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3 Die tödliche Kugel

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Was Bombas scharfes Auge entdeckt hatte, war eine schwarze, dreieckige Flosse, die kaum über der Meeresoberfläche auftauchte, sich aber doch mit der Geschwindigkeit eines Schnellzuges näherte.

Ein Hai! Einer der furchtbaren Räuber des Meeres hatte eine Beute gewittert und kam herangeschossen. Unter der drohenden dreieckigen Flosse konnte Bomba den langgestreckten Fischkörper erkennen, der pfeilschnell durch die grünen Wogen des Ozeans heranjagte. Jetzt hatten auch andere Männer die Flosse entdeckt. Und wilde Schreie erklangen:

„Ein Hai! Ein Hai!“

Der Schwimmer hatte die Warnung gehört. Man sah, wie er den Kopf verzweifelt herumriss. Das Boot war in der Zwischenzeit im Wasser. Weit beugten sich die Männer vor, verzweifelt schlugen ihre Ruder taktmäßig ins Wasser. Aber jeder konnte sehen, dass sie den Mann nicht rechtzeitig erreichen würden.

Peng! Wieder erklang der peitschenartige Knall von Bombas Gewehr, und eine Kugel schlug in das lange, schlanke Seeungeheuer. Ein zweiter Schuss folgte so schnell, dass sich das Krachen der Schüsse fast zu einem vermischte. Wild wirbelte das gerötete Wasser auf, als sich nun der getroffene Hai in Todeszuckungen herumwarf.

Als der Schrecken der Meere langsam in den Tiefen versank, jubelten die Zuschauer vor Freude auf. Sie drängten sich um Bomba, schlugen ihm begeistert auf die Schulter und schüttelten ihm die Hand. Bomba waren die Lobesbezeugungen peinlich. Daher suchte er nach einer Möglichkeit, wieder in die Kabine zu entkommen. Aber seine Begleiter wollten das nicht zulassen. Eine Weile war er geradezu ihr Gefangener. Seine getreuen Diener waren vor Begeisterung fast verrückt geworden; besonders Gibo brach immer wieder in einen Jubelgesang aus.

„Groß ist Bomba“, rief er, „gewaltig ist er im Dschungel, gewaltig ist er auf dem Meere. Der mächtige Elefant bricht vor ihm in die Knie, der Haifisch schließt im Tod seine Augen, niemand zu Lande oder zu Wasser kommt Bomba gleich.“

„Bist du wohl ruhig, Gibo“, befahl Bomba, der vor Unbehagen errötete.

„Beim Jupiter, der Indianer hat aber kein Wort zu viel gesagt“, erklärte Peabody, der ebenfalls ein begeisterter Zuschauer gewesen war. „Dieser Mut, diese eiskalten Nerven und die Schnelligkeit, mit der er so sicher geschossen hat! Wenn ich je das Pech habe, in einen Kampf zu geraten — so habe ich nur den einen Wunsch, dass Bomba an meiner Seite steht.“

In der Zwischenzeit hatten die Matrosen in ihrem Boot den gefährdeten Schwimmer erreicht und zurückgebracht. Eben wurde er an Deck gehoben. Jetzt wandten sich alle Augen ihm zu, und das ermöglichte es Bomba, eilig davonzuhuschen. Er lief sofort in die Kabine, die er mit seinem Vater teilte. Dort fand er Wafi, Gibo und Tobo, der sehr verlegen war, weil durch seine Achtlosigkeit der Elefant aus dem Käfig entkommen war.

„Wie ich höre, bist du wieder bei deinen alten Streichen“, sagte Mr. Bartow, liebevoll und stolz lächelnd.

„Ach“, murmelte Bomba und nahm an der Seite seines Vaters Platz, „einer musste schnell handeln. Und so blieb mir nichts anderes übrig, wenn es nicht zu spät sein sollte. Das ist alles.“

„Ja das ist alles“, bemerkte sein Vater sarkastisch; „wenn du es so schnell sagst, dann scheint es nichts von Bedeutung zu sein. Ein Menschenleben hast du durch die Erlegung des Haies bestimmt gerettet — wahrscheinlich noch viele andere vor dem Tod durch die wilden Tiere. Das hat schon Mut und Geschick erfordert.“

„Und wie fühlst du dich, Vater?“, fragte Bomba.

„Ganz in Ordnung, bis auf ein kleines Schwindelgefühl“, lautete die Antwort. „Ich bin mit dem Kopf beim Sturz aufgeschlagen und habe eine Beule. Wie steht es denn mit dem Schiff? Können sie es von der Untiefe wieder flottmachen?"

