivenhügel zurückzuziehen, um woanders unterzukriechen.

Stellte der Bauer nämlich frühzeitig fest, daß zweibeinige Marder in seinen Stallungen gewesen waren, dann suchte er mit Sicherheit zuerst die nähere Umgebung ab und sah garantiert in dem Häuschen nach dem Rechten.

Irgendwo anders würde es auch wieder verlassene Hütten geben, und so beschloß Juan bei sich, seine beiden Begleiter lieber zu einem längeren Marsch zu zwingen, um anschließend dann in Ruhe schmausen zu können, statt mit Angst im Nacken alles hastig herunterzuschlingen, nur um dem ewig mekkernden und jammernden Baltasar einen Gefallen zu tun.

Nachdem sie das Gehöft aus einem sicheren Versteck heraus einige Zeit lang beobachtet hatten, stand Juans simpler Plan fest. Einen Hund schien es nicht zu geben, sonst hätte man ihn hin und wieder bellen hören. Diese Gefahr war also von vornherein gebannt. Im Haus war alles ruhig, nirgends brannte Licht. Der Bauer und seine Familie schliefen mit Sicherheit den gerechten Schlaf der Arbeitsamen.

Die Hühner dösten in einem Verschlag, der an seiner Vorderseite von einem Zaun umgeben war. Von hinten konnte man in den kleinen Stall einsteigen, wenn man die Geschicklichkeit hatte, sich erstens lautlos zu bewegen und zweitens ein paar Latten zu lösen, die dann die erforderliche Lücke freigaben.

Juan verfügte über diese Fähigkeiten, folglich war er es, der sich an den Verschlag heranpirschte und an der Rückwand herumzubosseln begann, während Baltasar und Maria Wache standen.

Bald klaffte in der Holzwand des Stalles die Öffnung, die groß genug war, um Juans magere Gestalt durchzulassen. Der Rest war einfach: Er kroch ins Innere, wartete, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und begann nun mit dem „Einsammeln“, wie er es zu nennen pflegte.

Ganz friedlich hockten die Hühner auf ihren Stangen, Juan brauchte nur zuzugreifen, um sich gleich zwei von ihnen zu holen. In seinem Geist nahm bereits ein Bild Gestalt an: wie Maria die lieben Tierchen rupfte, nachdem Baltasar und er sie geschlachtet hatten, wie sie an einem rasch gebastelten Spieß über einem Feuerchen brieten und …

Der Traum zerplatzte wie eine Seifenblase, denn mit einemmal wurden die Hühner wie auf ein vereinbartes Zeichen hin äußerst lebendig. Etwas mußte sie geweckt haben, vielleicht eine unbedachte Bewegung von ihm, vielleicht aber auch ihr unergründlicher Instinkt.

Jedenfalls schlugen sie jetzt mit ihren Flügeln, gackerten und hüpften von den Stangen, um durch ein Schlupfloch zum Gehöft hin ins Freie zu entfliehen. Juan griff fluchend ins Leere, stürmte ihnen nach, zertrat zwei oder drei Eier und stieß sich dann an dem Gestänge, was ihn zu neuen Flüchen veranlaßte.

Überall, rund um ihn herum, waren Flattern und Gackern, und dann sprang ihm der Hahn ins Gesicht, der seinen Harem verteidigte. Juan fiel, rappelte sich wieder auf, wollte noch schnell ein Huhn packen, hatte aber wieder Pech. Es entwischte ihm durch das Loch. Draußen erklang das Bellen eines Hundes, fragende Stimmen wurden laut, irgendwo wurde ein Licht entfacht.

Juan hätte nun noch rasch ein paar Eier zusammengerafft, wenn nicht folgendes passiert wäre: Durch das Schlupfloch wischte ein Hund, kein sehr großes Tier, aber so wild wie ein Wirbelwind. Er fletschte die Zähne, knurrte und stürzte sich auf Juans Beine.

Juan hatte eben den Hahn abgewimmelt und wollte nach dessen Hals greifen, doch der Hund schnappte bereits nach seinen Waden, so daß sich ein schleuniger Rückzug empfahl. Juan verließ den Verschlag durch die Lücke, die er geschaffen hatte, der Hund folgte ihm, dann der Hahn – und da erschien auch der Bauer, fluchend und brüllend und mit einer doppelläufigen Steinschloßflinte in den Fäusten.

Nicht auf dem Weg durch den Hühnerstall rückte dieser Mann dem Dieb auf den Leib, nein, er tat gleich – wahrscheinlich aus einschlägiger Erfahrung – das einzig Richtige und lief um das selbstgebaute Häuschen herum. Er sah den ausgemergelten Mann, blieb stehen, schrie „Halt“ und „Stehenbleiben“ und legte auf ihn an.

Juan und der Bauer fluchten zusammen, dann krachte die Flinte, und Juan spürte es heiß über sich hinwegsengen. Sein einziges Heil lag nun in kopfloser Flucht, die er auch sofort antrat – zu Baltasar und Maria hinüber, die sich in richtiger Einschätzung der Situation zu den Büschen hin retteten, von denen aus das ungleiche Trio zuvor das Gehöft beobachtet hatte.

