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Kapitel 2, Ein Fluch erwacht

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9. September sechs Uhr siebenundzwanzig

Beim Frühstück beschließen Dina und Mark den heutigen Tag im Labor 1 zu verbringen. Doc wird im Labor 2 seine Arbeit verrichten. Gut gelaunt geht es zu den Laboren und Mark setzt Doc am Labor 2 ab und fährt weiter. Doc beginnt mit einigen chemischen Experimenten an der Mumie Kaßandhras. Er möchte natürlich wissen, warum sie noch heute so gut erhalten ist. Unterdessen bleiben die Studenten an der Ausgrabungsstelle und arbeiten fleißig weiter. Ihr Ehrgeiz ist geweckt. Die Zeit verrinnt schnell und es ist bereits acht Uhr fünfundvierzig. Schon seit gut zwei Stunden sind sie bei den Steinmauern beschäftigt, um sie weiter frei zu legen. Im Labor 1 sind Dina und Mark in der Untersuchung der Harfe vertieft. Der Tomo-Mac hat seine Arbeit beendet und druckt einen Zettel aus. Dina nimmt ihn raus und beginnt direkt die Übersetzung der nun klar lesbaren Zeichen. Fünfzehn Minuten sind nur vergangen und Dina ist schon fertig.

„Schatz, ich hab’s”, ruft sie stolz. Mark nimmt den Zettel. Dina erklärt ihm: „Das Zeichen hier unten weist auf einen Zusatz hin. Ich weiß bloß noch nicht, auf welcher.“

Mark lächelt und liest die fertige Übersetzung laut vor:

Sollte die goldene Harfe fremde Hände zieren,

wird die Legende zur Wahrheit mutieren.

Ein großer Krieg soll folge sein.

Was vergangen ist, tritt wieder ein.

Kann die Macht des Schwertes von neuen beginnen?

Wird die Goldene Orchidee die Schlacht gewinnen.”

Blitzartig dreht sich Dina zur Harfe. Mark fragt sie: „Was ist denn?”

„Ach, mir war gerade so, als hätten die Augen der Harfe einmal kurz aufgeblinkt.”

Sie untersuchen die Harfe, doch nichts. Alles scheint in Ordnung.

„Alles gut mein Engel. Mit der Harfe ist alles wie es soll. Machen wir weiter“, sagt Mark. beruhigend zu Dina. Die Zeit vergeht. Unscheinbar und ruhig, fünf Minuten, zehn Minuten. Dina kratzt etwas Material von der Harfe ab und geht zum Mikroskop. Mark untersucht unterdessen eine eben angefertigte Zeichnung der Grabstruktur und die ägyptische Anordnung des Grabes so wie die Ausrichtung. Doc nimmt einige Hautproben von der Mumie und untersucht sie, doch ungewöhnliches feststellen, kann er nicht. Er setzt sich an seinen Laptop und schreibt seinen Bericht, dann hört er auf und horcht. Hektisch sieht er sich um. Irgendwas stimmt hier nicht! Mark setzt sich an den Tisch, auf der die Harfe in ihrem Reinigungsbad liegt. Dann schreckt er plötzlich hoch.

„Was war das?“, fragt Mark wirbelnd durch den Raum. „Ein Gewitter? Dann muss sofort alles …”

„Schatz”, unterbricht Dina ihn lächelnd. „Unsere Leute wissen, was zu tun ist.”

Dann sieht sie wieder in ihr Mikroskop. Mark bleibt skeptisch, aber er setzt sich wieder an den Tisch. Minutenlang sieht er die Harfe einfach nur an. Tausende Gedanken gehen ihm dabei durch den Kopf. Nach einigen Minuten hört Mark auch noch in der Ferne die Sirenen von irgendwelchen Einsatzfahrzeugen ertönen. Ob es die Polizei ist oder die Feuerwehr kann er nicht sagen, doch er wird sichtlich nervöser. Dina kommt zu ihm und nimmt ihn beruhigend in ihre Arme. Mit liebevoller Stimme sagt sie: „Schatz, es wird alles in Ordnung sein! Ok? Was ist denn los mit dir?“

Zehn Minuten später, vierzehn Minuten, fünfzehn, sechzehn. Das Handy von Mark klingelt. Ein Schauer geht seinem Rücken nieder als er ran geht: „Ja? Hey Doc, wie sieht … was? … jetzt warte … wovon redest d… Komet? … wie Feuerball? … beruhig di… ja … Ok, wir kommen sofort.”