„Das geht nicht so schnell“, antwortete Bomba, „aber jedenfalls arbeitet die Mannschaft mit allen Kräften.“

Andrew Bartow runzelte die Stirn.

„Ich glaube doch, dass wir einen Fehler gemacht haben, als wir in Mombasa nicht auf den regulären Dampfer gewartet haben und uns stattdessen auf diesem Tramp-Dampfer einschiffen. (Tramp-Dampfer sind Dampfer, die keine feste Linie mit bestimmten Fahrplänen befahren, sondern Fracht nehmen, wo und mit welchem Ziel sie diese bekommen.) Ich muss ehrlich sagen, mir gefällt weder die ‚Pamela‘ noch ihr Kapitän, noch ein Teil der Mannschaft. Die Fracht von wilden Tieren ist auch nicht gerade das, was ich wünsche. Doch was hat es für einen Sinn, dass ich jetzt damit anfange? Wir sind mitten im Indischen Ozean und müssen eben das Beste aus der Sache herausholen.“

Die farbigen Diener zogen sich aufs Oberdeck zurück, wo sie sich sofort wieder in dem Ruhm ihres Herrn und Meisters sonnten. Stolz aufgerichtet stolzierten sie herum. Gibo neigte dazu, einen Teil der Ehre für sich selbst zu beanspruchen.

„Ich habe zu meinen Göttern gebetet, als Bomba in den Bauch des Schiffes hinabstieg“, sagte er, „und sie haben ihn vor der Wut des Elefanten bewahrt.“

„Gibo hat gebetet“, erwiderte Wafi spöttisch, „aber Wafi hat dem Herrn seinen Speer angeboten.“

Das erschien als eine praktische Handlung, und Gibo war für den Augenblick verblüfft. Er fasste sich aber schnell wieder.

„Das war ein billiges Angebot. Wafis Speer hätte gegen den Elefanten nichts ausrichten können.“

„Vielleicht nicht“, antwortete der Zulu hoheitsvoll, „aber Wafi hätte es riskiert, zusammen mit seinem Herrn zu sterben.“

„Und hat Gibo das nicht öfter getan, als Wafi Finger an beiden Händen hat?“, lautete die hitzige Antwort. „Gibo war im Dschungel des Amazonas bei dem Herrn und in Afrika auch. Wafi war nur in Afrika bei ihm.“

Tobo schaltete sich als Friedensstifter bei den beiden ein, die sich trotz häufiger Streitereien doch als Kameraden aufrichtig gernhatten.

„Wafi und Gibo sollen nicht wie die Mädchen des Stammes streiten, die an der Quelle plappern“, sagte er. „Wafi und Gibo würden beide jederzeit für Bomba sterben. Lasst es gut damit sein.“

Eine halbe Stunde später unterhielten sich Bomba und sein Vater ruhig in der Kabine, als an die Tür geklopft wurde. Der Junge sprang auf, um zu öffnen. An der Schwelle stand Lester Groop, der Mann, den Bomba vor dem sicheren Tode des Ertrinkens gerettet hatte. Er war etwa dreißig und unter Mittelgröße, sein Äußeres war gepflegt; doch schien er etwas furchtsam zu sein. Er schaute durch seine Brille mit Hornrand ein wenig verlegen auf Bomba und seine Gefährten.

„Vielleicht störe ich“, sagte er, als er Mr. Bartows Einladung annahm, einzutreten und Platz zu nehmen, „aber ich konnte einfach nicht ruhen, ehe ich dem Mann gedankt hatte, der mich vor dem Hai rettete.“

Bomba winkte bescheiden ab.

„Das ist doch selbstverständlich“, sagte er.

„Selbstverständlich!“, rief Groop. „Aber für mich war es alles. Er hat mich vor dem Tod errettet — und vor so einem Tod“, setzte er hinzu und erschauerte bei dem Gedanken.

„Wie sind sie denn eigentlich ins Wasser geraten?“, fragte Mr. Bartow.

Lester Groop errötete tief.

