Читать книгу Schattendasein - Der erste Teil der Schattenwächter-Saga - Сандра Грауэр - Страница 6

Erwischt!

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An diesem Tag liefen wir Gabriel wegen seiner Abiprüfung nicht mehr über den Weg, aber Hannah und ich suchten uns in den Pausen ohnehin einen ruhigen Ort, um zu besprechen, wie wir weiter vorgehen sollten. Nach der Schule gingen wir sofort zu mir. Meine Mutter war noch nicht zu Hause, als wir ankamen, daher mussten wir uns nicht mit Nebensächlichkeiten wie Mittagessen aufhalten. Sie hatte mir allerdings eine Packung Mirácoli und einen Zettel hingelegt, dass ich mir ja schon mal was zu essen machen könnte, wenn ich großen Hunger hätte. Wir hatten zwar Hunger, aber keine Lust, zu kochen, deshalb holte ich uns haufenweise Süßkram nach oben. Hannah saß bereits vor dem PC, als ich mein Zimmer betrat.

»Die alte Gurke braucht ganz schön lang zum Hochfahren«, maulte sie und griff nach einem Schokoriegel. »Vielleicht solltest du mal drüber nachdenken, dir 'nen neuen Computer zu besorgen.«

»Zu teuer«, antwortete ich knapp und griff ebenfalls nach einem Schokoriegel. Die Diskussion hatte ich schon mehrmals mit Hannah geführt. Manchmal war es nervig, so lange zu warten, bis man endlich arbeiten konnte, so wie jetzt zum Beispiel, wo wir beide voller Tatendrang waren. Aber in der Regel störte es mich nicht. Ich hatte mich längst daran gewöhnt, und solange der Computer seinen Zweck erfüllte, war das meiner Meinung nach in Ordnung.

Als der Rechner endlich hochgefahren war, suchte Hannah nach einem lateinischen Wörterbuch, während ich weiter an meinem Schokoriegel knabberte. »Da, ich hab's«, meinte sie ganz aufgeregt. »Custos heißt Wächter, und umbrarum kommt von umbra. Das bedeutet Schatten.« Ich überlegte einen Moment und murmelte schließlich: »Wächter der Schatten. Schattenwächter. Kannst du dir irgendwas darunter vorstellen?« Hannah schüttelte den Kopf. »Ich hab keinen blassen Schimmer, was das sein soll. Aber wir können's ja mal googlen.« Sie gab das Wort Schattenwächter ein und drückte auf Enter. »Oh Gott, da gibt's haufenweise dieser Foren, wo irgendwelche Freaks gegeneinander spielen. Bitte sag mir, dass Gabriel nicht dazugehört.« »Bestimmt nicht«, meinte ich und schob sie zur Seite, um selbst mal einen Blick auf die Ergebnisse zu werfen. »Also ich kann mir ja vieles vorstellen, aber dass Gabriel Mitglied bei so einem Forum ist, glaub ich nicht.« Ich klickte mal eine Seite an und las quer. »Außerdem haben die ihre Plattform im Internet. Das würde also nicht erklären, warum Gabriel und sein Bruder in der Realität mit Schwertern hantieren. Nee, da muss was anderes dahinterstecken.« Ich gab die Wörter Custos umbrarum bei Google ein und wartete auf die Ergebnisse. »Gute Idee«, murmelte Hannah neben mir. »Gefällt dir eine geheime Burschenschaft besser als so ein Spielerforum?«, fragte ich Hannah, nachdem wir die Ergebnisse begutachtet hatten. Direkt an erster Stelle offenbarte sich uns ein Link über besagte Burschenschaft. »Ich weiß nicht«, erwiderte Hannah skeptisch. »Klick doch mal drauf.« Und genau das tat ich. Es dauerte nicht lange, bis sich die Startseite aufgebaut hatte. Mich traf fast der Schlag. Mitten auf dem Bildschirm prangte ein Bild von dem Schwert, dass ich Samstagabend gesehen hatte. »Das ist es«, flüsterte ich fast. Doch Hannah beachtete mich kaum. Sie murmelte nur etwas von »Hübsch« und war schon in den Text vertieft. Auch ich begann nun, zu lesen. Die Seite lieferte einen Enthüllungsbericht über die geheime Burschenschaft Custos umbrarum, deren Mitglieder sich angeblich Schattenwächter nannten. Schattenwächter, weil man die Burschenschaft im Dunkeln halten wollte. Mitglied konnte man nicht einfach so werden. Entweder man wurde auserwählt oder von anderen Mitgliedern vorgeschlagen. In vielen Burschenschaften stand das Fechten im Vordergrund. Bei dieser Burschenschaft war der Schwertkampf wichtig. Füchse, also Mitglieder auf Probe, mussten einen solchen Schwertkampf bestehen, um endgültig in der Burschenschaft aufgenommen zu werden. Die Farben der Burschenschaft waren grün und schwarz. Ich versuchte, mir Gabriel als Mitglied einer geheimen Burschenschaft vorzustellen. »Was meinst du dazu?«, fragte ich Hannah. »Klingt plausibel, oder? Ich mein, Gabriels Bruder studiert schon, Gabriel ist auch bald so weit. Außerdem haben seine Eltern Kohle, soviel ich weiß. Das passt doch. Auch wenn ich das Ganze etwas schade finde. Es klingt zwar aufregend und spannend, aber irgendwie hatte ich gehofft, hinter der ganzen Sache würd mehr stecken. Was meinst du denn?« »Ich bin nicht sicher. Es würd schon Sinn machen, und ehrlich gesagt könnt ich's mir auch gut vorstellen. Aber lass uns noch ein bisschen weiter suchen, nur zur Sicherheit.« Viel fanden wir aber nicht mehr. Es gab noch ein paar Seiten, in denen es ebenfalls um diese Burschenschaft ging, die aber keine neuen Informationen lieferten. Alle anderen Ergebnisse waren nutzlos. Tja, damit war das Geheimnis wohl gelüftet, auch wenn mir das Ganze etwas zu einfach vorkam. Warum hatte Gabriel so einen Wind gemacht, wenn es sich bei der Sache am Samstagabend nur um Aktivitäten einer geheimen Burschenschaft handelte? Andererseits, er war eben Gabriel.