Er legt auf. Dina hatte das Stottern mitbekommen und war besorgt schnell zu Mark gestürmt. Jetzt fragt sie schnell: „Was ist denn los?”

„Das war Doc. Er sagte was von einem Kometen oder Feuerball. Wir müssen da sofort hin.”

Der Tomo-Mac spuckt den Zettel der Deckelschriftzeichen des Sarkophags aus. Diesen nimmt Dina noch schnell an sich, faltet ihn auf den Weg nach draußen und steckt ihn in die Beintasche ihrer Militärhose. Die Zwei eilen zum Auto und fahren besorgt, mit durchdrehenden Reifen los. Vorbei an zwei Reiterinnen und mit stark überhöhtem Tempo rast Mark zu seinem anderen Labor. Als sie dort angekommen, bietet sich ihnen ein Bild der Verwüstung. Einige Polizisten haben das Gebiet bereits abgesperrt. Unter Sirene trifft die Feuerwehr ebenfalls ein. Vor dem Labor stehen einige ihrer Studenten. Ihre Hände geschockt hinterm Kopf haltend starren sie wie angewurzelt auf das Labor, aus dem noch etwas schwarzer Rauch aufsteigt. Sofort stürmt Doc auf Mark und Dina zu.

„So ein Mist, alles ist kaputt!“, schreit Doc mit fuchtelnden Armen. Mark nimmt ihn in seine Arme: „Bist du verletzt? Ist alles Ok?“

„Ja, ja, mir geht’s gut.“

„Was ist denn hier passiert?”

„Keine Ahnung. Ich saß an meinem Laptop als da ein Zischen war, dann hat es auch schon geknallt und ich flog raus, durchs Fenster. Da hinten hab ich gelegen. Ich wollte euch sofort anrufen, aber ich konnte mein Handy nicht finden. Einer unserer Jungs gab mir seins.”

„Ok, jetzt beruhige dich erst mal. Hauptsache dir ist nichts passiert.“

Dina ist bereits zu den Studenten geeilt, um sie zu trösten und festzustellen, ob sie verletzt sind. Eine Studentin hockt am Boden und weint. Dina beugt sich zu ihr runter.

„Hey, bist du verletzt?“, fragt sie vorsichtig.

„Nein“, sagt sie mit verweinter Stimme. „Oh mein Gott!“, wimmert sie weiter, „wie das Teil plötzlich runter geschossen kam.“

„Was hast du gesehen?“, fragt Dina. Die Neugier siegt, doch die Studentin schweigt. Mark ist inzwischen an den Polizisten vorbeigestürmt, gefolgt von Doc. Gemeinsam klettern sie durch die zerstörte Tür, die nur noch zur hälfte im Rahmen hängt. Der gewaltige Einschlag von dem, was auch immer es war riss ein etwa zwei Meter großes Loch in die Decke des Containers, durchschlug den Boden und grub sich fast zwei Meter in die Erde, direkt durch den Sarkophag, der dadurch in unzählige Teile gesprengt wurde. Die gewaltige Druckwelle zerstörte die gesamte Einrichtung und alle Geräte, so wie auch alle Fenster, durch das auch Doc ins Freie geschleudert wurde. Er hatte Glück. Als Mark sich so umsieht, sagt er zu Doc: „Ein Glück, dass du am Fenster gesessen hast!”

„Das kannst du aber laut sagen!“

Mark sieht sich im Labor um und geht dabei langsam auf das tiefe leicht rauchende Loch zu. Doch das Loch ist leer und die Mumie Kaßandhras scheint sich in Luft aufgelöst zu haben. Der Edelstahltisch ist ebenfalls kaum noch als solches erkennbar. Doc steht neben Mark und fragt: „Ehm sag mal, wo kommt denn das dritte Loch her?”