„Das war meine eigene Feigheit“, gestand er. „Ich kann nichts dafür, ich habe immer schreckliche Angst vor wilden Tieren. Als nun der Elefant trompetete, hörte ich, wie jemand sagte, er habe die Käfige der Löwen und Leoparden zerschmettert. Ich bekam große Angst und sprang einfach über Bord. Ich schäme mich, das einzugestehen, aber es ist die Wahrheit.“

„Sie brauchen sich deswegen nicht zu schämen“, antwortete Andrew Bartow freundlich; „ich glaube kaum, dass wir nicht alle einmal in Panik geraten, wenn wir einer plötzlichen Gefahr gegenüberstehen.“

„Aber doch nicht so schlimm“, widersprach Groop; „ich schäme mich aus tiefem Herzensgrund. Am liebsten möchte ich allen anderen Passagieren ausweichen. Wenn ich an meine eigene Feigheit denke, erkenne ich um so mehr Ihre Tapferkeit. Ich bin gekommen, um Ihnen meinen tiefsten Dank auszusprechen, dass Sie den Hai erlegten. Ich werde das nie vergessen, solange ich lebe.“

Bomba bewegte sich unbehaglich.

„Sie machen zu viel aus dem Vorfall“, protestierte er.

„Das könnte ich gar nicht“, erklärte Groop. „Ich habe in der Zwischenzeit gehört, dass Sie den tollen Elefanten auch erlegt haben, ehe Sie sich dem Hai stellten. Ich bin sicher, es gibt nur wenig Menschen, die so viel riskiert hätten. Oh, was würde ich darum geben, wenn ich so tapfer wäre wie Sie.“

„Bitte sagen Sie doch nichts mehr darüber“, bat Bomba. Er sagte es so bittend, dass der Besucher abbrach und von anderen Dingen sprach. Trotzdem konnte er seine Dankbarkeit für Bomba nicht verbergen.

Auch die anderen Passagiere teilten Groops Gefühle. Sie alle waren sich bewusst, dass Bomba ihr Leben gerettet hatte, genauso wie das Lester Groops. Wo immer er auftauchte, drängten sie sich um ihn, bis er sich schließlich fast gezwungen fühlte, abgeschlossen in seiner Kabine zu leben. Und doch steigerte gerade das seinen Ruhm. Die Passagiere wandten sich nun an Bombas Diener und Kameraden, sehr zu deren Freude. Die drei wurden es nicht müde, von den Taten ihres Herrn zu prahlen. Dabei brauchten sie gar nicht zu übertreiben; denn selbst eine nüchterne Erzählung ihrer Taten, die keinerlei Ausschmückungen brauchte, genügte, um Bewunderung zu erregen. In der Zwischenzeit arbeitete man immer noch daran, das Schiff freizubekommen, aber die Fortschritte, die man dabei machte, waren kaum zu bemerken. Der Kapitän des Schiffes, Kapitän Dondy, ging mit zornigem, finsterem Gesicht auf und ab. Er war ein großer Mann mit schwerem Bart und einem mürrischen, abstoßenden Wesen. Mit den Fäusten schlug er schnell zu, aber fast ebenso gefürchtet waren seine harten Worte. Seine Matrosen führten unter ihm ein bedauernswertes Dasein. Es war kein Wunder, dass die Besatzung ihn hasste und ihm gern entgegengetreten wäre. Aber die Disziplin auf See verhinderte eine offene Meuterei.

Selbst seinen Passagieren gegenüber war Dondy sehr mürrisch und unfreundlich; besonders gegen Peabody schien er Todfeindschaft zu hegen. Er ärgerte sich maßlos, die wilden Tiere an Bord genommen zu haben, und gab sich keine Mühe, seine Gefühle zu verbergen. Der tote Elefant hatte die Lage auf dem Schiff nicht gerade verbessert. Die schreckliche Hitze war die Ursache, dass der Verfall fast augenblicklich einsetzte. Peabody und seine Helfer arbeiteten so angestrengt, wie sie nur konnten, um den Riesenkadaver zu zerlegen und zu beseitigen. Ein Teil des Fleisches wurde an die anderen Tiere verfüttert, der größte Teil aber über Bord geworfen.

