Читать книгу Eisejuaz - Sara Gallardo - Страница 4
Die Arbeiten
ОглавлениеZu Cándido Pérez hab ich gesagt:
»Weißt du was von einer Arbeit?«
Er fegt den Platz, steckt die Hand in die Brunnen, holt die Blätter heraus.
»Ich such eine Arbeit.«
»›Mir essen nichts – wie sollen mir da arbeiten?‹, wie unser Doktor immer sagt. Mir essen nichts, keiner hat Kraft.«
»Ich such eine Arbeit.«
»Im Sägewerk, geht’s da nicht wieder?«
»Die haben schon einen Neuen für die Maschine. Da ist kein Platz mehr für mich.«
»Dein Chef im Sägewerk hat dich gemocht.«
»Da ist kein Platz mehr für mich.«
»Mir essen nichts, Mann. Warum heiratest du nicht meine Tochter?«
»Ich kann doch nicht heiraten, wegen dem Herrgott, du weißt schon, warum. Deine Tochter ist gut und stark und hübsch. Aber ich kann nicht heiraten, Mann.«
»Du kannst nicht heiraten. Aber du heiratest doch einen Weißen, der ist krank und schlecht und verdorben. Unsere Leute sind böse. Für ihn arbeitest du. Und mir essen nicht, arbeiten nicht, sind alle krank.«
Da hab ich zum Herrn gesagt: ›Lass nicht zu, dass das Blut mir ins Herz steigt. Und lass nicht zu, dass ich es mir anders überlege.‹
Zu Cándido Pérez hab ich gesagt:
»Dann geh ich jetzt angeln.«
»Die Armen dürfen nicht angeln, weißt du das nicht? Der Fluss, der hat jetzt Besitzer.«
»Ich geh jetzt angeln. Adiós.«
Wie man im Bermejo angelt, das weiß ich. Der Bermejo ist der Bruder vom Pilcomayo, und er ist ein verräterischer Fluss. Er hat Leute und Tiere fortgerissen, er hat Angler und Schwimmer aus Salta fortgerissen, einen Zug hat er fortgerissen. Ich weiß, wo man angelt. Ich kann mit der Rute umgehen und mit dem Netz und mit der Hand und mit der Schnur. Nachts geht’s besser als am Tag.
Dort wartet der große Lachssalmler auf mich. Ich hab ihn rausgeholt. Fünf Stunden hab ich gewartet, die Sonne ist auf- und untergegangen, und ich hab ihn rausgeholt. Ich leg ihn in die Karre, um ihn zu verkaufen.
»He«, sagt der dicke Zahnarzt, »wie viel willst du dafür?«
»Zweihundert Pesos, Señor.«
»Zweihundert Pesos – komm her, ich gebe dir hundert.«
»Nein, Señor.«
Da sagen die von der Eisenbahn:
»Wie viel willst du dafür?«
»Zweihundert.«
»Hübsches Tierchen. Da, nimm.«
»Danke, Señor.«
Der Zahnarzt hat immer zu viel gegessen. Er ist weg und hat wieder gegessen. Essen und Trinken, alles durcheinander. Als er nach Hause kam, ist er gestorben. Seine Frau wollte schlafen, da hat sie ihn gefunden, er war tot, und sie hat geschrien. Die Frau war eine von den Türken, von den Reichen. Und sie hat geschrien: »Wer gibt ihn mir jetzt zurück?«
In der brüllenden Hitze haben sie ihn zu Grabe getragen. Der Bruder von der Frau ist auf dem Weg gestorben, im schwarzen Anzug in der brüllenden Hitze.
Doña Eulalia lässt mir ausrichten: »Ich brauch dich für eine Arbeit im Hotel.«
Im Hotel haben sie eine Drossel aus Santa Cruz in Bolivien, die pfeift mehr als alle Vögel von hier zusammen, sie ist mit dem Teufel befreundet. Und vom Pfeifen kriegt sie niemals genug.
»Lisandro, was kommst du so spät, mein Sohn?«
Schon vor Sonnenaufgang hab ich mich auf den Weg gemacht.