Hannah hatte keinen Zweifel daran, dass wir hinter Gabriels Geheimnis gekommen waren. Anfangs war auch ich mir sicher, dass die Sache Sinn machte. Je mehr ich jedoch darüber nachdachte, desto unsicherer wurde ich. Ich konnte mir Gabriel zwar durchaus als Mitglied einer Burschenschaft vorstellen, ob nun geheim oder nicht, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass noch mehr dahintersteckte. An besagtem Samstagabend waren Dinge geschehen, die sich mit dieser Lösung einfach nicht erklären ließen.

Warum war zum Beispiel der eine Mann ohnmächtig gewesen? Wenn sie dort auf dem Spielplatz geübt hatten, hätten sie sich doch nicht gegenseitig verletzt oder der Polizei überlassen. Dann war da noch dieses komische Wesen gewesen, das verbrannt war. Wie ließ sich das erklären? Und wenn man mal von all diesen Dingen absah, war Gabriel noch dabei, sein Abitur zu machen. Er musste doch im Moment weitaus Wichtigeres zu tun haben, als sich um solche Burschenschaften und Aufnahmerituale zu kümmern. Schließlich war er gerade mit seinen schriftlichen Prüfungen beschäftigt. Ich bezweifelte, dass er sich schon an der Uni beworben hatte. Immerhin lief die Bewerbungsfrist bis zum Sommer, und er hatte ja noch nicht einmal sein Abiturzeugnis vorzuweisen. Und ohne das konnte er sich nicht bewerben, schon gar nicht für ein Fach, für das man einen bestimmten Notendurchschnitt vorweisen musste. Warum also sollte er bereits Mitglied einer Burschenschaft sein?

Ich kannte mich damit zwar überhaupt nicht aus, aber ich war mir ziemlich sicher, dass man im ersten Semester oder zumindest bereits an einer Uni eingeschrieben sein musste, um Mitglied zu werden. Wie man es auch drehte und wendete, es ergab alles keinen Sinn. Wenn ich mit Hannah darüber sprach, winkte sie bloß ab. Gabriels Familie hätte doch Geld, da gäbe es solche Zwänge sicher nicht. Aber ich ließ mich nicht überzeugen, und schließlich kam mir der Zufall zu Hilfe. In der Stadt traf ich Oliver, einen Kommilitonen von Tim, der Mitglied in einer Heidelberger Studentenverbindung war. Ich packte die Gelegenheit beim Schopf. Vielleicht konnte ich ihn ja ein wenig über Studentenverbindungen aushorchen.

»Hi Oliver«, begrüßte ich ihn, als er auf der überfüllten Hauptstraße fast an mir vorbeigegangen wäre, ohne mich zu bemerken.

»Ach Emmalyn, hab dich gar nicht gesehen«, erwiderte er und drückte mir ein Küsschen auf die Wange. »Wie geht’s?«

»Gut, danke. Und dir? Was macht die Uni?«

»Alles super. Ab und zu mal ein Kurs und ansonsten das Studentenleben in vollen Zügen genießen. Was will man mehr?«

Ich nickte zustimmend, auch wenn ich nicht zwingend seiner Meinung war. Ich kannte Oliver gut genug, um zu wissen, was er darunter verstand, das Studentenleben in vollen Zügen zu genießen. Am Wochenende ernährte er sich fast ausschließlich von Bier, die Semesterferien waren für ihn ein einziger Rausch, und seine Freundinnen wechselte er fast so häufig wie andere Leute ihre Unterwäsche. Ich mochte ihn nicht sonderlich, aber da musste ich jetzt durch, wenn er mir helfen sollte.