„Welches dritte Loch?“, fragt Mark weiter ins Loch starrend.

„Na, sieh doch mal hin“, spricht Doc weiter. „Das eine ist in der Decke, das zweite hier im Boden. Aber wo kommt das menschengroße Loch in der Rückwand her?”

„Stimmt“, antwortet Mark. Und wieder läuft ihm ein Schauer über den Rücken.

„Und es sieht seltsam aus! oder nicht?“, sagt Mark mit fragenden Augen . „Doc, das ganze Metall ist nach außen gebogen.”

Nun wird es noch seltsamer. Sie gehen zurück zu Dina. Mark fragt sie: „Sind alle unverletzt?“

„So wie es aussieht schon”, antwortet Dina.

Mark sieht ihr in die Augen.

„Tja mein Engel. Der Feuerball hat ganze Arbeit geleistet. Sie ist weg, von Kaßandhra ist nichts mehr übrig”, sagt er mit enttäuschender Stimme.

Ein Polizist erhält einen Funkspruch: „Alle verfügbaren Einheiten zu den archäologischen Labor am Feldweg. Überfall mit Toten! Keine Übung!“

Einige Polizisten rennen los. Mark reagiert panisch und fragt: „Und was ist da jetzt los?“

Er packt Dina, rennt mit ihr zu seinem Auto. Doc rennt hinterher und kann noch gerade ins Auto springen.

„Torsten, kümmere dich eben um alle!“, schreit Mark noch aus dem Fenster. Dieser nickt ihm zu und schon rasen sie zu dem anderen Labor. Auf dem Weg berichtet Doc von den Studenten, die den Feuerball von der Ausgrabungsstelle aus gesehen und gehört haben. Doch als sie am Labor ankamen, war schon alles vorbei. Unterwegs werden sie von mehreren Streifenwagen mit Blaulicht und Sirene überholt. Nach wenigen Minuten sind sie am Labor 1 angekommen, doch zu ihrem Entsetzen müssen sie feststellen, dass es hier noch schlimmer ist. Auch dort wurde ein riesiges Loch in die Wand geschlagen. Die Polizei ist eifrig dabei, das Gebiet weiträumig abzusperren. Ein Rettungswagen steht neben dem Labor.

Mark sieht sich wild um und sagt: „Ihr beide bleibt hier. Ich geh allein rein. Die ganze Sache stinkt doch bis zum Himmel.”

Doc und Dina bleiben beim Wagen während Mark sich mit einem sehr mulmigen Gefühl ins Labor begibt. Auch dieses Labor ist verwüstet. Mark klettert über zerstörte Tische, Stühle, Glassplitter und weiteres Labormaterial. Er kommt zum Tisch, auf der die Harfe lag, doch der Tisch ist umgestoßen und die Schale, in der die Harfe lag liegt am Boden. Und die Harfe selbst ist verschwunden. Das Gefühl der Hilflosigkeit überwiegt und einem anderen Gefühl, dass Mark nicht beschreiben kann. Einem Gefühl, welches er allerdings nur zu gut aus seiner Vergangenheit kennt. Noch einmal sieht er sich um und kehrt dann zu seinem Wagen zurück. Leise flüstert er Doc zu: „Sie ist weg! Die Harfe ist auch weg.”

„Gestohlen?”, fragt Doc.

