Читать книгу Eine chaotische Familie - Sarah Glicker - Страница 5
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Оглавление„Wo sind wir?“, erkundigt sich Leon verschlafen, als er einige Stunden später auf seinem Sitz im Auto aufwacht.
Müde reibt er sich über das Gesicht. Erst als die Müdigkeit verschwunden ist, wirft er einen Blick auf seine Umgebung und bemerkt, dass die Sonne bereits scheint. Dann erkennt er die Berge und engen Straßen, durch die sie in Schlangenlinien fahren.
Gähnend richtet er sich noch ein Stück auf, um mehr erkennen zu können, allerdings ist da nichts, was man noch sehen könnte. Um ihn herum sind nur Wälder und Berge.
„Wir sind vor wenigen Minuten über die Grenze nach Österreich gefahren“, erklärt sein Vater, während er langsamer wird und sich auf der rechten Spur einordnet.
Andreas hält auf eine kleine Tankstelle zu, die sich am Straßenrand befindet und hält den Wagen neben einer Tanksäule an. Langsam werden auch Lina und Lucas wach und sehen sich um.
„Alle aussteigen! Jetzt geht es erstmal auf die Toilette und dann werden wir etwas essen“, verkündet Simone so laut, dass Lina erschrocken zusammenzuckt.
Kaum hat sie ausgesprochen, hat sie bereits das Auto verlassen und die Tür hinter sich geschlossen. Mit großen Schritten geht nach hinten, um die Türen zu öffnen und ihre Kinder herauszulassen. Langsam treten die Geschwister ins Tageslicht und streckten sich. Sie gehen ein paar Schritte, um ihre Muskeln zu lockern.
„Macht aber bitte nicht zu lange“, fordert Andreas sie auf. Gleichzeitig sieht er jeden streng an und gibt seinem Nachwuchs so zu verstehen, dass er keine Lust hat, sie gleich suchen zu müssen.
„Um uns brauchst du dir keine Sorgen zu machen“, verkündet Leon und sieht dabei in die Richtung seiner Mutter.
Andreas geht jedoch nicht weiter darauf ein, sondern dreht sich zur Tanksäule.
„Bis gleich“, verabschieden sich die Kinder und gehen auf den Laden zu, der sich einige Meter entfernt befindet. Dabei sehen sie sich zu allen Seiten hin um.
Auf den ersten Blick erkennt Leon, dass die Kennzeichen aus unterschiedlichen Ländern stammen. Die Autos stehen Stoßstange an Stoßstange am Straßenrand, während die Besitzer sich in den beiden Restaurants verteilt haben oder ein Stück spazieren gehen.
Sie warten nicht auf ihre Mutter, die sich gerade noch mit ihrem Vater unterhält, sondern betreten den Laden und suchen dort die Toiletten. Als sie wieder herauskommen, steht Simone schon in einer langen Reihe, die sich vor der Kasse befindet.
„Ich hole ein paar Brötchen, die ihr im Auto essen könnt. Wir werden noch ein wenig unterwegs sein, daher wollen wir nicht lange hier bleiben, sondern uns direkt wieder auf den Weg machen“, gibt sie den Dreien zu verstehen.
An den Gesichtern ihrer Kinder kann sie sehen, dass sie nicht sehr glücklich darüber sind. Außerdem können sie ein leises Seufzen nicht für sich behalten.
„Wie lange noch?“, erkundigt sich Lina genervt. Sie stemmt die Hände in die Hüften und sieht ihre Mutter abwartend an.
„Es kommt drauf an, wie wir durchkommen.“ Simone verzieht ein wenig das Gesicht. Auf diese Weise zeigt sie ihrem Nachwuchs, dass sie es selber nicht genau einschätzen kann.
„Oh Mann“, grummelt Lucas und verdreht die Augen.
Simone geht nicht näher darauf ein. Stattdessen geht sie einige Schritte nach vorne, sodass es nicht mehr lange dauert, bis sie ihre Bestellung aufgeben kann.
„Wir gehen schon zu Papa“, verkündet Lina. Dabei hört sie sich allerdings nicht begeistert an.
Bevor ihre Mutter etwas dagegen aufbringen kann, sind die Kinder schon wieder verschwunden und bahnen sich einen Weg durch die lange Schlange, die sich hinter ihrer Mutter gebildet hat. Durch das Fenster kann Simone erkennen, dass sie geradewegs auf das Auto zugehen.
„Ich hätte nicht gedacht, dass es so lange dauert, bis wir unser Ziel erreicht haben“, mault Leon, während sie sich dem Auto nähern.
