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Die Kollegen auf der Betriebsfeier

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1.


»Ich wünsch dir viel Spaß«, sagte er und gab ihr einen Kuss. Sie trug über der schwarzen Hose dieses tief ausgeschnittene weiße Oberteil, das er so an ihr liebte. Diesmal jedoch nicht für ihn, sondern für ihre Kollegen.

»Warte nicht auf mich«, antwortete sie und ging zur Tür. Über ihrem Arm trug sie eine dünne Jacke. Sie ging auf das Sommerfest ihres Betriebs. Jenny arbeitete als Assistentin des Geschäftsführers eines mittelständischen Unternehmens, das als Zulieferer für die Automobilindustrie mit Luftfiltern und anderen Bauteilen viel Geld verdiente. Jenny war 31 und Tim war ein bisschen stolz darauf, dass man ihr weder das Alter, noch das Kind ansah. Er zeigte sich gerne mit ihr. Manchmal kam er sich vor wie der Rodeoreiter, der ein wildes Pferd gezähmt hatte. Er kannte ihre Vorgeschichte, wusste, dass sie sich in vielen Betten ausgetobt hatte. Aber sie war bei ihm geblieben, hatte sich in seinen Stall gestellt und ließ sich ab und zu von ihm reiten, auch wenn es, was er zugeben musste, seit Mariellas Geburt etwas weniger geworden war.

Er sah ihr nach, wie sie ins Treppenhaus verschwand, ihm noch einen Kussmund zuwarf. Aus der Hosentasche ragte ihr Handy. Schon so oft hatte er sie darum gebeten, es tiefer in die Hose zu stecken, doch sie hatte gemeint, die Hosentasche sei zu kurz. Und in die Handtasche wollte sie es nicht legen, weil sie es dort nicht fand. Und dass sie das Handy in der Hosentasche trug, habe nichts damit zu tun, dass sie aus Versehen häufiger mal die zuletzt gewählte Nummer anrief, das läge daran, dass sie keinen Sicherheitspin eigenstellt hatte, weil sie den immer vergaß. Tim hatte es aufgegeben, mit ihr zu diskutieren. Das half nie bei Jenny.

Tim hörte ihre leichten Schritte im Treppenhaus, und bevor er der Versuchung nachgeben konnte, einen letzten Blick durch das Fenster auf die Straße zu werfen, rief seine Tochter nach ihm.

Wie sehr Jenny noch ihre Vergangenheit nachhing, machte Tim auch daran fest, dass sie noch immer kein Facebook-Konto hatte, damit keiner ihrer verflossenen Liebhaber die Gelegenheit bekam, sie zu kontaktieren und private Details aus ihrem neuen Leben zu erfahren. Ihrem besseren Leben, dem Leben mit Tim, einer Tochter und einer gemeinsamen Wohnung zu einer Miete, die sie sich gerade so leisten konnten.

Niemand sollte sie durch Nachrichten und Fotos an die Zeit erinnern, so interpretierte Tim ihre Weigerung, in der sie sich ausprobiert hatte. Sich und ihre Wirkung auf Männer. Die Zeit, bevor er sie gezähmt hatte. Mit allen Konsequenzen.


2.


Sie rief um zehn an, ein bisschen betrunken, so schien es. Tim hatte es sich auf der Couch gemütlich gemacht, nachdem er Mariella ins Bett gebracht, ihr eine Gesichte vorgelesen und das Licht ausgemacht hatte.

»Ich bleib noch ein bisschen, okay?«, nuschelte Jenny und im Hintergrund konnte Tim hören, wie Männer lachten und sein Magen zog sich zusammen. Musik wummerte. Wieder Männerstimmen. Waren diese Partys nicht immer berüchtigt für Grenzüberschreitungen? Tim vertraute seiner Frau, weil es das Einzige war, das ihm blieb. Sie war doch über solche Momente hinweg, oder? Schwach werden. Was bedeutete das schon, wenn man verheiratet war und Kinder hatte? Tim war nie schwach geworden in all den Jahren.

»Alles gut«, sagte er. »Mariella schläft.«

Er hörte ein Rauschen, dann ein Kichern, wieder Rauchen, als ob sich etwas auf das Mikrofon legte. »Was sagst du?«, nuschelte sie ins Telefon.