„Weiß ich doch nicht, … sehr wahrscheinlich. Ich kann es nicht glauben!”, antwortet Mark verärgert. Ein weiterer Rettungswagen kommt unter Sirene angebraust. Die Sanitäter springen heraus und rennen hinter das Labor. Mark, Dina und Doc eilen hinterher. Eine Trage liegt bereits am Boden. Auf ihr liegt ein junges Mädchen, eine Reiterin. Regungslos und still. Ein Sanitäter deckt die verstümmelte Leiche mit einem weißen Tuch ab. Dina würgt und hält sich eine Hand vor dem Mund. Polizisten suchen ein Feld ab auf dem das tote Pferd des Mädchen gefunden wurde. Einige Meter weiter liegt eine zweite Trage, auf der ebenfalls eine junge Reiterin liegt. Dina und Mark erkennen diese beiden Mädchen. Es sind die beiden Reiterinnen, die ihnen bei ihrer Abfahrt entgegen kamen. Das Mädchen auf der Trage kämpft verbittert um ihr Leben. Notarzt und Sanitäter versuchen verzweifelt, die stark blutende Wunde in ihrem Brustkorb zu versorgen und die Blutung zu stoppen, doch es scheint ihnen nicht zu gelingen. Dina klammert sich an Mark fest. Mit weit aufgerissen, schmerzverzerrten Augen streckt das Mädchen geistesabwesend einen Arm dem Himmel entgegen, als wolle sie Gott um Hilfe bitten. Der Notarzt setzt sein ganzes Können ein, um die Blutung zu stoppen, doch es läuft weiter. Zu tief wurde die Wunde geschlagen, die langsam ihren Tribut fordert. Angsterfüllt ruft sie leise nach ihrer Mutter, doch der hohe Blutverlust lässt ihre Kräfte schwinden. Ihre Atmung wird flacher und ihr ausgestreckter Arm sackt nun langsam zu Boden. Ein letztes Mal ertönt ein sehr schwaches: „Mama?”

Der Arm liegt am Boden und rührt sich nicht mehr. Dann ist es still. Keine Bewegung ist mehr von ihr zu sehen. Nur eine Träne rinnt aus ihren offenen, bewegungslosen Augen. Der Notarzt gibt auf. Ein weißes Tuch,…

Ein weißes Tuch verdeckt nun den verlorenen Todeskampf …

Ein weißes Tuch, das nun beginnt, sich langsam Rot zu färben.

Mark, Dina und Doc stehen da, als hätten sie soeben eine fremde Welt betreten. Wie in einer Schockstarre können sie ihre Augen nicht von den beiden Tragen mit den blutgetränkten Tüchern wenden. Die drei kehren schließlich zu Marks Wagen zurück und Doc öffnet die hintere Tür. Mark legt Dina auf den Rücksitz und möchte sie gern beruhigen, aber dazu kommt er nicht. Blitzartig springen mehrere Polizisten in ihre Streifenwagen und rasen los Richtung Autobahn A3. Ein Polizeihubschrauber schießt über dem Labor hinweg und folgt den Streifenwagen. Das Autoradio ist eingeschaltet. Mark dreht etwas lauter. Ein Hubschrauber des Fernsehsenders AT-Entertainment fliegt über der Autobahn. Eigentlich sind diese vier Männer Staumelder, doch was sie nun vor die Kamera bekommen sollten, wird alle bisherige Aufnahmen in den Schatten stoßen. Die Männer halten ihre Kamera ausgerichtet und starren auf eine langhaarige blonde Frau in recht knapp gehaltener bauchfreier brauner Bärenfellbekleidung, die auf einem Pferd mit ungewöhnlich hohem Tempo in westliche Richtung reitet. Ihr Haar zu einem Zopf gebunden und mit zwei gekreuzten Schwertern auf ihrem Rücken. An jedem Stiefel sind ebenfalls Messer befestigt. Eine Kleidung aus grauer Vorzeit. Am Gurt ihrer Hüfte hängt die goldene Harfe. Der Staujäger Thomas, ein schwarzhaariger Ökotyp in Jeanskleidung, der sein Haar zu einem Zopf gebunden hat, nimmt sein Mikrofon: „Staujäger Tommy an alle Autofahrer auf der A3 Richtung Würzburg, Achtung! Dort bewegt sich eine Frau auf einem Pferd mit äußerst starkem Tempo. Die Polizei ist bereits hinter ihr! Es gab bereits mehrere Unfälle. Ich wiederhole. Eine Frau auf einem Pferd in Richtung Würzburg. Achtung, die Frau schlägt mit einem Schwert wild um sich!”

Laufende Sendungen werden unterbrochen und die Verfolgung wird live im Fernsehprogramm übertragen. Auch andere Sender schalten sich blitzartig zu. Eine solche Verfolgung hat es bis heute noch nie gegeben.

