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VORBEMERKUNGEN ZUR 4. AUFLAGE [1913]
ОглавлениеWer es unternimmt, geisteswissenschaftliche Ergebnisse solcher Art darzustellen, wie sie in diesem Buche aufgezeichnet sind, der muss vor allen Dingen damit rechnen, dass diese Art gegenwärtig in weitesten Kreisen als eine unmögliche angesehen wird. Werden doch in den folgenden Ausführungen Dinge gesagt, von welchen ein in unserer Zeit als streng geltendes Denken behauptet, dass sie „für menschliche Intelligenz vermutlich überhaupt unentscheidbar bleiben“. Wer die Gründe kennt und zu würdigen weiß, welche manche ernste Persönlichkeit dazu führen, solche Unmöglichkeit zu behaupten, der möchte immer wieder von neuem den Versuch machen, zu zeigen, auf welchen Missverständnissen der Glaube beruht, dass dem menschlichen Erkennen ein Eindringen in die übersinnlichen Welten versagt sei.
Denn zweierlei liegt vor. Erstens wird sich auf die Dauer keine menschliche Seele bei tieferem Nachdenken vor der Tatsache verschließen können, dass ihre wichtigsten Fragen nach Sinn und Bedeutung des Lebens unbeantwortet bleiben müssten, wenn es einen Zugang zu übersinnlichen Welten nicht gäbe. Man kann sich theoretisch über diese Tatsache hinwegtäuschen; die Tiefen des Seelenlebens gehen aber mit dieser Selbsttäuschung nicht mit. - Wer auf diese Seelentiefen nicht hinhören will, der wird Ausführungen über die übersinnlichen Welten naturgemäß ablehnen. Doch gibt es eben Menschen, deren Zahl wahrhaft nicht gering ist, welche unmöglich sich taub gegen die Forderungen dieser Tiefen verhalten können. Sie müssen stets an die Pforten klopfen, welche nach der Meinung der anderen das „Unfassbare“ verschließen.
Zweitens, es sind die Darlegungen des „strengen Denkens“ keineswegs gering zu achten. Wer sich mit ihnen beschäftigt, der wird da, wo sie ernst zu nehmen sind, diesen Ernst durchaus mitfühlen. Der Schreiber dieses Buches möchte nicht als ein solcher angesehen werden, der leichten Herzens sich hinwegsetzt über die gewaltige Gedankenarbeit, die aufgewendet worden ist, um die Grenzen des menschlichen Intellektes zu bestimmen. Diese Gedankenarbeit lässt sich nicht abtun mit einigen Redensarten über „Schulweisheit“ und dergleichen. So wie sie in vielen Fällen auftritt, hat sie ihren Quell in wahrem Ringen der Erkenntnis und in echtem Scharfsinn. - Ja, es soll noch vielmehr zugegeben werden: es sind Gründe dafür vorgebracht worden, dass diejenige Erkenntnis, welche gegenwärtig als wissenschaftlich gilt, nicht in die übersinnlichen Welten vordringen kann, und diese Gründe sind in gewissem Sinne unwiderleglich.
Weil dies von dem Schreiber dieses Buches ohne weiteres selbst zugegeben wird, deshalb kann es manchem ganz sonderbar erscheinen, dass er es nun doch unternimmt, Ausführungen zu machen, die sich auf übersinnliche Welten beziehen. Es scheint ja fast ausgeschlossen zu sein, dass jemand die Gründe für die Unerkennbarkeit der übersinnlichen Welten in gewissem Sinn e gelten lässt und dennoch von diesen übersinnlichen Welten spricht.