»Nichts, alles gut.«

»Also, bis später.«

Die Verbindung brach ab. Tim ließ das Handy sinken. Den Rest des Abends zappte er ziellos durch das Fernsehprogramm und versuchte, den Gedanken an die Party zu verdrängen. Wen kannte er? Die Mechaniker? Die Buchhaltung? Keinen wirklich richtig. Aber er wusste, dass unter den vielen Mitarbeitern viele Typen waren, die dem Prototyp des Machos entsprachen, Arbeiter mit Migrationshintergrund, die ihre kurzen schwarzen Haare mit viel Gel pflegten und ihren Dreitagebart als dünnen Rand am Kinn stehen ließen.

Typen, die Frauen hinterherpfiffen. Typen wie die, mit denen Jenny zusammengewesen war, bevor sie Tim geheiratet hatte.

Aber jetzt war sie erwachsen geworden, reifer, verantwortungsbewusster. Nie würde sie so nachlässig mit seinen Gefühlen umgehen, nie würde sie den Vater ihrer Kinder vergessen, auch nicht nach zu viel Alkohol. Und bestimmt war sie mit ihrer Freundin zusammen, Sara oder so, die im Marketing arbeitete. Sie waren schon häufiger alleine weggegangen, ins Kino oder in die Kneipe, auf Konzerte oder sogar einmal ein Wochenende in ein Wellnesshotel zwei Autostunden entfernt.

Was sie denn so machen würden, hatte Tim einmal gefragt, und Jenny hatte beiläufig erwidert, sie täten das, was Frauen halt so machten, wenn sie alleine waren. Lachen, Trinken und es sich gut gehen lassen. Jenny hatte ihn geküsst und ihm dann im Bett alle Wünsche erfüllt.

So war sie, seine Jenny.


3.


Als das Handy klingelte, war Tim gerade vor dem Fernseher eingeschlafen. Es lief irgendeine seltsame Serie über Vampire oder andere Untote. Nichts, was er nicht schon einmal gesehen hatte. Am Ende wiederholte sich alles.

Das Display zeigte die Uhrzeit (es war kurz nach Mitternacht) und Jennys Nummer, und als er abhob, erwartete er, dass sie irgendwo im Taxi saß und ihn darüber informierte, sie käme in zehn Minuten.

Doch als er den Anruf annahm und ein leises »Hallo« ins Mikrofon hauchte, hörte er erst einmal nur Rauschen, dann Rascheln. Er sagte noch einmal »Hallo«. Als noch immer keine Antwort kam, wusste er, dass das Telefon wieder aus Versehen die zuletzt gewählte Nummer angerufen hatte. Wenn man den kleinen Riegel auf dem Display von links nach rechts schob, kam man sofort auf den Starbildschirm. Und dann reichte eine Berührung mit einem Taschentuch oder dem Schlüssel oder einer in die Hosentasche gesteckten Hand.

»Hallo«, sagte Tim ein letztes Mal. Vielleicht saß sie im Taxi, und beim Einsteigen hatte sich die Tastensperre gelöst, doch dann identifizierte er im Hintergrund mehrere Stimmen. Nach einem erneuten Rascheln verstand er plötzlich, dass seine Frau die Party noch gar nicht verlassen hatte.

»Vorsicht, da ist mein Handy drin«, hörte er sie sagen, entfernt nur, doch klar verständlich. Und dann folgte etwas, das sich anhörte wie ein Kichern, gefolgt von: »Muss ich den Rest auch ausziehen?«

Lachen. Fetzen von Musik. Entfernte Männerstimmen. Wie viele waren es? Drei? Vier. Noch einmal wollte Tim ins Telefon rufen und seine Frau darauf hinweisen, dass sie ihn, die zuletzt gewähnte Nummer, angerufen hatte. Aus Versehen. Anders konnte er es sich nicht erklären. War ihre kleine Handtasche heruntergefallen? Oder war das Handy aus ihrer Hosentasche geglitten?

Seine Handflächen wurden feucht. Gab es noch einen Programmpunkt auf dieser Feier?