Mark und Doc sehen sich einige Sekunde an. Mit dieser Situation sind sie maßlos überfordert, dann springen sie schließlich doch ins Auto und Mark gibt Gas. Die von der Frau überholten Autos rasen vor Schreck in die Leitplanken. Ein Polizeiwagen kann sich mit einhundertzwanzig Km/H neben ihr setzen. Der Fahrer hält die Geschwindigkeit. Der Beifahrer öffnet das Fenster, setzt sich auf die Tür. Mit einer Hand hält er sich am Blaulicht fest, richtet mit seiner anderen Hand seine Pistole auf sie und brüllt: „HALT, sofort anhalten!!!”

Dann ist er still, als sie sich bei ihrem Tempo zu ihm dreht. Geschockt starrt er in ein zwar hübsch geformtes, aber scheinbar totes Gesicht. Ihre Haut von weiß-grauer Färbung am ganzen Leib. Ihr kalter Blick mit den rotglühenden Augen, umschlossen von nachtschwarzen Ringen durchbohrt ihn förmlich und ihre Lippen, mit einem gelblichen schimmeligen Schimmer bewuchert. Ein fieses Grinsen ermöglicht den Blick auf ihre so tiefschwarzen Zähne, als bestünden sie aus Leder. So ist das schauernde Bild komplett. Mark rast die Autobahnzufahrt hoch. Streifenwagen jagen bereits auf der Autobahn. Sirenen sind aus allen Richtungen zu hören. Mark gibt Gas Richtung Würzburg. Doc sieht sich wild um. Auf dem Beschleunigungsstreifen kommen sie an einem großen Loch in der Leitplanke vorbei, vor dem zwei Streifenwagen stehen. Mehrere Polizisten laufen umher und sichern die Stelle ab. Mark sieht noch mal in den Rückspiegel. „Hey Doc“, sagt er etwas leise. „Wie in unserem Labor. Da ist keiner von der Autobahn runter geflogen. Da ist was durch die Leitplanke auf die Autobahn geschossen.”

Mark beschleunig …

Auf dem Standstreifen steht ein Fahrzeug mit stark deformierter Front. Einige Polizisten kümmern sich um die Insassen. Mark beschleunigt weiter …

Ein paar Meter weiter steht das nächste Fahrzeug auf dem Standstreifen. Zwar unbeschädigt, doch muss sich das Auto gedreht haben.

Die Front steht in Gegenrichtung. Vor dem Fahrzeug tröstet ein Vater sein kleines schreiendes Kind. Mark gibt weiter Gas. Überall, wo sie lang fahren stehen zerstörte Fahrzeuge. Einige davon haben sich überschlagen. Zerstörung und Chaos auf der Autobahn. Mark gibt Gas, jetzt schon bei Tempo einhundertachtzig. Langsam kommen sie näher und fahren etwa dreihundertfünfzig Meter hinter der Frau auf dem Pferd. Sie sehen wie Fahrzeuge in die Leitplanken knallen. Mark steuert nach links, dann nach rechts. Trümmer schleudern umher und Mark weicht aus und gibt Gas. Noch immer sitzt der Polizist auf der Tür und schreit wieder los, dass sie stoppen soll. Dann holt sie mit ihrem Schwert weit aus und schlägt kräftig durch die Frontscheibe auf den Fahrer ein. Glassplitter fliegen umher. Dieser Treffer katapultiert die halbe Fahrertür heraus. Schwer getroffen schreit der Fahrer um sein Leben. Er beginnt zu schlenkern. Vor Schreck lässt der Polizist auf der Tür seine Pistole fallen. Nur mit Mühe kann er sich festhalten. Wieder holt sie weit aus. Der nächste Treffer zerfetzt den Fahrer nun endgültig. Der Beifahrer hat starke Mühe sich zu halten. Unkontrolliert schleudert der Wagen von links nach rechts und umgekehrt. Mark kommt näher und näher. Doc reißt seine Augen auf: „Ich glaub es nicht! Siehst du, wer da vor uns reitet!”

