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Kapitel 1 – Diamanten im Mondschein

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Die Frau mochte Anfang Fünfzig sein. Im sanften Mondlicht vielleicht Ende Vierzig. Sie trug den Diamantschmuck, den ihr verstorbener Mann ihr geschenkt hatte. Damals, vor über siebenundzwanzig Jahren. Zu jener Zeit war es in der besseren Gesellschaft von München üblich gewesen, dass die reichen Ehemänner ihre Frauen zur Geburt der Kinder üppig beschenkten. Auch ihr Mann hatte sich nicht lumpen lassen. Das fein gearbeitete Collier und die schweren Ohrringe hatten den Wert eines Nobelcabrios.

Das Auto wäre ihr lieber gewesen. Sie lachte freundlos vor sich hin. Heini hatte nie gewusst womit er ihr wirklich eine Freude machen konnte. Zum Glück hatte ein Herzinfarkt ihn hinweggerafft bevor er ihr zu sehr auf die Nerven gegangen war.

Sie schämte sich sogleich für den gehässigen Gedanken. Es hatte auch gute Zeiten in ihrer Ehe gegeben. Immerhin war sie jetzt auch eine sehr reiche und nicht zu alte Witwe. Wenigstens dafür war sie Heini dankbar. Sie konnte ihr Leben jetzt in vollen Zügen genießen.

Ihr Sohn, der Anlass für das teure Geschenk, lebte auf Mallorca. Er hatte keine Lust gehabt die Firma seines Vaters zu übernehmen. Er hatte eigentlich zu gar nichts Lust.

Sie seufzte leise. Der Junge ließ nur selten etwas von sich hören. Manchmal hatte sie Angst, er könnte sich völlig entfremden. Sie kannte seine Freunde nicht. Genau genommen hatte sie keine Ahnung womit er sich die Zeit vertrieb. Sie hätte ihn ja gerne einmal besucht. Aber der Junge wollte nicht, dass seine Mutter sein Jetsetleben störte. Das einzige was ihn interessierte war, dass die Gelder aus den Erträgen der Firma auf sein Bankkonto flossen.

Sie sah auf die kleine, ebenfalls mit Diamanten besetzte Uhr. Ihr Verehrer war spät dran. „Um Mitternacht auf dem Oberdeck. Hinten am Heck. Ich bringe den Champagner mit...“ hatte er ihr beim letzten Tanz zugeraunt.

„Und trag bitte den schönen Schmuck. Ich liebe es, wenn Diamanten im Mondlicht glitzern. Das macht mich total an...“

Sein charmanter Wiener Akzent hatte sie sofort betört. Schon am ersten Abend, beim Boarding in Hamburg, war er ihr aufgefallen. Ein eleganter Mann. Er wusste sich zu kleiden und sich zu benehmen.

Unverschämt gut sah er aus. Michael war genau der Typ Mann, der ihr gefiel. Groß, breitschultrig, volles dunkelblondes Haar. Seine stechend blauen Augen und die markanten Gesichtszüge. Das alles entzückte sie ungemein.

Er war bestimmt zehn Jahre jünger, das störte sie aber nicht weiter. Wenn sie auch nicht mehr die Figur eines jungen Mädchens hatte, trotzdem fand sie sich selbst attraktiv. Auch Dank des fähigen Schönheitschirurgen. Was den Münchner Schauspielerinnen recht war, das war ihr gerade billig. Schließlich hatte Michael sie ja auch angesprochen. So schlecht konnte sie also nicht aussehen, wenn dieser attraktive Mann an ihr interessiert war.

Eine Windbö zerzauste ihr das aufwendig gestylte, rötliche Haar. Ärgerlich strich sie die Frisur wieder zu recht. Zwei Stunden hatte sie beim Schiffs-Coiffeur verbracht. Der bordeigene Friseursalon war sündhaft teuer, doch um für ihn gut auszusehen, war ihr nichts zu kostspielig. Wozu war das ganze Geld gut wenn nicht zum Ausgeben?

Sie war eigentlich nicht der Typ für schnellen Sex. Aber heute Nacht wollte sie auf jeden Fall toll wirken. Michael sollte sie begehren. Sie hatte bemerkt wie die anderen Frauen ihn ansahen. Diesen Mann würde sie für sich erobern, auch für die Zeit nach der Kreuzfahrt. Wenn sie ihn dazu mit in ihre Suite nehmen musste, würde sie das tun.

Sie zog das Schultertuch enger um sich. Eigentlich war es Ende Mai noch zu kühl für eine Transatlantikfahrt. Zu dieser späten Stunde jedenfalls war es recht frisch.

Sie warf wieder einen Blick auf ihre Armbanduhr.

„Na bist du schon ungeduldig?“ Eine tiefe, schmeichelnde Stimme erklang.

