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Ich versteh` es einfach nicht

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Tja, mein Vorstellungsgespräch für meinen Expatriate-Job war ja noch auf Hochdeutsch. Wie auch das Telefonat vorher, das zu dem persönlichen Vorstellungstermin führte. Also so, dass man alles und vor allem sich gegenseitig verstehen konnte. Ich habe mich zwei Schweizer Teamleitern des Unternehmens vorgestellt – und der eine hat mich dann in sein Team genommen. Der andere hätte mich zwar auch gerne gehabt – aber bei dem einen war der Bedarf wohl dringender.

Mein Pech, muss ich im Nachhinein sagen. Mit dem anderen wäre ich wahrscheinlich besser ausgekommen. Denn der eine mochte mich irgendwie nicht. Oder er mochte Expatriats generell nicht: Sein gesamtes Team bestand nur aus ausländischen Expatriats – er war der einzige Interne. Und nur darum wahrscheinlich der Teamleiter.

Nach der Zusage durch das Unternehmen einigte man sich auf den Tag des Arbeitsstarts: Der war dann schon am nächsten Montag. Da zeigte mein „neuer Chef“ mir dann das Wesentlichste des neuen Arbeitsinhaltes, die Tools, mit denen gearbeitet wurde etc. Und erklärte noch auf Hochdeutsch. Das war dann aber auch das Ende der „Schonzeit“. Er meinte dann: „Und ansonsten rede ich so, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Wenn Du etwas nicht verstehst, musst Du halt fragen.“

Und der kam aus einer ländlichen Gegend – nicht Stadt Zürich oder so. Sein Dialekt war - naja: speziell…

Zum Glück haben in dem Unternehmen viele ausländische Expatriates gearbeitet, und auch viele der internen Mitarbeiter waren keine Schweizer oder hatten ausländische Heimatwurzeln. Zudem hat das Unternehmen mit der spanischen Unternehmensschwester zusammengearbeitet. So waren viele spanische Mitarbeiter für ein oder zwei Jahre in die Schweiz entsandt. Und all die konnten natürlich auch kein oder wenig Schweizerdeutsch, so dass man schon auch auf Hochdeutsch oder Englisch kommunizieren musste, damit man einander verstand. Gott sei Dank – das machte mir das „Überleben“ möglich.

Doch mir war klar, dass das kein Dauerzustand sein konnte und ich so schnell wie möglich Schweizerdeutsch verstehen lernen musste. Sprechen nicht unbedingt: da hatte ich verschiedene Aussagen zu. Oft wurde gesagt, dass die Schweizer Leute das eher als Nachahmen, als Verspotten, als lächerlich machen empfinden, und nicht positiv - als Bemühung um Anpassung - werten. Also entschied ich mich, auf das Sprechenlernen zu verzichten. Es sollte ja schon authentisch sein. Ausserdem wäre ich mir selber blöd vorgekommen: mir war ja klar, dass ich niemals so reden würde, wie jemand, der in der Schweiz geboren und aufgewachsen ist.

Was macht man also, wenn man die Sprache verstehen lernen will, die Arbeitskollegen aber überwiegend auch Expatriates sind und die Schweizer Arbeitskollegen sicher kein Interesse daran haben, einem das Verstehen des Schweizerdeutschen näherzubringen ?

Man hört viel Radio… Zumindest habe ich das gemacht: Ich hatte kein TV da, wo ich untergebracht war. Und Mobiltelefone waren noch nicht so verbreitet wie heute – heutzutage würde man da wahrscheinlich eine App zu Rate ziehen. Oder auf YouTube auf die Suche gehen. Oder so.

Aber das mit dem Radio hatte immerhin den Vorteil, dass ich verschiedene lokale Schweizer Dialekte hören konnte. Am wichtigsten war natürlich das Idiom der Gegend, in der ich gerade war.

Und so habe ich dann also den Grundstock des Verstehens der Schweizer Sprache gelegt.

Was auch hilft, ist, am Anfang in verschiedenen Regionen der Schweiz zu arbeiten. In meinem Falle: in verschiedenen Regionen in der Deutschschweiz. Französisch oder Italienisch konnte ich ja eh` nicht – in die Romandie oder das Tessin habe ich mich also gar nicht getraut…

Im alltäglichen Leben war das Erlernen der Dialekte sowieso schwierig: Sobald ein Schweizer, mit dem man sich unterhielt, ein Antwort in deutscher Sprache bekam, „schaltete“ er (oder sie) automatisch auf Hochdeutsch um. Ganz ohne willentliche Entscheidung – einfach automatisch. Auch, wenn ich extra sagte „Ach, bitte sprechen Sie doch weiter Schweizer Deutsch. Das hilft mir, es verstehen zu lernen“.

Keine Chance – spätestens zwei Antworten weiter war der Schweizer Gesprächspartner (oder die Gesprächspartnerin) wieder beim Hochdeutsch.

Aus meiner Sicht sind die Spiegelneuronen bei der Schweizer Bevölkerung ein bisschen stärker ausgeprägt als bei vielen anderen Nationen. Das ist - so denke ich – die Ursache des „automatischen“ Umschaltens.

Und damals war es wohl auch ein Zeichen von Höflichkeit, eben nicht Schweizerdeutsch zu sprechen, wenn man merkte, dass der Gesprächspartner es nicht kann.

Das ist heutzutage deutlich anders: Inzwischen wird Schweizerdeutsch von Schweizer Seite auch ganz bewusst als sprachliche Waffe gegen die ungeliebten Ausländer eingesetzt. Frei nach dem Motto: „Vielleicht versteht er/sie es nicht – und so werden wir ihn/sie dann los, vertreiben ihn/sie aus der Schweiz.“

Aber naja: Inzwischen verstehe ich es ja…

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