„Ja, Ich sehe es. Halts Maul jetzt”, sagt Mark während er langsam vom Gas geht, um nicht von hinten auf das Pferd auf zu fahren. Er fährt nun ebenfalls einhundertzwanzig Km/H. Sein Herz pocht doppelt so schnell wie sonst, vielleicht sogar dreifach. Weitere Trümmerteile schleudern ihnen entgegen. Dem Polizisten auf der Tür gelingt es nicht, ins Wageninnere zu gelangen. Mit der Geschwindigkeit haltend knallt der Streifenwagen durch die rechte Leitplanke, seitlich gegen ein Autobahnschild. Der panisch schreiende Beifahrer wird eingeklemmt und brutal in Stücke gerissen.

Der Rest des Fahrzeugs schleudert neben der Fahrbahn, über den Geräuschwall und kommt erst in dem Garten eines Einfamilienhauses zum Stillstand. Der Polizist verteilt sich über die ganze Autobahn. In Einzelteilen schlägt er Mark und den anderen Streifenwagen auf die Frontscheibe. Nur der Scheibenwischer ermöglicht eine etwas klare Sicht. Immer wieder schlägt Kaßandhra auf Fahrzeuge ein, an denen sie vorbei reitet. Sie scheint von Minute zu Minute wilder und brutaler zu werden. Noch immer ist der AT-Hubschrauber über der Autobahn und Tommy hält weiter die Kamera drauf. Live überträgt er die Jagd und die dabei entstehenden Unfälle. In einem Polizeihubschrauber macht sich ein Scharfschütze bereit. Er setzt sein Gewehr an und zielt auf ihren Kopf, feuert und Treffer, doch zeigt dieser keine Wirkung. Er setzt noch mal an und wieder feuert er auf ihren Kopf,… noch mal und noch mal, wieder keine Wirkung. Der Scharfschütze ist ratlos. Kaßandhra sieht zu ihm rauf während er neue Munition einlegt und erneut ansetzt. Sie greift ihr zweites Schwert und schleudert es kraftvoll in Richtung Hubschrauber. Der Schütze reißt seine Augen auf, doch es ist zu spät. Ein dumpfer Knall und der mächtige Treffer des Schwertes zerteilt den Schützen im ganzen Hubschrauber. Mit einem lauten Knall durchschlägt das Schwert die Außenwand. Selbst der Pilot wird von Blutspritzern und Resten des Schützen überhäuft. Durch den Schreck reißt der Pilot den Steuerknüppel rum und stürzt zu Boden. Er macht eine brutale Bruchlandung auf einen Parkplatz und schiebt dabei mehrere Fahrzeuge in einander, an denen Mark vorbei fährt. Auch auf diesen Absturz hält Tommy drauf. Mit nur fünfundvierzig Meter Abstand fährt Mark hinter ihr. Im großen Bogen wirbelt das Schwert zurück und landet direkt wieder in ihrer Hand. Ein gigantischer Sprung über die Mittelleitplanke. Kaßandhra landet mit ihrer haltenden Geschwindigkeit und voller Wucht in den Gegenverkehr.

Mark reißt geschockt die Augen auf und „Oooooh!”, schreit Doc laut auf.

Tommy gibt sofort übers Radio weiter: „In den Gegenverkehr! In den Gegenverkehr! Augen auf Richtung Nürnberg! Hier kommt Ihnen eine Frau auf einem Pferd entgegen - Entgegen!”

Wild schreiend und ihr Tempo haltend schießt Kaßandhra weiter und schlägt auf jedes Fahrzeug ein, die knapp und hupend an ihr vorbei rasen. Egal welcher Art, ob Kleinwagen oder LKW. Für sie sind all das Gegner. Hilflos müssen Mark und Doc zusehen, wie dutzende Fahrzeuge umherschleudern und Unfälle folgen. Wieder und wieder knallt es sehr heftig. Die Polizei feuert immer weiter, doch es scheint alles nichts zu nützen. Die Situation ist aussichtslos. Und Kaßandhra schlägt weiter brutal auf jedes Fahrzeug ein, was ihr entgegen kommt. Sogar LKW katapultiert sie von der Autobahn.

