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Kapitel 3

Der Anrufer hatte keineswegs die Absicht, einen abgebrochenen Flirt fortzusetzen. Holloway kannte Clairé bereits von früheren Verabredungen her. Er hatte sich für sie zu einem absolut zuverlässigen Spitzel gemausert, und sie sich zu einer schweigsamen Käuferin gewisser Informationen.

Clairé rief aus dem Wagen heraus Leonard Edwards an. »Scarantino wartet mit Neuigkeiten auf«, erklärte sie ihm. »Ich fahre jetzt ins ›Italian Quarter‹. Sie wissen also, wo sie mich finden können. Haben Sie eine Ahnung, was Frederico Scarantino auf Lager hat?«

»Soweit mir bekannt ist, hat er sich in letzter Zeit intensiv mit Mafia-Angelegenheiten befasst«, erwiderte Edwards.

Clairé konnte sich genau vorstellen, wie sich Leonard Edwards, den sie infolge seines massigen Körperumfanges, nur ›Fatso‹ nannte, jetzt in seinem Sessel zurücklehnte und aus dem hoch über London liegenden Büro auf die Stadt hinabschaute.

»Wenn Sie meine bescheidene Meinung hören wollen«, fuhr Edwards fort, »dann täte er besser daran, das Gebiet anderen zu überlassen. Für einen Mann seiner Erfahrung und Rangfolge kann es auf Dauer nicht gut ausgehen, den Burschen in die Karten zu schauen.«

»Soll ich ihn warnen?«

»Aber nicht direkt.«

»Ich werde ihn diskret darauf hinweisen«, erwiderte Clairé und beendete das Gespräch, während sie am ›Ravensbourne Park‹ rechts abbog und im folgenden Kreisverkehr die zweite Ausfahrt nahm um auf der ›Manwood Road‹ zu bleiben. Als sie endlich die ›New Cross Road‹ erreichte fuhr sie auf die A2, der sie zweieinhalb Meilen folgte. Dann bog sie auf die ›Marshalsea Road‹ ein und steuerte ihren Wagen von dort in die ›Southwark Bridge Road‹. Zehn Minuten später hielt sie sich links, erreichte die ›New Bridge Street‹ und nach einer weiteren Meile die ›Roseberry Avenue‹ in der sie ihren Sportwagen abstellte. Dann ging sie am Restaurant ›Zafferano‹ vorbei, bog nach links ab und befand sich mitten im Getümmel des Marktes von ›Little Italy‹, dem italienischen Viertel der Metropole. Aus einem halben Dutzend Pizzaläden drang ein betörender Duft zu ihr herüber. Die Bäcker priesen mit durchdringenden Organen ihre ›Pizza à la napoletana‹ und ›Pizza à la margherita‹ an. Zwei schnauzbärtige Typen mit flachen Hüten sammelten vor einer Statue Pfundnoten für ›San Gennaro‹, den Schutzheiligen der Neapolitaner ein, und auf den Bordsteinkanten hockten einige Kinder, um Lose irgendeiner Lotterie feilzubieten. Clairé drängte sich zwischen den schwitzenden Männern hindurch, um den vereinbarten Platz zu erreichen.

Sie trat in eine Gasse, in der regelmäßig ein Puppentheater gastierte. Scarantino hatte ihr erzählt, dass kein Mensch auf die Idee kommen würde, dass ausgerechnet hier wichtige Informationen weitergegeben würden. Überdies herrschte stets genügend Lärm, sodass niemand verstand, was er ihr heimlich zusteckte – so auch diesmal.

Ein exotisch bunter ›Pulcinella‹ schlug in einem winzigen Bühnenausschnitt auf einen Drachen ein. Kinder johlten und Mütter klatschten Beifall. Durch das Gewühl großer und kleiner Leiber hindurch machte Clairé den gebürtigen Italiener Frederico Scarantino aus, den kleinen Mann, der ihr in der Vergangenheit so manchen brauchbaren Hinweis geliefert hatte und dafür immer ein ordentliches Honorar verlangte.

Scarantino saß auf einer Bank und visierte einen imaginären Punkt an.