»Hey, hast du grad zufällig Zeit? Ich recherchiere über Studentenverbindungen, und du kannst mir doch bestimmt ein paar interessante Sachen erzählen.«

»Klar, wenn du willst. Ich wollte eh grade was essen gehen, kommst du mit?«

»Gern«, antwortete ich und zwang mich zu einem Lächeln.

Wir kämpften uns durch die volle Hauptstraße in Richtung Uniplatz durch, während Oliver begann, einfach drauflos zu erzählen. In der Heidelberger Altstadt gab es zwei Mensen, das wusste ich schon dank Tim, und ich hatte auch schon in beiden von ihnen gegessen. Die Triplex-Mensa lag direkt am Uniplatz. Sie verströmte den typischen Kantinencharme. Dann gab es noch die Mensa im Marstall nur wenige Hundert Meter entfernt. Dort ging ich lieber hin, und das nicht nur, weil ich das Essen dort besser fand. Dort pulsierte einfach das Leben, man war mittendrin. Man spürte zwar überall, dass Heidelberg eine Studentenstadt war. Das lag zum Teil natürlich auch daran, dass die Universitätsgebäude in der ganzen Stadt verteilt waren. Aber ich fand, nirgends war dieses Gefühl so stark wie in der Mensa im Marstall. Hier war es immer voll, egal, wann man herkam. Morgens tranken die müden Studenten hier ihren ersten Kaffee, der natürlich trendig als Latte Macchiato oder als Cappuccino daherkam. Später aß man hier zu Mittag oder saß einfach nur beisammen, und abends gab es Cocktails und Musik. Die Mensa war riesig. Man konnte nicht nur drinnen sitzen, auch draußen gab es unzählige Tische. Und wer hier keinen Platz mehr bekam, setzte sich einfach auf den Rasen.

»Gehen wir zum Marstall?«, fragte ich, als wir am Uniplatz angekommen waren und uns entscheiden mussten, ob wir rechts zur Triplex-Mensa oder links zum Marstall wollten.

»Sicher«, meinte Oliver und erzählte weiter von seinem Leben als Verbindungsstudent.

Ich hörte nur mit halbem Ohr zu, weil ich die meisten Geschichten schon kannte, und genoss die Atmosphäre. Wie erwartet war es im Mensabereich bereits ziemlich voll. Es war ein warmer Tag, und die großen, bodenlangen Fenster des Gebäudes waren geöffnet. Wir gingen hinein, holten uns was zu essen und suchten uns dann einen Platz im Freien. Alle Tische waren bereits belegt, aber wir fanden noch zwei freie Plätze an einem Tisch und quetschten uns einfach dazu. Ich hörte Oliver eine ganze Weile weiter zu, während er erzählte, um ihn gnädig zu stimmen. Doch dann wollte ich Antworten auf meine Fragen.

»Sag mal, ab wann kann man eigentlich einer solchen Verbindung beitreten?«, fragte ich schließlich.

»Wie meinst du das, ab wann? Theoretisch kann jeder Student beitreten.«

»Lass es mich anders formulieren: Ist es möglich, dass ein Schüler, der noch nicht mal sein Abi in der Tasche hat, Mitglied in einer Verbindung ist?«

Oliver lachte. »Wo hast du denn das her? Das ist völlig absurd.«

Also doch. »Ich hatte mir schon so was gedacht. Und wie viele Verbindungen gibt's in Heidelberg?«

Oliver seufzte. »Gott, da fragste mich was. Irgendwas um die vierzig, denk ich. Nagel mich aber nicht drauf fest.«

»Das passt, ich wollte nur 'ne ungefähre Vorstellung davon haben, wie viele es sind. Kennen sich denn alle untereinander?«

Nun grinste er. »Klar kennt man sich untereinander. Man muss doch die Konkurrenz abchecken.«

Ich nickte. »Die Frage klingt jetzt vielleicht ein bisschen blöd, aber gibt's auch geheime Verbindungen?«

»Dann wären sie ja nicht mehr geheim, oder?«, meinte Oliver und lachte.