Juan rannte um sein Leben, denn der Bauer zielte erneut auf ihn, dieses Mal allerdings tiefer. Schon krachte die Flinte zum zweitenmal, aber Juan hatte die Geistesgegenwart, sich der Länge nach hinzuwerfen. Die Ladung ging wieder über ihn hinweg, sie bestand aus Schrot und war auf die größere Distanz entsprechend weit gestreut. So war es kein Wunder, daß zwei oder drei Bleikörnchen dennoch Juans Sitzfläche und Rücken trafen und kleine, heftig brennende Wunden hinterließen.

Er stöhnte, erhob sich wieder und eilte weiter, seinen Spießgesellen nach, die sich eben in die Büsche schlugen, um nicht mehr gesehen zu werden.

Der Bauer hantierte mit seiner Flinte und schien zu überlegen, ob es sich lohne, den Dieb mit einer ungeladenen Waffe zu verfolgen. Der Hahn flatterte in sinnloser Wut vor dem Verschlag herum und veranstaltete mit den aufgescheuchten Hühnern zusammen einen Heidenspektakel. Irgendwo vor dem Haupthaus schrie eine Frau und weinte ein Kind. Der Hund raste Juan nach und wollte schon wieder nach dessen Wade beißen, doch jetzt wurde es Juan zu bunt.

Er versetzte dem Tier einen Tritt. Der Bauer vernahm das Jaulen seines Hundes und stürmte Juan wutentbrannt nach. Er drehte die Flinte um und wollte den Kolben als Hiebwaffe benutzen.

Juan strebte mit langen Sätzen dem Gebüsch zu, doch er war trotzdem zu langsam. Der Bauer holte ihn ein und wollte gerade den Kolben der Flinte auf ihn niedersausen lassen, da geschah zweierlei. Juan duckte sich, fuhr herum und trat dem Mann mit voller Wucht gegen das Schienbein. Ein Stein flog aus dem Gebüsch und prallte dem Bauern gegen den Kopf, so daß er stöhnend zusammensank und die Waffe aus den Händen verlor.

Einer der Steine, die hier und da in den Olivenhainen herumlagen, war es gewesen, und Baltasar, der wenigstens etwas für seinen in Not geratenen Kumpanen hatte tun wollen, hatte ihn geschleudert.

Jetzt aber lag der Bauer reglos am Boden, und Juan blickte entsetzt auf seine Gestalt.

„Nun komm schon“, zischte Baltasar aus dem Dickicht. „Hörst du nicht? Da sind noch mehr Leute, und gleich springt dich der Hund wieder an.“

„Du elender Narr“, sagte Juan. „Du Schwachkopf, du Idiot.“

Baltasar fand zwar, daß dies nicht die rechte Art war, sich für die Rettung zu bedanken, aber ehe er Juan ebenfalls ein paar Kraftworte an den Kopf schleudern konnte, stürmten vom Hof her zwei Gestalten heran, und eine davon – vielleicht der Sohn oder der Bruder des Bauern – feuerten eine Schrotflinte in die Luft ab.

Der Hund wurde auch wieder mobil und nahm knurrend die Verfolgung der Diebe auf. Juan, Baltasar und Maria befanden sich derweil aber schon gut zehn Schritte entfernt und tauchten im Gebüsch unter. Hier verlor sich vorläufig ihre Spur. Während sie durch die Dunkelheit hasteten und darauf achten mußten, nicht zu stolpern und zu stürzen, vernahmen sie hinter sich das Fluchen der Männer, das Schreien der Frau und mehrerer Kinder, das Gackern der Hühner und das Bellen des Hundes.

„Du hast ihn umgebracht!“ fuhr Juan seinen dicken Kumpanen an, sobald sie eine kurze Strecke zurückgelegt hatten. „Das kommt uns teuer zu stehen!“

„Was? Ich habe – nein, das ist nicht wahr!“ stieß Baltasar empört hervor, fügte aber sonst nichts hinzu, weil er wieder mit dem Atmen Schwierigkeiten hatte.

„Der Kerl ist tot!“ keuchte Juan. „Und wir haben nicht mal ein lausiges Huhn erwischt!“

„Deine Schuld“, meinte Maria, die ziemlich gelassen geblieben war. „Du hättest ja nur richtig zupacken zu brauchen, und wir wären nicht leer ausgegangen.“

„Das wagst du zu sagen?“ zischte er. „Was nimmst du dir eigentlich heraus, du Miststück? Deinetwegen sind wir dem Bauern in die Falle gegangen! Halt bloß dein Maul oder ich …“

„Es war keine Falle“, unterbrach sie ihn.

Hinter ihnen krachte wieder ein Schuß, und das Gebrüll der Verfolger – offenbar hatte der Bauer eine sehr große Familie – nahm an Lautstärke zu.

Juan wollte Maria loswerden, doch sie ließ sich nicht abwimmeln. Gemeinsam setzten sie ihre Flucht fort und hörten nicht auf, sich zu streiten.