Und doch kann man sich so verhalten. Und man kann zugleich begreifen, dass dieses Verhalten als widerspruchsvoll empfunden wird. Es lässt sich eben nicht jedermann auf die Erfahrungen ein, welche man macht, wenn man mit dem menschlichen Verstande an das übersinnliche Gebiet heranrückt. Da stellt sich heraus, dass die Beweise dieses Verstandes wohl unwiderleglich sein können; und dass sie trotz ihrer
Unwiderleglichkeit für die Wirklichkeit nicht entscheidend zu sein brauchen. Statt aller theoretischen Auseinandersetzungen sei hier versucht, durch einen Vergleich eine Verständigung herbeizuführen. Dass Vergleiche selbst nicht beweisend sind, wird dabei ohne weiteres zugegeben; doch hindert dies nicht, dass sie oft verständlich machen, was ausgedrückt werden soll.
Das menschliche Erkennen, so wie es im alltäglichen Leben und in der gewöhnlichen Wissenschaft arbeitet, ist wirklich so beschaffen, dass es in die übersinnlichen Welten nicht eindringen kann. Dies ist unwiderleglich zu beweisen; allein dieser Beweis kann für eine gewisse Art des Seelenlebens keinen anderen Wert haben als derjenige, welchen jemand unternehmen wollte, um zu zeigen, dass das natürliche Auge des Menschen mit seinem Sehvermögen nicht bis zu den kleinen Zellen eines Lebewesens oder bis zur Beschaffenheit ferner Himmelskörper vordringen kann. So richtig und beweisbar die Behauptung ist: das gewöhnliche Sehvermögen dringt nicht bis zu den Zellen, so richtig und beweisbar ist die andere, dass das gewöhnliche Erkennen nicht in die übersinnlichen Welten eindringen könne. Und doch entscheidet der Beweis, dass das gewöhnliche Sehvermögen vor den Zellen haltmachen muss, nichts gegen die Erforschung der Zellen. Warum sollte der Beweis, dass das gewöhnliche Erkenntnisvermögen vor den übersinnlichen Welten haltmachen muss, etwas gegen die Erforschung dieser Welten entscheiden?
Man kann die Empfindung fühlen, welche mancher bei diesem Vergleiche haben muss. Man kann selbst mitempfinden, wenn gezweifelt wird, dass jemand den ganzen Ernst der erwähnten Gedankenarbeit auch nur ahnt, der dieser Arbeit mit einem solchen Vergleich entgegentritt. Und doch ist derjenige, welcher dieses schreibt, von diesem Ernste nicht nur durchdrungen, sondern er ist der Ansicht, dass diese Gedankenarbeit zu den edelsten Leistungen der Menschheit zählt. Zu beweisen, dass das menschliche Sehvermögen nicht ohne Bewaffnung zu den Zellen gelangen könne, wäre allerdings ein unnötiges Beginnen; in strengem Denken sich der Natur dieses Denkens bewusst werden, ist notwendige Geistesarbeit. Dass derjenige, welcher sich solcher Arbeit hingibt, nicht bemerkt, dass die Wirklichkeit ihn widerlegen kann, ist nur allzu verständlich. So wenig in den Vorbemerkungen zu diesem Buche der Platz sein kann, auf manche „Widerlegungen“ der ersten Auflagen von seiten solcher Persönlichkeiten einzugehen, denen alles Verständnis für das Erstrebte abgeht oder welche ihre unwahren Angriffe auf die Person des Verfassers richten, so sehr muss betont werden, dass in dem Buche eine Unterschätzung ernster wissenschaftlicher Denkerarbeit nur der vermuten kann, der sich vor der Gesinnung der Ausführungen verschließen will.