Ich versuchte es anders. »Hast du schon mal was von Custos umbrarum gehört?« Er überlegte einen Moment. »Nö, hab ich noch nie von gehört. Was soll das sein? 'Ne Verbindung?« »Ich glaub schon. Genau genommen ist es 'ne Burschenschaft. Ich weiß nicht, ob's da 'nen Unterschied gibt.« »Eine Burschenschaft ist 'ne bestimmte Art von Verbindung. Studentenverbindung ist nur der Überbegriff«, erklärte Oliver fast etwas geistesabwesend. »Custos umbrarum«, murmelte er immer wieder. »Tut mir echt leid, hab ich noch nie gehört. Muss ich die kennen?« »Bin nicht sicher. Ich hab was über die im Internet gelesen, weiß aber nicht, ob man dem trauen kann. Vielleicht könntest du dich mal ein wenig umhören?« Oliver zuckte die Schultern und schob seinen leeren Teller beiseite. »Kann ich machen, wenn's dir weiterhilft.« Ich nickte. »Das wär toll.« »Mach ich. Du, ich muss langsam mal.« »Kein Problem, du hast mir schon sehr geholfen.« Wir verabschiedeten uns voneinander. Ich blieb noch einen Moment sitzen, trank meine Cola aus und dachte in Ruhe darüber nach, was ich erfahren hatte. Eines war jedenfalls klar: Selbst wenn es diese Burschenschaft tatsächlich gab, die Wahrscheinlichkeit, dass Gabriel Mitglied war, war relativ gering. Mal sehen, was Oliver über die Burschenschaft herausfinden würde. Ich musste mich zwei ganze Tage gedulden, bis ich endlich etwas von Oliver hörte. Er ließ mir über Tim mitteilen, dass noch nie jemand etwas über diese Burschenschaft gehört hätte. Ich wurde noch skeptischer. Das waren alles nur Indizien und keine Beweise. Die Burschenschaft konnte auch so geheim sein, dass niemand was davon wusste, aber das glaubte ich nicht. Vielmehr hatte ich das Gefühl, dass diese geheime Burschenschaft nur dazu da war, einen auf die falsche Fährte zu locken. Als ich Freitagabend allein zu Hause in meinem Zimmer saß und mich einfach nicht auf mein Buch konzentrieren konnte, beschloss ich, noch einmal im Internet nachzusehen. Vielleicht hatten Hannah und ich ja etwas Wichtiges übersehen. Ich klickte mich durch die ganze Seite und las mir alles ganz genau durch, doch ich fand nichts Neues heraus. Schließlich sah ich mir sogar das Impressum an – und fiel fast vom Stuhl: Ein gewisser Gabriel Lennert war für die Seite verantwortlich. Ich hatte keine Ahnung, wie Gabriel mit Nachnamen hieß, aber das musste schon ein sehr großer Zufall sein. Hastig holte ich den Satanismus-Ordner hervor und blätterte ihn durch, bis ich endlich das Handout fand, das Gabriel an seine Klassenkameraden verteilt hatte. Und dort stand es, ganz oben rechts in der Ecke: Gabriel Lennert. »Wusst ich's doch«, murmelte ich vor mich hin und grinste triumphierend. Wenn Gabriel meinte, mich über's Ohr hauen zu können, musste er früher aufstehen. Ich griff nach meinem Handy und wählte Hannahs Nummer, um ihr alles zu erzählen, doch es meldete sich nur die Mailbox. Ich bat sie, mich zurückzurufen, und lief ein paar Mal in meinem Zimmer auf und ab. Jetzt stand ich wieder am Anfang der Recherche und hatte immer noch keinen weiteren Anhaltspunkt. Natürlich hätt ich auch einfach aufgeben können, aber nun hatte mich der Ehrgeiz gepackt. Ich wollte unbedingt herausfinden, was Gabriel vor mir geheimhalten wollte. Und dafür gab es nur einen Weg: Ich musste versuchen, ihn aus der Reserve zu locken. Oder besser noch, ich könnte es mal bei Joshua versuchen. Vielleicht war er ja kooperativer. Irgendwie musste ich doch an die Adresse der beiden kommen. Ich sah noch einmal im Ordner nach, doch weder auf dem Handout noch sonst irgendwo stand ein Straßenname, also probierte ich es auf gut Glück im Internet. Ich hatte kein Glück. Schließlich hatte ich aber die rettende Idee, auf die ich schon längst hätte kommen müssen. Ich lief nach unten ins Wohnzimmer und zog einen Ordner aus dem Schrank, in dem meine Mutter die Schulunterlagen von mir und meinem Bruder aufbewahrte. Ungeduldig blätterte ich die Seiten durch und fand endlich, wonach ich suchte: die Adressliste des Jahrgangs meines Bruders. Ich sprang sofort zum Buchstaben L und fand dort gleich nach Brigitte Laus Gabriel Lennert. Er wohnte im Schloss-Wolfsbrunnenweg 1. Ich war selbst noch nie dort gewesen, doch ich konnte den Straßennamen sofort einordnen. Hoch über dem Heidelberger Schloss hatte es früher das alte Schlosshotel gegeben, das leider irgendwann hatte schließen müssen. Eine Baufirma hatte das Gebäude erst vor wenigen Jahren gekauft und zu teuren Luxuswohnungen umgebaut. Und dort wohnte Gabriel also. Die Familie musste wirklich Geld haben, wenn sie sich das leisten konnte. Ich schob den Ordner zurück ins Regal und ging wieder nach oben in mein Zimmer. Es half alles nichts. Wenn ich in der Sache weiterkommen wollte, musste ich mich in die Höhle des Löwen begeben. Je eher, desto besser, also wollte ich mich gleich morgen nach dem Frühstück auf den Weg machen.

Ich hatte die halbe Nacht über kaum ein Auge zugetan und war auch am Morgen früh wach. Zwar war ich noch müde, doch ich wusste, dass ich nicht mehr schlafen konnte. Ich war alleine, Tim hatte in der letzten Nacht seinen Männerabend nachgeholt, den er am Samstag zuvor extra für mich abgesagt hatte. Mir war das sogar ganz recht. So musste ich mich nicht rechtfertigen oder unter irgendeinem Vorwand aus dem Haus stehlen.