„Damit konnten wir auch nicht rechnen“, stimmt Lina ihm zu.
Luca gibt nur einen genervten Ton von sich.
Als Simone nach einigen Minuten ebenfalls wieder nach draußen kommt, sitzen bereits alle wieder auf ihren Plätzen und warten ungeduldig, damit sie endlich weiter fahren können. Schnell verteilt sie die einzelnen Tüten, ehe sie ebenfalls einsteigt und es weiter gehen kann.
„Ich habe keine gute Vorahnung“, flüstert Andreas vor sich hin, während sie den nächsten Berg hinauf fahren.
Irritiert schaut Simone ihren Mann an. Doch bevor sie ihn fragen kann, was er damit meint, sieht sie schon, worauf er angespielt hat. Direkt vor ihnen befindet sich eine Autoschlange, die mindestens bis zum Fuße des Berges reicht.
„Ich gehe mal davon aus, dass die Leute, die in die andere Richtung fahren recht hatten.“
„Was meinst du damit?“
„An der Tankstelle habe ich gehört, wie sich ein paar darüber unterhalten haben, das es ein wenig dauert, bis man hier durch ist. Daher kann ich euch jetzt schon sagen, dass der Stau nicht hinter der nächsten Kurve vorbei sein wird.“
„Na super. Und was sollen wir machen?“, ertönt die Stimme von Leon.
„Wenn ich das richtig sehe, habt ihr drei Möglichkeiten: Entweder ihr schaut euch die Umgebung an, die wirklich wunderschön ist, spielt mit euren Konsolen, die ihr mitgenommen habt, oder ihr esst und schlaft dann weiter“, zählt Simone die einzelnen Punkte auf. Dabei dreht sie sich nach hinten und sieht jeden einzelnen mit hochgezogenen Augenbrauen an.
An den Gesichtern ihrer Kinder erkennt sie, dass diese gerne noch etwas dazu sagen würden und ihnen diese Worte bereits auf der Zunge liegen. Doch das machen sie nicht. Stattdessen geben sie nur ein Seufzen von sich und schauen aus den Fenstern. Dafür stützen sie ihr Kinn auf den Handflächen ab und machen den Eindruck, als würde es bereits seit Tagen regnen.
Wie Andreas es hervor gesagt hat, kommen sie nur langsam voran. Wie sich herausstellt ist es so, dass der Stau sich wirklich durch die ganze Berglandschaft zieht. Hinter einer engen Kurve wird es kurz besser, allerdings dauert es nur wenige Meter, bis sie wieder nicht vorankommen.
Nachdem sie den nächsten Berg hinauf gefahren sind, befinden sie sich so dicht am rechten Abgrund, dass nur noch wenige Zentimeter Platz ist.
Erleichtert atmen sie auf, als sie nach einer Ewigkeit endlich wieder die Autobahn erreichen und freie Fahrt haben. Diese Erleichterung währt allerdings nicht lange. Kaum haben sie die Grenze nach Italien erreicht, stehen sie erneut im Stau.
„Das darf doch nicht wahr sein“, seufzt Leon.
„So kommen wir nie an“, gibt Lina ihm recht.
„Ich bin mir sicher, dass es schnell gehen wird“, gibt Simone zurück.
Sie wirft einen kurzen, aber dennoch hoffnungsvollen, Blick in die Richtung ihres Mannes, bevor sie sich wieder nach vorne dreht.
Wie sich bald herausstellt, dauert es wirklich nur einige Minuten, bis sie die erste Mautstelle passiert haben und über den Brenner fahren können. Doch kaum haben sie die andere Seite erreicht, macht sich erneut Ernüchterung in ihnen breit.
Von dort an stehen sie vor jeder Mautstelle im Stau. Wobei man dies nicht einmal mehr als einen Stau bezeichnen kann. Im vorderen Bereich gibt es eine Schlange. Doch bevor die Autos sich einreihen können, stehen sie einfach nur auf einem Haufen. Und auch auf der Autobahn bildet sich immer wieder einer, sodass sie nur langsam vorankommen.
„Ich hoffe, dass wir es heute überhaupt noch schaffen“, brummt Andreas und zeigt so, dass er überhaupt nicht begeistert davon ist.
Immer wieder wandert sein Blick zur Uhr, die sich auf dem Display des Autos befindet, um die Zeit zu kontrollieren, die sie noch haben, bis sie angekommen sein müssen.
Es dauert weitere drei lange Stunden, bis sie ihr Ziel erreicht haben und endlich auf dem Parkplatz vor der Anmeldung stehen bleiben.