Das Erkennen des Menschen kann verstärkt, erkraftet werden, wie das Sehvermögen des Auges verstärkt werden kann. Nur sind die Mittel zur Erkraftung des Erkennens durchaus von geistiger Art; sie sind innere, rein seelische Verrichtungen. Sie bestehen in dem, was in diesem Buche als Meditation, Konzentration (Kontemplation) beschrieben wird. Das gewöhnliche Seelenleben ist an die Werkzeuge des Leibes gebunden; das erkraftete Seelenleben macht sich davon frei. Es gibt Gedankenrichtungen der Gegenwart, für welche eine solche Behauptung ganz unsinnig erscheinen muss, für welche sie nur auf Selbsttäuschung beruhen muss. Solche Gedankenrichtungen werden es von ihrem Gesichtspunkte aus leicht finden, nachzuweisen, wie „alles Seelenleben“ an das Nervensystem gebunden sei. Wer auf dem Standpunkte steht, von dem aus dieses Buch geschrieben ist, der versteht durchaus solche Beweise. Er versteht die Menschen, welche sagen, es könne nur Oberflächlichkeit behaupten, dass man irgendein vom Leibe unabhängiges Seelenleben haben könne. Welche ganz davon überzeugt sind, dass für solche Seelenerlebnisse ein Zusammenhang mit dem Nervenleben vorliegt, den „geisteswissenschaftlicher Dilettantismus“ nur nicht durchschaut.
Hier stehen demjenigen, was in diesem Buche geschildert wird, gewisse - durchaus begreifliche - Denkgewohnheiten so schroff gegenüber, dass mit vielen eine Verständigung gegenwärtig noch ganz aussichtslos ist. Man steht hier eben vor dem Punkte, an welchem sich der Wunsch geltend machen muss, dass es in der Gegenwart dem Geistesleben nicht mehr entsprechen sollte, eine Forschungsrichtung sogleich als Phantasterei, Träumerei usw. zu verketzern, die schroff von der eigenen abweicht. - Auf der anderen Seite steht aber doch schon gegenwärtig die Tatsache, dass für die übersinnliche Forschungsart, wie sie auch in diesem Buche dargestellt wird, eine Anzahl von Menschen Verständnis haben. Menschen, welche einsehen, dass der Sinn des Lebens sich nicht in allgemeinen Redensarten über Seele, Selbst usw. enthüllt, sondern nur durch das wirkliche Eingehen auf die Ergebnisse der übersinnlichen Forschung sich ergeben kann. Nicht aus Unbescheidenheit, sondern in freudiger Befriedigung wird von dem Verfasser dieses Buches tief empfunden die Notwendigkeit dieser vierten Auflage nach verhältnismäßig kurzer Zeit.
Um in Unbescheidenheit dies zu betonen, dazu fühlt der Verfasser nur allzu deutlich, wie wenig auch die neue Auflage dem entspricht, was sie als „Umriss einer übersinnlichen Weltanschauung“ eigentlich sein sollte. Noch einmal wurde zur Neuauflage das Ganze durchgearbeitet, viele Ergänzungen wurden an wichtigen Stellen eingefügt, Verdeutlichungen wurden angestrebt. Doch fühlbar wurde dem Verfasser an zahlreichen Stellen, wie spröde sich die Mittel der ihm zugänglichen Darstellung erweisen gegenüber dein, was die übersinnliche Forschung zeigt. So konnte kaum mehr als ein Weg gezeigt werden, um zu Vorstellungen zu gelangen, welche in dem Buche für Saturn-, Sonnen-, Mondenentwicklung gegeben werden. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist in dieser Auflage auch auf diesem Gebiete in Kürze neu behandelt worden. Doch weichen die Erlebnisse in Bezug auf solche Dinge so sehr von allen Erlebnissen auf dem Sinnesgebiete ab, dass die Darstellung ein fortwährendes Ringen nach einem nur einigermaßen genügend scheinenden Ausdruck notwendig macht. Wer auf den hier gemachten Versuch der Darstellung einzugehen willens ist, wird vielleicht bemerken, dass manches, was dem trockenen Worte zu sagen unmöglich ist, durch die Art der Schilderung erstrebt wird. Diese ist anders zum Beispiel bei der Saturn-, anders bei der Sonnen- usw. Entwicklung.