Da meine Mutter und Mark noch schliefen, schlich ich mich ins Badezimmer und nahm eine ausgiebige Dusche. Ich hatte Zeit, denn ich wollte nicht unhöflich sein und Gabriel oder seine Familie an einem Samstagmorgen vor neun Uhr stören. Als ich eingewickelt in ein weiches Handtuch in meinem Zimmer vor meinem Kleiderschrank stand, überlegte ich einen kurzen Moment, ob ich den Gürtel tragen sollte, den Gabriel mir geschenkt hatte. Vielleicht würde ihn das ja milde stimmen, doch als ich genauer darüber nachdachte, bezweifelte ich das. Er würde sich höchstens über mich lustig machen, also ließ ich es.

Nachdem ich gefrühstückt hatte, war es halb neun. Ich würde noch eine ganze Weile brauchen, ehe ich am alten Schlosshotel sein würde, daher schrieb ich meiner Mutter eine kurze Nachricht und machte mich auf den Weg. Ich nahm mein Fahrrad mit und stieg in den nächsten Bus Richtung Innenstadt. Vom Marstall aus ging es mit dem Rad weiter. Ein gutes Stück konnte ich noch fahren, doch irgendwann ging es zu steil den Berg hinauf, und ich musste absteigen und schieben. Ich kam an einigen Häusern vorbei, in denen Studentenverbindungen untergebracht waren. Es waren schöne Häuser, da konnte man nichts sagen.

Etwas außer Atem erreichte ich schließlich die neuen Luxuswohnungen am Schloss-Wolfsbrunnenweg. Es war wirklich beeindruckend. Die Gebäude sahen hübsch aus, und von hier oben hatte man einen herrlichen Ausblick auf die Altstadt. Es musste toll sein, hier zu wohnen.

Während ich mein Fahrrad abschloss, hoffte ich, dass Gabriel oder Joshua auch da sein würden. Aber ich hatte ein Buch mitgenommen und würde notfalls einfach warten. Ich ging in Richtung Eingangstür und überlegte, wie ich Gabriel dazu bringen konnte, mich überhaupt hereinzulassen. Ich beschloss, das Referat vorzuschieben und ging die wenigen Stufen hinauf, um auf den Klingelschildern nach Lennert zu suchen, als sich die Eingangstür öffnete und ein kleines Mädchen mit einem Hund auf dem Arm herausstürmte. Sie blieb in der Tür stehen und setzte den Hund auf dem Boden ab. Er sah noch sehr jung aus und war ungemein putzig. In einem Affentempo raste er neben mir die Stufen hinunter und zum nächsten Baum, wo er sich erleichterte. Lächelnd sah ich das Mädchen an, die mit den Schultern zuckte.

»Wir haben das noch nicht ganz im Griff mit dem Klogehen. Er muss das erst noch lernen.«

»Verstehe«, meinte ich immer noch lächelnd. »Er sieht auch noch sehr jung aus. Wie alt ist er denn?«

»Zwei Monate. Ich habe ihn erst seit einer Woche. Er heißt Erwin.«

»Erwin? Interessanter Name für einen Hund.«

»Mein Opa hieß so. Leider hab ich ihn nie kennengelernt.«

»Oh, tut mir leid«, sagte ich und fühlte mich etwas unbehaglich. Ich beschloss, das Thema zu wechseln. »Sag mal, weißt du zufällig, in welcher Wohnung Gabriel Lennert wohnt?«

Das Mädchen kicherte. »Bist du die neue Freundin von meinem Bruder?«

»Ach, Gabriel und Joshua sind deine Brüder?«, fragte ich überrascht.

Sie nickte. »Ich bin Lilly.« Höflich hielt sie mir die Hand hin.

Ich schüttelte sie und sah mir Lilly etwas genauer an. Wenn man es wusste, war die Ähnlichkeit nicht zu übersehen. Sie hatte wie Gabriel dunkle Haare und grüne Augen und sah ziemlich süß aus. Ich schätzte sie auf höchstens zehn Jahre. »Hallo Lilly, ich bin Emmalyn. Sagst du mir, wo ich deine Brüder finde? Ich muss was mit ihnen besprechen.«

»Wir wohnen ganz oben. Du kannst ruhig hochgehen, die Tür ist nur angelehnt. Erwin hatte es eilig, deshalb hab ich keinen Schlüssel dabei. Gabriel und Joshua sind im Arbeitszimmer meines Vaters.«

Ich nickte. »Wo ist das Arbeitszimmer?«

»Ganz hinten mit der Doppeltür. Geh einfach rein, meine Mama ist nicht da.« Sie lächelte verschmitzt und hielt mir die Tür auf.

Ich trat an ihr vorbei. »Was ist mit dir?«

»Ich bleib noch einen Moment mit Erwin draußen. Er kennt noch nicht alle Bäume in der Gegend.« Fröhlich sprang sie die Stufen hinunter und rief nach Erwin, der sich allerdings nur mäßig dafür interessierte.

