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Das Kind in mir

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Oft saß ich hier. Auf der Bank in einem Park und schaute den Kindern beim Spielen zu. Oder wie die Hunde über die Wiese tollten. Manchmal saß ich so lange hier, dass ich sogar der Sonne beim Untergehen zusehen konnte. Ich wusste ganz genau – Er sitzt neben mir. Ab und zu bekam ich eine Gänsehaut am Arm, fühlte dass er meine Hand hielt oder seine auf meine Schulter legte. Ich blicke gen‘ Himmel und kneife mir die Augen zu, weil die Sonne mich blendet. So viele Jahre bin ich schon ein Teil seiner Schöpfung. Achtzig bin ich heute geworden. Und ich habe mir überlegt diesen Tag mit Ihm zu feiern. Gerade wird mir klar, wie bedeutend Er für mich ist. Ich weiß dass ich Ihm für alles so dankbar bin. Für meine Familie, mein Leben und für die Frau, die ich geworden bin. Doch ich denke, auch du kennst das Gefühl das man sich manchmal fragt, wieso gewisse Dinge einem wiederfahren sind. Ich habe mich ab und zu schon gefragt wieso so viele geliebte Menschen sterben mussten, die mir wichtig waren. Wieso musste ich mir irgendwie immer alles erarbeiten und wieso fällt es mir heute noch so schwer mich zu sehen, statt die anderen. Oder mich an die erste Stelle zu stellen. Gab es Momente, wo Er enttäuscht von mir war? Oder Situationen, wo Er dachte ich stelle alle anderen über ihn? Ich schloss die Augen und lehnte mich zurück. Da spürte ich ein leichtes Kribbeln auf meinem Handrücken. Gott streichelte sie. Ich lächelte.

„Was fragst du dich, Jula?“. Seine Stimme war sanft und tief. Auch wenn ich ihn nicht sehen konnte, hielt ich meine Augen geschlossen und stellte mir sein Gesicht vor. Wie sieht Gott für mich aus, fragt ihr euch? Wie ein alter Mann mit einem weißen Bart, der oben im Himmel auf einem Thron sitzt. Das ist mein Bild von ihm. Wie ein Vater, der jeden einzelnen seiner Kinder liebevoll ansieht. „Ich frage mich, ob du jemals das Gefühl hattest ich stelle alle anderen über dich oder das ich mich sogar selbst über dich stelle“. Ich hörte sein Lachen. „Ach Jula. Du hast dein ganzes Leben lang mich an erste Stelle gestellt und das ist es, was mich manchmal traurig macht. Die ganzen achtzig Jahre wollte ich dir immer wieder zeigen, wie besonders du für mich bist. Du liebst mich so sehr, dass du dich selbst kaum noch richtig siehst“. Ich verstummte. Wie war das gemeint? „Ich zeige es dir“.

Ich öffnete meine Augen und sah mich als kleines Mädchen. Ich saß mit meinen Eltern und meinen Geschwistern im Wohnzimmer. Es war Winter und sehr kalt, wir hatten nicht viel. Lebten in einem kleinen Dorf in Schlesien, aber ich war trotzdem sehr glücklich eine Familie zu haben. Schon damals bin ich jeden Sonntag mit in die Kirche gegangen und dachte hier vielleicht die erste Begegnung mit Ihm zu haben, aber es war nie so. Zumindest für mich nicht. Das Bild änderte sich. Vor meinem inneren Auge sah ich mich plötzlich alleine in der Kirche sitzen. Ich war vielleicht zehn Jahre. Es war still und ein wenig unheimlich. Das Bild behagte mir nicht, ich fühlte mich unwohl mich da so sitzen zu sehen. „Wieso habe ich dich hier nie kennen gelernt? Wieso habe ich hier nie das Gefühl gehabt du hörst mir zu?“. Meine Fragen hallten wie ein Echo in der Kirche wieder und eine sanfte Stimme antwortete etwas energischer: „Glaubst du wirklich, ich habe dir nie zugehört? Ich habe dir sogar geantwortet Jula, aber du warst diejenige, die nicht hörte.“ Ich war verwirrt. „Wieso sollte ich dich nicht hören wollen? Ich habe mir das als Kind oft gewünscht!“. „Weil du dich in der Kirche nicht wohlgefühlt hast. Du hast das große Glück zu den Menschen meiner Schöpfung zu gehören, die mich in der Stille am besten verstehen. Du spürst meine Anwesenheit an deinem Körper. Obwohl diese Gemäuer relativ still sind, musstest du mich trotz allem woanders kennen lernen. Dort, wo sich deine Seele am wohlsten fühlt“. „Aber dann verstehe ich nicht, wieso ich trotzdem immer wieder in die Kirche gegangen bin und ab und an heute noch gehe“. „Weil du deine Eltern und Geschwister über dich gestellt hast und somit auch mich. Du wolltest mich kennen lernen, dachtest dass es für jeden Menschen nur diesen einen Weg gibt mir nahe zu kommen. Dabei war ich in den Momenten, wo du in deinem Zimmer gebetet hast oder auf dem Feld gespielt hast, dir näher als sonst wo. Vergiss‘ nicht, dass wir uns in der Stille am ehesten selbst finden können. Außerdem wollte es deine Umgebung so von dir. Du bist so erzogen worden und würdest du aufhören die Kirche zu besuchen, würde man schlecht von dir denken. In solchen Momenten erkenne ich meinen „Menschen“ nicht wieder, ich erkenne die Liebe nicht.“ Gott wollte mir also damit zeigen, dass ich schon als Kind immer alle anderen vor mich stellte. Doch jetzt denke ich mir: Ich war ein Kind ohne Erfahrung, ohne Reife. Ich wusste nicht was gut für mich oder meine Seele war. Ich habe dieses Vertrauen in meine Eltern gelegt und das bereue ich auch nicht. Doch ich denke, hätte ich jetzt nochmal die Chance hätte ich vielleicht öfter dort gebetet wo ich mich am wohlsten fühlte.

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