Trotz aller Bemühungen, es zu verhindern, verbreitete sich der Fäulnisgeruch aber immer schneller und trug dazu bei, die allgemeine Unzufriedenheit bei den Passagieren und der Mannschaft noch zu steigern. Dann gab es neue Komplikationen, als der Kapitän sich weigerte, den Raubtieren genügend Trinkwasser zukommen zu lassen. Er behauptete, der Vorrat für die Passagiere würde nicht ausreichen, falls sie noch länger auf der Untiefe festsitzen würden. Ob diese Behauptung gerechtfertigt war, konnte nicht festgestellt werden; man nahm jedoch allgemein an, dass er einfach ein Ventil für die Feindschaft gegen Peabody gesucht hatte. Zwischen Dondy und dem Besitzer der Tiere gab es wegen des Wassers hitzige Auseinandersetzungen. Sie wurden wenigstens teilweise eingeschränkt, als Mr. Bartow Peabodys Ansicht unterstützte. Da der Kapitän wusste, dass Mr. Bartow als Maler und Künstler ein einflussreicher, wohlhabender Mann war, dessen Wort gerade in wichtigen Kreisen sehr viel galt, gab er so weit nach, dass er die Wasserausgabe für die Tiere etwas vergrößerte. Trotzdem reichte auch das noch nicht aus, und die Reibungen dauerten an. Endlich wurden die verzweifelten Anstrengungen der Schiffsoffiziere und der Mannschaft, den Dampfer freizumachen, von Erfolg gekrönt. Zoll um Zoll und Fuß um Fuß wurde die ‚Pamela’ weiter zurückgezogen und glitt schließlich wieder in klares Wasser. Aber selbst jetzt konnte die Fahrt nicht sofort wieder aufgenommen werden, denn eine sorgfältige Untersuchung zeigte, dass die ‚Pamela‘ doch mehr gelitten hatte, als man glaubte; besonders der Bug war beschädigt worden, ein Teil der Metallverkleidung war weggerissen. Ausgedehnte Reparaturarbeiten erwiesen sich als nötig — und ein Teil davon sogar unter Wasser — ehe das Schiff seine Reise wieder fortsetzen konnte. Mehrere Passagiere bestürmten den Kapitän, er solle zur Reparatur die nächste Insel anlaufen, aber Kapitän Dondy weigerte sich hartnäckig.

„Wer befehligt das Schiff?“, fragte er die Abordnung der Passagiere, die auf ihn wartete. „Ich kenne die Anzeichen des Wetters und möchte Ihnen nur sagen, dass sich ein schwerer Sturm zusammenbraut. Ich muss jetzt weiter. Wenn ich einmal den Rat der Gentlemen brauche, werde ich darum bitten.“

Die Proteste blieben also ergebnislos. Der vielleicht heiterste unter den Passagieren war ein Mann namens Brasser, wahrscheinlich war er aber auch der verächtlichste. Obwohl er behauptete, ein Geschäftsmann zu sein, der sich von seinen Geschäften zurückgezogen hatte und jetzt von seinen Erträgnissen lebte, war er in Wirklichkeit ein Spieler, der sich vor allem auf seine Fingerfertigkeit verließ. Er war etwa vierzig Jahre alt und auf eine etwas derbe Art hübsch; immer zeigte er eine heitere Laune, die ihn ‚schnell zum Zentrum jeder Party’ machte. Seine herzhafte Art hatte ihn bei vielen Passagieren beliebt gemacht, die in seiner Gesellschaft eine Entspannung von der Eintönigkeit der Reise sahen. Anderen freilich, die schärfer beobachteten und beurteilten, lag nicht so viel an seiner Nähe. An Land wären sie ihm völlig ausgewichen. Auf einer Seereise war das aber schwierig; hier waren alle Reisenden eng zusammengedrängt, außerdem herrschte eine gewisse Kameradschaft, die den einzelnen daran hinderte, allzu kritisch zu werden.

An den Abenden wurde natürlich vor allem Karten gespielt. Da keine Frauen an Bord waren, auf die sich die Aufmerksamkeit der Männer lenken konnte, sammelte sich der größte Teil der Passagiere am Abend im Salon, um entweder selbst zu spielen oder dem Spiel zuzusehen. Zuerst war Brasser sehr vorsichtig; er verlor genauso häufig, wie er gewann. Allmählich fiel es doch auf, dass er weit mehr gewann, als er verloren hatte, und dass seine Karten besonders dann gut waren, wenn hohe Einsätze auf dem Tisch lagen. Man schrieb diesen Umstand zuerst der Laune des Glückes zu und hegte auch keinen Verdacht, bis Brasser eines Abends in einer ungewöhnlich langen Sitzung Lester Groop fast das ganze Geld abnahm. Andrew Bartow hatte an diesem Abend scharf beobachtet. Er war selbst ein geschickter Spieler, hatte aber nicht am Spiel teilgenommen. Eben war Brasser an der Reihe; er sollte geben. Als er es tat, schnellte Mr. Bartows Hand vor und packte ihn am Handgelenk.

„Geht nicht“, sagte er ruhig, „die Karten haben Sie unten vom Päckchen weggenommen.“

Blitzschnell sprang Brasser auf.

„Was?“, schrie er. „Wollen Sie mich einen Betrüger nennen?“ Er ballte die Faust und beugte sich drohend vor.

Im nächsten Augenblick aber wurde er schon beim Kragen gepackt, hochgerissen und heftig durchgeschüttelt.

Bomba im Wirbelsturm gestrandet

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