Ich drehte mich um und nahm den Aufzug nach oben. Wie Lilly gesagt hatte, war die Wohnungstür nur angelehnt. Ich zögerte einen Moment, doch dann klopfte ich und schob sie auf. »Hallo?«, rief ich in den Flur und wartete auf eine Reaktion, doch die blieb aus. Stattdessen hörte ich laute Stimmen. Sie kamen vom Ende des Flurs, wo aller Wahrscheinlichkeit nach das Arbeitszimmer lag. Wieder zögerte ich und überlegte, was ich machen sollte. Ich wollte nicht unhöflich sein und lauschen. Das Beste würde wohl sein, ich würde einfach hingehen und anklopfen. Ohne an Lilly zu denken, schloss ich die Haustür und ging den Flur entlang. Die Stimmen wurden immer lauter. Worüber die wohl stritten?

»Hör zu, Vater, ich krieg das auch allein hin. Ich brauch keinen Babysitter.« Ich erkannte eindeutig Gabriels Stimme.

»Du weißt genau, worum es bei der ganzen Sache geht«, antwortete eine tiefe, aber angenehme Stimme. Das musste Gabriels Vater sein. »Das hat nichts mit deinen Fähigkeiten zu tun. Es ist einfach nicht sinnvoll, allein auf die Jagd zu gehen. Das haben wir in der letzten Woche gesehen.«

In der Nähe der Tür blieb ich stehen. Was für eine Jagd denn? Ich konnte mir ja vieles vorstellen, aber nicht, dass Gabriel Spaß daran hatte, Tiere zu töten. Eigentlich hatte ich ja anklopfen wollen, doch jetzt war ich neugierig. Ich schlich noch ein paar Schritte näher an die Tür heran.

»Aber es war doch nur eine Woche, in der ich auch noch meine vier schriftlichen Abiprüfungen hatte. Jetzt hab ich Zeit. Ich brauch nur ein bisschen Übung, dann geht das schon.«

»Das kommt überhaupt nicht in Frage. Es wird schwierig sein, aber ich werde auf jeden Fall versuchen, einen Ersatz für Joshua herzukriegen.«

»Keine Chance«, erwiderte Gabriel. Ich konnte förmlich hören, wie er die Arme vor der Brust verschränkte. »Bevor ich mit jemand anderem auf die Jagd geh, lass ich's lieber ganz bleiben.«

»Das wird nicht gehen, fürchte ich. Die Walpurgisnacht steht vor der Tür.«

»Na und? Es wird genug Wächter geben, die an der Thingstätte nach dem Rechten sehen werden. Genau deshalb kommen sie ja von überall her.«

Er hatte Wächter gesagt. Wahrscheinlich meinte er damit Schattenwächter. Also hatten Hannah und ich wenigstens die richtige Übersetzung gefunden. Aber was sollten Schattenwächter sein? Viel schlauer als vorher war ich immer noch nicht.

»Richtig«, antwortete sein Vater ruhig. »Eben weil wir jeden dort oben brauchen, dich eingeschlossen. Gabriel, du weißt, wie wichtig das Ganze ist.«

»Vielleicht bin ich ja zur Walpurgisnacht wieder fit«, mischte sich nun jemand Drittes ein. Das musste Joshua sein. Er hatte die angenehme Stimme seines Vaters.

»Das kann sein, aber selbst wenn. Du kannst höchstens im Hintergrund agieren. Du wirst völlig aus der Übung sein und musst erst mal wieder zu Kräften kommen. Dein Bein wird am Anfang keine großen Belastungen mitmachen.«

»Ich kann mich doch an der Walpurgisnacht einem anderen Wächter-Team anschließen«, meinte Gabriel. »Und bis dahin komm ich schon allein klar.«

Ich hörte seinen Vater seufzen und hatte Mitleid mit ihm, obwohl ich ihn gar nicht kannte. Aber ich kannte Gabriel ein wenig, und ich hatte bereits am eigenen Leib erfahren, dass er einen zur Weißglut treiben konnte.

»Gabriel. Du machst das Ganze jetzt seit wie vielen Jahren? Muss ich dir wirklich erklären, warum wir Wächter am besten in Zweierteams arbeiten?«

»Ich bin ja nicht ganz blöd. Aber es ist doch nicht zwingend nötig, den Schatten zu beschwören. Warum soll ich ihn von mir Besitz ergreifen lassen, wenn ich ihn auch gleich umbringen kann?«

»Weil es sicherer ist. Erstens können wir uns keine Zeugen erlauben und zweitens sieht es nicht gut aus, wenn überall ohnmächtige Menschen herumliegen.«

Ich musste an den ohnmächtigen Mann auf dem Spielplatz denken und wurde noch hellhöriger.