Viele dem Verfasser des Buches wichtig erscheinende Ergänzungen und Erweiterungen erfuhr in der neuen Auflage der zweite Teil des Buches, welcher von der „Erkenntnis der höheren Welten“ handelt. Es lag das Bestreben vor, die Art der inneren Seelenvorgänge anschaulich darzustellen, durch welche die Erkenntnis von ihren in der Sinnenwelt vorhandenen Grenzen sich befreit und sich für das Erleben der übersinnlichen Welt geeignet macht. Versucht wurde zu zeigen, dass dieses Erleben, obwohl es durch ganz innerliche Mittel und Wege erworben wird, doch nicht eine bloß subjektive Bedeutung für den einzelnen Menschen hat, der es erwirbt. Es sollte aus der Darstellung hervorgehen, dass innerhalb der Seele deren Einzelheit und persönliche Besonderheit abgestreift und ein Erleben erreicht wird, das jed er Mensch in der gleichen Art hat, der eben in rechter Art die Entwicklung aus seinen subjektiven Erlebnissen heraus bewirkt. Erst wenn die „Erkenntnis der übersinnlichen Welten“ mit diesem Charakter gedacht wird, vermag man sie zu unterscheiden von allen Erlebnissen bloß subjektiver Mystik usw. Von solcher Mystik kann man wohl sagen, dass sie mehr oder weniger doch eine subjektive Angelegenheit des Mystikers ist. Die geisteswissenschaftliche Seelenschulung, wie sie hier gemeint ist, strebt aber nach solchen objektiven Erlebnissen, deren Wahrheit zwar ganz innerlich erkannt wird, die aber doch gerade deshalb in ihrer Allgemeingültigkeit durchschaut werden. - Auch hier ist ja wieder ein Punkt, an dem eine Verständigung mit manchen Denkgewohnheiten unserer Zeit recht schwierig ist.
Zum Schlusse möchte der Verfasser des Buches die Bemerkung machen, dass auch von Wohlmeinenden diese Ausführungen als das hingenommen werden mögen, als was sie sich durch ihren eigenen Inhalt geben. Es herrscht heute vielfach das Bestreben, dieser oder jener Geistesrichtung diesen oder
jenen alten Namen zu geben. Dadurch scheint sie manchem erst wertvoll. Es darf aber gefragt werden: was sollen die Ausführungen dieses Buches dadurch gewinnen, dass man sie als „rosenkreuzerisch“ oder dergleichen bezeichnet? Worauf
es ankommt, ist, dass hier mit den Mitteln, welche in der gegenwärtigen Entwicklungsperiode der Seele möglich und dieser angemessen sind, ein Einblick in die übersinnlichen Welten versucht wird, und dass von diesem Gesichtspunkte aus die Rätsel des menschlichen Schicksals und des menschlichen Daseins über die Grenzen von Geburt und Tod hinaus betrachtet werden. Es soll sich nicht handeln um ein Streben, welches diesen oder jenen alten Namen trägt, sondern um ein Streben nach Wahrheit.
Auf der anderen Seite sind auch in gegnerischer Absicht Bezeichnungen für die in dem Buche dargestellte Weltanschauung gebraucht worden. Abgesehen davon, dass diejenigen, mit welchen man den Verfasser hat am schwersten treffen und diskreditieren wollen, absurd und objektiv unwahr sind, charakterisieren sich solche Bezeichnungen in ihrer Unwürdigkeit dadurch, dass sie ein völlig unabhängiges Wahrheitsstreben herabsetzen, indem sie es nicht aus sich selbst beurteilen, sondern die von ihnen erfundene oder grundlos übernommene und weiter getragene Abhängigkeit von dieser oder jener Richtung anderen als Urteil beibringen wollen. So notwendig diese Worte angesichts mancher Angriffe gegen den Verfasser sind, so widerstrebt es diesem doch, an diesem Orte auf die Sache weiter einzugehen.
Geschrieben im Juni 1913
Rudolf Steiner