Ein Bruder und zwei Söhne des Bauern waren es, die jetzt die Olivengärten absuchten. Was Juan, Baltasar und Maria jedoch nicht ahnten, war die Tatsache, daß der Bauer selbst sich bereits wieder aufgerappelt hatte und nun ebenfalls mit seinem Hund in die Richtung wankte, von der er glaubte, daß sie die Fluchtstrecke der Diebe war. Baltasars Stein hatte zwar wirklich seinen Kopf getroffen, aber zum Glück nur die Kinnlade, was sehr schmerzhaft, aber nicht lebensgefährlich war.

Durch das Geschrei am Gehöft waren mittlerweile aber auch drei Reiter der „Guardia“ alarmiert worden, die nicht weit entfernt eine bislang ruhige, problemlose nächtliche Streife geritten hatten. Diese Männer, Soldaten aus einer nahen Garnison, die die Funktion einer Landpolizei erfüllten, trieben ihre Tiere an und begaben sich in die Richtung, aus der die Schreie ertönten.

Sie erreichten das Gehöft, als Juan, Baltasar und Maria gerade am Fuß der Hügel angelangt waren und sich der Küste zuwandten, wo sie sich zwischen Schilf und hohen Gräsern besser zu verstecken hofften.

Die Frau des Bauern setzte den Männern der Guardia auseinander, was geschehen war, und so ritten diese gleich weiter, um an der Jagd auf die verhinderten Hühnerdiebe teilzunehmen.

Bald wurde eine regelrechte Fahndung daraus: Die Bauern der umliegenden Gehöfte gesellten sich zu dem Geschädigten, brachten ihre Hunde und ihre Gewehre mit und versprachen, die elenden Halunken zur Strecke zu bringen, ehe der neue Tag anbrach. Eine gut durchdachte und entsprechend organisierte Aktion unter der Leitung der Soldaten begann, und man kämmte systematisch das Gelände zwischen Hügeln und Meeresufer ab.

Juan, Baltasar und Maria hasteten durch Schilf und Morast voran und sahen sich entsetzt an, als sie das Kläffen der Hunde und das Wiehern eines Pferdes hinter sich vernahmen.

„Ich hab’s ja gesagt“, flüsterte Juan betroffen. „Du hast ihn wirklich umgebracht, Baltasar, und jetzt ist die Guardia mit Pferden und Hunden hinter uns her. O du Dummbeutel, du Blödsack, was hab ich bloß verbrochen, daß ich mit so was wie dir zusammentreffen mußte?“

„Es tut mir leid“, stammelte Baltasar, aber etwas Geistreicheres fiel ihm im Augenblick nicht ein, er war viel zu erschrocken.

„Hört mal zu, ihr zwei“, raunte Maria. „Es hat doch keinen Zweck, daß ihr euch jetzt gegenseitig angiftet. Wir müssen hier weg, erst mal aus dem verfluchten Sumpf raus und dann direkt zum Meer. Das ist unsere einzige Chance, denn die Verfolger schneiden uns den Weg zum Landesinneren ab.“

„Was hast du vor?“ fragte Juan. „Willst du ins Wasser?“

„Ja. Begreifst du denn gar nichts?“

„Es gibt hier keine Insel, zu der wir schwimmen könnten. Außerdem kann Baltasar, dieser Trottel, gar nicht schwimmen.“

Sie lachte leise. „Wir nehmen uns ein Fischerboot. Wir finden bestimmt eins. Heute nachmittag hab ich gesehen, wie welche am Strand vertäut wurden. Hast du ein Messer?“

„Ja“, antwortete Juan.

„Dann nichts wie los, ehe wir die Hunde am Hals haben!“ stieß sie hervor. „Wir hauen mit einem Boot ab und rudern oder segeln ein Stück an der Küste entlang, bis wir außer Gefahr sind.“

Bei allen Vorbehalten, die Juan allein gegen die Gesellschaft dieser Frau hegte, mußte er doch eingestehen, daß es eine gute Idee war. So erklärte er sich rasch einverstanden, und sie liefen weiter bis zum Strand, wo sie wenig später dann auch tatsächlich ein unbewachtes Fischerboot fanden, das sie ins Wasser schieben konnten.

Sie kletterten hinein – Baltasar kippte fast in die Fluten zurück – und griffen nach den Riemen. Dann begannen sie zu pullen und verschwanden in der schützenden Dunkelheit.

Erst eine Stunde später fanden die Männer der Guardia und die Bauern ihre Spuren, und zu diesem Zeitpunkt erschien auch der Fischer, dem das entführte Boot gehörte. Er wohnte ein Stück vom Strand entfernt in einer schilfgedeckten Hütte, war aber erst aus dem Schlaf hochgeschreckt, als er das Trappeln der Pferdehufe und das Bellen der Hunde vernommen hatte.

Nachdem die Bauern ihm erzählt hatten, was vorgefallen war, benachrichtigte dieser Mann seine Freunde aus der Nachbarschaft, und nur kurze Zeit darauf lief eine kleine Flotte von Fischerbooten aus, um nach den Dieben zu suchen.

Doch das Unternehmen führte zu keinem Erfolg. Juan, Baltasar und Maria waren fort, als hätte es sie nie gegeben.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 269

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