Читать книгу Die Vergessenen: Loki - Buch 4 - Sabina S. Schneider - Страница 4
PROLOG
ОглавлениеAkiko stieg die Treppen zum Kerker hinunter. Schmerzensschreie krochen ihr mit einer dunklen Macht entgegen. Lokis Stimme prallte, zu einer seltsamen Sprache verdreht, an den kahlen Wänden ab. Zischen war zu hören. Der Gestank von verbranntem Fleisch drang in Akikos Nase. Sie trat lautlos auf die letzte Stufe der langen Treppe, glitt in die Dunkelheit und wartete. Es dauerte nicht lange, bis Loki wutentbrannt aus dem Kellergewölbe stürmte und die Treppen hinaufrannte.
Akiko durschritt die offene Holztür. Sie sah alt und gebrechlich aus, von der Zeit zerfressen. Selbst wenn Loki sich die Mühe gemacht hätte, abzuschließen, hätte das morsche Holz weder jemanden davon abhalten können, hinein- noch hinauszugelangen. Und doch war der kleine, dunkle Raum nicht leer und selbst Akikos Herz, das nur noch Hass und Wut kannte, krampfte sich vor Mitleid zusammen.
Ein Frauenkörper lag verstümmelt vor ihr. Um die verkrümmten Hand- und Fußgelenke wanden sich schwere Eisenketten. Der Brustkorb hob und senkte sich langsam, unregelmäßig. Vor Akikos Augen drehten sich die Gelenke wieder in Position, offenen Wunden schlossen sich und Verbrennungen heilten.
Der Wunsch, sich die Augen auszustechen und schreiend aus dem Zimmer zu rennen, pochte unbändig in Akikos Brust. In all ihren Visionen hatte sie noch nie so etwas Widerliches gesehen und doch konnte sie sich nicht abwenden. Als sich das Wesen langsam und mühevoll aufrichtete und sie ansah, wich Akiko einen Schritt zurück.
„Du hättest nicht herkommen sollen, Tochter“, halten die Worte durch den Geist der japanischen Seherin, während nur ein Husten die Kehle der gequälten Frau verließ. Tochter … Tochter, halte es durch Akikos Geist. Eine Lüge, die sich trotzdem richtig anfühlte.
„Unsere Begegnung war nicht vorherbestimmt… und doch stehst du vor mir. Loki hat erreicht, was er wollte. Das Schicksal verliert seine Macht. Chaos rüttelt an der Ordnung und wird bald alle Regeln ablösen.“
„Sprichst du von dem Kommen der Vergessenen? Ich habe es gesehen. Es ist unabwendbar“, erwiderte Akiko heiser.
„Mein Kind, du trägst nur einen Bruchteil meiner Macht in dir und doch ist es zu viel für einen menschlichen Geist. Loki hat die Natur immer wieder geschändet, die Wahrheit verdreht und das Schicksal betrogen. Aber die Sünde, die er an dir begangen hat, ist unverzeihlich. Ich sehe, dass du tapfer warst, meine Tochter. Das dein Körper meine Macht Stück für Stück zu seiner gemacht hat. Du siehst vieles, wenn auch nicht alles. Bruchstücke. Komm zu mir! Ich zeige dir, was Loki getan hat und was er noch tun wird. Entscheide du über das, was weiter geschehen soll. Ich kann es nicht. Ich habe nur gelernt, zu schweigen, nicht zu sprechen und nie zu lenken. Doch du hast gesprochen und du hast gelenkt. In deine Hände gebe ich das, was die Vergangenheit erzählt, die Gegenwart meint und vom Schicksal noch übriggeblieben ist.“
Akiko wollte fliehen, dem, was sie sehen würde, entkommen und doch konnte sie nur still dastehen, als die Frau ihre Hand packte und die Bilder auf sie einstürmten.