»Auf der Thingstätte fällt das doch überhaupt nicht auf.«

»Mag sein, aber gerade da ist es wichtig, im Team zu arbeiten. Die Schatten lauern überall, du brauchst Rückendeckung. Und jetzt ist Schluss mit der Diskussion. Du wirst nicht alleine auf die Jagd gehen, basta.«

»Okay, dann such mir jemanden, und ich setz bis zur Walpurgisnacht aus.«

»Das wirst du nicht, jetzt sei einmal vernünftig. Noch haben wir keine Verstärkung hier in Heidelberg. Es ist wichtig, die Schatten unter Kontrolle zu halten. Vor allem jetzt, wo die Walpurgisnacht bevorsteht. In letzter Zeit ist schon genug schief gegangen. Wenn ich dich nur mal an die zwei Schatten erinnern darf, die dir entkommen sind.«

»Die krieg ich noch, das schwör ich dir.«

»Und was ist mit diesem Mädchen, das euch gesehen hat? Wie hieß sie noch gleich?«, wollte der Vater wissen.

Ich hielt die Luft an. Ob sie von mir sprachen?

»Emmalyn, aber um die brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich hab das im Griff.«

»Tatsächlich? Was hast du ihr denn erzählt?«

»Nicht viel, aber darum geht's auch nicht. Sie hat ja kaum Anhaltspunkte. Entweder, sie kommt zu dem Schluss, dass das Ganze etwas Satanisches war, oder aber sie fällt auf die Sache mit der Burschenschaft rein. Wie auch immer, die kann uns nicht gefährlich werden.«

»Wollen wir's hoffen.«

»Vielleicht sollten wir uns eine plausible Erklärung einfallen lassen, die du ihr auftischen kannst«, schlug Joshua vor. »Nur, damit sie zufrieden ist und nicht weiter bohrt.«

»Das wird sie nicht, und wenn, kriege ich das auch noch hin. Meinem Charme ist bisher noch jede erlegen.«

Ich war mir sicher, dass er in diesem Moment grinste. Das war ja wohl die Höhe. Hannah konnte er vielleicht mit dieser Masche um den Finger wickeln, aber nicht mich.

»Darauf möchte ich mich lieber nicht verlassen«, erwiderte sein Vater.

Ich erschrak, als es an der Tür klingelte. Mist, was sollte ich jetzt machen? Doch bevor ich überhaupt irgendetwas machen konnte, öffnete sich die Tür des Arbeitszimmers – und Gabriel stand mir gegenüber. Er starrte mich an, und ich hätte bei seinem Anblick am liebsten gelacht. Leider war mir in diesem Moment so gar nicht nach Lachen zumute.

»Wie bist du hier reingekommen?«

»Deine Schwester war so freundlich.«

»Und wie lang stehst du schon da?«

»Lang genug, würd ich sagen«, erwiderte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Zwar konnte ich das, was ich gehört hatte, bisher nicht wirklich in einen sinnvollen Zusammenhang bringen, aber das musste er ja nicht wissen.

»Was ist los?«, fragte jemand und trat an die Tür. Das musste Gabriels Vater sein. Er war etwa Mitte vierzig und sah ziemlich gut aus. Die dunklen Haare, die seine Kinder anscheinend von ihm hatten, waren an einigen Stellen grau durchwachsen, doch das machte ihn nur noch attraktiver. Er hatte etwas von George Clooney. Mit seinen grünen Augen sah er mich an. »Wer ist das?« Er sah von mir zu Gabriel. Gabriel gab keine Antwort.

»Emmalyn«, stellte ich mich selbst vor und reichte ihm die Hand.

Er ergriff meine Hand und schüttelte sie, während er mich kurz musterte. Er hatte einen festen Händedruck. »Emmalyn. Na wenn das mal keine Überraschung ist. Ich bin Noah.«

Es klingelte erneut an der Tür. Gabriel warf mir einen kalten Blick zu und ging dann den Flur entlang, um die Tür zu öffnen. Es waren Lilly und Erwin.

»Hast du keinen Schlüssel?«, fragte Gabriel etwas ungehalten.

»Ich hatte keine Zeit, ihn mitzunehmen. Erwin hat es schon so nur knapp geschafft.«

Gabriel stöhnte. »Komm rein und mach die Tür zu.« Er war sichtlich sauer. Mit schnellen Schritten kam er auf mich zu. Ehe ich wusste, wie mir geschah, griff er mich am Handgelenk und zog mich den Flur entlang. Unsanft schob er mich durch eine Tür und schloss sie hinter sich. Das musste Gabriels Zimmer sein, aber ich hatte keine Gelegenheit, mich umzusehen. »Was machst du hier?«, fragte er hart.

»Ich wollte mit dir reden.«

»Ach ja? Tu das, und dann geh wieder.«

»So einfach wirst du mich dieses Mal nicht los.«

Er sah mich böse an. Ich bemerkte, dass seine Augen noch einen Ton dunkler wurden, wenn er wütend war. »Also, was hast du gehört?«

»Lass es mich mal so sagen: Ich hab alle Puzzlestücke beisammen und muss sie nur noch zusammensetzen.«

Gabriel lachte. Es war kein echtes Lachen. »Das glaub ich dir nicht. Was auch immer du gehört hast, du wirst damit nichts anfangen können.«

»Das seh ich etwas anders«, meinte ich selbstsicher, auch wenn ich mich in diesem Moment alles andere als selbstsicher fühlte.