Clairé steuerte zielstrebig auf ihn zu. Natürlich setzte sie sich nicht direkt neben ihn, ließ aber ihre kleine Handtasche so von der Schulter rutschte, dass sie sich beim Bücken mit ihrem Gesicht dicht vor seinem Kopf befand. »Reden Sie schon, Frederico!«, raunte sie ihm zu. »Sie wissen genau, dass ich Sie nicht um ein paar Pfund bringen will. Ich hinterlege das Geld am üblichen Platz.«

»Aberdeen«, murmelte er.

»Ich verstehe nicht.«

»Aberdeen«, wiederholte der Italiener mit schwacher Stimme. »›Overnight‹ … Hotel …«

»Frederico, ist Ihnen nicht gut?«

Scarantino war erschreckend bleich und hatte Ränder unter den Augen. Sei Blick war stumpf. Als ihn jemand zufällig von der Seite anstieß, kippte er nach vorn und blieb bäuchlings auf dem Pflaster der Gasse liegen.

Clairé sah das Messer in seinem Rücken und wusste, dass sie gerade einem Sterbenden in die Augen gesehen hatte.

Die Kinder und Mütter widmeten ihre Aufmerksamkeit nun auch dem blutenden Mann. Augenblicklich schlugen ihre Begeisterungsrufe in lautes Kreischen und Zetern um. Irgendwer zerrte drei oder vier Kinder weg, um sie vor dem grauenhaften Anblick zu bewahren. Immer mehr Blut trat aus der Wunde und breitete sich als Fleck auf dem Pflaster aus.

Clairé brachte ihren Mund an Scarantinos Ohr. »Wer war es, Frederico? Sagen Sie es mir. Ich werde ihn finden, und wenn ich die ganze verdammte Stadt nach ihm umgraben muss.«

Aber der Italiener konnte nichts mehr sagen. Er hatte längst den Schritt von dieser Welt in die nächste vollzogen.

Clairé bemerkte es, richtete sich auf und musste sich festhalten. Ihr war schwindelig und furchtbar elend zumute. Frauen redeten auf sie ein, aber sie antwortete und beachtete sie nicht. Es war sinnlos, die Leute zu befragen. Sie wusste auch so, dass keiner Zeuge des Mordes geworden war. Und selbst wenn es jemand beobachtet haben sollte, so würde er nichts verraten, denn ein schwatzhafter Mensch galt in ›Little Italy‹ bereits als so gut wie tot.

Beamte des ›MPS‹, des ›Metropolitan Police Service‹ erschienen auf der Bildfläche.

Clairé erklärte ihnen, dass ihr der Mann rein zufällig entgegengefallen wäre, was im Endeffekt ja auch stimmte, und um vorerst längeren Verhören auszuweichen, gab sie an, ihn nicht zu kennen. Als sie gehen konnte, suchte sie sich eine ruhige Stelle und rief Leonard Edwards mit ihrem Smartphone an.

»Der arme Teufel«, brummte ›Fatso‹. »Ich hatte also recht mit meinen Befürchtungen. Hinter diesem Mord steckt die Mafia. Fragt sich nur, welcher von den Burschen. Brauchen Sie Hilfe, Miss Beauvais?«

»Nein«, erwiderte sie. Ihr ging es inzwischen etwas besser. Sie lehnte sich gegen die Hauswand und sah sich um. Niemand schien sie zu beschatten. »Hören Sie zu: Ich muss wissen, was er mit Aberdeen und Hotel ›Overnight‹ meinte!«

»In Aberdeen gibt es keines. Aber ganz in der Nähe, in ›Bridge of Dee‹ an der A90.«

Clairé überlegte kurz. »Ich halte es für das beste, wenn ich sofort nach Aberdeen fliege und mir dieses Hotel ansehe. Da muss etwas von Bedeutung geschehen sein, sonst hätte Scarantino in seiner Sterbensstunde nicht so großen Wert daraufgelegt, es mir mitzuteilen. Und dass es sich um eine heiße Angelegenheit handelt, beweist mir sein Tod. Irgendjemand wollte unbedingt, dass er darüber schweigt.«

»Gut«, brummte Edwards. »Ich kümmere mich sofort um eine Platzreservierung von ›Heathrow‹ zum ›Aberdeen International Airport‹ und melde mich wegen der Abflugzeit.«

***

Kokett ins Bett

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