»Lisandro, es ist zehn, was kommst du so spät? Schlitzohren seid ihr, mein Sohn, alle die reinsten Gauner. Du nicht, aber die anderen schon. Weißt du etwas von Benigno?«
»Nichts weiß ich, nein, Señora.«
»Er sagt, er ist krank. Ob das stimmt? Was sagst du, Lisandro?«
»Krank wird er sein.«
»Du wirst doch wissen, ob’s stimmt.«
»Mir essen nichts – da werden mir krank.«
»Wir essen nichts, mein Sohn. Ihr esst nichts, weil ihr bloß trinkt. Und davon werdet ihr krank. Aber ins Krankenhaus wollt ihr dann nicht. Schon seit einer Woche kommt Benigno nicht mehr. Ich bin alt und hinfällig, kann nicht mehr gut sehen, aber an mich, ja, an mich denkt keiner. Keiner macht mir die Käfige sauber, keiner gibt den Tieren frisches Futter. Die Zunge klebt mir am Gaumen. Ich spreche mit dir, aber ich kann dich nicht sehen. Mein Mund ist wie Watte. Wasser darf ich keins trinken, dick werde ich davon. Elf Tabletten nehme ich am Tag, alles für meine Gesundheit. Ich spreche mit dir, aber ich kann dich nicht sehen. Ich kenne dich, weil du so groß bist, mein Sohn. Aber sterben will ich nicht, tja. Wieso gefällt mir das Leben denn noch, warum? Eine Woche schon kommt er nicht mehr, der Benigno, und die Hühner und der Stall und die Küken, die Pflanzen – ich brauch dich, Lisandro, du bist immer ein guter Helfer gewesen.«
»Gut, Señora.«
»Ich weiß, was du denkst: ein starker Kerl wie ich – in den Hühnerstall? Mit den zwei Armen und dieser Stierbrust und diesem Ochsennacken? Der heilige Josef soll dich Geduld lehren und der heilige Antonius Ergebenheit. Bei den Norwegern ist es dir nicht gut ergangen, was da passiert ist, hab ich niemals gefragt. Und ich frag es auch jetzt nicht, irgendwann wirst du es ja doch noch erzählen, ich dränge dich nicht. Ich hab damals gesagt, geh doch zu den Franziskanern. Aber ihr: zu den Norwegern, den Engländern, den Ketzern. Sag bloß nicht, du gehst jetzt zu den Engländern.«
Guten Tag, krächzt die Drossel, hallo, krächzt der Vogel, lauter als alle Vögel von hier zusammen. Guten Tag, sonst nichts, hallo, sonst nichts, guten Tag.
»Deine Frau war gut, aber eure Mädchen sind feurig. Sie machen im Hotel hier sauber, und die Herren Reisenden, du verstehst … Lebst du jetzt mit einer Frau zusammen? Hast du denn wieder geheiratet? Die Herren haben ihre Bedürfnisse, da mische ich mich nicht ein, aber eure Mädchen sind zu allem bereit, mein Sohn. Du weißt ja, wie es mit Clorinda war, immer ist sie auf dem Stuhl eingeschlafen. Wo der Mais ist, das weißt du, mein Sohn. Mach die Tüte ganz voll, na los. Sieh dir die Hühner an, wie lang wohl haben die nichts gefressen? Warum kann ich nicht wieder jung sein? Dann würde es hier nicht so zugehen. Im Sitzen ist sie jedes Mal eingenickt, während sie ihren Sohn gestillt hat. Mit ihrer großen Brust hat sie ihn erstickt, aber sie hat es nicht mal gemerkt. Weißt du noch, was die Clorinda für riesige Brüste gehabt hat? Ihre Kleinen hat sie erstickt, und sie hat nicht gemerkt, ob sie trinken oder nicht, sie ist einfach nur eingeschlafen. Sieh mich nicht so böse an, mein Sohn. Was ich sage, ist wahr. Zwei Kleine hat sie so sterben lassen. Verhungert sind sie. Unterernährung, hat der Arzt mir gesagt. Beim Dritten hab ich gesagt: Jetzt ist Schluss! Schön braun war der, hatte blaue Augen. Irgend so ein Reisender … Die Herren haben ihre Bedürfnisse, da muss ich ein Auge zudrücken, sie zahlen für das Zimmer, und da haben sie nun mal auch das Sagen, du verstehst schon, mein Sohn. Dir kann ich so was ja erzählen. Schluss, hab ich gesagt, und da haben ihn reiche Leute aus Rosario zu sich genommen – heute ist er zehn, hat ein Auto mit Chauffeur, und all das ganz für sich allein. Ich tue gern Gutes, warum, weiß ich selbst nicht, ich bin einfach so, du kennst mich, mein Sohn. Sieh mal, der Rosenstock, ist das nicht schrecklich? Hast du nicht wieder geheiratet? Warum nicht, Lisandro? Du bist groß und stark. Du musst heiraten. Wie willst du denn leben? Männer sind anders als Frauen. Eine Alte wie ich, die kann allein leben, als Witwe. Aber ein Mann so wie du, mein Sohn, der braucht eine Frau. Eine gute junge Frau, du verstehst schon. Die anderen sagen, du bist wieder ein richtiger Waldmensch geworden. Wie kommt’s? Haben die Gringos dich so was gelehrt? Sag bloß … Ich hab damals gesagt: Geh zu den Franziskanern. Haben die Gringos dich so was gelehrt? Bringen die einem so etwas bei?«
›Lass nicht zu, dass das Blut mir ins Herz steigt‹, hab ich da zum Herrn gesagt. »Guten Tag, hallo, guten Tag.« Teufelsdrossel aus Santa Cruz! Über drei Höfe hinweg hört man sie.
»Clorinda, die arbeitet jetzt als Perle. Sie ist in Salta und hütet die Kinder von meinen Verwandten. Und das mit dem Schlafen im Sitzen, das ist jetzt vorbei.«
»Mir essen nichts – da arbeiten mir nicht gut, da sind mir zu schwach.«
»Geh in die Küche, mein Sohn, lass dir was zu essen geben. Und dann werden die Käfige saubergemacht.«
»Ich hab schon gegessen.«
In der Küche vom Hotel hat der Herr zu mir gesprochen, damals beim Gläserspülen. Auf einmal ist er in dem Strudel erschienen. Jetzt spricht er nicht mehr zu mir. Er spricht nicht zu mir, und er sieht mich nicht an. Er spricht nicht zu mir, und er schickt keine Boten.