Gabriel kam auf mich zu und griff nach meinen Handgelenken. »Das ist kein verdammtes Spiel«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen und funkelte mich wieder an.

»Du tust mir weh«, erwiderte ich, hielt seinem Blick aber stand.

Ich hörte, wie sich die Zimmertür öffnete. »Würdest du sie bitte loslassen«, ertönte Noahs Stimme.

Gabriel zögerte einen Moment, ließ mich dann aber endlich los. Ich rieb mir unauffällig die Handgelenke, während wir uns beide der Tür zuwandten. Noah und Joshua standen dort und beobachteten uns. Joshua nickte mir freundlich zu, und ich nickte zurück.

»Also, was ist hier los?«, wollte Noah wissen.

»Nichts«, antwortete Gabriel. »Emmalyn wollte gerade gehen.«

»Das wollt ich nicht«, widersprach ich. Dieses Mal würde ich mich nicht so einfach geschlagen geben.

Noah und Joshua kamen ins Zimmer und schlossen die Tür hinter sich. Joshua humpelte auf seinen Krücken zu Gabriels Bett und ließ sich darauf fallen. Einen Moment sprach niemand. Ich zögerte kurz, setzte mich dann aber neben Joshua aufs Bett.

»Wie geht's dir? Ich hoffe, mit deinem Bein ist alles in Ordnung.«

Joshua lächelte. »Es geht schon wieder. War zum Glück nicht so schlimm, wie es am Anfang aussah.«

»Was weiß sie?«, fragte Noah in Joshuas Antwort hinein an Gabriel gewandt. Alle Blicke richteten sich auf Gabriel.

»Sie weiß gar nichts.«

Noah sah skeptisch aus und schien Gabriel kein Wort zu glauben. Plötzlich war ich nicht mehr so sicher, ob ich darüber froh sein sollte. Wo war ich da nur hineingeraten?

»Was hast du gehört?«, wollte Noah nun von mir wissen. Er sprach leise und deutlich, aber dennoch hatte er etwas Einschüchterndes an sich.

»Es tut mir leid, ich wollte nicht lauschen.«

»Sag mir, was du gehört hast oder was du weißt.« Die Worte hätten hart klingen können. Das taten sie aber nicht, denn Noah sprach sanft.

Ich holte tief Luft. »Ich weiß von den Schatten und den Wächtern. Ich weiß, dass Wächter in Teams arbeiten und, dass es zu gefährlich ist, alleine auf die Jagd zu gehen.« Ich wiederholte extra die Wörter, die ich gehört hatte, um den Eindruck zu erwecken, dass ich den totalen Durchblick hatte, den ich natürlich nicht hatte. Nicht einmal ansatzweise konnte ich mir zusammenreimen, was das alles zu bedeuten hatte. Da hatte Gabriel also ausnahmsweise mal recht. »Ich weiß, dass zur Walpurgisnacht an der Thingstätte etwas Wichtiges passieren wird. Und ich hab gesehen, wie Gabriel und Joshua mit Schwertern hinter einem Mann her waren. Außerdem war da noch dieses komische Wesen, das verbrannt ist, und die Polizei, die ziemlich desinteressiert war. Und ich weiß, dass das Ganze nichts mit Satanismus oder irgendwelchen Studentenverbindungen zu tun hat, wie du mir weismachen wolltest.« Bei den letzten Worten wandte ich mich an Gabriel. »Die Idee mit der geheimen Burschenschaft war ja ganz nett, aber solang du noch nicht mal dein Abi hast, solltest du dir vielleicht was andres einfallen lassen.«

»Ich hab's ja schon immer gesagt«, meinte Joshua, verstummte aber sofort, als sein Bruder ihm einen bösen Blick zuwarf.

»Siehst du, sie weiß so gut wie gar nichts«, wandte sich Gabriel nun an Noah. »Und mit dem, was sie weiß, kann sie nichts anfangen. Wir sollten das Ganze einfach vergessen.«

»Ich seh das anders«, erwiderte Noah und musterte mich erneut. »Sie weiß schon zu viel. Wir haben keine andere Wahl. Außerdem ist sie viel zu neugierig, wie sich bereits herausgestellt hat, und wird nicht locker lassen. Wir können kein Risiko mehr eingehen.«

»Das kannst du nicht machen«, meinte Gabriel.

Ja, das können Sie nicht machen, wollte auch ich sagen, brachte aber keinen Ton hervor. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich, sie wollten mich umbringen, weil ich zu viel wusste. »Doch, das kann ich. Wir werden ihr die Wahrheit sagen müssen.« Ich atmete erleichtert aus, während Noah sich in einen Sessel setzte und die Hände faltete, als ob er uns eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen wollte.

Schattendasein - Der erste Teil der Schattenwächter-Saga

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