Mit starrem Blick hält Tommy die Kamera drauf. Menschen, zerfetzt in der Luft. Dutzende Fahrzeuge, zerfetzt in der Luft. Kaßandhra! Die Kriegerin der gekreuzten Schwerter, nun kein sensationeller Fund mehr, sondern grausame Realität. Die entfesselte Brutalität aus finsteren Vorzeiten in unserer Welt. Getrieben von einer scheinbar unstillbaren Blutgier schreit und schlägt sie weiter um sich. Der Fahrer eines Wohnmobils kann Kaßandhra nicht mehr ausweichen. Brutal knallt sie samt Pferd durch die Frontscheibe, sowie durch das ganze Fahrzeug bis sie durch die Rückwand wieder auf der Straße aufsetzt. Doc kann nicht glauben, was hier gerade geschieht und Mark schüttelt auch den Kopf. Sie sehen was vor ihnen geschieht, sie sehen die Fahrzeuge wie Spielzeuge durch die Luft schleudern. Kaßandhra setzt zu einem mächtigen Sprung über eine Autobahnbrücke an, über der gerade ein Benzinbeladener LKW fährt. Ein gewaltiger Knall und sie durchschlägt den Anhänger. Trümmer schleudern durch die Luft. Benzin spritzt umher, Funken sprühen, eine mächtige Explosion folgt und bringt die Brücke zum Einsturz, unter der Mark noch gerade mit geducktem Kopf durchrast. Donnernd begraben die riesigen Brückenteile einige Streifenwagen. Brennende Menschen rennen schreiend und panisch umher. Auf der A3 herrscht das blanke Chaos. Wieder ein mächtiger Sprung aus dem Gegenverkehr direkt zwischen zwei Streifenwagen, die dicht vor Mark fahren. Sofort eröffnen die Polizisten das Feuer. Kaßandhra kontert mit brutalen Schwertschlägen auf beide Fahrzeuge und fetzt diese gerade zu auseinander. Der Wagen rechts von ihr schießt über den Standstreifen in die Außenleitplanke, überschlägt sich mehrfach. Der zweite Wagen kracht über die Mittelleitplanke in den Gegenverkehr, in das unzählige Fahrzeuge hinein rasen. Kaßandhra hält ihr Tempo bei und springt erneut, unter Beschuss der Polizei in den Gegenverkehr. Durch einen weiteren mächtigen Sprung, direkt durch ein riesiges Autobahnschild, fliegt sie in einen Wald in dem sie etliche Bäume abknickt und Kaßandhra ist verschwunden! Mark macht eine Vollbremsung und sein Wagen steht. Auch die übriggebliebenen Streifenwagen stoppen. Nun ist es still. Keine Schüsse, keine quietschenden Reifen. Nur Schreie von Verletzten und Eingeklemmten sind zu hören. Mark und Doc steigen aus und sehen zurück, auf eine verwüstete Autobahn und wild umher laufenden Menschen. Mit einigen Polizisten eilen Mark und Doc zu der Stelle, wo Kaßandhra in den Wald eindrang und verschwand. Doc ist entsetzt: „Mein Gott! Sie hat die Bäume einfach abgeknickt. Diese dicken Bäume.”

„Ich sehe es, aber denk an die Autos, die wir umher fliegen sahen! Wie ist all das möglich?”, so fragt er sich. Einige Polizisten versuchen bereits den Verletzten zu helfen, doch es ist schwierig. Während Mark und Doc die Stelle weiter untersuchen bemerken sie nicht, dass die immer noch geschockte Dina langsam aus den Wagen steigt und sehr schwer atmet. Weinend läuft sie über die total verwüstete Autobahn und blickt auf unzählige Autowracks und grausam entstellte Leichen. Immer wieder jammert sie leise: „Es tut mir leid, Es tut mir so leid.”