„Michael! Endlich! Es ist nicht sehr höflich mich warten zu lassen!“ Sie klang vorwurfsvoller als sie es beabsichtigt hatte.

Der große schlanke Mann trat schnell näher heran und ergriff ihre Hand. „Ich bin untröstlich, liebste Susie. Bitte verzeih mir. Es hat ewig gedauert, eine gut gekühlte Flasche Champagner aufzutreiben!“ Er küsste ihre Hand zärtlich und lächelte breit.

Aller Ärger war im nu vergessen für die liebeshungrige Witwe. „Aber natürlich verzeihe ich Dir! Wollen wir dann auch ein Gläschen trinken?“ Sie kicherte wie ein Schulmädchen.

Der Mann hatte sich im Griff. Sein Mienenspiel verriet seine Gedanken nicht. Er sah sich um, ob irgendjemand in der Nähe war. Das Heck lag in tiefen Schatten.

~~~~~


Michael Josef Heufinger war vor 43 Jahren im elften Bezirk der österreichischen Landeshauptstadt unter Schmerzen geboren worden. Das an sich war noch nichts besonderes. In jenem Jahr und in jenem Bezirk, wo auch der berühmte Zentralfriedhof liegt, waren viele Knaben zur Welt gekommen. Allerdings war wohl in ganz Simmering, keiner so arbeitsscheu und gleichzeitig so ausgekocht, wie Heufinger. Zeit seines Lebens hatte er es immer irgendwie geschafft, ohne viel Aufwand durchs Leben zu kommen. Obwohl Geld in seiner Familie stets knapp gewesen war, hatte er persönlich immer genug gehabt.

Seine Mutter war die erste Sekretärin in einem großen Konzern gewesen. Sie verdiente eigentlich recht gut. Doch da sein Erzeuger sich noch vor seiner Geburt aus dem Staub gemacht hatte, reichte ihr Gehalt gerade mal so.

Aus dem schlechten Gewissen einer Alleinerziehenden heraus, hatte sie ihren „Buben“ immer hemmungslos verwöhnt. Selbst wenn das Essen manchmal nicht für sie beide reichte, Michael hatte es nie an irgendetwas gefehlt.

Gut getan hatte es Heufinger nicht. Sein Charakter jedenfalls wurde dadurch nicht gerade positiv geprägt.

Seine Mutter hatte ihn stets mit ihrer Liebe überschüttet. Er jedoch hatte es ihr nicht gedankt. Seit er den Kinderschuhen entwachsen war, hatte er sie immer nur als Putzfrau, Köchin und Geldautomat betrachtet. Jede Haushälterin hätte mehr Anerkennung erfahren.

Zum Glück für Magdalena Heufinger hatte sie nicht mit ansehen müssen, wie ihr Sohn immer weiter in die Kriminalität abrutschte. Als die Krebserkrankung diagnostiziert wurde, war die Krankheit bereits zu weit fortgeschritten. Eine Therapie war zwecklos. Zwei Monate später begrub Michael seine Mutter so billig wie möglich, wie eine Bettlerin.

Nach vielen kleinen Betrügereien hatte Heufinger jetzt seine Berufung gefunden. Er verdingte sich als Gigolo und Heiratsschwindler. Auf dieser Kreuzfahrt quer über den Atlantik wollte er den ganz großen Coup landen. Wo schließlich fanden sich mehr einsame, reiche Opfer auf einem Haufen?

Begleitet wurde er von einer attraktiven Blondine. Mia war seine Freundin, seine Gefährtin bei seinen gefährlichen Spielen. Sie verschaffte ihm immer, wenn nötig, ein Alibi. Falls irgendjemand auf die Idee kam, ihn einer Missetat zu beschuldigen.

Den entsprechenden Damen stellte er sie natürlich als seine Schwester vor, die gerade ihren Mann bei einem tragischen Unfall verloren hatte. Das zog immer. Es hatte außerdem den Vorteil dass Mia immer bei ihm sein konnte. Gleichzeitig setzte es ihn als guten Samariter, der sich rührend um seine arme Schwester kümmerte, in ein positives Licht.


Michael Heufinger lachte hämisch vor sich hin. Ältere und vor allem reiche Frauen, waren so dumm! Sie bettelten geradezu darum, von ihm ausgenommen zu werden. Ein paar Komplimente, angenehme Gesellschaft. Das reichte um ihr Herz und ihren Geldbeutel zu öffnen. Seine Mutter war die erste gewesen. Es waren noch etliche gefolgt.