Die Stimmen am anderen Ende der Leitung wurden unverständlich, mischten sich mit Lachen und Knarren. Vielleicht ist sie in der Garderobe, dachte Tim, und hat sich die Jacke reichen lassen. Gab es da überhaupt eine Garderobe? Wo feierten sie eigentlich? In einem Hotel, oder besser, im Biergarten eines Hotels, und natürlich gab es dort eine Garderobe.

Ein geschrienes »Oh, ja«, drang plötzlich so laut aus dem Telefon, dass Tim Angst bekam, die Kleine könnten davon aufwachen. Tim spürte das Drücken im Magen und die Spannung im Schritt. Das klang nicht nach der Reaktion auf die Frage, ob sie sich gemeinsam ein Taxi nehmen sollten. Jemand zischte einen Befehl, und das klang verdammt nach Jenny.

Ein regelmäßiges Klatschen schälte sich durch das Hintergrundrauschen, und dazu Knarren, Quietschen, ebenso regelmäßig und wiederkehrend. Stöhnen. Flüstern. Fluchen. Schreien. Wieder Stöhnen. Metallisches Quietschen. Dumpfes Knarren. Im schnellen Takt.

Tim schloss die Augen. Sein Herz trommelte in seiner Brust.

Er presste das Telefon an sein Ohr. Das nächste Flüstern war unverständlich, aber er hörte wieder dieses metallische Quietschen und leises Stöhnen, beinahe Wimmern und dann die beinahe schrill hervorgebrachte Frage: »Seid ihr etwa beide drin?«

Das Lachen der Männer war dreckig und heiser. Und statt einer Antwort kam erneut dieses gleichmäßiges Stoßen, das Klatschen und tiefes Brummen, wie das Grunzen eines Ebers, und dann hörte man wieder nur Knarren, Klatschen von Haut auf Haut, ein hohes, ersticktes Stöhnen, das in einem schrillen Schrei mündete. Taten sie ihr etwa weh? War das der Moment, in dem er die Polizei rufen musste? Tims Herz schlug bis zum Hals. Sekunden später hörte er sie wieder kreischen: »Verdammt, nicht aufhören, nicht jetzt, steck ihn wieder rein.«

Stöhnen. Flüstern. Fluchen. Schreien. Wieder Stöhnen. Metallisches Quietschen. Dumpfes Knarren. Im immer schnelleren Takt. Der gepresste Schrei seiner Frau brach in der Mitte ab, denn plötzlich klickte es in der Leitung und die Verbindung wurde beendet.


4.


Nach Anbruch der Dämmerung, als der Morgen graute und die Vögel draußen bereits laut wurden, hörte er die Tür gehen. Sein Schlaf war oberflächlich gewesen, unruhig, voller dumpfer Gedanken. Wo war sie? Ging es ihr gut? Was auch immer seine Frau getrieben hatte, er würde sie immer lieben, die Mutter seiner Tochter. Tim ertappte sich bei der Frage danach, wie viele paar Füße man im Flur hören konnte und ob er gleich die Federn des Sofas quietschen hören würde, rhythmisch und dann schneller werdend, begleitet vom stakkatohaften Stöhnen seiner Frau, doch während er die letzten Traumfäden abstreifte, hörte er sie ins Badezimmer gehen.

Martin schwang die Beine aus dem Bett. Sie stand am Waschbecken. Ihre Haare waren unordentlich, ihr Lippenstift verwischt. Sie sah ihn müde an.

»Wie war die Feier?«, fragte er.

»War okay«, sagte sie und wandte den Blick ab. Sie stöhnte, als sei sie einen Marathon gelaufen. »Ich komme gleich ins Bett. Ich muss erst einmal duschen.«

»Warum hast du nicht angerufen, dass du später kommst?«

»Wollte ich.« Sie schob den transparenten Duschvorhang zur Seite, beugte sich über den Rad der Wanne und stellte das Wasser an. »Aber mein Akku war alle.«

Martin betrachtete ihren festen, beeindruckend perfekten Hintern. Seid ihr etwa beide drin, hörte er sie in seinem Kopf sagen. Verdammt. Er konnte von Glück reden, dass er mit einer solch attraktiven und begehrten Frau verheiratet war.


Lust auf fremde Haut

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