Nach einigen Metern kommt sie zu einem auf dem Dach liegendem Fahrzeug. Ein etwa fünfjähriger Junge hängt noch schreiend im Anschnallgurt und kann sich kaum bewegen. Sein kleiner Arm wurde zwischen Fahrzeugdach und Fahrbahn eingequetscht. Dina hält sich eine Hand vor den Mund. Blutend schreit der Junge nach seiner Mutter, doch von der ist keine Reaktion mehr möglich. Ihre Überreste liegen über mehrere Meter verstreut. Schnell eilen Polizisten herbei. Gemeinsam können sie den Wagen ein Stück anheben und der Kleine bekommt den Arm nun doch frei. Die ersten Hilfskräfte treffen ein. Rettungshubschrauber landen neben der Autobahn. Auch die Feuerwehr trifft ein. Unzählige Einsatzfahrzeuge verteilen sich an die unendlichen Einsatzorte auf der Autobahn, so wie auch rechts und links neben der Fahrbahn, wo zum Teil noch in vierzig Metern Entfernung zur Autobahn Fahrzeuge zu finden sind. Den Helfern bietet sich ein noch nie dagewesenes Bild. Die Feuerwehrleute wischen sich einmal die Stirn ab. Doch um zu realisieren, was hier geschehen ist, bleibt keine Zeit. Schnell beginnen sie mit ihrer Arbeit. Die Autobahn wird nun über eine Länge von zehn Kilometern voll gesperrt. Geschockt und etwas wackelig auf ihren Beinen geht Dina ein paar Schritte weiter und kommt zu einer Frau, die auf der Straße hockt. Ihr Blick richtet sich auf einen auf der Straße liegenden Kindersitz. Nur die Rückseite des Sitzes ist zu sehen. Unter dem Sitz ragt ein kleiner Kinderarm hervor. In der Hand, ein kleiner Teddy. Doch die Kraft, den Teddy zu halten wurde dem Kind brutal genommen. Zuviel für Dina. Sie bricht zusammen und weint. Mark kommt angerannt, packt seine Frau und nimmt sie auf seine Arme. Dina klammert sich wimmernd an ihn fest.

„Was haben wir getan? Was haben wir da bloß getan?”, sagt sie unter Tränen winselnd .

Mark versucht seine Frau zu beruhigen: „Wir haben gar nichts getan. Beruhig dich, mein Engel. Wir haben nichts getan.”

Doch! Das haben wir getan!“, weint sie weiter. „Sieh dich doch mal um. Das waren wir, das haben wir getan.“

„Nein, sei ruhig jetzt“, schimpft Mark. Er meint es nicht böse und möchte nur ihre Selbstvorwürfe stoppen. Behutsam trägt er sie zu seinem Wagen, wo Doc bereits die Hintertür geöffnet hat. Vorsichtig legt Mark sie wieder auf die Rückbank und schließt die Tür.

„Sie ist ganz schön fertig oder Mark?”, fragt Doc.

„Ja, das ist alles ein bisschen viel, mein Gott. Doc, was passiert denn hier?”, antwortet Mark die Autobahn heruntersehend.

„Ich habe keine Ahnung”, sagt Doc in die gleiche Richtung starrend. Fast eine ganze Stunde verbleiben sie auf der Autobahn. Es wird nach der Unruhestifterin gesucht, doch es fehlt jede Spur. Nach einigen Metern verlaufen die Abdrücke der Hufe ins Leere.

Das Militär hat auf Grund der Ereignisse eine Sonderzentrale zusammengestellt. Mark und Doc konnten die Rettungskräfte tatkräftig unterstützen, bis ein Polizist an Mark heran tritt: „Dr. Marino, es gibt eine Sonderzentrale. Sie möchten bitte daran teilnehmen. Sie drei!”

„Ok, wo müssen wir hin?”, fragt Mark. Der Polizist übergibt Mark die Koordinaten. Die beiden steigen zu Dina in den Wagen. Ein kurzer Blick auf die Rückbank zu seiner Frau, dann fahren sie los. Dieses Ereignis ist wahrlich ein Grund für eine Sonderzentrale. Doch war das hier heute nichts zum dem, was in den nächsten Tagen folgen sollte …

Der Fluch ist erwacht!

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