Diesmal würde er sich gründlich sanieren. Er hatte es satt, immer nur mit Peanuts abgespeist zu werden. Er wollte ein neues Leben beginnen. Er wusste nur noch nicht, ob er seine langjährige Gefährtin mitnehmen sollte wenn er sich absetzte. Mia war schon recht. Allerdings hatte sie im letzten Jahr kaum noch Geld verdient. Vielleicht sollten sie nach dieser Fahrt doch getrennte Wege gehen. Wenn diese Geschichte hier vorbei war. musste er sowieso weit weg untertauchen. Wo immer es ihn dann auch hin verschlagen würde. Heufinger liebäugelte mit Südamerika. Aber für diesen Traum, musste er diesmal etwas mehr abstauben als gewöhnlich. Viel mehr.

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Mia, eigentlich Annemarie Pichler, war nicht wohl bei der Sache. Seit über fünf Jahren ging sie mit Michael durch dick und dünn. Bisher war auch immer alles gut gegangen. Keine der Witwen oder reich Geschiedenen, hatte ihn angezeigt. Die meisten schämten sich einfach maßlos, dass sie auf ihn reingefallen waren. Auch hatte sie immer versucht, Heufinger zu mäßigen. In diesem Geschäft durfte man nicht zu gierig sein. Lieber 10.000 in der Hand als 50.000 auf dem Dach. Das war Mias Motto.

Jetzt, in ihrem 36sten Lebensjahr, war sie auch schon zu reif, um große Ansprüche zu stellen. Da blieben nur noch die ganz alten Knacker. Diejenigen, die eine Pflegerin suchten. Es war recht schwierig geworden, einen alten Millionär zu finden, der die verblühende Blondine heiraten wollte oder wenigstens eine Zeit lang finanzierte.

Sie hatte ihre Vorzüge. Sie war groß, sie war blond. Sie hatte ein gewinnendes Wesen. Den alten Männern zu schmeicheln und sie zu bedienen, machte ihr nichts aus. Nur ins Bett ging sie nicht gern mit ihnen. War das nicht genauso, wie sich zu prostituieren?

Glücklicherweise wollten die meisten sie nur ansehen und berühren, zu mehr waren die alten Säcke oft nicht mehr im Stande. Trotzdem fühlte sie sich dabei wie eine Nutte. Außerdem war da noch Michi.

Obwohl nicht beabsichtigt, hatte es sie voll erwischt. Sie gab es nicht zu, aber sie war hoffnungslos verliebt und völlig verrückt nach diesem Mann. Einem anderen schönzutun, kam ihr daher vor als würde sie ihn betrügen.

Manchmal dachte sie, es wäre wohl besser in ihren alten Beruf zurückzukehren. Als Floristin verdiente man zwar nicht die Welt, aber man musste sich auch nicht fortwährend verstellen. Ihr persönlich hätte es nichts ausgemacht, wieder kleine Brötchen zu backen. Michi hätte aber niemals eingewilligt ein „normales“ Leben zu führen. Sich irgendeine Arbeit zu suchen. Vor allem jetzt, wo es wohl kein Zurück mehr gab. Sie seufzte schwer. Diese Kreuzfahrt war eine Nummer zu groß für sie beide.

Allein was die Passagen gekostet hatten! Obwohl er allen Charme bei der Dame vom Reisebüro in die Waagschale geworfen hatte, um für seine „arme Schwester“ und sich einen größeren Rabatt rauszuholen, war Deck 14 trotzdem sündhaft teuer gewesen. Die Reisekauffrau hatte ihm eine günstigere Kabine angeboten, aber Michi wollte aus guten Gründen nur die Oberklasse.

„Um Geld zu verdienen, muss man Geld investieren!“ So hatte er Mia beruhigt, als sie ihm ihre letzten Rücklagen gegeben hatte. Er hatte alles bis auf den letzten Cent verbraucht. Für die Reise und für seine Garderobe.

„Ich muss aussehen, wie ein reicher Mann!“ Hatte er ihr verkündet. Sie hatte nicht gewagt einzuwerfen, dass sie selbst jetzt nichts mehr besaß. Sie war jetzt völlig von ihm abhängig. Mia atmete noch einmal tief. Seit sie an Bord gegangen war, war ihr richtiggehend übel. Sie hatte einfach ein ganz schlechtes Gefühl bei der Sache.

Wenn Michi sich nur was von ihr sagen lassen würde! Aber leider war er der Ansicht, der Klügere zu sein. Ihre Ratschläge vorsichtig zu sein und maß zu halten, wischte er einfach beiseite. „Überlass das Denken mir, Mia! Ich weiß schon was ich tue.“ So hatte er sie einfach abgekanzelt.

Sie mochte nicht mit ihm streiten. Wenn er schlechte Laune hatte, konnte er sehr eklig werden.

Michi hatte ihr nicht gesagt, wo die Frau geblieben war, von der er den wertvollen Schmuck hatte. Sie war aber nicht so naiv zu glauben, dass diese noch am Leben war. Sie waren erst den dritten Tag auf See. Und Michi hatte noch lange nicht genug.


Frau über Bord!

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